Entscheidungsdatum
09.04.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W167 2239761-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Daria MACA-DAASE als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen, Niederösterreich, vom XXXX , betreffend die Feststellung der Pflichtversicherung in der Kranken-, Pensions- und Unfallversicherung, zu Recht erkannt:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer für den Zeitraum XXXX aufgrund seiner Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach § 2 Absatz 1 Z 4 GSVG idgF sowie der Unfallversicherung nach § 8 Absatz 1 Z 3 lit a ASVG idgF unterlag.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG sowie der Unfallversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 3 lit. a ASVG unterliegt.
Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe in der eingereichten Versicherungserklärung angegeben, dass er seit XXXX als Aufsichtsratsvorsitzender selbständig erwerbstätig sei und mit seinen Einkünften die in Betracht kommende Versicherungsgrenze für das 2021 überschreite.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachte insbesondere vor, dass er sich seit dem XXXX in Pension befinde.
3. Der Beschwerdeakt wurde von der belangten Behörde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
In der Stellungnahme gab die belangte Behörde u.a. an, dass im Zusammenhang mit dem Alter des Versicherten die Bestimmungen des § 273 Abs. 7 und 8 geschaffen worden seien, beide Ausnahmegründe würden jedoch im vorliegenden Fall nicht zutreffen. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofs (Beschluss vom 30.6.2004, B 869/03, und 28.9.2000, B 864/98) gebe es gegen das Institut der Mehrfachversicherung keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Es müsse in der gesetzlichen Sozialversicherung in Kauf genommen werden, dass es in manchen Fällen, trotz bestehender Pflichtversicherung zu keinem Leistungsanfall kommt. Daher begegne es keinen gleichheitsrechtlichen Bedenken, Pensionisten die eine pensionsversicherungspflichtige Beschäftigung ausüben, weiterhin mit Pensionsversicherungsbeiträgen zu belasten.
4. Dem Beschwerdeführer wurde die Stellungnahme der belangten Behörde übermittelt und die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Durch seine nunmehrige steuerliche Vertretung teilte der Beschwerdeführer mit, dass er die Versicherungserklärung zurückziehe.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer befindet sich seit XXXX in Pension und bezieht eine Eigenpension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung.
Der Beschwerdeführer gab in der Versicherungserklärung für Freiberufler (nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG) vom XXXX an, dass er seit dem XXXX eine selbständige Erwerbstätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender ausübe. Im ausgefüllten Formular hat der Beschwerdeführer auch angegeben, dass seine Einkünfte aus dieser Tätigkeit voraussichtlich die Versicherungsgrenze für das Kalenderjahr 2021 überschreiten werden. Durch diese Versicherungserklärung hat sich der Beschwerdeführer am XXXX zur Pflichtversicherung nach dem GSVG bei der belangten Behörde angemeldet.
Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG sowie der Unfallversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 3 lit. a ASVG unterliegt.
Der Beschwerdeführer erhob am XXXX gegen den Bescheid der belangten Behörde Beschwerde und präzisierte im Wege seiner Vertretung, dass er seine Versicherungserklärung zurückziehe.
2. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakts.
Da es sich um eine reine Rechtsfrage handelt, war keine Verhandlung erforderlich. Eine solche wurde auch vom nunmehr vertretenen Beschwerdeführer nicht beantragt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.1. Maßgebliche Bestimmungen des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes (GSVG):
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG (BGBl. Nr. 560/1978 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 162/2015) sind auf Grund dieses Bundesgesetzes, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen pflichtversichert: selbständig erwerbstätige Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, erzielen, wenn auf Grund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist. Solange ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid oder ein sonstiger maßgeblicher Einkommensnachweis nicht vorliegt, ist die Pflichtversicherung nur dann festzustellen, wenn der Versicherte erklärt, daß seine Einkünfte aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr die Versicherungsgrenze übersteigen werden. In allen anderen Fällen ist der Eintritt der Pflichtversicherung erst nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides oder eines sonstigen maßgeblichen Einkommensnachweises im Nachhinein festzustellen.
Gemäß § 7 Abs. 4 Z 3 GSVG endet bei den im § 2 Abs. 1 Z 4 genannten Personen die Pflichtversicherung mit dem Letzten des Kalendermonates, in dem der Versicherte erklärt, dass seine Einkünfte entgegen der Erklärung im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 4 zweiter Satz die in Betracht kommende Versicherungsgrenze (§ 4 Abs. 1 Z 5) nicht übersteigen werden.
3.2. Maßgebliche Bestimmung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG)
In der Unfallversicherung sind selbständig Erwerbstätige, die in der Kranken- oder Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG pflichtversichert sind, versichert (§ 8 Abs. 1 Z 3 lit. a zweiter Spiegelstrich Allgemeines Sozialversicherungsgesetz [ASVG]). Diese Versicherungspflicht beginnt mit dem Tag, an dem die Pflichtversicherung in der Kranken- bzw. Pensionsversicherung nach dem GSVG beginnt (vergleiche § 10 Abs. 2 ASVG).
3.3. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen tritt aufgrund einer Erklärung gemäß § 2 Abs 1 Z 4 GSVG, dass die Versicherungsgrenze überschritten werden wird, eine Versicherungspflicht ein.
Dem Argument des Beschwerdeführers, dass er sich in Pension befinde, ist entgegenzuhalten, dass das Bestehen der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung bei Überschreiten der maßgebenden Versicherungsgrenze bzw. wie im Beschwerdefall durch die Abgabe einer Versicherungserklärung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG gesetzlich vorgesehen ist. Dass der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für einen Ausnahmetatbestand erfüllen würde, ist nicht ersichtlich und wurde vom vertretenen Beschwerdeführer auch nicht geltend gemacht.
Die Unfallversicherung ergibt sich in weiterer Folge aufgrund der Pflichtversicherung in der Kranken-und Pensionsversicherung.
3.4. Im Bescheid ist kein Beginn der Versicherungspflicht angeführt.
Eine für ein bestimmtes Jahr abgegebene Versicherungserklärung iSd § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG hat das unwiderrufliche Eintreten der Versicherung mit der Aufnahme der betrieblichen Tätigkeit oder bei deren Aufrechterhaltung mit dem 1. des betreffenden Kalenderjahres (im vorliegenden Fall ab 1. Jänner 2010) zur Folge (VwGH 5.11.2003, 2000/08/0085; 9.9.2015, Ra 2015/08/0034). (VwGH 09.06.2020, Ra 2020/08/0074)
Der Beschwerdeführer übt die Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender seit XXXX aus.
Daher war seitens des Bundesverwaltungsgerichts im Spruch festzustellen, dass der Versicherungsbeginn im Beschwerdefall der XXXX ist.
3.5. Dass der Widerruf nur für die Zukunft und nicht rückwirkend abgegeben werden kann, ergibt sich aus dem Wortlaut der Bestimmung des § 7 Abs. 4 Z 3 GSVG aber auch aus der Formulierung des VwGH, welcher diesbezüglich ausführt, das § 7 Abs. 4 Z 3 GSVG eine Erklärung erfordert, dass die Versicherungsgrenze künftig nicht überschritten werde (vergleiche VwGH 29.03.2006, 2003/08/0160).
An den Widerruf der Versicherungserklärung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 vorletzter Satz GSVG dürfen allerdings keine überspitzten Anforderungen gestellt werden. Da auch die in § 7 Abs. 4 Z 3 GSVG geforderte Erklärung, dass die Versicherungsgrenze künftig nicht überschritten werde, einer inhaltlichen Überprüfung durch die belangte Behörde nicht unterliegt, reicht auch eine Erklärung aus, nicht mehr versichert sein zu wollen. Ein Rechtsmittel gegen einen Bescheid, welcher die Versicherungspflicht feststellt, ist als solche Willenserklärung anzusehen (vergleiche VwGH 29.03.2006, 2003/08/0160).
Da die Erhebung der Beschwerde somit als Willenserklärung, nicht mehr versichert sein zu wollen, gilt, endete die Pflichtversicherung des Beschwerdeführers in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 7 Abs. 4 Z 3 GSVG und in weiterer Folge in der Unfallversicherung mit XXXX .
3.6. Zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Doppel- und Mehrfachversicherung:
Dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der Beschwerde, dass er sich bereits in Pension befinde, ist entgegenzuhalten, dass nach ständiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofs die österreichische Sozialversicherung vom Grundgedanken getragen wird, dass die Pflichtversicherten in der Sozialversicherung eine Riskengemeinschaft (Solidariätsgemeinschaft) bilden. Bei dieser steht der Versorgungsgedanke im Vordergrund und drängt den Versicherungsgedanken in der Ausprägung der Vertragsversicherung zurück (siehe beispielsweise VfGH vom 18.06.2009, B 111/09).
In der gesetzlichen Sozialversicherung gilt – aufgrund des Hervortretens des Versorgungsgedankens vor dem Versicherungsgedanken – keine Äquivalenz zwischen Beitrag und Leistung. Es muss in der gesetzlichen Sozialversicherung in Kauf genommen werden, dass es in manchen Fällen trotz bestehender Pflichtversicherung zu keinem Leistungsanfall kommt. Es bestehen keine gleichheitswidrigen Bedenken, Pensionisten, die eine pensionsversicherungspflichtige Beschäftigung ausüben, weiterhin mit Pensionsversicherungsbeiträgen zu belasten, mag es auch künftig zu keinem Pensionsanfall kommen (vgl. VfGH 19.06.2001, B 864/98).
3.7. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Versicherungspflicht ergibt sich aus dem klaren Wortlaut der anzuwendenden Rechtsnormen sowie der zitierten Judikatur. Auch hinsichtlich des Beginns der Versicherungspflicht ist keine Revision zulässig. Mit dem zitierten Erkenntnis vom 09.06.2020, Ra 2020/08/0074, hat der VwGH eine außerordentliche Revision zurückgewiesen, welche geltend machte, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, die dahin gehe, dass eine Versicherungserklärung „nur für die Zukunft“ Rechtsfolgen auslösen würde (Rz 6).
Schlagworte
Alterspension Aufsichtsrat Mehrfachversicherung Pflichtversicherung selbstständig Erwerbstätiger Versicherungsgrenze Willenserklärung ZeitraumbezogenheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W167.2239761.1.00Im RIS seit
21.06.2021Zuletzt aktualisiert am
21.06.2021