TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/14 L519 1427938-3

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Veröffentlicht am 14.04.2021
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Entscheidungsdatum

14.04.2021

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4

Spruch


L519 1427938-3/38E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Pakistan, vertreten durch RA Dr. WEH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.10.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. gem. §§ 3 und 8 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und festgestellt, dass gemäß § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

III. Gemäß § 55 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF wird XXXX der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Pakistan und muslimischen Glaubens. Am 20.6.2012 brachte er bei der belangten Behörde den 1. Antrag auf internationalen Schutz ein.

2. Zum Fluchtgrund brachte er im Wesentlichen vor, dass er eine Beziehung mit einem Mädchen gehabt habe. Dessen Eltern seien allerdings dagegen gewesen. Verwandte des Mädchens hätten den BF dann zweimal verprügelt, ehe er sein Heimatland verliess. Eine Verfolgung von staatlicher Seite sowie aufgrund der Religion oder der Volksgruppenzugehörigkeit wurden dezidiert verneint.

3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.6.2012 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan ebenso abgewiesen und der BF gem. § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Pakistan ausgewiesen.

4. Die gegen diesen Bescheid fristgerecht eingebrachte Berufung wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 18.9.2012, E3 427.938-1, als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem der in der GFK genannten Gründe aktuell nicht gegeben sei. Der BF habe keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen können. Selbst bei Wahrunterstellung des Vorbringens sei aber der pakistanische Staat fähig und willig bei strafbaren Übergriffen von Privatpersonen Schutz zu gewähren. Hilfsweise stehe dem BF auch eine innerstaatliche Fluchtalternative offen und sei ihm diese als jungem, arbeitsfähigem Mann auch zumutbar.

5. Die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde an den VfGH hat dieser mit Beschluss vom 19.9.2014, U 1987/2012-13 abgelehnt und mit Beschluss vom 20.11.2014, U 1987/2012-15 an den VwGH abgetreten. Der VwGH hat die Beschwerde mit Beschluss vom 10.12.2014, Ro-2014/18/0007-3, zurückgewiesen.

6. Am 3.8.2016 brachte der BF den ggst. 2. Antrag auf internationalen Schutz ein.

7. Im Rahmen der Erstbefragung am selben Tag gab er im Wesentlichen an, er sei in XXXX am XXXX geboren und trage den Namen XXXX . Er habe kein Reisedokument und spreche neben Urdu auch Deutsch und Englisch. Er gehöre zur Volksgruppe der Punjabi und bekenne sich zum Islam. Zum Fluchtgrund gab er erneut an, dass er Probleme mit der Familie seiner Exfreundin habe. Diese sei von ihm schwanger geworden und ihre Familie habe dem BF deshalb Blutrache geschworen. Die Exfreundin habe das Kind abtreiben müssen. Eine Heirat sei nicht möglich gewesen, weil der BF und das Mädchen aus verschieden Kasten stammten. Die Familie des Mädchens habe den BF im Mai 2011 zusammengeschlagen, weshalb er auch 80 Tage im Krankenhaus war, und gegen ihn eine Anzeige wegen Unzucht eingebracht.

8. Mit Eingabe vom 22.6.2016 brachte die Rechtsvertretung des BF zusammengefasst vor, dass die Eltern des Mädchend bereits einen anderen Mann für dieses vorgesehen hatten und dass das gemeinsame ungeborene Kind des BF und dieser Frau gestorben sei. Die Anzeige wegen Unzucht sei vom Bruder der Frau eingebracht worden. Den BF erwarte daher neben privater auch staatliche Verfolgung. Die Eltern des BF hätten diesen verstossen und für die Schande Geld an die Familie des Mädchens bezahlt. Der BF sei in Österreich bestens integriert, arbeite als Zeitungsausträger und sei pflichtversichert. Er verdiene monatlich ca. 1.300,- Euro und sei selbsterhaltungfähig, außerdem habe er hervorragende Deutschkenntnisse auf A2-Niveau. Wegen seines Kochtalents habe er auch einen Arbeitsvertrag mit einem Restaurant. Weiter könne der BF ein Unterstützungsschreiben des Vizebürgermeisters von XXXX vorlegen. Vorgelegt wurde ein Konvolut von Unterlagen zum Ausreisegrund und zur Integration.

9. Am 2.11.2016 wurde der BF vom BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei wiederholte er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Weiter gab er an, dass die Liebesgeschichte 2007 auf dem College begonnen habe und die Eltern des Mädchens im Februar 2011 davon Wind bekommen hätten. Anfang März 2011 sei der BF von insgesamt 5 Personen in seinem Heimatort geschlagen worden, wobei er im Wesentlichen einen Bruch des Nasenbeins und der Schulter erlitten habe. Der BF habe sich dann für2 bis 3 Monate zu einem Orthopädiespezialisten nach XXXX begeben, von wo aus er seine damalige Freundin kontaktiert habe. Sie habe ihn angerufen und erzählt, dass sie von ihren Eltern ebenfalls geschlagen worden sei. Tags darauf sei der BF in sein Dorf zurück, welches er am folgenden Tag mit seiner Freundin verlassen wollte. Um ca. 10.00 Uhr seien Cousins des Mädchen gekommen und hätten den BF erneut geschlagen. Sie hätten ihn aus dem Haus ins Dorf gezerrt und wollten ihn fast umbringen. Zu diesem Zeitpunkt habe der BF noch nicht gewusst, dass es gegen ihn eine falsche Anzeige eines Bruders des Mädchens gab, weil er mit dem Mädchen gegen dessen Willen Sex gehabt haben soll und das Mädchen im 3. Monat schwanger war. Da der BF an den Beinen schwer verletzt war, habe ihn ein Freund nach 3 oder 4 Stunden ins Krankenhaus gebracht, wo der BF 3 Monate blieb. Seine Eltern hätten dem BF dann geraten, Pakistan zu verlassen.

10. Mit Eingabe vom 24.11.2016 wurde das Vorbringen des BF im Wesentlichen erneut wiederholt. Zudem wurde die Einholung eines gerichtsmedizinischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass der BF mit Eisen- und Holzstangen schwer verletzt wurde, beantragt. Weiter wurde auf diverse sicherheitsrelevante Vorfälle in Pakistan im Jahr 2016 verwiesen. Vorgelegt wurde erneut ein großteils mit den bereits vorgelegten Unterlagen übereinstimmendes Konvolut an Unterlagen.

11. Mit Eingabe vom 11.5.2017 erfolgte eine neuerliche Wiederholung des Vorbringens und des bereits gestellten Beweisantrages. Weiter wurde die Überprüfung des Sachverhaltes durch einen Vertrauensanwalt vor Ort beantragt. Im Übrigen wurde auf ein Sachverständigengutachten aus einem UBAS-Verfahren aus dem Jahr 2002 hingewiesen und erneut Berichte über sicherheitsrelevante Vorfälle im Jahr 2017 auszugsweise zitiert. Betont wurde erneut auch die fortgeschrittene Inetegration des BF in Österreich. Vorgelegt wurden wiederum überwiegend die bereits vorgelegten Unterlagen.

12. Mit Bescheid des BFA vom 29.5.2017 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen . Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan ebenso abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt.

13. Der gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Beschwerde wurde vom BVwG mit Beschluss vom 27.6.2017, L519 2162149-1, gem. § 28 Abs. 3 VwGVG Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde verwiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die belangte Behörde nicht mit den vorgelegten Schriftstücken auseinandergesetzt habe. So habe sie die pakistanischen Schriftstücke weder überstzen lassen noch sei sie inhaltlich darauf eingegangen. Ebenso habe es die belangte Behörde verabsäumt, sich mit den vom BF in diversen Eingaben gestellten Beweisanträgen auseinanderzusetzen.

14. Mit Schriftsatz vom 24.9.2017 wiederholte der Bf erneut sein bisheriges Vorbringen und hob insbesondere seine fortgeschrittene Integration hervor.

15. Mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 1.10.2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan ebenso abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkte IV und V). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI).

Beweiswürdigend wurde im Wesentlichen wie folgt ausgeführt:

Der BF habe nicht ansatzweise ein plausibles Fluchtvorbringen erstatten können:

Auszüge aus dem Bescheid des Erstverfahrens: „Ihre Angaben waren schon vom zeitlichen Ablauf her völlig widersprüchlich vorgebracht. So behaupteten Sie einerseits, Ihre Probleme hätten im März 2011 begonnen, im Dezember 2011 hätten Sie Pakistan verlassen. Andererseits wieder erklärten Sie, im März 2012 hätten die Probleme begonnen, damals wären die Eltern des Mädchens hinter die Beziehung gekommen und auch im März 2012 hätte der Überfall auf Sie stattgefunden.

Auch bezüglich einer Anzeige nach dem behaupteten Attentat auf sie machten Sie – sogar mehrmals – signifikant widersprüchliche Aussagen. Einerseits behaupteten Sie zu Beginn der Einvernahme befragt danach, dass Sie im März 2012 Anzeige wegen des Überfalls erstatteten. Im weiteren Verlauf der Einvernahme verneinten Sie dann die Erstattung einer polizeilichen Anzeige und begründeten dies nunmehr damit, dass Ihre Familie Angst hatte, gegen die Familie des Mädchens etwas zu unternehmen, da diese reicher gewesen wären, außerdem hätten Ihnen Ihre Eltern die Schuld an dieser Sache gegeben, weil Sie diese Beziehung begonnen hätten. Gegen Ende der Einvernahme behaupteten Sie nunmehr wieder, dass es doch eine polizeiliche Anzeige gegeben hätte. Ihr Bruder hätte Ihnen erzählt, dass die Polizei alles aufgenommen hätte. Während Ihrer 2. Einvernahme führten Sie dieselbe Fluchtgeschichte erneut an. Dieses Fluchtvorbringen konnte Ihnen jedoch während Ihres Erstverfahrens nicht geglaubt werden und vermochten Sie nun auch nicht mit zusätzlichen Unterlagen Ihr Vorbringen glaubhaft zu machen.

Sie selbst gaben an, manchmal über eine Rückkehr nach Pakistan zu Ihrer Familie nachgedacht zu haben. Ihr Freund hätte Ihnen dann jedoch mitgeteilt, dass Sie das nicht machen sollten, da Sie nicht mehr zu dieser Familie gehören würden. Somit entschlossen Sie sich, einen neuerlichen Asylantrag zu stellen. Sie gaben während Ihrer Einvernahme explizit an, „Ich habe immer die gleichen Gründe. Jetzt habe ich noch Dokumente. Ich habe eh bereits alles erzählt.“ Zudem haben Sie die Frage des Bundesamtes, ob es Vorfälle gegeben hat, die Sie dazu veranlasst haben, den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, klar verneint. Sie haben lediglich – jedoch erst auf explizite Nachfrage des BFA – angegeben, sie hätten nun Beweise aus Pakistan, die ein Freund Ihnen geschickt habe. Eine Anzeige, die gegen Sie gemacht worden sei (Anmerkung BFA: wegen der angeblichen Beziehung zwischen der VP und Exfreundin) und eine schriftliche Bestätigung Ihrer Eltern, dass Sie nicht mehr Ihrer Familie zugehörig seien. Erstens wurde Ihnen bereits im Vorverfahren die Glaubwürdigkeit gänzlich abgesprochen und kann daher auch nun keinesfalls von einem glaubhaften Sachverhalt ausgegangen werden, da Sie sich ausschließlich auf die Gründe des Vorverfahrens stützen. Zweitens wäre es dem Bundesamt auch absolut nicht ersichtlich, aus welchem Grund Sie diese Beweismittel nicht schon früher, z.B. im Beschwerdeverfahren vorgelegt haben, sondern erst jetzt, 5 Jahre später. Zudem ist in den Länderfeststellungen klar ersichtlich, dass die Zahl der (pakistanischen, in Deutschland) vorgelegten inhaltlich ge- oder verfälschten Dokumente hoch ist und es in Pakistan problemlos möglich ist, ein Scheinstrafverfahren gegen sich selbst in Gang zu bringen. Weiter ist anzubringen, dass ihre Beweismittel keine Klarstellung Ihres Sachverhaltes mehr erwarten lassen, da Ihr dargelegter Sachverhalt ausreichend geklärt ist und Ihnen Ihre Fluchtgeschichte nicht geglaubt werden konnte. Diese Glaubwürdigkeit vermögen Sie auch nicht mit allfälligen Dokumenten wie Krankenhausaufenthaltsbestätigungen, Notariatsakt der Eltern oder einer Anzeigebestätigung zu bekräftigen. Eine Bestätigung eines Krankenhausaufenthaltes kann nicht als Beweismittel für Ihren Fluchtgrund herangezogen werden, da nicht feststeht, woher Sie allfällige Verletzungen hatten oder durch wen diese zugefügt worden sind. Ebenfalls konnte auch der Notariatsakt ihrer Eltern vom 29.2.2016 nicht als Beweismittel anerkannt werden. Sie gaben bereits im Jahr 2012 bei Ihrer Erstbefragung dieselben Probleme aufgrund dieser Frau an, weshalb ihre Eltern dazu erst im Jahr 2016 einen Notariatsakt, in dem sie angeblich versprachen, dass der Antragsteller nie mehr nach Pakistan zurückkehren werde und sie ihren Sohn verstossen hätten, anfertigen liessen. Zudem hätten sie für die Tat ihres Sohnes auch Schandgeld bezahlt. Auch vermag eine reine Anzeigebestätigung nicht Ihre Glaubwürdigkeit zu bekräftigen. Sowohl konnten Sie mit ihren Angaben und auch mit ihren vorgelegten Beweismitteln keinen glaubhaften Asylgrund darlegen.

In Ihrem Fall haben Sie weder behauptet noch hat sich im Laufe des Verfahrens herausgestellt, dass Sie über einen hohen Bekanntheitsgrad in Pakistan verfügen und haben sich auch keine Hinweise ergeben, dass es ihnen nicht möglich oder zumutbar wäre, sich in größeren Städten Pakistans niederzulassen.

Insgesamt ist ihr gesamtes Vorbringen nicht geeignet, in einer möglichen Beschwerde die Würdigung und Beurteilung der Behörde gesamthaft in Zweifel zu ziehen.

Die Behörde geht daher davon aus, dass Sie Ihr Heimatland mit der Hoffnung auf Migration und diverse Sozialleistungen Richtung Europa verlassen haben: In einer Gesamtbetrachtung des Sachverhaltes steht zweifelsfrei fest, dass Sie den nunmehrigen 2. Antrag ausschließlich aus taktischen Gründen zur Verhinderung Ihrer Abschiebung gestellt haben. Bezüglich des Verlassens des Herkunftsstaates gaben Sie wie bereits erwähnt selbst vor dem Bundesamt an, dass seit dem letzten Antrag immer dieselben Gründe gelten.

Aus den beantragten weiteren Ermittlungen sind keine neuen entscheidungsrelevanten Fakten zu erwarten. Der Sachverhalt steht fest und die Anträge dienen damit allein der Verfahrensverzögerung und werden von der Behörde abgelehnt.“

16. Mit Eingabe vom 30.10.2018 hat der BF gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben. Neben zahlreichen Wiederholungen und allgemeinen Ausführungen wurde generell die Bescheidkultur des BFA gerügt, welche auch in der Öffentlichkeit immer massivere Bedenken auslöst. Das Bundesamt sei den Aufträgen des BVwG nicht nachgekommen. Es werde daher eine Verhandlung vor dem BVwG durchzuführen sein, weil eine neuerliche kassatorische Entscheidung beim BFA wieder ins Leere gehen würde. Tatsachenfeststellungen und Beweiswürdigung seien völlig verfehlt und eine rechtliche Beurteilung fehle überhaupt. Erneut verwiesen wurde auf die fortgeschrittene Integration des BF.

17. Mit Schriftsatz vom 4.6.2019 wiederholte der BF wiederum das bisherige Verfahrensgeschehen und wurden wiederum dieselben Unterlagen vorgelegt, die bereits im Vorfeld mehrfach vorgelegt wurden. Außerdem wurde wiederum die gute Integration des BF betont.

18. Am 12.6.2019 führte das BVwG im Beisein des BF und seiner Rechtsvertretung eine mündliche Verhandlung durch.

19. Das BVwG richtete am 9.3.2020 ein Erhebungsersuchen an die ÖB Islamabad, dessen Beantwortung nach 3 Urgenzen am 19.1.2021 beim BVwG einlangte.

20. Am 29.1.2021 wurde dem BVwG die verfahrensleitende Anordnung des VwGH vom 22.1.2021, Fr 2021/01/0002 mit der Aufforderung zugestellt, binnen 3 Monaten die Entscheidung zu erlassen.

21. Nach Übersetzung des Erhebungsergebnisses wurde dieses den Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs am 16.3.2021 übermittelt und diesen die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen 2 Wochen Stellung zu nehmen. Gleichzeitig wurden auch die aktuellen Länderfeststellungen zur Stellungnahme übermittelt und der BF aufgefordert, allfällige Änderungen im Privat- und Familienleben bekanntzugeben und allenfalls zu belegen.

22. Der BF führte mit Eingabe vom 31.3.2021 im Wesentlichen aus, dass das Ermittlungsergebnis zumTeil nicht den Tatsachen entspreche und den Aufträgen des BVwG auch nicht im vollem Umfang nachgekommen worden sei. Weiter wurden folgende Anträge gestellt:

-        Verifizierung der notariellen Urkunde durch Befragung des Notars

-        Befragung der ehemaligen Freundin XXXX sowie der Nachbarn im Dorf XXXX zum Fluchtvorbringen

-        Befragung der Schwester des BF, XXXX zum Krankenhausaufenthalt des BF

-        Einholung eines gerichtsmedizinischen Sachverständigengutachtens zu den Verletzungen des BF

23. Hinsichtlich des Verfahrensganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1. Zum Beschwerdeführer:

Der Beschwerdeführer gab an, den Namen XXXX zu führen und am XXXX in XXXX geboren zu sein. Die Identität des BF steht mangels Vorlage einen pakistanisches Originallichtbildausweises nicht fest. Er ist ein gesunder, lediger pakistanischer Staatsangehöriger, gehört zur Volksgruppe der Punjabi und bekennt sich zum Islam. Er spricht Punjabi auf muttersprachlichem Niveau und beherrt außerdem Urdu sowie die deutsche und die englische Sprache.

Er hat 10 Jahre die Grundschule und 2 Jahre das College besucht, anschließend hat er ein Diplom im Bereich Elektrotechnik gemacht. Vor seiner Ausreise wurde der BF von seinem Vater unterstützt, welcher eine Landwirtschaft betreibt.

Im Herkunftsstaat leben noch der Vater des BF, 2 Brüder und 3 Schwestern, jeweils mit ihren Familien.

Im Dezember 2011 verließ der BF illegal mit einem PKW Pakistan. Nach rechtswidriger Einreise in das Bundesgebiet stellte er am 22.6.2012 den 1.Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des BAA vom 29.6.2012 als unbegründet abgewiesen und der BF nach Pakistan ausgewiesen. Mit Erkennnis des Asylgerichtshofes vom 18.9.2012, E3 427.938-1, wurde die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Am 3.8.2016 stellte er den ggst. 2 Antrag auf internationalen Schutz.

Der BF verfügt über keine pakistanischen Originalidentitätsdokumente.

Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet war und ist nicht nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Z. 3 FPG 2005 geduldet. Sein Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Er wurde nicht Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO.

Der Beschwerdeführer gehört keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an und hatte in seinem Herkunftsstaat vor der Ausreise keine Schwierigkeiten mit staatlichen Organen, Sicherheitskräften oder Justizbehörden zu gewärtigen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF vor der Ausreise Schwierigkeiten aufgrund seines Bekenntnisses zum Islam bzw. ethnischen Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Punjabi zu gewärtigen hatte.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat einer individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt war oder er im Falle einer Rückkehr dorthin einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre.

Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass der BF eine mehrjährige Beziehung hatte und dass dass die Frau schwanger wurde und abgetrieben hat oder das Ungeborene verstorben ist. Weiter kann nicht festgestellt werden, dass der BF von Angehörigen dieser Frau wegen dieser Beziehung geschlagen oder misshandelt worden wäre und sich deshalb in Spitalsbehandlung begeben musste. Es kann weiter nicht festgestellt werden, dass gegen den BF eine Anzeige wegen Vergewaltigung bzw. Unzucht existiert. Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass der BF von seiner Familie verstossen wurde oder dass diese Schandgeld wegen ihm bezahlt hätte.

Dem BF droht im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat nicht die Todesstrafe. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung des BF festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine in Pakistan drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie im Hinblick auf kriegerische Ereignisse, extremistische Anschläge, stammesbezogene Gewalt oder organisierte kriminelle Handlungen.

Der BF ist ein arbeits- und anpassungsfähiger Mensch mit grundlegender Ausbildung in der Schule. Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, zumindest anfänglich mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten, zur Sicherstellung seines Auskommens ist möglich und zumutbar. Der Beschwerdeführer verfügt über eine – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherte Existenzgrundlage in seinem Herkunftsstaat und eine hinreichende Versorgung mit Nahrung und Unterkunft.

Der BF hat in Österreich keine Verwandten, befindet sich in keiner Lebensgemeinschaft und verfügt über sehr gute Deutschkenntnisse auf B1 Niveau. Er ist auch für keine Person im Bundesgebiet sorgepflichtig. Seit März 2014 ist der BF als Zeitungsausträger erwerbstätig und hat ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 1.500,- Euro. Er hat auch eine Einstellungszusage für eine Kochlehre. Er pflegt umfangreiche soziale Kontakte mit Österreichern und betätigt sich in seiner Wohnsitzgemeinde ehrenamtlich bei der Seereinigung. Der BF ist unbescholten und hat einen Werte- und Orientierungskurs besucht

Im gegenständlichen Fall ergab sich weder eine maßgebliche Änderung bzw. Verschlechterung in Bezug auf die den BF betreffende asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsstaat, noch in sonstigen in der Person der BF gelegenen Umständen.

Ebenso ergab sich keine sonstige aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation des BF.

Eine relevante Änderung der Rechtslage konnte ebenfalls nicht festgestellt werden.

In Bezug auf die individuelle Lage des BF im Falle einer Rückkehr nach Pakistan konnte keine im Hinblick auf den Zeitpunkt, an dem letztmalig über den Antrag auf internationalen Schutz inhaltlich entschieden wurde, maßgeblich geänderte oder gar verschlechterte Situation festgestellt werden.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass dem BF eine aktuelle sowie unmittelbare persönliche und konkrete Gefährdung oder Verfolgung in seinem Heimatland Pakistan droht. Ebenso konnte unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Pakistan der Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung iSd GFK ausgesetzt wäre.

Weiter konnte unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Pakistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Des Weiteren liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ nicht vor.


Zur Lage im Herkunftsstaat:

Covid-19

Letzte Änderung: 29.01.2021

Die epidemiologische Situation in Pakistan ist weiterhin angespannt. In Pakistan wurden bisher mehr als 457.288 Infektionen mit dem Covid-19-Virus sowie mehr als 9.330 Todesfälle bestätigt (Stand 21.12.2020; Einwohnerzahl: 220 Millionen). Nach Angaben des National Command and Operation Center (NCOC) stieg die Zahl der durch das Coronavirus verursachten Todesfälle zum ersten Mal seit fünf Monaten um mehr als 100 innerhalb eines Tages. Die Positiv-Rate aller durchgeführten Testungen liegt in verschiedenen pakistanischen Großstädten bei etwa 7 bis 8%, während sie in der Millionenmetropole Karatschi etwa 19% beträgt. Landesweit wird weiterhin auf „Smart Lockdowns“ gesetzt, wobei zuletzt in Bezirken Peshawars und Karatschis Ausgangssperren verhängt wurden. Die Landesregierungen von Sindh und Khyber Pakhtunkhwa haben zudem angeordnet, alle religiösen Seminare („Madrassas“) wegen der Covid-19-Pandemie zu schließen. Laut Angaben des Sonderassistenten des pakistanischen Premierministers werde geplant, dass der Impfstoff – sofern verfügbar – der pakistanischen Bevölkerung kostenlos zur Verfügung gestellt werde. Wie gering die Impfbereitschaft der Pakistanis zeigt der Umgang mit der Polio-Impfung für Kinder im Land (ÖB 21.12.2020). Gleichzeitig geraten Krankenhäuser angesichts gestiegener Corona-Neuinfektionen landesweit an ihre Kapazitätsgrenzen. Mindestens sieben Patienten starben laut Medienberichten in der Nacht zum 6. Dezember 2020 in einem öffentlichen Krankenhaus in der nordwestlichen Stadt Peshawar (Khyber Pakhtunkhwa), weil der Sauerstoffnachschub ausging (BAMF 7.12.2020).

Als Folge des COVID-19-Schocks verschlechterte sich die wirtschaftliche Aktivität deutlich, wobei das Wirtschaftswachstum 2020 wird vorläufig auf -0,4% geschätzt. Um die zweite Welle abzumildern, wurden Lockdownmaßnahmen wieder eingeführt. Hinsichtlich anstehender Impfungen hat die Regierung bei der COVAX-Organisation der UN um Unterstützung angesucht. Diese wird die Impfung von vorrangig zu impfenden Gruppen - etwa 20% der Bevölkerung - abdecken. Die Regierung führt außerdem Gespräche mit mehreren Impfstoffherstellern und mit Gebern (Weltbank und Asiatische Entwicklungsbank) über die Beschaffung zusätzlicher Impfstoffe, die mit einem Budget von 250 Millionen US-Dollar finanziert werden sollen. Der Start der Impfkampagne wird für das zweite Quartal des Jahres 2021 erwartet (IMF 8.1.2021).

Am 24. März 2020 wurde von der Bundesregierung ein Hilfspaket im Wert von 1,2 Billionen PKR (ca. 6,2 Milliarden Euro) angekündigt, das inzwischen fast vollständig umgesetzt wurde. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören u.a. die Abschaffung der Importzölle auf medizinische Notfallausrüstung (kürzlich bis Dezember 2020 verlängert); Bargeldtransfers an 6,2 Millionen Tagelöhner (75 Mrd. PKR); Bargeldtransfers an mehr als 12 Millionen einkommensschwache Familien (150 Mrd. PKR); Unterstützung für KMUs und den Agrarsektor (100 Mrd. PKR) in Form von Aufschub der Stromrechnung, Bankkrediten sowie Subventionen und Steueranreizen. Das Konjunkturpaket sah außerdem Mittel für eine beschleunigte Beschaffung von Weizen (280 Mrd. PKR), finanzielle Unterstützung für Versorgungsunternehmen (50 Mrd. PKR), eine Senkung der regulierten Kraftstoffpreise (mit einem geschätzten Nutzen für die Endverbraucher in Höhe von 70 Mrd. PKR), Unterstützung für die Gesundheits- und Lebensmittelversorgung (15 Mrd. PKR), Erleichterungen bei der Bezahlung von Stromrechnungen (110 Mrd. PKR), einen Notfallfonds (100 Mrd. PKR) und eine Überweisung an die National Disaster Management Authority (NDMA) für den Kauf von COVID-19-bezogener Ausrüstung (25 Mrd. PKR) vor. Der nicht ausgeführte Teil des Hilfspakets wird auf das Jahr 2021 übertragen. Darüber hinaus enthält das Budget für das Jahr 2021 weitere Erhöhungen der Gesundheits- und Sozialausgaben, Zollsenkungen auf Lebensmittel, eine Zuweisung für das "COVID-19 Responsive and Other Natural Calamities Control Program" (70 Mrd. PKR), ein Wohnungsbaupaket zur Subventionierung von Hypotheken (30 Mrd. PKR) sowie die Bereitstellung von Steueranreizen für den Bausektor (Einzelhandels- und Zementunternehmen), die im Rahmen der zweiten Welle bis Ende Dezember 2021 verlängert wurden (IMF 8.1.2021).

Quellen:

?        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (7.12.2020): Briefing Notes, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041897/briefingnotes-kw50-2020.pdf, Zugriff 28.12.2020

?        IMF – International Monetary Fund (8.1.2021): Policy Responses to COVID-19, Pakistan, https://www.imf.org/en/Topics/imf-and-covid19/Policy-Responses-to-COVID-19#P, Zugriff 28.1.2021

?        ÖB – Österreichische Botschaft Bangkok [Österreich] (21.12.2020): Asylländerbericht Pakistan, per E-Mail

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 29.01.2021

Die Sicherheitslage in Pakistan ist landesweit unterschiedlich und wird von verschiedenen Faktoren wie politischer Gewalt, Gewalt von Aufständischen, ethnischen Konflikten und konfessioneller Gewalt beeinflusst. Die Sicherheitslage im Inneren wird auch von Auseinandersetzungen mit den Nachbarländern Indien und Afghanistan beeinflusst, die gelegentlich gewalttätig werden (EASO 10.2020).

Pakistan dient weiterhin als sicherer Hafen für bestimmte regional ausgerichtete terroristische Gruppen. Es erlaubt Gruppen, die gegen Afghanistan gerichtet sind, einschließlich der afghanischen Taliban und der mit ihnen verbundenen HQN [Anm.: the Haqqani Network], sowie Gruppen, die gegen Indien gerichtet sind, einschließlich LeT [Anm.: Lashkar-e Taiba] und der mit ihr verbundenen Frontorganisationen und JeM [Anm.: Jaish-e Muhammad], von seinem Territorium aus zu operieren (USDOS 24.6.2020). Andererseits führen Armee und Polizei auch weiterhin Kampagnen gegen militante und terroristische Gruppen durch (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 29.9.2020). Die Operation Radd-ul-Fasaad des Militärs, die 2017 begonnen wurde, wurde das ganze Jahr 2019 über fortgesetzt. Radd-ul-Fasaad ist eine landesweite Antiterrorismuskampagne mit dem Ziel, die Errungenschaften der Operation Zarb-e-Azb (2014-2017) zu konsolidieren, mit der ausländische und einheimische Terroristen in den ehemaligen FATA bekämpft wurden. Die Sicherheitsbehörden schwächen terroristische Gruppen auch, indem sie mutmaßliche Terroristen und Bandenmitglieder festnehmen, welche den Militanten angeblich logistische Unterstützung leisten (USDOS 11.3.2020).

Terroristische Gewalt und Menschenrechtsverletzungen durch (nicht)-staatliche Akteure tragen zu Menschenrechtsproblemen bei. Angriffe von militanten und terroristischen Gruppen, darunter die pakistanischen Taliban (TTP; Tehrik-e-Taliban Pakistan), Lashkar-e-Jhangvi und die Provinz Chorasan im islamischen Staat (ISIS-K), richten sich gegen Zivilisten, Journalisten, Gemeindeführer, Sicherheitskräfte, Vollzugsbeamte und Schulen. Hunderte von Menschen wurden 2019 durch Sprengsätze, Selbstmordattentate und andere Formen der Gewalt getötet oder verletzt. Angriffe der genannten Gruppen richten sich häufig gegen religiöse Minderheiten (USDOS 11.3.2020).

Tatsächlich ist seit 2009 ein allmählicher Rückgang der Terroranschläge und der Zahl der Opfer zu verzeichnen. Kontinuierliche Einsatz- und Überwachungskampagnen der Sicherheitskräfte gegen militante Gruppen und polizeiliche Antiterrorabteilungen sowie einige Antiextremismusmaßnahmen im Rahmen des Nationalen Aktionsplans, haben dazu beigetragen, diesen rückläufigen Trend ab 2013 aufrechtzuerhalten (USDOS 24.6.2020). Auch 2019 war das Maß an Gewalt geringer, als in den vergangenen Jahren. Dies steht mit einem allgemeinen Rückgang der terroristischen Aktivitäten in Zusammenhang (USDOS 11.3.2020). Die Zahl sicherheitsrelevanter Zwischenfälle ist also weiter rückläufig, bei gleichzeitiger Stagnation in einigen Landesteilen. Laut dem Think Tank Pakistan Institute for Peace Studies (PIPS) gab es im Jahr 2019 insgesamt 229 Terroranschläge in Pakistan (13% weniger verglichen mit 2018), bei denen 357 Personen ums Leben gekommen sind (40% weniger als 2018). Größte Unruheherde bleiben die ehemaligen Stammesgebiete (besonders Nordwaziristan) und Belutschistan. Die aktivsten gegen den pakistanischen Staat gerichteten Terrorgruppen sind die TTP sowie belutschische Separatisten (AA 29.9.2020; vgl. USDOS 24.6.2020). Beide verübten in den vergangenen Monaten eine Serie von tödlichen Anschlägen auf Sicherheitskräfte (AA 29.9.2020). Auch ISIS-K ist aktiv. Separatistische militante Gruppen führen Terroranschläge gegen verschiedene Ziele in den Provinzen Belutschistan und Sindh durch (USDOS 24.6.2020). Gewisse Teile von Belutschistan und dem pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet sind weiter nicht gänzlich unter staatlicher Kontrolle. Dies begünstigt neben dem Terrorismus auch den Schmuggel sowie Menschen- und Drogenhandel (AA 29.9.2020).

Insgesamt dokumentierte PIPS im Jahr 2019 433 Vorfälle von Gewalt. Die Gesamtzahl der Gewaltvorfälle führte zu 588 Todesopfer und 1.030 Verletzte. Mehr als die Hälfte der Gewaltvorfälle (229 Vorfälle) wurden laut PIPS als terroristische Angriffe bezeichnet. Im Vergleich zu 2018 ist die Zahl der gewalttätigen Vorfälle um etwa 15 % zurückgegangen (EASO 10.2020).

Es besteht jedoch weiterhin landesweit – auch in den Großstädten Islamabad, XXXX , XXXX , Karachi – eine Gefahr für terroristische Anschläge seitens der TTP sowie religiös motivierter oder separatistischer Gruppen, insbesondere durch Sprengstoffanschläge und Selbstmordattentate. Die Terroranschläge richten sich vor allem gegen Streitkräfte, Sicherheitsdienste, Polizei, Märkte, Einrichtungen der Infrastruktur sowie gegen religiöse Stätten (Moscheen, Schreine, Kirchen) (AA 27.10.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).

Die Regierung betreibt fünf De-Radikalisierungslager, wo religiöse Erziehung, Berufsausbildung, Beratung und Therapie angeboten wird. Eine pakistanische NGO verwaltet das auf Jugendliche ausgerichtete Sabaoon Rehabilitation Center im Swat-Tal, das sie in Zusammenarbeit mit dem pakistanischen Militär gegründet hatte (USDOS 24.6.2020).
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Anzahl der Anschläge von 1.1.2020-31.7.2020 (EASO 10.2020)

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (9.12.2020): Pakistan: Reise- und Sicherheitshinweise (Stand 21.12.2020), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistansicherheit/204974#content_1, Zugriff 21.12.2020

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf, Zugriff 21.12.2020

?        EASO – European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf, Zugriff 21.12.2020

?        USDOS – US Department of State [USA] (24.6.2020): Country Report on Terrorism 2019 - Chapter 1 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2032437.html, Zugriff 21.12.2020

?        USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Pakistan, https://www.state.gov/reports/2019-country-reports-on-human-rights-practices/pakistan/, Zugriff 21.12.2020

Punjab und Islamabad

Letzte Änderung: 29.01.2021

Die Bevölkerung der Provinz Punjab beträgt laut Zensus 2017 110 Millionen. In der Provinzhauptstadt XXXX leben 11,1 Millionen Einwohner (PBS 2017d; vgl. EASO 10.2020). Die Bevölkerung des Hauptstadtterritoriums beträgt laut Zensus 2017 ca. zwei Millionen Menschen (PBS 2017d).

Beim einzigen 2019 aus Islamabad gemeldeten Terroranschlag wurden zwei Polizisten getötet und ein weiterer bei einem Angriff auf eine Sicherheitsposten verletzt (PIPS 2020).

Im südlichen Punjab sind militante Netzwerke und Extremisten präsent, Lashkar-e Taiba (LeT) und JeM haben dort ihre Hauptquartiere und unterhalten religiösen Einrichtungen. Die Abteilung für Terrorismusbekämpfung im Punjab (CTD) hat 2019 und im ersten Halbjahr 2020 ihre Operationen gegen Militante fortgesetzt. Es kam dabei zu Festnahmen und zur Tötung von (mutmaßlichen) Kämpfern der TTP, HuA, LeJ und ISKP. Vom 1. Jänner bis 31. Juli 2020 zählte PIPS neun Vorfälle im Punjab, fünf davon wurden als Terroranschläge erfasst (EASO 10.2020; vgl. PIPS 2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (9.12.2020): Pakistan: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), Stand (22.12.2020), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistansicherheit/204974#content_1, Zugriff 22.12.2020

?        EASO – European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf, Zugriff 22.12.2020

?        PBS – Pakistan Bureau of Statistics [Pakistan] (2017d): Province wise Provisional Results of Census – 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN%20TEHSIL%20WISE%20FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pdf, Zugriff 22.12.2020

?        PIPS – Pak Institute for Peace Studies (2020): Pakistan Security Report 2019, https://www.pakpips.com/web/wp-content/uploads/2020/03/sr2019full.pdf, Zugriff 22.12.2020

Rechtsschutz, Justizwesen

Letzte Änderung: 29.01.2021

Das Gesetz garantiert die Unabhängigkeit der Justiz (USDOS 11.3.2020). Nach der Verfassung ist die politische Gewalt zwischen Legislative, Exekutive und Judikative aufgeteilt. In der Praxis wird diese Aufteilung in Pakistan jedoch nicht strikt eingehalten (BS 2020). Die pakistanische Verfassung und die gesamte pakistanische Rechtsordnung basieren weitgehend auf dem britischen Rechtssystem. Wenngleich gemäß Art. 227 der Verfassung alle Gesetze grundsätzlich im Einklang mit der Scharia stehen müssen, ist deren Einfluss auf die Gesetzgebung trotz Bestehens des Konsultativorgans Council of Islamic Ideology jedoch eher beschränkt, abgesehen von bestimmten Bereichen wie beispielsweise den Blasphemiegesetzen (ÖB 5.2020).

Der Supreme Court ist das pakistanische Höchstgericht und kann sich in Fällen von öffentlichem Interesse auch der Rechtsdurchsetzung bei Grundrechtsverletzungen, die gemäß Verfassung in die Zuständigkeit der High Courts fällt, annehmen. Die fünf High Courts fungieren u.a. als Berufungsinstanz gegen Beschlüsse und Urteile von Special Courts sowie als Aufsichts- und Kontrollorgane für alle ihnen unterstehenden Gerichte. Ferner bestehen Provinz- und Bezirksgerichte, Zivil- und Strafgerichte sowie spezialisierte Gerichte für Steuern, Banken und Zoll. Des Weiteren existiert gemäß Verfassung ein Federal Shariat Court, der zur Prüfung von Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Islam angerufen wird und diesbezüglich auch von sich aus tätig werden kann. Er fungiert zusätzlich zum Teil als Rechtsmittelinstanz in Delikten nach den Hudood Ordinances von 1979, die eine v.a. Frauen stark benachteiligende Islamisierung des Strafrechts brachten und durch den Protection of Women (Criminal Law Amendment) Act 2006 in Teilen etwas entschärft wurden. In Azad Jammu und Kaschmir (AJK) sowie in Gilgit-Baltistan gibt es eigene Justizsysteme (ÖB 5.2020).

Die oberen Gerichte und der Supreme Court werden allerdings als glaubwürdig eingestuft (USDOS 11.3.2020).

Im Zivil-, Straf- und Familienrecht gibt es öffentliche Verhandlungen, es gilt die Unschuldsvermutung, und es gibt die Möglichkeit einer Berufung. Angeklagte haben das Recht auf Anhörung und auf Konsultation eines Anwalts. Die Kosten für die rechtliche Vertretung vor den unteren Gerichten muss der Angeklagte übernehmen, in Berufungsgerichten kann auf öffentliche Kosten ein Anwalt zur Verfügung gestellt werden (USDOS 11.3.2020). Das National Accountability Bureau (Antikorruptionsbehörde) kann Verdächtige 15 Tage lang ohne Anklageerhebung festhalten (mit gerichtlicher Zustimmung verlängerbar) und ihnen vor der Anklageerhebung den Zugang zu einem Rechtsbeistand verweigern. Für Straftaten im Rahmen dieser Behörde kann keine Kaution hinterlegt werden, und nur dessen Vorsitzender ist befugt, über die Freilassung von Gefangenen zu entscheiden (USDOS 11.3.2020; vgl. BS 2020).

Die Justiz verteidigt ihre nach Ende der Militärherrschaft zurückgewonnene Unabhängigkeit und bemüht sich, den Rechtsstaat in Pakistan zu stärken. Gleichzeitig steht sie weiterhin unter dem Einfluss der mächtigen pakistanischen Armee. Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen fort. Die Gerichte und das pakistanische Rechtssystem sind hochgradig ineffizient (AA 29.9.2020). Zudem ist die Justiz in der Praxis oft von externen Einflüssen beeinträchtigt: Korruption, Einschüchterung und Unsicherheit; einem großen Rückstau an Fällen und niedrigen Verurteilungsquoten bei schweren Straftaten; von Angst vor Repressionen durch extremistische Elemente bei Fällen von Terrorismus, Blasphemie oder öffentlichkeitswirksamen politischen Fällen (USDOS 11.3.2020; vgl. HRCP/FIDH 10.2019; HRW 14.3.2020). Viele Gerichte unterer Instanzen bleiben für Korruption und den Druck von wohlhabenden Personen und einflussreichen religiösen und politischen Akteuren anfällig. Es gibt Beispiele, wo Zeugen, Staatsanwälte oder ermittelnde Polizisten in High Profile Fällen von unbekannten Personen bedroht oder getötet wurden. Verzögerungen in zivilen und Kriminalfällen sind auf ein veraltetes Prozessrecht, unbesetzte Richterstellen, ein schlechtes Fallmanagement und eine schwache rechtliche Ausbildung zurückzuführen. Der Rückstand sowohl in den unteren als auch in den höheren Gerichten beeinträchtigt den Zugang zu Rechtsmitteln oder eine faire und effektive Anhörung (USDOS 11.3.2020). Zivile Streitigkeiten, insbesondere wegen Eigentum und Geld, sind ein häufiger Grund für Mordfälle in Pakistan. Die oftmals Jahrzehnte dauernden Verzögerungen bei Urteilen durch Zivilgerichte können zu außergerichtlicher Gewaltanwendung zwischen den Streitparteien führen (JPP 4.10.2018).

De facto spielt in weiten Landesteilen das staatliche Recht für die meisten Pakistaner kaum eine Rolle. Rechtsstreitigkeiten werden nach Scharia-Recht oder nach lokalen Rechtsbräuchen gelöst. Im WJP Rule of Law Index belegt Pakistan Platz 120 von 128 untersuchten Staaten (AA 29.9.2020). Neben dem bisher dargestellten staatlichen Justizwesen bestehen also vor allem in ländlichen Gebieten Pakistans auch informelle Rechtsprechungssysteme und Rechtsordnungen, die auf traditionellem Stammesrecht beruhen. Hier drohen vor allem Frauen menschenunwürdige Bestrafungen (ÖB 5.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 17.12.2020

?        BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 - Country Report Pakistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029416/country_report_2020_PAK.pdf, Zugriff 17.12.2020

?        HRCP/FIDH – Human Rights Commission of Pakistan / International Federation for Human Rights (10.2019): Punished for being vulnerable; How Pakistan executes the poorest and the most marginalized in society, https://www.fidh.org/IMG/pdf/pakistan740angweb.pdf, Zugriff 17.12.2020

?        HRW – Human Rights Watch (14.3.2020): World Report 2020 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022680.html, Zugriff 18.12.2020

?        JPP – Justice Project Pakistan (4.10.2018): Counting the Condemned – Data Analysis of Pakistan’s Use of the Death Penalty, https://www.jpp.org.pk/wp-content/uploads/2018/10/2018_10_04_Counting-the-Condemned-Final.pdf, Zugriff 17.12.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (5.2020): Asylländerbericht Pakistan

?        USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026342.html, Zugriff 17.12.2020

Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 29.01.2021

Die Sicherheitsbehörden Pakistans bestehen aus der Polizei, die dem Innenministerium untersteht, Geheimdiensten (AA 29.9.2020), dem Heer, das dem Verteidigungsministerium untersteht (MoD o.D.) sowie militärischen Hilfstruppen, die dem Innenministerium unterstehen (EASO 10.2020).

Die polizeilichen Zuständigkeiten sind zwischen nationalen und regionalen Behörden aufgeteilt. Die Bundespolizei (Federal Investigation Agency, FIA) ist zuständig für die Bereiche Einwanderung, organisierte Kriminalität, Interpol und verfügt über eine Abteilung zur Terrorismusbekämpfung (Counter Terrorism Wing – CTWI). Pakistan verfügt über einen Auslands-/Inlandsnachrichtendienst (Directorate for Inter-Service Intelligence, ISI), einen Inlandsnachrichtendienst (Intelligence Bureau, IB) sowie einen militärischen Nachrichtendienst (Military Intelligence, MI). Das IB ist für Diplomatenschutz, Abwehr terroristischer Bedrohungen im Inland sowie Ermittlungen bei Kapitalverbrechen zuständig. Der ISI wird vom Militär dominiert. Seine Aufgabe, die nationalen Interessen Pakistans zu schützen, ermöglicht ihm ein Tätigwerden in den unterschiedlichsten Bereichen. De jure untersteht der ISI dem Verteidigungsministerium, de facto jedoch dem jeweiligen Armeechef (Chief of Army Staff). Eine effektive zivile Kontrolle über die militärischen Geheimdienste gibt es nicht (AA 29.9.2020).

Frontier Corps (FC) und Rangers sind paramilitärische Hilfstruppen, die dem Innenministerium unterstehen. FC sind in Khyber Pakhtunkwa und Belutschistan und die Rangers in Punjab und Sindh stationiert. Sie unterstützen die örtlichen Strafverfolgungsbehörden u.a. bei der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung sowie bei der Grenzsicherung (EASO 10.2020).

Unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung begehen Armee und Sicherheitskräfte v.a. in den Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa regelmäßig menschenrechtsrelevante Verletzungen. Ein nach wie vor ungelöstes, tabuisiertes Problem sind in diesem Zusammenhang die sog. enforced disappearances, das „Verschwindenlassen“ von unliebsamen, v.a. armeekritischen Personen (AA 29.9.2020).

Die Effizienz der Arbeit der Polizeikräfte variiert von Bezirk zu Bezirk und reicht von gut bis ineffizient (USDOS 11.3.2020). In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei kein hohes Ansehen. So sind u.a. die Fähigkeiten und der Wille der Polizei im Bereich der Ermittlung und Beweiserhebung gering. Staatsanwaltschaft und Polizei gelingt es häufig nicht, belastende Beweise in gerichtsverwertbarer Form vorzulegen (AA 29.9.2020). Zum geringen Ansehen der Polizei tragen Korruptionsanfälligkeit, unrechtmäßige Übergriffe und Verhaftungen sowie Misshandlungen von in Polizeigewahrsam Genommenen ebenso bei (AA 29.9.2020; vgl. HRCP 4.2020).

Mangelnde Bestrafung von Übergriffen, begangen von Angehörigen der Sicherheitskräfte, trägt zu einem Klima der Straflosigkeit bei. Interne Ermittlungen und Strafen können bei Übergriffen bzw. Misshandlungen vom Generalinspektor, den Bezirkspolizeioffizieren, den District Nazims, Provinzinnenministern oder Provinzministerpräsidenten, dem Innenminister, dem Premierminister und den Gerichten angeordnet werden. Die Exekutive und Polizeibeamte sind ebenfalls dazu befugt, in solchen Fällen eine strafrechtliche Verfolgung zu empfehlen, die gerichtlich angeordnet werden muss. Das Gerichtssystem bleibt das einzige Mittel, um Missbrauch durch Sicherheitskräfte zu untersuchen (USDOS 11.3.2020).

Nach der Integration der FATA in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa im Mai 2018 wurde die Provinzpolizei auch in den ehem. FATA tätig, jedoch muss erst neues Personal aufgenommen und ausgebildet werden, um die ehem. FATA komplett abzudecken (USDOS 11.3.2020).

Insgesamt sind die Polizeikapazitäten in Pakistan begrenzt, was auf fehlende Ressourcen, schlechte Ausbildung, unzureichende und veraltete Ausrüstung und konkurrierenden Druck von Vorgesetzten, politischen Akteuren, Sicherheitskräften und der Justiz zurückzuführen ist. In der öffentlichen Wahrnehmung ist ein hohes Maß an Korruption bei der Polizei weit verbreitet [siehe Kapitel Korruption], insgesamt ist das Ansehen der Polizei in der Öffentlichkeit gering. Inländische und internationale Beobachter sehen das Militär als eine der fähigsten Organisationen in Pakistan. Es verfügt über erhebliche Macht und dominiert die Außen- und Sicherheitspolitik. Militärangehörige werden gut bezahlt, und eine Karriere beim Militär ist hoch angesehen, nicht nur wegen der Vorteile, sondern auch wegen des hohen gesellschaftlichen Ansehens und der Verbindungen, die Militärangehörige genießen (DAFT 20.2.2019).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf, Zugriff 16.12.2020

?        DAFT – Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (20.2.2019): Country Information Report Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokumentensuche/?asalt=8b1bb51cc9&country%5B%5D=pak&countryOperator=should&srcId%5B%5D=12005&srcIdOperator=should&useSynonyms=Y&sort_by=origPublicationDate&sort_order=desc, Zugriff 16.12.2020

?        EASO – European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf, Zugriff 16.12.2020

?        MoD – Ministry of Defense [Pakistan] (o.D.): Ministry Overview, http://www.mod.gov.pk/, Zugriff 16.12.2020

?        HRCP – Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Rights-in-2019-20190503.pdf, 18.12.2020

?        USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Reports on Human Rights Practices 2019 – Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2026342.html, Zugriff 16.12.2020

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Letzte Änderung: 29.01.2021

Einerseits sieht die pakistanische Verfassung die Vereinigungsfreiheit vorbehaltlich bestimmter gesetzlicher Einschränkungen vor (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 29.9.2020). Zivilgesellschaftliche Menschenrechtsorganisationen können sich in Pakistan betätigen (AA 29.9.2020). In den meisten Teilen Pakistans werden Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit in einem angemessenen Maße gewahrt (BS 29.4.2020). Die NGO Human Rights Commission of Pakistan (HRCP) befasst sich mit der Aufklärung und Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen jeder Art. In allen Landesteilen gibt es Provinzbüros und freiwillige Helfer, die Menschenrechtsverletzungen anzeigen oder ihnen angezeigte Fälle aufnehmen, Fakten sammeln und gegebenenfalls die Fälle der Justiz zuführen. Neben der HRCP beschäftigt sich eine Vielzahl weiterer Organisationen und engagierter Einzelpersonen mit verschiedenen Aspekten des Schutzes der Menschenrechte (AA 29.10.2020).

Andererseits setzt die aktuelle Regierung das im Jahr 2015 begonnene harte Vorgehen gegen in- und ausländische NGOs fort (FH 4.3.2020). Internationalen NGOs, welche gegen die strategischen, sicherheitspolitischen, wirtschaftlichen oder sonstigen Interessen Pakistans arbeiten, kann die Genehmigung entzogen werden (BS 29.4.2020). Die Geheimdienste überwachen und kontrollieren diese Organisationen. Bedrohungen und Einschränkungen erfolgen, wenn ihre Arbeit die staatlichen Sicherheitsorgane berührt (AA 29.9.2020). Es gibt glaubwürdige Berichte über Einschüchterung, Belästigung und Überwachung verschiedener NGOs durch Regierungsbehörden. Zudem nutzt die Regierung den Registrierungsprozess für NGOs, um die Arbeitsweise internationaler Menschenrechtsgruppen zu behindern (HRW 14.1.2020). Bis Jänner 2019 waren nur 74 von 141 internationalen NGOs, die seit 2015 einen Registrierungsantrag gestellt hatten, zugelassen worden (FH 4.3.2020). Diese Verzögerung von Genehmigungsanträgen (NOC / No-Objection Certificate) sowie finanzielle Tragbarkeit und operative Unsicherheit schränken die Aktivitäten internationaler NGOs erheblich ein. Auch inländische NGOs werden, trotz Vorliegen aller Genehmigungen, staatlicherseits schikaniert (USDOS 11.3.2020).

Zudem ist sowohl für Menschenrechts- als auch für Hilfsorganisationen die Arbeit nicht nur in den ehemaligen Stammesgebieten (FATA) sondern auch in Belutschistan nur sehr eingeschränkt möglich. Mehrere Entführungen und Ermordungen von Aktivisten in den vergangenen Jahren haben dazu geführt, dass die meisten Organisationen ihre Arbeit in diesen Landesteilen eingestellt haben (AA 29.9.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf, Zugriff 14.12.2020

?        BS – Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report - Pakistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029416/country_report_2020_PAK.pdf, Zugriff 14.12.2020

?        FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2030906.html, Zugriff 14.12.2020

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2022680.html, Zugriff 14.12.2020

?        USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2026342.html, Zugriff 19.9.2020

Ombudsmann

Letzte Änderung: 29.01.2021

Das Amt einer Föderalen Ombudsmann (Wafaqi Mohtasib) wurde 1983 geschaffen (Gov Pak 1983/2002). Der Ombudsmann führt unabhängige Ermittlungen zu Beschwerden über Fehlleistungen der Bundesverwaltung („maladministration“) durch. Die Einschaltung des Ombudsmannes ist kostenlos und steht jedem Menschen offen. Der Ombudsmann behandelt jedoch keine Beschwerden, die laufende Gerichtsverfahren, ausländische Angelegenheiten oder Verteidigungsangelegenheiten betreffen. Es gibt unabhängige Ombudsmänner für Steuer-, Versicherungs- und Bankangelegenheiten, sowie bei Belästigung von Frauen am Arbeitsplatz (FOP o.D.).

Weiters gibt es Ombudsmänner, die von den Provinzen eingesetzt werden und die für Beschwerden gegen die Provinzverwaltungsbehörden zuständig sind (OM PJ o.D.; vgl. OM KP o.D.; OM SD o.D.). Es gibt einen Ombudsmann für Gefängnisinsassen mit einem zentralen Büro in Islamabad, sowie mit Büros in jeder Provinz. Das Sekretariat des föderalen Ombudsmannes für den Schutz vor Belästigung ist durch einen Gesetzesbeschluss des Parlaments im März 2010 eingerichtet worden. Das Gesetz verlangt die Einrichtung von zuständigen Ombudsmännern in jeder Provinz. Sindh, Gilgit-Balitstan, Punjab, Khyber Pakhtunkhwa und auch Belutschistan haben diese eingerichtet (USDOS 11.3.2020; vgl. Dawn 3.1.2019; TN 12.2.2020). Alle Regierungsstellen und privaten Büros sind verpflichtet, den Verhaltenskodex des föderalen Ombudsmannes bezüglich des Schutzes vor Belästigung an einem prominenten Ort in der Organisation und am Arbeitsplatz auszuhängen. Das Nichteinhalten dieser Bestimmung ist strafbar (TN 12.2.2020).

Quellen:

?        Dawn – (3.1.2019): KP gets first anti-harassment ombudsperson, https://www.dawn.com/news/1455134, Zugriff 14.12.2020,

?        FOP – Federal Ombudsman of Pakistan [Pakistan] (o.D.): What We Do, http://www.mohtasib.gov.pk/# , Zugriff 14.12.2020, S 4ff

?        Gov Pak – Government of Pakistan [Pakistan] (1983/2002): Establishment of the Office of Wafaqi Mohtasib (Ombudsman) Order, 1983, (Amended and updated vide Ordinance No. LXXII of 2002), www.theioi.org/downloads/68p6k/presidential-order-1983.pdf, Zugriff 14.12.2020,

?   

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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