TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/12 W136 2240337-1

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Veröffentlicht am 12.04.2021
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Entscheidungsdatum

12.04.2021

Norm

BDG 1979 §123
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2 Z1

Spruch


W136 2240337-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch RA Mag. Annamaria LECHTHALER, gegen den Beschluss der Bundesdisziplinarbehörde vom 28.12.2020, GZ 2020.0.651.691, betreffend Einleitung eines Disziplinarverfahrens zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1 Mit dem im Spruch genannten Beschluss leitete die belangte Behörde gemäß § 123 BDG 1979 ein Disziplinarverfahren gegen den Beschwerdeführer (im Folgenden kurz BF) wegen des Verdachtes ein, er sei (Anonymisierung durch das Bundesverwaltungsgericht) am 31.08.2020 gegen 17:48 Uhr am näher genannten Wohnort der Revlnsp XXXX im Dienst aber ohne dienstliche Notwendigkeit mit einem zivilen Dienstkraftfahrzeug vorbeigefahren und habe die Nähe zu Revlnsp XXXX gesucht, obwohl ihm dies aufgrund einer Weisung untersagt war und habe in der Folge versucht, durch eine falsche Eintragung ins Fahrtenbuch sein pflichtwidriges Verhalten zu verschleiern.

Begründend wurde zum Sachverhalt auf die „Vorgeschichte“ gemäß erster Disziplinaranzeige verwiesen, welche auf das Wesentliche zusammengefasst sich wie folgt ergibt (vgl. Einleitungsbeschluss der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres, Senat 4, vom 01.09.2020, GZ BMI-46140/34-DK/4/19-EB, bestätigt durch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.04.2021, GZ W136 2237483-1/3E):

Der BF ging m Laufe des Jahres 2018 mit der ihm unterstellten Mitarbeiterin, Revlnsp XXXX eine außereheliche sexuelle Beziehung ein. Nachdem die Ehefrau des BF einen Verdacht betreffend diese Beziehung erlangt hatte, habe sich diese zunächst am 20.11.2019 an den Dienststellenleiter des BF gewandt und in einem weiteren Gespräch am 29.02.2020 dem Dienststellenleiter mitgeteilt, dass der BF tatsächlich eine Beziehung zu Revlnsp XXXX habe und diese Beziehung nun eskaliere, weil die Kollegin Druck auf ihren Mann ausübe. Nach einem Gespräch des Dienststellenleiters mit dem BF und Revlnsp XXXX brachte Revlnsp XXXX ein Versetzungsgesuch ein und wurde diese mit 01.04.2020 an eine andere PI versetzt. Der BF bekam am 19.03.2020 von seinen Vorgesetzten die Weisung, Kontakte zu Revlnsp XXXX zu unterlassen und wurde dies in der Folge auch schriftlich vereinbart. Gegen diese Weisung habe der Disziplinarbeschuldigte in der Folge mehrfach, wie im Einleitungsbeschluss GZ BMI-46140/34-DK/4/19-EB beschrieben, mehrfach verstoßen.

Am 25.08.2020 sei von GenMjr. XXXX zur bereits bestehenden Weisung die Weisung „jeglichen Kontakt, bzw. jegliche Kontaktaufnahme zu Revlnsp XXXX die keinen dienstlichen Bezug hat und unmittelbare Auswirkungen auf den Dienst hat, zu unterlassen“ erteilt worden. Entgegen dieser Weisung sei der BF am 31.08.2020 mit einem zivilen Dienst-KFZ am Wohnhaus der Revlnsp XXXX in I. vorbeigefahren, obwohl er für diese Fahrt keinen Auftrag gehabt habe und das Wohnhaus der Revlnsp weit abseits jener Straßen liege, welche der BF für eine Botenfahrt von X zur Bezirkshauptmannschaft I. hätte benutzen können.

Diese Handlung sei vom Vater der Revlnsp XXXX persönlich wahrgenommen worden, als dieser beim Joggen war und habe aus nächster Nähe gesehen, wie der BF mit dem o.a. Dienst-KFZ am XXXX ufer an ihm vorbeifuhr und dann, in einer Entfernung von ca. 80 Metern, in jene Straße einbog, in der sich das Wohnhaus der Familie XXXX und auch der der Revlnsp XXXX befindet und sei an diesem vorbeigefahren.

Der BF verantworte sich zusammengefasst damit, dass er eine Dienstfahrt hatte, er familiäre Probleme habe, da seine Frau wolle, dass er ausziehe und er nach einem Spielzeugkauf für seine Kinder falsch abgebogen und so - eher zufällig und unabsichtlich - beim Wohnhaus von Revlnsp XXXX vorbeigekommen sei.

Nach Zitierung der der §§ 43 Abs. 1 und 2 und 44 Abs. 1 BDG 1979, den §§ 12 und 18 der Dienstkraftfahrzeugrichtlinie des BMJ vom 06.10.2014 sowie Pkt. 2.2 und 3.2 der Richtlinie für das Fahrzeugwesen BMI-RS1200/0219/IV/1/d/2005 wurde zum Verdacht einer Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 1 BDG 1979 ausgeführt, dass dazu auch die Einhaltung der geltenden Rechtsordnung und insbesondere die für den Arbeitsplatz maßgeblichen Bestimmungen - wie insbesondere die Einhaltung der DKfz-RL gehöre. Es werde zunächst zu prüfen sein wird, ob die vorgehaltenen Dienstpflichtverletzungen im Zusammenhang mit einer dienstlichen Tätigkeit gesetzt wurde. Im Hinblick auf das außerdienstliche Verhalten des Beamten bestehe ein Zusammenhang mit dem Schutz des Vertrauens der Allgemeinheit auf die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben. Dem BF werde vorgehalten, bewusst gegen bestehende Vorschriften verstoßen zu haben, darüber hinaus, die normierte Treuepflicht gegen den Dienstgeber in wesentlichen Belangen verletzt zu haben.

Zum Verdacht einer Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs 2 BDG 1979 wurde nach näheren Ausführungen zum Inhalt dieser Bestimmung ausgeführt, dass dem BF insbesondere vorgehalten werde, dass er Weisungen und Vorschriften nicht einhalte um private Interessen zu verfolgen und dies sei auch für Dritte, gegenständlich den Vater von Revlnsp XXXX wahrnehmbar gewesen sei. Dem BF als dienstführenden Beamten hätte klar gewesen sein müssen, sollte sich der Vorhalt so bestätigen, dass sein Verhalten, würde dies in der Öffentlichkeit in diesem Umfang bekannt, das Vertrauen der Öffentlichkeit schwer beeinträchtigen würde. Zu berücksichtigen sei zudem, dass es sich nicht um ein „singuläres“ Ereignis gehandelt habe, sondern gegen den BF in gleicher Sache bereits kurz zuvor eine Disziplinaranzeige erstattet hätte werden müssen.

Zum Verdacht einer Dienstpflichtverletzung nach § 44 Abs1 BDG 1979 wurde ausgeführt, dass der Befolgung von Weisungen ein nicht bloß geringer Stellenwert zukomme. Ob dem BF die Weisung bzw. deren Bedeutung bekannt gewesen sei oder zumindest bekannt sein musste, sei im weiteren Verfahren zu klären. Dem Senat sei bewusst, dass die ergangene Weisung sich in einem Spannungsfeld - im Hinblick auf die Frage, ob die Weisung auch ein „privates, außerdienstliches Kontaktverbot“ umfasse bzw umfassen dürfe und diesbezüglich nicht überschießend sei - bewege Jedoch sei auch eine gesetzwidrige Weisung, den krassen Fall der Strafrechtswidrigkeit ausgenommen, zu befolgen und habe der BF keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Weisung gemäß § 44 Abs 3 BDG 1979 geäußert. Zudem sei der Senat der Meinung, dass die Weisung (auch eines außerdienstlichen Kontaktverbotes) ihre rechtliche Berechtigung hatte und notwendig war, da dem BF eine Trennung von dienstlichen und privaten Interessen nicht mehr möglich gewesen wäre.

Gemäß § 12 Abs 1 DKR-BM.I obliege der die Dienstfahrt beauftragenden Stelle die Beurteilung, ob die Benützung eines Dienstkraftfahrzeuges im dienstlichen Interesse gelegen ist. Es sei denkbar, dass der BF für die Fahrt mit dem Dienstkraftfahrzeug einen dienstlichen Hintergrund erkannte und die gegenständliche Fahrt zur BH nach I. für den Zeitraum von 16:30 bis 19:30 Uhr dokumentierte. Im Verfahren werde zu klären sein, wie der BF eine Dienstpost habe übergeben können, wenn die BH I. zu diesen Zeiten bereits geschlossen hatte. Warum der BF unterschiedliche Eintragungen zum einen in die EDD (elektronische Dienstdokumentation) als zum anderen in das Fahrtenbuch gemacht habe, werde ebenfalls im Verfahren zu klären sein.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der BF rechtzeitig Beschwerde und führte zu den ihm angelasteten Sachverhalt zusammengefasst Folgendes aus:

Richtig sei, dass der BF am 31.08.2020 gegen 17.48 Uhr an der Wohnadresse von Revlnsp XXXX in I. vorbeigefahren sei. das Wohnhaus der Revlnsp XXXX liege jedoch nur in einer Entfernung von 4,5 km zur BH XXXX , dem Fahrziel des BF und betrage somit diese nicht dienstliche Fahrt einen geringen Anteil der Gesamtstrecke. Das Vorbeifahren am Haus habe lediglich dazu gedient, dass der BF mit seinen Gefühlen „abschließen“ wollte. Die dem BF erteilte Weisung habe gelautet: “Jeglichen Kontakt, bzw. jegliche Kontaktaufnahme zu Revlnsp XXXX , die keinen dienstlichen Bezug hat und unmittelbare Auswirkungen auf den Dienst hat, zu unterlassen.”

Gemäß Duden werde unter “Kontakt” unter anderem angeführt: “Verbindung, die jemand für eine kurze Dauer herstellt; Fühlung”. Hingegen handle es sich laut Duden bei “vorbeifahren” darum, um “an jemandem, etwas vorüberfahren”. Es stehe sohin fest, dass es sich bei “Kontakt bzw. Kontaktaufnahme” und bei “vorbeifahren” um zwei verschiedene Bedeutungen handelt. Würde man nun, wie seitens der belangten Behörde angenommen, das “vorbeifahren” mit “Kontakt bzw. Kontaktaufnahme" gleichhalten, dann wäre das Annäherungsverbot gemäß § 38 Abs 1 SPG obsolet. Bei einem ausgesprochenen Betretungsverbot, ebenfalls § 38 Abs 1 SPG, wäre ja dann, würde man dieser Rechtsansicht folgen, das “Vorbeifahren” auch schon strafbar. Da dies aber gerade nicht zutrifft, wurde zu dem Betretungsverbot auch noch ein Annäherungsverbot vom Gesetzgeber geschaffen. Der BF habe sich der Weisung, jeglichen Kontakt zu Revlnsp XXXX zu unterlassen, nicht widersetzt, da er weder beim Haus stehenblieb noch versuchte persönlich Kontakt aufzunehmen.

Strittig sei jedoch der Inhalt der Weisung, weil sie mangels zeitlicher Einschränkung zu unbestimmt sei. Bei hypothetischer Annahme, dass die Befolgung der Weisung bis zur Pensionierung des BF anhielte, wäre dies ein massiver Eingriff in die Sphäre des BF. Aufgrund der Unbestimmtheit der Weisung werde diese als rechtlich nicht zulässig gesehen.

Zur mangelnden Remonstration wurde ausgeführt, dass der BF die Weisung nicht als rechtswidrig erachtete. Die Weisung habe dem BF die Kontaktaufnahme zu Revlnsp XXXX während des Dienstes mit privatem Bezug verboten. Dass die Weisung auch ein Vorbeifahren an Revlnsp. XXXX mitumfasse, konnte und musste der BF nicht erkennen. Eine Weisung zur Unterlassung jeglichen Kontaktes zwischen zwei Polizeibeamten in deren außerdienstlichen Zeit, würde ihnen die Möglichkeit nehmen, sich zu versöhnen, denn jede Kontaktaufnahme dazu hätte keinen dienstlichen Bezug. Eine derart weitreichende Weisung, welche jegliche Kontaktaufnahme eines Polizeibeamten auch in dessen Freizeit mitumfassen würde, fehle somit die gesetzliche Grundlage und erweise sich gemäß Art 18 B-VG als verfassungswidrig. Die belangte Behörde verkenne sohin, dass eine Weisung eines auch außerdienstliches Kontaktverbotes keine rechtliche Berechtigung habe. Für außerdienstliche Schwierigkeiten und Probleme seien die ordentliche Gerichte zuständig. Bei der Landespolizeidirektion XXXX handle es sich nicht um eine zuständige Behörde, die zu Gunsten von Personen einstweilige Verfügungen in Form einer Weisung erlassen dürfe.

Art 8 EMRK Abs. 2 bestimme, unter welchen Voraussetzungen eine Behörde einen Eingriff in das Privat- und Familienlebens durchführen darf. Der Formulierung des Eingriffsrechtes könne entnommen werden, dass ein Eingriff ohne Gesetz nicht vorgesehen ist. Es besteht keine gesetzliche Grundlage für eine Weisung im außerdienstlichen Bereich.

Eine Subsumtion des hier gegenständlichen Sachverhaltes unter § 43 Abs 1 BDG gehe fehl, zumal der BF durch sein Verhalten keine Verletzung seiner dienstlichen Aufgaben gesetzt habe.

Eine Subsumtion des hier gegenständlichen Sachverhaltes unter § 43 Abs 2 BDG komme ebenso nicht in Betracht, da nach der Rechtsprechung des VwGH lediglich äußerst schwerwiegende und strafrechtlich relevante Verhaltensweisen als Dienstpflichtverletzung gewertet würden.

Tatsächlich habe der BF nach der Fahrt am Nachmittag vergessen, das Fahrtenbuch korrekt auszufüllen. Jedoch werde in Abrede gestellt, dass der BF über 150km gefahren sei, es handle sich um maximal rund 70km.

In der PI würde eine große Anzahl von Beamten ihren Dienst versehen und auch die Dienstfahrzeuge nutzen, offensichtlich seien Fahrten von Dienstkollegen zwischen dem Zeitpunkt des Austragens durch den BF nach seiner Fahrt am Vormittag und dem Antritt der hier gegenständlichen Fahrt nicht eingetragen worden, was immer wieder vorkomme. Die Nichteintragung der Fahrt durch den BF könne sohin als Nachlässigkeit angesehen werden, sei jedoch nicht als Disziplinarvergehen zu werten. Zusammenfassend sei das Verhalten des BF (kurze Privatfahrt, Vergessen des Fahrtenbuches) zwar ein Fehlverhalten, jedoch von derart geringem Gewicht, dass es unterhalb einer Schwelle der disziplinären Erheblichkeit liege. Es handle sich um eine Bagatellverfehlung, die disziplinär nicht zu ahnden sei.

Beantragt wurde die Abänderung des bekämpften Bescheides, wonach kein Disziplinarverfahren eingeleitet werde, in eventu die Zurückverweisung der Sache an die belangte Behörde sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

3. Die gegenständliche Beschwerde samt Verfahrensakt wurde von der belangten Behörde dem BVwG mit Note vom 03.03.2021, am 11.03.2021 einlangend, vorgelegt. Es wurde darauf hingewiesen, dass die im Spruch des bekämpften Bescheides angeführte Erlasszahl korrekt sei, jedoch einmal im der Begründung eine veraltete Abkürzung verwendet worden sei. Das vom BF eingeräumte Fehlverhalten stelle kein Bagatelldelikt dar, zumal der VwGH wiederholt ausgeführt habe, dass eine Missachtung einer Weisung eine schwere Pflichtverletzung darstelle.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt) und Beweiswürdigung:

1.1. Zur Person des BF:

Der BF, geb. am XXXX , steht als Exekutivbeamter in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und versieht als dienstführender Beamter in der Funktion des 3.Stv des Pl-Kdt auf der PI XXXX Dienst.

1.2. Zu den im Verdachtsbereich angelasteten Dienstpflichtverletzung:

Der den angelasteten Dienstpflichtverletzungen zugrundeliegende Sachverhalt ergibt sich unmittelbar aus der Aktenlage und wird, was den objektiven Sachverhalt betrifft, nämlich eine relativ kurze Privatfahrt mit dem Dienst-KFZ sowie eine Nachlässigkeit beim Führen des Fahrtenbuches, vom BF nicht bestritten. Es würde sich um Bagatelldelikte handeln.

Ungeachtet dieses Einwandes besteht der begründete Verdacht, der schuldhaften Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch den BF. Der Sachverhalt ist für das Verfahrensstadium des Einleitungsbeschlusses ausreichend geklärt. Es steht auch unverwechselbar fest, welche konkreten Vorgänge den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bilden.

Wenn der BF die angelasteten Sachverhalte in objektiver Hinsicht zugesteht, jedoch Rechtfertigung- bzw. Entschuldigungsgründe für sein Verhalten anführt, ist damit der Verdacht einer Pflichtverletzung keineswegs ausgeräumt, sondern wird die diesbezügliche Verantwortung der BF im weiteren Disziplinarverfahren zu prüfen und bewerten sein.

2. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen eine Einzelrichterzuständigkeit vor.

Im gegenständlichen Fall wurde vom BF die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Ungeachtet dessen wurde vom Bundesverwaltungsgericht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Gegenstand gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen, da der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des bekämpften Bescheides notwendige Sachverhalt problemlos den Akten zu entnehmen war und einer weiteren Klärung in einer Verhandlung nicht bedurfte. Insbesondere war im gegenständlichen Verfahren nicht zu prüfen, ob der BF tatsächlich Dienstpflichtverletzungen begangen hat, sondern ob hinreichende Verdachtsgründe für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens vorliegen. Art 6 Abs. 1 EMRK steht im derzeitigen Verfahrensstadium dem Entfall einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen, da nur die Frage der Einleitung eines Disziplinarverfahrens zu klären war und zivile Rechte im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK mit der gegenständlichen Entscheidung nicht verändert oder gestaltet werden (VwGH vom 16.09.2010 Zl. 2007/09/0141). Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) kommt im gegenständlichen Fall mangels Vorliegens eines unionsrechtlichen Sachverhaltes nicht zur Anwendung (VwGH vom 09.09.2014, Zl. Ra 2014/09/0017).

Zu Spruchpunkt A):

Für den Beschwerdefall ist folgende Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, in der bis zum Inkrafttreten der 2. Dienstrechts-Novelle 2019, BGBl. I Nr. 58/2019 maßgeblichen Fassung anzuwenden:

§ 123. (1) Der Senatsvorsitzende hat nach Einlangen der Disziplinaranzeige den Disziplinarsenat zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der Dienstbehörde im Auftrag des Senatsvorsitzenden durchzuführen.

(2) Hat die Disziplinarkommission die Durchführung eines Disziplinarverfahrens beschlossen, so ist dieser Einleitungsbeschluss der oder dem Beschuldigten, der Disziplinaranwältin oder dem Disziplinaranwalt und der Dienstbehörde zuzustellen. Im Einleitungsbeschluss sind die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen und die Zusammensetzung des Senates einschließlich der Ersatzmitglieder bekanntzugeben.“

Wie der Verwaltungsgerichtshof zur vergleichbaren Rechtslage des BDG 1979 und des LDG 1984 in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat (Hinweis E 9.9.1997, 95/09/0243, sowie E 16.9.1998, 96/09/0320), ist die dem Einleitungsbeschluss in einem Disziplinarverfahren zukommende rechtliche Bedeutung in erster Linie darin gelegen, dem wegen einer Dienstpflichtverletzung beschuldigten Beamten gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren innerhalb der Verjährungsfrist eingeleitet wurde. Der Bescheid, durch den das Disziplinarverfahren eingeleitet wird, und der für dessen weiteren Gang eine Prozessvoraussetzung bildet, dient zugleich dem Schutz des Beschuldigten, der ihm entnehmen kann, nach welcher Richtung er sich vergangen und inwiefern er pflichtwidrig gehandelt haben soll. Der Einleitungsbeschluss begrenzt regelmäßig den Umfang des vor der Disziplinarkommission stattfindenden Verfahrens: Es darf keine Disziplinarstrafe wegen eines Verhaltens ausgesprochen werden, das nicht Gegenstand des durch den Einleitungsbeschluss in seinem Umfang bestimmten Disziplinarverfahrens ist. Um dieser Umgrenzungsfunktion gerecht zu werden, muss das dem Disziplinarbeschuldigten als Dienstpflichtverletzung vorgeworfene Verhalten im Einleitungsbeschluss derart beschrieben werden, dass unverwechselbar feststeht, welcher konkrete Vorgang den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildet. Die angelastete Tat muss daher nach Ort, Zeit und Tatumständen so gekennzeichnet werden, dass keine Unklarheit darüber möglich ist, welches dem Disziplinarbeschuldigten zur Last gelegte Verfahren auf der Grundlage des Einleitungsbeschlusses als Prozessgegenstand im anschließenden Disziplinarverfahren behandelt werden darf. Solcherart muss sich daher der Tatvorwurf von anderen gleichartigen Handlungen oder Unterlassungen, die dem Disziplinarbeschuldigten angelastet werden können, genügend unterscheiden lassen (VwGH vom 18.12.2012, Zl. 2011/09/0124).

Die Begründung des Einleitungsbeschlusses ist auf die Zusammenfassung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und die Darlegung der für die getroffene Entscheidung im jeweiligen Gegenstand maßgeblichen Gründe beschränkt; beim Einleitungsbeschluss geht es um die Frage, ob in Bezug auf einen konkret umschriebenen Sachverhalt ein hinreichender Verdacht für das Vorliegen einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung gegeben ist, oder ob allenfalls (offenkundige) Gründe für die sofortige Verfügung der Einstellung des Disziplinarverfahrens vorliegen (VwGH vom 01.07.1998, Zl. 97/09/0095 mit Hinweis auf E 25.6.1992, 91/09/0190).

Nur offenkundige Gründe für eine sofortige Verfügung der Einstellung des Disziplinarverfahrens gemäß § 118 Abs. 1 BDG 1979 stehen der Einleitung des Disziplinarverfahrens entgegen (VwGH vom 25.06.1992, Zl. 92/09/0056).

Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus Folgendes:

Aufgrund des dargestellten und vom BF dem Grunde nach auch zugestandenen Sachverhaltes, wonach der BF im Dienst aber ohne dienstliche Notwendigkeit mit einem zivilen Dienstkraftfahrzeug beim Wohnhaus der Revlnsp XXXX vorbeigefahren ist, obwohl ihm dies aufgrund einer Weisung untersagt war und in der Folge eine korrekte Führung des Fahrtenbuches unterlassen habe, kann keine Rechtswidrigkeit darin erblickt werden, dass die belangte Behörde ein Disziplinarverfahren eingeleitet hat.

Zum Vorbringen, wonach die Zuständigkeit für die Erteilung einer Weisung jedenfalls ihre Schranken in verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechten findet, im konkreten Fall die Weisung das durch Art 8 EMRK geschützte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt hätte sowie dass es sich insgesamt um „private“ Geschehnisse ohne Dienstbeug handle, weshalb auch keine Dienstpflichtverletzung vorliege, ist Folgendes zu bemerken:

Diesem Vorbringen ist insoweit zu folgen, als private Beziehungen eines Beamten, mögen sie auch außerehelich sein, grundsätzlich nicht Gegenstand dienstlicher Weisungen oder disziplinarrechtlich relevant sind. Im vorliegenden Fall bestand jedoch die Beziehung zu einer weisungsunterworfenen Mitarbeiterin, die sich im Zusammenhang mit dem öffentlichen Bekanntwerden dieser Beziehung sowie den diesbezüglichen Auswirkungen dieser Beziehung auch auf das dienstliche Umfeld in eine andere Dienststelle versetzen ließ. Nachdem die ehemalige Kollegin des BF offenkundig keinen weiteren Kontakt zum BF wünschte, dieser jedoch – auch welchen Gründen auch immer - diesen wiederholt herstellte oder versuchte ihn herzustellen, erscheint eine Weisung eines Dienstvorgesetzten, Kontaktaufnahmen zu unterlassen, nicht von vorne herein unzulässig.

Im Übrigen ist zu bemerken, dass das dem BF angelastete Verhalten, nämlich Fahrten mit einem privaten Zweck nach oder während einer Dienstfahrt mit dem Dienst-KFZ und mangelnde oder unrichtige Dokumentation der Fahrt, unabhängig von einer Weisung betreffend Kontaktverbot zur ehemaligen Freundin, geeignet sind, den Verdacht einer Pflichtverletzung zu begründen. Sämtliche diesbezügliche Einwendungen des BF, wie dass es sich nur um einen kleinen Umweg gehandelt habe sowie dass er Führung des Fahrtenbuches schlicht vergessen habe, werden im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde zu prüfen sein.

Dem Einwand, dass es sich nur um Bagatelldelikte handle, kommt jedenfalls keine Berechtigung zu. Die Verpflichtung zur Einhaltung von Weisungen gehört zu den grundlegenden Pflichten jedes Beamten, weshalb ein allfälliger Verstoß gegen die von der belangten Behörde genannten Richtlinie nicht a priori als Bagatelldelikt angesehen werden kann.

Die in der Beschwerdeschrift getätigten Ausführungen sind daher nicht geeignet, den Verdacht der schuldhaften Begehung einer konkret umschriebenen Dienstpflichtverletzung auszuräumen. Der von der belangten Behörde verfügte Einleitungsbeschluss betreffend Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung im Verdachtsbereich ist daher zu Recht erfolgt, weshalb die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die maßgebliche Rechtsfrage im Zusammenhang mit der Fassung eines Einleitungsbeschlusses nach § 123 Abs. 2 BDG 1979 wurde in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mehrfach behandelt. Die gegenständliche Entscheidung weicht von dieser nicht ab. Auf die unter Spruchpunkt A zitierte Judikatur wird verwiesen.

Schlagworte

Dienstpflichtverletzung Einleitung Disziplinarverfahren Weisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W136.2240337.1.00

Im RIS seit

23.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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