Entscheidungsdatum
13.04.2021Norm
AVG §38Spruch
W156 2234597-1/8Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz als Einzelrichterin über die Beschwerde der Beschwerde der Mag. XXXX gegen den Bescheid der Sozialversicherung der Selbständigen betreffend Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach § 3 Abs. 3 Z 4 GSVG beschlossen:
A) Das Beschwerdeverfahren wird gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit § 38 AVG bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über die mit Beschlusses des Obersten Gerichtshofes vom 13.10.2020, GZ 10 ObS109/20g, zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen ausgesetzt.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Mit Bescheid vom 02.07.2020, Zahl: VSNR-Abt.: XXXX , wurde von der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen festgestellt, dass Frau XXXX , VSNR XXXX , nicht der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 3 Abs. 1 Z4 GSVG unterliege. Begründet wurde dies im Wesentlichen mit dem Vorbringen, dass die Beschwerdeführerin ab 01.012015 in Österreich keine Beschäftigung und keine selbständige Erwerbstätigkeit mehr ausgeübt habe und somit bereits ab dee 01.012015 den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats, also den Rechtsvorschriften Deutschlands (Art. 1 1 Abs. 3 lit. e VO (EG) 883/2004 unterlegen sei).
Bezugnehmend auf die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 regelt in Art. 44 die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten wurde festgestellt, dass gemäß Art. 44 Abs. 2 VO (EG) 987/2009 der Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften nach Titel Il der Grundverordnung (Art. 1 1 ff VO (EG) 883/2004) auf die betreffende Person anwendbar waren, weil diese Person zu dem Zeitpunkt, zu dem die Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten für das betreffende Kind nach diesen Rechtsvorschriften begann, eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt hat, zuständig für die Berücksichtigung dieser Zeit als Kindererziehungszeit nach seinen eigenen Rechtsvorschriften bleibe so als hätte diese Kindererziehung in seinem eigenen Hoheitsgebiet stattgefunden, wenn nach den Rechtsvorschriften des gemäß Titel Il der Grundverordnung zuständigen Mitgliedstaats keine Kindererziehungszeit berücksichtigt werde.
Eine Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten erfolge nach dieser Bestimmung im Wesentlichen in den Fällen, in denen eine bei Geburt ihres Kindes beschäftigte Person nach der Geburt in einen anderen Mitgliedstaat abwandere, dort keiner Erwerbstätigkeit nachgehe und auch keine sonstigen Vorschriften des Wohnsitzstaates, in dem das Kinder erzogen wird, die Anrechnung von Kindererziehungszeiten vorsehen (OGH 28.06.2016, 10 ObS 101/15y).
In Deutschland seien Kindererziehungszeiten Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Für einen Elternteil wird eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen sei, die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolge ist oder einer solchen gleichstehe und der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen sei (vgl. § 56 Sozialgesetzbuch VI). Damit würden in Deutschland Kindererziehungszeiten berücksichtigt, wobei es nicht von Bedeutung sei, in welchem Ausmaß und auf welche Art und Weise Kindererziehungszeiten berücksichtigt werden. Es sei auch nicht zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall Kindererziehungszeiten auch tatsächlich berücksichtigt wurden, sondern es sei lediglich zu prüfen, ob in den Rechtsvorschriften des anderen Mitgliedstaats generell eine Abgeltung für die Kindererziehung vorgesehen sei oder nicht.
Somit sei Art. 44 Abs. 2 VO (EG) 987/2009 in diesem Fall nicht anwendbar, und daher seien im Zeitraum von 01.01.2015 bis 31.07.2016 entsprechend Art. 1 1 Abs. 3 lit. a VO (EG) 883/2004 die Rechtsvorschriften Deutschlands anzuwenden. Für diesen Zeitraum lägen keine Zeiten, in denen die BF ihr Kind tatsächlich und überwiegend im Inland erzogen habe und somit keine Zeiten der Teilpflichtversicherung in der Pensionsversicherung gemäß S 3 Abs. 3 Z 4 GSVG vor.
2. Mit Schreiben vom 04.08.2020 wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
3. Mit 31.08.2020 wurde der gegenständliche Akt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
4. Im Zuge des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde erhoben, dass mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 13.10.2020, GZ 10ObS109/20g, dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt wurden:
„1. Ist Art 44 Abs 2 der Verordnung (EG) Nr 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit dahin auszulegen, dass er der Berücksichtigung von in anderen Mitgliedstaaten verbrachten Kindererziehungszeiten durch einen für die Gewährung einer Alterspension zuständigen Mitgliedstaat, nach dessen Rechtsvorschriften die Pensionswerberin mit Ausnahme dieser Kindererziehungszeiten ihr gesamtes Erwerbsleben hindurch eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt hat, schon deshalb entgegensteht, weil diese Pensionswerberin zu dem Zeitpunkt, zu dem die Berücksichtigung der Kindererziehungszeit für das betreffende Kind nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats begann, weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt hat?
Für den Fall der Verneinung der ersten Frage:
2. Ist Art 44 Abs 2 Satz 1 erster Halbsatz der Verordnung (EG) Nr 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit dahin auszulegen, dass der gemäß Titel II der Verordnung (EG) Nr 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit zuständige Mitgliedstaat Kindererziehungszeiten nach seinen Rechtsvorschriften generell nicht berücksichtigt, oder nur in einem konkreten Fall nicht berücksichtigt?“
Dem diesbezüglich beim Bundesverwaltungsgericht anhängigen Verfahren liegen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes gleichgelagerte Rechtsfragen zu Grunde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Anzuwendendes Recht:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der geltenden Fassung, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes – AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
2. Rechtliche Beurteilung
2.1 Zu Spruchpunkt A):
§ 38 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes – AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung, bestimmt bezüglich der Beurteilung von Vorfragen wie folgt:
„Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.“
Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren betreffend Ablehnung der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach § 3 Abs. 1 Z4 GSVG stellen die dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen Vorfragen im Sinne des § 38 AVG dar.
Die Voraussetzungen des § 38 AVG zur Aussetzung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Vorfrage sind daher gegeben, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
2.2. Zu Spruchpunkt B):
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Vielmehr macht das Bundesverwaltungsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen im Rahmen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 38 AVG Gebrauch.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Aussetzung Kindererziehungszeit Pflichtversicherung Vorabentscheidungsersuchen VorfrageEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W156.2234597.1.00Im RIS seit
21.06.2021Zuletzt aktualisiert am
21.06.2021