TE Bvwg Beschluss 2021/4/13 G313 2224523-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.04.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

13.04.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z8
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch


G313 2224523-1/7E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Bosnien und Herzegowina, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.09.2019, Zl. XXXX , beschlossen:

A)             In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)             Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) wurde der Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Bosnien und Herzegowina zulässig ist (Spruchpunkt III.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 8 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.), und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt V.).

2. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

3. Am 18.10.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die BF ist Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina.

1.2. Mit dem Bescheid des BFA wurde der BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Bosnien und Herzegowina zulässig ist (Spruchpunkt III.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 8 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.), und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt V.).

Im angefochtenen Bescheid wurde unter anderem zum Privat- und Familienleben der BF festgestellt, dass die BF im November 2017 in Serbien einen ungarischen Staatsbürger geheiratet hat und seit dem 23.04.2018 über einen Aufenthaltstitel „Angehörige eines EWR-Bürgers“ verfügt, und der Ehegatte der BF bei einem Amtsgericht in Serbien eine Ehescheidungsklage eingebracht hat (AS 159), sowie „zu den Gründen für die Erlassung des Einreiseverbotes“ festgestellt, dass die BF seit 04.10.2017 (stattdessen offenbar, wie aus einem Zentralmelderegisterauszug im Verwaltungskat hervorgehend, „04.10.2018“ gemeint) zusammen mit ihrer Cousine in Wien und lediglich von 12.12.2017 bis 02.05.2018 an derselben Adresse wie ihr Ehegatte gemeldet ist. (AS 161).

Die belangte Behörde stellte daraufhin Folgendes fest:

„Am 25.07.2019 wurden Sie und Ihr Ehegatte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen.
Ihr Ehegatte gab bei seiner Befragung zusammenfassend an, dass Sie im Oktober oder November 2018 das letzte Mal Kontakt hatten und er nicht wisse, wo Sie sich aufhalten würden. Ihr Ehegatte gab ebenfalls an, dass er sich scheiden lassen wolle und denke, dass Sie Ihn lediglich ausgenutzt hätten.

Sie gaben bei Ihrer Einvernahme am selbigen Tag hingegen an, dass Sie Ihren Ehegatten fast jeden zweiten Tag sehen und auch viele Wochenenden miteinander verbringen würden. Sie könnten sich nicht erklären, warum Ihr Ehegatte bei seiner Einvernahme die oben angeführten Aussagen getätigt habe. Sie haben jedoch keine Beweismittel vorgelegt, welche ein aufrechtes Familienleben belegen.

Die Aussage Ihres Mannes, dass Sie seit fast einem Jahr keinen Kontakt mehr haben, wird durch die Vorlage einer beglaubigten deutschen Übersetzung, der im Amtsgericht (…) durch Ihren Ehegatten eingereichten Ehescheidungsklage, bekräftigt, in welcher dieser ebenfalls angibt, dass seit Beendigung der Lebensgemeinschaft vor über einem Jahr kein Kontakt mehr zwischen ihnen bestanden hat.

Daher können die von Ihnen getätigten Aussagen bezüglich (Anmerkung: weitere Angabe fehlt) nicht als wahrheitsgemäß gewertet werden und kann nicht von einem Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK gesprochen werden.“ (AS 161).

In der Beweiswürdigung wurde „betreffend die Feststellungen zu Ihrem Privat- und Familienleben“ angeführt, „Ihre Feststellungen aus dem Privat- und Familienleben resultieren aus dem vorliegenden Verwaltungsakt und den Einvernahmen von Ihnen und Ihrem Ehegatten“ (AS 163), und „betreffend die Feststellungen zu den Gründen für die Erlassung des Einreiseverbotes“ festgehalten, „die Feststellungen der Gründe für die Erlassung des Einreiseverbotes begründen sich auf die vorliegenden Unterlagen, wie der niederschriftlichen Aussagen von Ihnen und Ihrem Ehegatten vor dem BFA und auf den weiteren Teilen des Verwaltungsaktes.“ (AS 165)

Vor Erlassung des angefochtenen Bescheides hat sich die belangte Behörde nicht hinreichend mit dem Vorbringen der BF und ihres Ehegatten in ihren Beschuldigtenvernehmungen vom 27.02.2018, mit den Angaben der BF in ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA von Juli 2019 und der vorgelegten beglaubigt aus dem Serbischen ins Deutsche übersetzten vom Ehegatten der BF bei einem Amtsgericht in Serbien eingebrachten Ehescheidungsklage von Ende August 2019 auseinandergesetzt, um auf eine bestehende Aufenthalts- bzw. Scheinehe schließen zu können, wobei auch zu berücksichtigen gewesen wäre, dass die Polizei nach Beschuldigtenvernehmungen der BF und ihres Ehegatten wegen Verdachts auf Eingehen einer Aufenthaltsehe vom 27.02.2018 auf keine vorliegende Aufenthaltsehe geschlossen hat.

Es fehlen Feststellungen dazu, wie lange bzw. innerhalb welchen Zeitraumes die BF mit ihrem Ehegatten in Serbien und in Österreich zusammengelebt hat, und Feststellungen zu Art und Dauer der zwischen der BF und ihrem Ehegatten in Serbien und in Österreich geführten Beziehung.

In der Rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wurde nach Wiedergabe der relevanten Rechtsvorschriften, darunter des bei einem nicht rechtmäßigen Aufenthalt zur Anwendung kommenden § 57 AsylG, angeführt, der BF sei mangels Vorliegens der Voraussetzungen dafür ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht zu erteilen (AS 167).

In der Rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt II. wurde Folgendes festgehalten:

„(…) In Ihrem Fall kann nicht von einem Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK gesprochen werden.

Bereits ein halbes Jahr nach der Eheschließung sind Sie aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen und besteht seit fast einem Jahr kein Kontakt mehr zu Ihrem Ehegatten. Ihr Ehegatte hat bereits eine Ehescheidungsklage am Amtsgericht (…) in Serbien eingereicht.

Nicht einmal zehn Tage nachdem Ihnen am 23.04.2018 die Aufenthaltskarte „Angehöriger eines EWR-Bürgers“ ausgefolgt wurde, meldeten Sie sich aus der gemeinsamen Wohnung ab und wohnen seither mit Ihrer Cousine zusammen. Aufgrund dieser Tatsache und den falschen Angaben zu Ihrem Familienleben, bei der Einvernahme am 25.07.2019, geht die Behörde davon aus, dass Sie die Ehe mit Herrn (…) lediglich geschlossen haben um einen Aufenthaltstitel in Österreich zu erhalten. (…).“ (AS 169)

Es wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG, welche Bestimmung einen nicht rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet voraussetzt, erlassen.

In der Rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides stützte sich die belangte Behörde auf den Einreiseverbotstatbestand nach § 53 Abs. 2 Z. 8 FPG, somit auf das Eingehen einer Aufenthaltsehe.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die unter Punkt II. getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche – zulässige und rechtzeitige – Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Anmerkung: sog. Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit. nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1
B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm11). Gemäß dieser Bestimmung kann die Berufungsbehörde, sofern der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Wie oben ausgeführt, ist aufgrund von § 17 VwGVG die subsidiäre Anwendung von § 66 Abs. 2 AVG durch die Verwaltungsgerichte ausgeschlossen.

Im Gegensatz zu § 66 Abs. 2 AVG setzt § 28 Abs. 3 VwGVG die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung nicht mehr voraus.

Der VwGH hat mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063 (Waffenverbot), in Bezug auf die grundsätzliche Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte nach § 28 VwGVG und die Möglichkeit der Zurückverweisung ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte darstellt. So kommt eine Aufhebung des Bescheides nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, etwa weil es das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG verneint bzw. wenn es von der Möglichkeit des § 28 Abs. 3 erster Satz VwGVG nicht Gebraucht macht.

3.2. Die belangte Behörde hat sich mit dem Akteninhalt samt Vorbringen der BF und ihres Ehegatten nicht hinreichend auseinandergesetzt, um auf eine Aufenthalts- bzw. Scheinehe schließen zu können.

Im polizeilichen „Abschluss-Bericht“ vom 19.03.2018 (AS 23ff) wurde unter anderem Folgendes festgehalten:

„(…) Bei der Nachschau am 20.02.2018 an der oa Wohnadresse konnten beide angetroffen werden. Kleidung von beiden, Schuhe von beiden, Toilettenartikel (Duschgel, Haarshampoo, Zahnbürsten) von beiden, zwei Polster, eine Paardecke konnten in der Wohnung festgestellt werden.

Bei der Nachschau am 27.02.2018 an der oa. Wohnadresse konnten beide beim gemeinsamen Frühstück angetroffen werden.

Die oben angeführten Objekte konnten ebenfalls wieder wahrgenommen werden.

In Folge wurde mit den beiden getrennt nacheinander eine Vernehmung als Beschuldigter/Beschuldigte durchgeführt.

Bei der Vernehmung konnten keine Abweichungen voneinander festgestellt werden. (…).“ (AS 24)

Die BF und ihr Ehegatte wurden am 27.02.2018 auf einer bestimmten Polizeiinspektion wegen des Verdachts auf Eingehen und Vermittlung von Aufenthaltsehen u. -partnerschaften ohne Bereicherung (§ 117 Abs. 1 FPG) als Beschuldigte einvernommen. (AS 31ff, AS 39ff)

Dabei gab die BF Folgendes an:

„Ich lebe fix in Österreich seit Dezember 2017 in (…). Ich war vorher schon ein paar Mal in Österreich. Ich besuchte meinen jetzigen Mann und ein paar Freunde in Oberösterreich und Salzburg.

Die Hochzeit war am (…).11.2017 in (…) Serbien. (Anmerkung: die BF führte dann namentlich dieselben zwei bei ihrer Hochzeit als Trauzeugen anwesenden Personen wie ihr Ehegatte an)

(…) Von meiner Familie war niemand dort da diese gegen die Ehe sind. Sie glauben, dass mein Mann mich ausnutzt.

Ich kenne meinen Mann seit Herbst 2014. Das erste Date war im Frühjahr 2015 als er mich wieder in (an dieser Stelle Ort in Serbien) besucht hat.

Er war (…) in dem Kaffee wo ich gekellnert habe. (…) Er hat mich angesprochen was mit mir los ist, weil ich so traurig ausschaue. Wir sind dann ins Gespräch gekommen und haben Telefonnummern ausgetauscht. Wir habe dann geschrieben und telefoniert. Dann haben wir uns ein paar Mal in Serbien getroffen. Ich habe seine Tochter (…) kennen gelernt, seinen Bruder (…) und seine Mutter (…).

In dieser Zeit haben wir uns verliebt.

Da meine Eltern gegen die Beziehung etwas hatten mussten wir uns etwas Neues suchen. Dabei entschieden wir uns für Österreich.

Mit meinem Mann unterhalte ich mich auf Serbokroatisch.

Ich trage keinen Ehering und auch keine Ohrringe da ich auf so etwas allergisch bin. Ich trage Schmuck nur wenn etwas Besonderes ist.

(…) Mein Mann hat eine Tätowierung am linken Unterarm und er jammert immer, dass seine Knie schmerzen. Sonst hat er keine Besonderheiten und ist ganz normal-

Wir haben den Plan, dass ich auch wo Arbeit bekomme, dass wir uns eine Wohnung nehmen können, seine Tochter raufkommen kann und hier die Schule fertigmachen kann und wir als Familie zusammenleben können. (…).“ (AS 43)

Der Ehegatte der BF gab in seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung vom 27.02.2018 Folgendes an:

„(…) Ich lebe seit August 2017 mit meiner Frau in (…, Anmerkung: Ort in Österreich). Wir heirateten am (…).11.2017 in (…) Serbien. Trauzeugen bei meiner Hochzeit waren (…) mein Arbeitgeber und dessen Cousine (…).

Die Hochzeit war nur am Standesamt und danach waren wir Essen mit den Trauzeugen, Freunde und meinem Bruder. Ihre Familie war nicht da, da sie gegen diese Ehe waren.

Ich kenne meine Frau seit Herbst 2014. Ich war (…) in Bosnien (…) in einem Kaffee. Dort habe ich meine Frau kennen gelernt. Sie war dort Kellnerin. Wir tauschten damals die Telefonnummern aus und haben öfter telefoniert. Später habe ich sie dann öfter in (…) besucht.

In dieser Zeit verliebten wir uns ineinander. Wir trafen uns dann noch öfter in (…). Da ihre Eltern jedoch etwas dagegen hatten und einige Probleme in Serbien waren trafen wir uns dann öfter in Österreich.

Ich habe dann im August in Österreich Arbeit bekommen. Als ich die Arbeit hatte haben wir uns entschieden nach Österreich zu ziehen. Ich lebe seit August in Österreich. Meine Frau war im August kurz da ist dann wieder nach Bosnien. Im September ist sie dann wieder nach Österreich gekommen. Seither leben wir gemeinsam in (…, Anmerkung: Ort in Österreich).
(…). Ich trage keinen Ehering da ich am Bau arbeite und der Ehering unpraktisch ist, weil er ständig kaputt gehen würde oder ich ihn verliere. Meine Frau hat keine besonderen Eigenheiten sie ist ganz normal. Mit meiner Frau unterhalte ich mich auf Serbokroatisch. Ich kann Ungarisch und Serbokroatisch.

Ich hatte bereits eine Ehefrau aus der Ukraine. Diese ist verschwunden und hat mich mit meiner zu dieser Zeit 2jährigen Tochter alleine gelassen. Meine nun 16 jährige Tochter lebt derzeit in Serbien. Mein Wunsch ist es das bald Alles mit der Wohnung und so passt, dass ich meine Tochter dann raufholen kann und wir zu dritt eine glückliche Familie werden können. Meine Frau versteht sich sehr gut mit meiner Tochter. Auf Grund des Altersunterschieds ist sie Mutter und Freundin zugleich für meine Tochter.

Es handelt sich um keine Scheinehe. Die Ehe wurde aus Liebe zueinander geschlossen. Wir wollen in Österreich gemeinsam mit meiner Tochter eine glückliche Familie werden. (…).“ (AS 35)

Soweit die BF in ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA im Juli 2019 ihre Cousine namentlich nannte (AS 94), war in Zusammenschau mit dem, dem Verwaltungsakt einliegenden die BF betreffenden Zentralmelderegisterauszug vom 04.06.2019 erkennbar, dass die BF vor ihrer Hauptwohnsitzanmeldung am 12.12.2017 vom 23.03.2017 bis 12.12.2017 und davor vom 23.02.2016 bis 11.04.2016 an bestimmten Adressen jeweils mit ihrer Cousine als Unterkunftgeberin mit Nebenwohnsitz gemeldet gewesen ist (AS 65).

Daraus, dass die BF in ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA befragt nach dem Namen ihrer Cousine den in der Niederschrift über die polizeiliche Beschuldigtenvernehmung ihres Ehegatten vom 27.02.2018 festgehaltenen Namen der Cousine seines Arbeitgebers, welche Trauzeugin bei ihrer Hochzeit gewesen sei (AS 35) genannt hat (AS 141), befragt danach, ob der Ehegatte der BF ihre Cousine kenne, „ja, sie war unsere Trauzeugin“ (AS 149), und etwas später befragt danach, ob jemand von ihrer Familie bei der Hochzeit anwesend gewesen ist, „nein niemand, mit Ausnahme meiner Cousine“ (AS 151), geht hervor, dass die Cousine der BF die Cousine des Arbeitgebers des Ehegatten der BF und der Arbeitgeber des Ehegatten der BF der Cousin der BF ist.

Insgesamt weist die BF laut dem, dem Verwaltungsakt einliegenden Zentralmelderegisterauszug vom 04.06.2019 in Österreich Nebenwohnsitzmeldungen vom 23.02.2016 bis 11.04.2016 und vom 23.03.2017 bis 12.12.2017 und Hauptwohnsitzmeldungen vom 12.12.2017 bis 02.05.2018 und ab 04.10.2018 auf (AS 65).

Im angefochtenen Bescheid wurde zum Aufenthalt der BF in Österreich festgestellt, dass die BF bereits mehrmals in Österreich gemeldet gewesen ist, darunter vom 23.02.201 (damit offenbar „23.02.2016“ gemeint) bis 11.04.2016, von 23.03.2017 bis 12.12.2017, von 12.12.2017 bis 02.05.2018 und ab 04.10.2018. (AS 159)

Zu den Gründen für die Erlassung des Einreiseverbotes wurde festgestellt, dass die BF lediglich vom 12.12.2017 bis 02.05.2018 an derselben Adresse wie ihr Ehegatte und ab „04.10.2017“ zusammen mit ihrer Cousine in Wien gemeldet gewesen ist.

Statt „04.10.2017“ hat die belangte Behörde offenbar „04.10.2018“ als neuen Meldebeginn, welcher aus dem Verfahrensgang (AS 135) und den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zum Aufenthalt der BF in Österreich (AS 159) sowie dem, dem Verwaltungsakt einliegenden Zentralmelderegisterauszug vom 04.06.2019 (AS 65) hervorgeht, gemeint.

Die belangte Behörde hat Feststellungen zu den behördlichen Meldezeiten der BF in Österreich, nicht jedoch konkrete Feststellungen dazu getroffen, wie lange sich die BF in Österreich aufgehalten und mit ihrem Ehegatten in Österreich zusammengelebt hat. Dies wäre jedoch bereits deswegen notwendig gewesen, weil behördliche Wohnsitzmeldungen nur Indiz und nicht Beweis für den tatsächlichen Aufenthalt an der Meldeadresse sein können.

Obwohl die BF im Bundesgebiet nur im Zeitraum vom 12.12.2017 bis 02.05.2018 an derselben Adresse wie ihr Ehegatte mit Hauptwohnsitz gemeldet war, schließt dies nicht aus, dass die BF auch während einer Wohnsitzmeldung davor mit ihm in gemeinsamem Haushalt zusammengelebt hat. Das in der Niederschrift über die polizeiliche Beschuldigtenvernehmung des Ehegatten der BF vom 27.02.2018 festgehaltene Vorbringen, bereits ab August 2017 mit der BF an gemeinsamer Wohnsitzadresse zusammengelebt zu haben, war daher nicht von vornherein außer Acht zu lassen, zumal der Ehegatte der BF laut seinen in der Niederschrift festgehaltenen Angaben im August 2017 in Österreich Arbeit bekommen hat und seit August 2017 in Österreich lebt (AS 35), die BF, wie aus der Niederschrift über ihre Beschuldigtenvernehmung vom 27.02.2018 hervorgehend, in dieser nicht nur angab, „fix in Österreich seit Dezember 2017“ an der Wohnsitzadresse ihres Ehegatten zu wohnen, sondern dieser Angabe noch hinzugefügt hat, „vorher schon ein paar Mal in Österreich“ gewesen zu sein und ihren Ehegatten und Freunde besucht zu haben (AS 43), und die BF in ihrer Einvernahme vor dem BFA angab, am ersten Wohnort ihrer Cousine (an welchem sie laut Zentralmelderegisterauszug vom 04.06.2019 vom 23.02.2016 bis 11.04.2016 und von 23.03.2017 bis 12.12.2017 mit Nebenwohnsitz gemeldet war, AS 65) nicht gewohnt, sondern sich dort nur ein paar Tage lang aufgehalten zu haben (AS 95).

Die BF gab in ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA im Juli 2019 zudem befragt danach, wo sie sich derzeit aufhalte, an, „manchmal bei meiner Cousine und manchmal bei meinem Ehegatten“ (AS 147). Daraus geht hervor, dass sich die BF tatsächlich nicht nur dort aufgehalten hat, wo sie behördlich gemeldet war.

Die belangte Behörde hat sich nicht näher mit all diesem Vorbringen bezüglich eines Aufenthaltes der BF im Bundesgebiet sowie bezüglich Art und Dauer des Zusammenlebens der BF mit ihrem Ehegatten auseinandergesetzt und keine Feststellungen dazu getroffen.

Ohne Feststellungen dazu – die Feststellungen zum Aufenthalt der BF in Österreich waren auf behördliche Meldezeiten, einen der BF am 23.04.2018 erteilten Aufenthaltstitel „Angehörige eines EWR-Bürgers“ und auf Zeiten ihrer Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet beschränkt (AS 159), wurde in der Beweiswürdigung „betreffend die Feststellungen zu Ihrem Aufenthalt in Österreich“ kurzgehalten nur Folgendes festgehalten:

„Ihre Feststellungen zu Ihrem Aufenthalt in Österreich konnten aus dem vorliegenden Verwaltungsakt und Ihrer Einvernahme entnommen werden. Die Feststellungen zu Ihren meldeamtlichen Erfassungen konnten aufgrund eines vorliegenden Auszugs aus dem Melderegister getroffen werden. (…).“ (AS 163)

Bezüglich des Aufenthaltsstatus der BF wurde im angefochtenen Bescheid festgestellt, dass die BF seit 23.03.2018 einen Aufenthaltstitel „Angehörige eines EWR-Bürgers“ hat. (AS 159).

Im Verwaltungsakt gibt es eine Mitteilung der zuständigen NAG-Behörde, dass der Ehegatte der BF über eine am 14.12.2017 von Behörde ausgestellte Anmeldebescheinigung „Arbeitnehmer“ und die BF selbst über eine Aufenthaltskarte (Ang. v. EWR-oder Schweizer Bürger), ausgestellt von der Behörde am 05.04.2018, gültig bis 05.04.2023, verfügt. (AS 61)

Diese Aufenthaltskarte wurde, wie aus dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt hervorgehend, der BF am 23.04.2018 ausgefolgt.

Im angefochtenen Bescheid wurde unter anderem Folgendes festgehalten:

„In Ihrem Fall kann nicht von einem Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK gesprochen werden. Bereits ein halbes Jahr nach der Eheschließung sind Sie aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen und besteht seit fast einem Jahr kein Kontakt mehr zu Ihrem Ehegatten.

Ihr Ehegatte hat bereits eine Ehescheidungsklage am Amtsgericht (…) in Serbien eingereicht.

Nicht einmal zehn Tage nachdem Ihnen am 23.04.2018 die Aufenthaltskarte „Angehöriger eines EWR-Bürgers“ ausgefolgt wurde, meldeten Sie sich aus der gemeinsamen Wohnung ab und wohnen seither mit Ihrer Cousine zusammen.

Aufgrund dieser Tatsache und den falschen Angaben zu Ihrem Familienleben, bei der Einvernahme am 25.07.2019, geht die Behörde davon aus, dass Sie die Ehe mit Herrn (…) lediglich geschlossen haben, um einen Aufenthaltstitel in Österreich zu erhalten. (…)“ (AS 169)

Im angefochtenen Bescheid wurde der BF vorgehalten, sie habe sich nicht einmal zehn Tage nach Ausfolgung ihres Aufenthaltstitels am 23.04.2018 von dem mit ihrem Ehegatten gemeinsamen Wohnsitz abgemeldet und habe seither mit ihrer Cousine zusammengelebt. Unter den Feststellungen zum Aufenthalt der BF in Österreich davor wurden jedenfalls nur behördliche Melde- und keine Aufenthaltszeiten und abgesehen von der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides aktuellen Feststellung zu ihrem Privat- und Familienleben, dass die Cousine der BF in Österreich aufhältig ist und mit ihr an derselben Adresse wohnt (AS 159), keine Feststellung dazu getroffen, wann bzw. innerhalb welcher Meldezeiten sie mit wem an gemeinsamer Adresse zusammengelebt hat. In der Rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides war erstmals davon die Rede, dass die BF, seitdem sie sich aus der mit ihrem Ehegatten gemeinsamen Wohnung abgemeldet hat, mit ihrer Cousine zusammenwohnt (AS 169). Die Angabe der BF vor dem BFA im Juli 2019 befragt danach, wo sie „momentan“ aufhältig sei, „manchmal bei meiner Cousine und manchmal bei meinem Ehegatten“ (AS 97), wurde da außer Acht gelassen. Mit diesem Vorbringen wurde jedenfalls darauf hingewiesen, dass die BF ab ihrer Abmeldung von dem dem mit ihrem Ehegatten gemeinsamen Wohnsitz nicht durchgehend mit ihrer Cousine zusammengewohnt hat.

Die besagte Wohnsitzabmeldung – laut dem, dem Verwaltungsakt einliegenden Zentralmelderegisterauszug vom 04.06.2019 – am 02.05.2018 deutet außerdem nicht notgedrungen auf einen Beziehungsabbruch hin, können behördliche Meldungen doch nur Indiz und nicht Beweis für einen Aufenthalt an der Meldeadresse sein.

Die BF gab in ihrer Einvernahme vor dem BFA im Juli 2019 jedenfalls an, sie sehe ihren Ehegatten jeden zweiten Tag (AS 92), befragt danach, warum sie derzeit nicht mit ihrem Ehegatten zusammenlebe, „dieses Zimmer bietet mir keine Möglichkeit dort zu wohnen, er ist nur da bis wir was Anderes finden“ (AS 94), und befragt danach, wo sie sich derzeit aufhalte, an, „manchmal bei meiner Cousine und manchmal bei meinem Ehegatten“ (AS 97).

Die BF gab vor dem BFA zudem an, „meine Sachen seien nach wie vor dort; die Wohnung, wo wir gewohnt haben, war eine große Wohnung, sein Chef wollte, dass sie in ein anderes Zimmer ziehen, weil dort nur Männer schlafen (AS 92), „aber jetzt haben wir ein anderes Zimmer bekommen und packen die Sachen, weil jetzt kommt die Tochter von meinem Ehegatten und wir müssen eine andere Wohnung finden“ (AS 93), und antwortete auf die Frage, warum sie dann nunmehr nicht mit ihrem Ehegatten zusammenlebe, mit, „dieses Zimmer bietet mir keine Möglichkeit dort zu wohnen; er ist nur da bis wir was anderes finden“ (AS 94).

Sie gab außerdem befragt danach, ob sie irgendwelche Beweise vorlegen könne, dass ein aufrechtes Familienleben mit ihrem Ehegatten besteht, an:

„Ja, vielleicht habe ich Fotos auf dem Telefon, aber Sie können gerne überprüfen, dass meine Sachen dort im Zimmer sind. Sie sind bereits gepackt.“ (AS 95)

Etwas später gab sie an, die Tochter des BF sei bei ihnen auf Besuch gewesen und werde demnächst auch nach Wien ziehen, und fügte hinzu:

„Meine Sachen sind schon gepackt, weil wir schon eine neue Wohnung suchen.“ (AS 96)

Dann gab die BF befragt danach, ob alle Sachen schon gepackt sind, an, „nein, nur die großen Sachen.“ (AS 96).

Die belangte Behörde hat sich nicht näher mit dem Vorbringen der BF vor dem BFA, sie habe ihren Ehegatten zuletzt „gestern“ gesehen und sehe ihn jeden zweiten Tag (AS 92), und es könne gerne überprüft werden könne, dass sich ihre Sachen im Zimmer bei ihrem Ehegatten, gepackt, befinden (AS 95), auseinandergesetzt, jedoch näher auseinanderzusetzen gehabt und nicht von vornherein den Angaben des Ehegatten der BF vor dem BFA, er habe die BF im Oktober oder November 2018 das letzte Mal gesehen, und dessen Angaben im Zuge der von ihm eingebrachten Ehescheidungsklage, es bestehe seit Beendigung der Lebensgemeinschaft vor über einem Jahr zwischen ihm und der BF kein Kontakt mehr, Glauben schenken (AS 161) und die Angaben der BF vor dem BFA, ihren Ehegatten fast jeden zweiten Tag zu sehen und mit ihm auch viele Wochenenden zu verbringen (AS 92f), mangels eines von der BF vorgelegten Beweismittels für ein aufrechtes Familienleben als nicht wahrheitsgemäß abtun dürfen, zumal die BF nach ihren Angaben vor dem BFA im Juli 2019, ihren Ehegatten zuletzt „gestern“ gesehen zu haben und ihn jeden zweiten Tag zu sehen (AS 92), und es könne gerne überprüft werden, dass sich ihre Sachen im Zimmer bei ihrem Ehegatten befinden (AS 95), tatsächlich mit einer polizeilichen Kontrolle bei ihrem Ehegatten rechnen müssen hätte.

Soweit die belangte Behörde davon ausgeht, die BF habe nur deswegen die Ehe geschlossen, um einen Aufenthaltstitel in Österreich zu erhalten (AS 169), wird darauf hingewiesen, dass ihr Ehegatte erst nach ihrer Heirat in Serbien im November 2017 am 14.12.2017 als unionsrechtlich aufenthaltsberechtigter Unionsbürger einen Aufenthaltstitel für Österreich bzw. eine Anmeldebescheinigung „Arbeitnehmer“ erhalten hat, und deshalb aus ihrer Eheschließung im November 2017 nicht darauf geschlossen werden konnte, dass die BF die Ehe mit einem ungarischen Staatsbürger nur deshalb geschlossen hat, um in Österreich einen Aufenthaltstitel zu erhalten, verfügte der Ehegatte der BF zum Zeitpunkt ihrer Eheschließung doch selbst noch gar nicht über einen Aufenthaltstitel für Österreich bzw. über eine Anmeldebescheinigung.

Wie im angefochtenen Bescheid festgehalten, gab der Ehegatte der BF in seiner Einvernahme vor dem BFA an, im Oktober oder November 2018 das letzte Mal Kontakt zu seiner Ehegattin gehabt zu haben und nicht zu wissen, wo sie sich aufhalten würde. (AS 161).

Im Zuge seiner Ehescheidungsklage von August 2019 wurde angeführt, der Ehegatte der BF habe „seit der Beendigung der Lebensgemeinschaft (länger als ein Jahr) bis zum heutigen Tag“ keinen Kontakt zur BF (AS 105).

Die BF selbst sprach in ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA im Juli 2019 hingegen davon, dass sie ihren Ehegatten jeden zweiten Tag sieht (AS 92), mit ihm auch Wochenenden verbringt (AS 93), ihre Sachen in der Wohnung bzw. im Zimmer ihres Ehegatten hat, was kontrolliert werden könne (AS 95), und sie vorhaben, sich eine neue Wohnung zu suchen, sei doch beabsichtigt, dass die Tochter ihres Ehegatten aus Serbien nachkommt (AS 96).

Eine nähere Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der BF und ihres Ehegatten in ihren polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen vom 27.02.2018 und in ihren niederschriftlichen Einvernahmen vor dem BFA hat nicht stattgefunden.

Im angefochtenen Bescheid wurde zu den Gründen für die Erlassung des Einreiseverbotes Folgendes festgehalten:

„Am 25.07.2019 wurden Sie und Ihr Ehegatte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen.

Ihr Ehegatte gab bei seiner Befragung zusammenfassend an, dass Sie im Oktober oder November 2018 das letzte Mal Kontakt hatten und er nicht wisse, wo Sie sich aufhalten würden. Ihr Ehegatte gab ebenfalls an, dass er sich scheiden lassen wolle und denke, dass Sie Ihn lediglich ausgenutzt hätten.

Sie gaben bei Ihrer Einvernahme am selbigen Tag hingegen an, dass Sie Ihren Ehegatten fast jeden zweiten Tag sehen und auch viele Wochenenden miteinander verbringen würden. Sie könnten sich nicht erklären, warum Ihr Ehegatte bei seiner Einvernahme die oben angeführten Aussagen getätigt habe. Sie haben jedoch keine Beweismittel vorgelegt, welche ein aufrechtes Familienleben belegen.

Die Aussage Ihres Mannes, dass Sie seit fast einem Jahr keinen Kontakt mehr haben, wird durch die Vorlage einer beglaubigten deutschen Übersetzung, der im Amtsgericht (…) durch Ihren Ehegatten eingereichten Ehescheidungsklage, bekräftigt, in welcher dieser ebenfalls angibt, dass seit Beendigung der Lebensgemeinschaft vor über einem Jahr kein Kontakt mehr zwischen ihnen bestanden hat.

Daher können die von Ihnen getätigten Aussagen bezüglich (Anmerkung: weitere Angabe fehlt) nicht als wahrheitsgemäß gewertet werden und kann nicht von einem Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK gesprochen werden.“ (AS 161).

Die vorgelegte beglaubigte Übersetzung der vom Ehegatten der BF bei einem bestimmten serbischen Amtsgericht am 30.08.2019 eingebrachten Ehescheidungsklage (AS 105) aus dem Serbischen ins Deutsche wurde jedenfalls nicht näher angesehen.

Im Zuge dieser brachte der Ehegatte der BF Folgendes vor:

„(…) Nach der Eheschließung sind die Eheverhältnisse der Eheleute zerrüttet geworden, wegen unterschiedlicher Erziehung und anderer Ansicht in Bezug auf das Zusammenleben und die Ehe. Die Eheleute haben auf der Adresse des Klägers in (… Anmerkung: Ort in Serbien) zusammengelebt. Die Angeklagte hat wegen alltäglicher Streitigkeiten die Lebensgemeinschaft verlassen, da die Konflikte von bleibendem Charakter waren.

Nach den Angaben des Klägers hat die Angeklagte auch die Republik Serbien verlassen. Seitdem hat der Kläger keine Informationen über die Angeklagte.

Seit der Beendigung der Lebensgemeinschaft (länger als ein Jahr) bis zum heutigen Tag haben die Eheleute keinen Kontakt miteinander, der Kläger hat keine Informationen wo sich die Angeklagte zur Zeit aufhält, bzw. lebt, so beantragt er bei dem Gericht, in Übereinstimmung mit dem Art. 61 Abs. 1 Ziffer 2 des Gesetzes über die Lösung der Konflikte des Gesetzes mit Bestimmungen anderer Länder, die Zustellung der Ehescheidungsklage auf der letzten bekannten Adresse der Angeklagten in der Republik Serbien auszuführen, bzw. bei Bosnien und Herzegowina die offizielle Information über den Wohnsitz der Angeklagten zu beantragen, oder für die Angeklagte den vorläufigen Vertreter zu bestellen, in Übereinstimmung mit dem Art. 81 Abs. 2 Ziffer 4 der Zivilprozessordnung. Dadurch könnte der Kläger, in Übereinstimmung mit dem Art. 41 des Familiengesetztes, seine Anrechte realisieren. Aufgrund dessen, da die Ehe ihren Sinn verloren hat und nicht mehr wiederhergestellt werden kann, möchte der Kläger die Ehe scheiden, ohne Versöhnungsversuch, da keine Voraussetzungen dafür vorhanden sind.“ (AS 105)

Der BF beantragte als Kläger,

„bei dem Gericht die Hauptverhandlung anzuberaumen, die Beweise zu führen und folgendes Urteil zu fällen:

Urteil

Die Ehe zwischen dem Kläger (…) aus (an dieser Stelle Ort in Serbien) und der Angeklagten (an dieser Stelle der Name, das Geburtsdatum, Identitätsnummer und Herkunftsort der BF in Bosnien und Herzegowina), geschlossen am (…). November 2017 in (an dieser Stelle Ort in Serbien), eingetragen unter Nr. (…) für das Jahr 2017, wird geschieden.“ (AS 109)

Hervorgehoben wird nunmehr folgendes Vorbringen des Ehegatten der BF aus der vorhin wiedergegebenen Ehescheidungsklage:

„(…) . Die Eheleute haben auf der Adresse des Klägers in (… Anmerkung: Ort in Serbien) zusammengelebt. Die Angeklagte hat wegen alltäglicher Streitigkeiten die Lebensgemeinschaft verlassen, da die Konflikte von bleibendem Charakter waren.

Nach den Angaben des Klägers hat die Angeklagte auch die Republik Serbien verlassen. Seitdem hat der Kläger keine Informationen über die Angeklagte.

Seit der Beendigung der Lebensgemeinschaft (länger als ein Jahr) bis zum heutigen Tag haben die Eheleute keinen Kontakt miteinander, der Kläger hat keine Informationen wo sich die Angeklagte zur Zeit aufhält, bzw. lebt, (…).“ (AS 105)

Dieses Vorbringen deutet darauf hin, dass die BF nach der Abmeldung von dem mit ihrem Ehegatten in Österreich gemeinsamen Wohnsitz mit ihrem Ehegatten auch an einer bestimmten Adresse in Serbien zusammengelebt hat.

Wie von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid festgehalten, gab der Ehegatte der BF in seiner Einvernahme vor dem BFA zusammenfassend an, dass sie im Oktober oder November 2018 das letzte Mal Kontakt hatten und er nicht wisse, wo sich die BF aufhalten würde. (AS 161) Im Bewusstsein, dass behördliche Meldungen nur Indiz und nicht Beweis für einen tatsächlichen Aufenthalt an der Meldeadresse sein können, wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die BF, wie aus dem, dem Verwaltungsakt einliegenden Zentralmelderegisterauszug vom 04.06.2019 hervorgehend, nach ihrer meldefreien Zeit ab 02.05.2018 sich am 04.10.2018 erneut an einer bestimmten Adresse im Bundesgebiet mit Hauptwohnsitz gemeldet hat. (AS 65)

Der Ehegatte der BF sprach jedenfalls in seiner Einvernahme vor dem BFA im Juli 2019 zusammenfassend davon, mit der BF zuletzt im Oktober 2018 oder November 2018 Kontakt gehabt zu haben, und in seiner Ehescheidungsklage von August 2019 zusammengefasst davon, seitdem die BF wegen alltäglicher Streitigkeiten vor länger als einem Jahr die Lebensgemeinschaft beendet und die Republik Serbien verlassen habe, keinen Kontakt mehr mit ihr gehabt zu haben und nicht zu wissen, wo sich die BF aufhalte.

Hingewiesen wird an dieser Stelle zudem darauf, dass die BF vor dem BFA befragt danach, wo sie in der (meldefreien) Zeit von 02.05.2018 bis 04.10.2018 gewesen sei, Folgendes angegeben hat:

„Ja ich weiß, dass ich in der Zeit nicht gemeldet war, ich war sonst davor bei ihm (damit ihr Ehegatte gemeint) in (…) gemeldet. Ich habe dann den Wohnungseigentümer ersucht mich abzumelden, weil ich dort nie Post bekommen habe. Also in diesem Haus ist die Post für alle gekommen, da sind 2 Firmen die der Wohnungsvermieter hat.“ (AS 93)

Daraufhin befragt, „ja, aber wo waren Sie in der Zeit aufhältig, gab die BF an:

„Ich war dort, nur nicht gemeldet.“ (AS 93)

Nach Vorhalt, dies wäre ein Verstoß gegen das Meldegesetz, gab die BF an:

„Ich kann das erklären. Ich wurde dann abgemeldet ohne, dass ich das wusste.“ (AS 93)

Nach Vorhalt, „Sie haben doch gesagt, dass Sie den Wohnungsvermieter ersucht haben Sie abzumelden“, gab die BF an:

„Ja aber der Wohnungsvermieter hat das zu früh gemacht und ich habe dann darauf vergessen. Ich wollte dann meinen Führerschein umschreiben lassen und dann dort beim Verkehrsamt wurde mir gesagt, dass ich gar nicht gemeldet bin. Ich habe dann den Vermieter angerufen und dieser hat mir dann gesagt, dass er mich abgemeldet habe und vergessen hatte mir das zu sagen. Ich habe aber auch vergessen nachzufragen.“ (AS 93)

Mit all diesem Vorbringen vor dem BFA und in der Ehescheidungsklage hätte sich die belangte Behörde näher auseinanderzusetzen gehabt.

Maßgebliche Ermittlungen und Feststellungen dazu, wann die BF mit ihrem Ehegatten in Österreich und ob und gegebenenfalls wann die BF mit ihrem Ehegatten auch in Serbien zusammengelebt hat, fehlen.

Von der belangten Behörde zu beachten wäre jedenfalls auch gewesen, dass das Ergebnis der polizeilichen Beweisaufnahme vom 23.03.2018 nach den polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen der BF und ihres Ehegatten vom 27.02.2018 auf keine zwischen der BF und ihrem Ehegatten vorliegende Aufenthaltsehe gelautet hat. (AS 47)

Am 09.04.2018 wurde das BFA von der Einstellung des Ermittlungsverfahrens wegen Eingehens einer Aufenthaltsehe gemäß § 117 Abs. 1. FPG verständigt. (AS 3)

Dies wurde von der belangten Behörde außer Acht gelassen.

Die belangte Behörde hat sich somit insgesamt nicht hinreichend mit dem Akteninhalt bzw. dem Vorbringen der BF und ihres Ehegatten in ihrer polizeilichen Beschuldigtenvernehmung vom 27.02.2018, dem Vorbringen in ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA von Juli 2019 und dem Inhalt der vorgelegten beglaubigten Übersetzung der vom Ehegatten der BF bei einem Amtsgericht in Serbien eingebrachten Ehescheidungsklage aus dem Serbischen ins Deutsche auseinandergesetzt, um hinreichend begründet auf eine vorliegende Aufenthalts- bzw. Scheinehe schließen zu können.

Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid von einer aufrechten Ehe der BF mit einem ungarischen Staatsangehörigen aus und stellte fest, dass die BF seit 23.04.2018 einen Aufenthaltstitel „Angehörige eines EWR-Bürgers“ hat.

Der BF wurde am 23.04.2018 ein Aufenthaltstitel „Angehörige eines EWR-Bürgers“ ausgefolgt, welcher, wie die zuständige NAG-Behörde dem BFA mit Schreiben vom 03.08.2018 mitteilte, vom 05.04.2018 bis 05.04.2023 gültig ist (AS 61).

Demnach besitzt die BF einen aufrechten NAG-Aufenthaltstitel, welcher nach § 52 Abs. 4 FPG das BFA unter bestimmten Voraussetzungen zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung verpflichtet.

Die belangte Behörde hat jedoch – unter Annahme eines nicht rechtmäßigen Aufenthaltes der BF im Bundesgebiet – zunächst mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides der BF einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt.

Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid festhielt, hat gemäß § 58 Abs. 1 Z. 5 AsylG das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG von Amts wegen zu prüfen, wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

Die belangte Behörde hat des Weiteren mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides, fortgesetzt einen unrechtmäßigen Aufenthalt der BF im Bundesgebiet annehmend, gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG erlassen.

Nach § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Es wäre gegen die BF, der Ehegattin eines unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers, welcher als Angehörigen eines EWR-Bürgers am 23.04.2018 eine von 05.04.2018 bis 05.04.2023 gültige Aufenthaltskarte ausgefolgt wurde, bei Feststellung einer Aufenthaltsehe jedoch keine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG, sondern eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 4 FPG zu erlassen gewesen.

§ 52 Abs. 4 FPG lautet wie folgt:

„§ 52. (…)

(…)

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1.         nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,
1a.         nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,
2.         ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
3.         ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
4.         der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder
5.         das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.“

Die in § 52 Abs. 4 Z. 1 FPG angeführte Bestimmungen des § 11 Abs. 1 und Abs. 2 NAG lauten wie folgt:

„§ 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn
1.         gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;
2.         gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;
3.         gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;
4.         eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;
5.         eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder
6.         er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn
1.         der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;
2.         der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;
3.         der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;
4.         der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;
5.         durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden;
6.         der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, rechtzeitig erfüllt hat, und
7.         in den Fällen der §§ 58 und 58a seit der Ausreise in einen Drittstaat gemäß § 58 Abs. 5 mehr als vier Monate vergangen sind.“

Sollte die belangte Behörde daher nach eingehender Auseinandersetzung mit dem gesamten Akteninhalt samt Niederschriften über die polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen der BF und ihres Ehegatten am 27.02.2018 entgegen des polizeilichen Ermittlungsergebnisses vom 23.03.2018 zum Schluss kommen, es liege doch eine Aufenthaltsehe vor, hätte wegen Vorliegens des Versagensgrundes nach § 11 Abs. 1 Z. 4 NAG der Rückkehrentscheidungstatbestand nach § 52 Abs. 4 Z. 1 FPG zur Anwendung zu kommen.

Abgesehen davon, dass die Prüfung nach § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG und nicht nach § 52 Abs. 4 FPG erfolgt ist, wird darauf hingewiesen, dass in der Rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides Folgendes angeführt worden ist:

„Sie sind derzeit arbeitslos und verfügen nicht über genügend finanzielle Mittel um sich einen weiteren Aufenthaltstitel in Österreich finanzieren zu können. (…).“ (AS 169)

Bei der Interessensabwägung wurde jedenfalls nur der derzeitige Erwerbsstand angeführt, wäre jedoch auch die bislang von der BF in Österreich nachgegangene Erwerbstätigkeit – laut Feststellungen „von 21.08.2018 bis 25.08.2018 und von 07.11.2018 bis 20.05.2019 (AS 159) – zu berücksichtigen gewesen. Des Weiteren fehlen Ermittlungen zu der von der BF in ihrer Einvernahme vor dem BFA im Juli 2019 angeführten Ausbildung zur Sozialarbeiterin in Zusammenhang mit behinderten Kindern in Bosnien, für deren Abschluss ihr noch die Prüfung fehle, welche sie nach Abschluss ihres Deutschkurses in Österreich abzulegen beabsichtige (AS 99). Bezüglich des von der BF angesprochenen Deutschkurses sind die von der BF vor dem BFA angegebenen sprachlichen Bemühungen und ihr vorgelegter Nachweis über einen für 29.07.2019 vorgesehenen „Kursantritt Sprachkurs Deutsch“ (AS 111) zu berücksichtigen.

Die belangte Behörde hätte jedenfalls auch Ermittlungen dazu anzustellen gehabt, ob die BF nunmehr auf Arbeitssuche ist und bereits Einstellungsaussichten hat.

Die belangte Behörde hielt im angefochtenen Bescheid fest, die BF sei derzeit arbeitslos und verfüge nicht über genügend finanzielle Mittel um sich einen weiteren Aufenthaltstitel in Österreich finanzieren zu können (AS 169), ohne sich zuvor hinreichend mit dem Vorbringen der BF in ihrer Einvernahme vor dem BFA von Juli 2019 und ihrer individuellen Situation auseinandergesetzt zu haben.

Die BF brachte vor dem BFA vor, sie möchte sich selbst finanzieren, wenn sie ihren Ehegatten jedoch um Geld bitte, bekomme sie dieses auch (AS 94).

Die BF gab vor dem BFA zudem an:

„Ich habe bis Mitte Mai gearbeitet und klage momentan mit Hilfe der Arbeiterkammer die Firma. Ich habe noch Gehalt aufgrund eines doppelten Gehalts, aber Ersparnisse habe ich keine mehr.“ (AS 94)

Bezüglich des Vorbringens der BF vor dem BFA im Juli 2019, sie habe bis Mitte Mai gearbeitet und klage momentan mit Hilfe der Arbeiterkammer die Firma (AS 94), hätte die belangte Behörde nachzufragen gehabt, worum es dabei konkret geht, bzw. die BF zur Vorlage entsprechender Klagsunterlagen zu beauftragen gehabt.

Die belangte Behörde hielt unter den Feststellungen die von der BF in Österreich nachgegangene Erwerbstätigkeit und darunter ihre zuletzt bis 20.05.2019 nachgegangene Beschäftigung fest (AS 159), und hielt in der Rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides fest, die BF sei derzeit arbeitslos und verfüge nicht über genügend finanzielle Mittel um sich einen weiteren Aufenthaltstitel in Österreich finanzieren zu können“ (AS 169), ohne sich zuvor näher mit der konkreten finanziellen bzw. wirtschaftlichen Situation der BF auseinandergesetzt zu haben, um nach maßgeblichen Feststellungen dazu einen derartigen Schluss ziehen zu können.

Würde die belangte Behörde im Zuge ihrer Prüfung zum Ergebnis kommen, es liege keine Aufenthaltsehe, sondern eine normal geschlossene Ehe vor, wäre nach weitergehenden Ermittlungen zur individuellen wirtschaftlichen Situation der BF somit auch zu prüfen, ob etwa ein Versagensgrund nach § 52 Abs. 4 Z. 1 FPG iVm § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG vorliegt, weil der Aufenthalt der BF zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte.

Von der belangten Behörde werden bezüglich der von der BF mit einem ungarischen Staatsbürger im November 2017 in Serbien geschlossenen Ehe zudem folgende Bestimmungen zu berücksichtigen sein:

Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 NAG sind Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, und ist Ihnen auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen.

Nach § 54 Abs. 5 Z. 1 NAG bleibt das Aufenthaltsrecht der Ehegatten, die Drittstaatsangehörige sind, bei Scheidung der Ehe erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 oder 2 erfüllen und die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet.

Nach § 54 Abs. 6 NAG hat der Angehörige den Umstand der Scheidung der Ehe der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben.

Im gegenständlichen Fall wurde eine aus dem Serbischen ins Deutsche übersetzte vom Ehegatten der BF bei einem Amtsgericht in Serbien eingebrachte Ehescheidungsklage von August 2019 (AS 105), nicht jedoch ein Nachweis über eine tatsächlich erfolgte Ehescheidung vorgelegt bzw. nicht von einer Ehescheidung berichtet.

Mangels Nachweises für eine Ehescheidung bzw. mangels Ehescheidung, welche der Ehegatte der BF im Zuge seiner im August 2019 bei einem serbischen Amtsgericht eingebrachten Ehescheidungsklage nur beantragt hat (AS 109), musste daher nicht geprüft werden, ob nach § 54 Abs. 5 Z. 1 NAG das von ihrem Ehegatten abgeleitete Aufenthaltsrecht der BF bei Scheidung der Ehe erhalten geblieben ist.

Hingewiesen wird zudem darauf, dass bei der Interessensabwägung auch die familiären und sozialen Kontakte der BF zu berücksichtigen sein werden, dies unter Berücksichtigung ihres Vorbringen vor dem BFA, „manchmal“ bei ihrer Cousine zu wohnen (AS 92), und ihres Vorbringens in ihrer polizeilichen Beschuldigtenvernehmung vom 27.02.2018, bereits vor Dezember 2017 (, ihrer mit ihrem Ehegatten gemeinsamen Hauptwohnsitzmeldung,) in Österreich Freunde in Salzburg und Oberösterreich besucht zu haben (AS 43). Dass, wie aus den Angaben des Ehegatten der BF in seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung vom 27.02.2018 in Zusammenschau mit den Angaben der BF vor dem BFA hervorgehend, die Cousine des Arbeitgebers des Ehegatten der BF gleichzeitig die Cousine der BF ist und beide, sowohl der Arbeitgeber des Ehegatten der BF als auch dessen Cousine bzw. die Cousine der BF Trauzeugen bei der Hochzeit gewesen sind, wird im Hinblick auf eine auch damit in Zusammenhang stehende

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten