TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/15 W124 2220450-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.04.2021
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Entscheidungsdatum

15.04.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch


W124 2220450-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. FELSEISEN über die Beschwerde von XXXX , StA. INDIEN, vertreten durch XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger der Republik Indien, gehört der Volksgruppe der Punjabi an, ist Sikh und stellte am XXXX mit dem Namen XXXX , geb. XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.
In seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX sowie in einer Einvernahme beim Bundesasylamt am XXXX begründete er seinen Antrag im Wesentlichen damit, dass er in Indien ein Mädchen geliebt habe. Mit dieser habe er sich oft getroffen. Anfang XXXX seien sie von ihrer Familie „erwischt“ worden. Ihre Familie habe ihn bedroht, weil er einer armen Familie angehöre und ihre Familie reich sei und sie deshalb nicht gewollt hätten, dass sie ein Paar wären. Ende XXXX seien der BF und seine Freundin von Angehörigen ihrer Familie geschlagen worden. Am XXXX sei er erneut von ihrer Familie geschlagen und zusätzlich mit dem Tod bedroht worden. Der BF habe sich den ganzen Februar über versteckt. Ein Freund habe einen Schlepper für ihn organisiert und im XXXX habe er Indien verlassen. Im Falle einer Rückkehr befürchte er, dass sein Leben in Gefahr wäre.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem BF wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Dem BF wurde gemäß § 15b Abs. 1 AsylG aufgetragen, ab XXXX in einem namentlich genannten Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt VII.)

Eine dagegen erhobene Beschwerde des BF wurde mit Erkenntnis des XXXX in allen Spruchpunkten abgewiesen.

2. Der BF ist trotz rechtskräftiger Rückkehrentscheidung im Bundesgebiet verblieben.

3. Am XXXX wurde dem BF im Rahmen einer geplanten Erlassung einer Rückkehrentscheidung bzw. Erlassung eines Einreiseverbotes eine Verständigung der Beweisaufnahme mit der Möglichkeit innerhalb von sieben Tagen ab Zustellung des Schriftstückes eine Stellungnahme abzugeben eingeräumt. Gleichzeitig wurden dem BF Fragen im Zusammenhang der Beurteilung der Integration des BF seit der Erlassung der Rückkehrentscheidung gestellt.

4. Am XXXX wurde der BF von einem Organ des BFA-EAST-West-Fremdenteam einvernommen und gab dabei auf die ihm gestellten Fragen folgendes an:

(………)

LA: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten?

VP: Ja. Ich nehme keine Medikamente

LA: Wie verstehen Sie den Dolmetsch?

VP: Ich versteh den Dolmetscher sehr gut.

LA: Werden Sie rechtsfreundlich vertreten

VP: Ja, vom XXXX

LA: Wie lautet Ihr Familienname?

VP: XXXX

LA: Wie lautet Ihr Vorname?

VP: XXXX

LA: Wann und wo sind Sie geboren?

VP: Ich bin am XXXX , Punjab in Indien geboren.

LA: Gibt es eine Geburtsurkunde oder einen anderen Geburtsnachweis?

VP: Nein.

LA: Wo befindet sich dieser Geburtsnachweis?

VP: In Indien hatte ich einen, ich weiß nicht wo die Unterlagen jetzt sind.

LA: Führten Sie jemals einen anderen Familien- und/oder Vornamen? Falls ja, wie lauten diese, wann und auf welcher Grundlage erfolgte eine behördliche Namensänderung?

VP: Nein, ich habe immer diesen Namen getragen.

LA: Traten Sie in Österreich und/oder in einem andern Mitgliedstaat der EU jemals unter falschen Personalien in Erscheinung? Falls ja, wann und wo bzw. unter welchen Personalien?

VP: Nein.

LA: Welche Staatsangehörigkeit(en) besitzen Sie?

VP: Ich bin Inder.

LA: Besitzen Sie einen Staatsbürgerschaftsnachweis?

VP: Nein habe ich nicht. In Indien gibt es so etwas nicht, da gibt es nur Personalausweise, aber ich habe keinen.

LA: Was ist Ihre Muttersprache?

VP: Punjabi.

LA: Haben Sie weitere Sprachkenntnisse, falls ja welche und in welcher Qualität (in Wort und Schrift / mittelmäßig / Grundkenntnisse)?

VP: Ich kann ein bisschen Hindi, aber ich kann Hindi nicht lesen und schreiben.

LA: Welchem Religionsbekenntnis gehören Sie an?

VP: Sikh

LA: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

VP: Jat

LA: Wie lautet Ihr Familienstand?

VP: Ledig

LA: Wie viele leibliche, adoptierte oder legitimierte Kinder haben Sie?

VP: Ich habe keine Kinder.

LA: Wie lautet der Name Ihres Vaters, sein Geburtsdatum, sein Geburtsort und Wohnort?

VP: XXXX , er ist ungefähr 75 Jahre alt, ich weiß nicht, wann und wo er geboren ist.

Vor zwei Jahren war sein Wohnort in XXXX Wohnviertel XXXX Bezirk XXXX Provinz XXXX . Ich habe seit zwei Jahren keinen Kontakt

LA: Wie lautet der Name Ihrer Mutter, ihr Mädchenname, ihr Geburtsdatum, Geburtsort und Wohnort?

VP: XXXX ungefähr 65, Geburtsort und Datum weiß ich nicht.

Derselbe Wohnort wie der Vater, zu ihr habe ich auch keinen Kontakt mehr.

LA: Sollten Ihre Eltern bereits verstorben sein, wie lauten Datum und Ort des Todes und wo sind sie begraben?

VP: Ich weiß es nicht.

LA: Wie viele Geschwister haben Sie, wie lauten deren Namen, Geburtsdaten, Geburtsorte, Wohnorte?

VP: Ich habe vier Geschwister, von allen weiß ich aber das Geburtsdatum und den Wohnort nicht.

Schwestern:

XXXX 35 Jahre verheiratet

XXXX ca. 36 Jahre

XXXX 28 verheiratet.

Bruder: XXXX ca. 45

LA: Wo befinden sich die Geschwister Ihrer Mutter?

VP: Weiß ich nicht

LA: Wo befinde sich die Geschwister Ihres Vaters?

VP: Weiß ich auch nicht.

LA: Haben Sie weitere Familienangehörige in Indien?

VP: Vier Cousinen und sechs Cousin aber ich habe gar keinen Kontakt mehr nach Indien.

LA: Wie sieht es mit Freunden, Schulkolleg*innen aus?

VP: Ich habe zu ehemaligen Freunden und Schulkollegen habe ich keinen Kontakt mehr.

LA: Besitzen Sie ein Handy?

VP: Ja.

LA: Welche Tel.-Nummer hat Ihr Handy?

VP: XXXX

LA: Wann hatten Sie zuletzt Kontakt mit Ihren Angehörigen im Herkunftsstaat?

VP: Vor zwei Jahren

LA: Nutzen Sie auch Social Media? Wenn ja, welche?

VP: Whats app und Facebook.

LA: Besitzen sie einen Account zu oben angeführter Social Media Plattform(en)?

VP: Ich habe zwar einen Account aber ich poste nichts.

LA: Wann und wo haben Sie Ihr Heimatland zuletzt verlassen?

VP: Von XXXX aus im XXXX .

LA: War dies das erste Mal, dass Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben?

VP: Ja.

LA: Haben Sie jemals die Ausstellung von einem Visum beantragt bzw. waren Sie jemals im Besitz von einem Visum?

VP: Nein

LA: Wann, wo und wie reisten Sie in das Bundesgebiet der Republik Österreich ein?

Schildern Sie bitte Ihre geografische Reiseroute von ihrem Herkunftsstaat bis nach Österreich:

VP: Am XXXX bin ich in Österreich eingereist.

Ich bin von Griechenland aus mit einem LKW eingereist.

Der Schlepper brachte mich zuerst nach Pakistan und dann ich über den Iran und die Türkei nach Griechenland.

LA: In welchen europäischen Städten sind Sie bisher schon gewesen?

VP: Ich war nur in Griechenland. Ich wollte eigentlich nach England.

LA: Schildern Sie bitte chronologisch Ihre Schulbildung:

VP: 12 Jahre Grundschule mit Maturaabschluss.

LA: Gibt es Zeugnisse zu Ihrer schulischen oder beruflichen Ausbildung – wenn ja, welche?

VP: Ich hatte Zu Hause Schulzeugnisse

LA: Wo befinden sich aktuell diese Zeugnisse?

VP: Vermutlich in Indien, aber weil ich keinen Kontakt habe, kann ich sie mir nicht schicken lassen.

LA: Schildern Sie bitte Ihren beruflichen Werdegang:

VP: Ich habe in der elterlichen Landwirtschaft gearbeitet.

LA: Besitzen Sie Arbeitszeugnisse bzw. Bestätigungen Ihrer Anstellungen?

VP: Nein.

LA: Sind oder waren Sie in Ihrem Herkunftsstaat Mitglied in einem Verein?

VP: Nein.

LA: Können Sie Autofahren?

VP: Nein.

LA: Sind Sie im Besitz eines eigenen KFZ? Welche Marke, Autokennzeichen?

VP: Nein.

LA: Haben Sie einen Führerschein? Wenn ja: Zeitpunkt, Behörde und Ort der Ausstellung?

VP: Nein.

LA: Beschreiben Sie Ihre letzte Wohnadresse bzw. in welchem Zeitraum waren Sie dort wohnhaft?

VP: Ich habe bis zu meiner Ausreise an der angegebenen Adresse gewohnt, ich habe nie woanders gewohnt.

Ich habe dort mit meinen Eltern in einer Mietwohnung gewohnt, meine Geschwister waren schon ausgezogen.

LA: Wie sieht die Nationalflagge von Indien aus?

VP: Grün weiß Orange gestreift.

LA: Kennen Sie den Namen des derzeitigen Staatsoberhauptes (Präsidenten)?

VP: XXXX .

LA: Wie lautet die Währung in Indien?

VP: Rupees

LA: Haben Sie Militärdienst geleistet? Falls ja, in welcher Einheit, unter welchem Kommandanten, an welchem Ort usw.

VP: Nein, ich war nicht beim Militär

LA: Haben Sie besondere Kennzeichen, wie z. B. Tätowierungen, Narben, etc. (exakte Beschreibung erforderlich):

VP: Nein.

LA: Wie groß sind Sie?

VP: Ungefähr 1,80 Meter

LA: Hatten Sie in Ihrem Herkunftsland jemals eine Operation in einem Krankenhaus? Falls ja, wann, in welchem Krankenhaus, welche Operation?

VP: Ich wurde nie operiert.

LA: Verbüßten Sie bereits in einem Mitgliedstaat der EU oder in einem Drittstaat eine Haftstrafe? (Wenn ja, wo, wie lange und weswegen?)

VP: Nein.

LA: Bitte schreiben Sie leserlich Ihren eigenen Namen und gewöhnlichen Aufenthalt in Ihrem Herkunftsstaat in ihrer Landes-Schrift auf!

VP: LA: Haben Sie in Ihrem Herkunftsland oder in einem anderen Land Verwandte und/oder Bekannte, welche Ihre Angaben in Bezug auf Ihre tatsächliche Identität bestätigen können?

VP: Nein.

LA: Haben Sie in Österreich oder in einem anderen EU-Land Verwandte und/oder Bekannte, welche Ihre Angaben in Bezug auf Ihre tatsächliche Identität bestätigen können?

VP: Nein es gibt niemanden

LA: Haben Sie familiäre Beziehungen in Österreich bzw. in einem anderen EU-Land?

VP: Nein.

LA: Sind oder waren Sie in der Vergangenheit im Besitz eines Dokumentes Ihres Heimatstaates (Reisepass, Personalausweis, Geburtsurkunde, Heiratsurkunde, Personenstandsurkunde, Wehrdienstbuch, etc.)?

VP: Nur meinen Geburtsnachweis und meine Schulzeugnisse aber wo der jetzt ist, weiß ich nicht. Ich hatte sie an meiner alten Wohnadresse

Behördliche Aufforderung:

Die VP wird hiermit vom LA behördlich dazu aufgefordert alle notwendigen Schritte für eine ehest mögliche Übermittlung sämtlicher allfällig im Herkunftsstaat befindlicher bzw. noch zu beschaffender identitätsbezeugender Beweise nach Österreich in Veranlassung zu nehmen. Die VP wird darauf hingewiesen, dass sie dafür Sorge zu tragen hat, dass diese Nachweise zunächst in elektronischer Form oder in Fotokopie und sodann auch im Original unaufgefordert und unverzüglich dem BFA in Vorlage gebracht werden.

LP: Haben Sie diese behördliche Aufforderung vollinhaltlich verstanden?

VP: Ja, ich habe diese Aufforderung verstanden und werde unverzüglich dafür Sorge tragen, dass ich die Beweismittel zu meiner Identität unverzüglich vorab elektronisch und in weiterer Folge auch im Original dem BFA vorlege.

LA: Haben Sie zu den soeben an Sie herangetragenen Fragen und/oder zu Ihren Antworten noch etwas Ergänzendes hinzuzufügen?

VP: Nein.

LA: Möchten Sie noch etwas anführen, das für die Prüfung Ihrer Identität maßgeblich und hilfreich sein könnte?

VP: Bei der Landesschrift wurde eine noch genauere Adresse angegeben:

XXXX

LA: Entsprechen alle Ihre Angaben der Wahrheit oder möchten Sie Korrekturen vornehmen?

VP: Ich habe alles richtig angegeben.

(……..)

5. Am XXXX wurde dem BF neuerlich eine Verständigung der Beweisaufnahme mit der Möglichkeit eine Stellungnahme innerhalb von sieben Tagen abzugeben übermittelt.

Mit Schriftsatz vom XXXX verwies der BF im Zuge dessen auf seine mit ihm am XXXX in der Niederschrift gemachten Angaben.

6. Mit dem nunmehr angefochtenen oben angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gleichzeitig wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG idgF gegen den BF ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Unter Spruchpunkt V. und VI. wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt werde.

7. Festgestellt wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die Identität des BF nicht feststehen würde, er aber vermutlich Staatsangehöriger von Indien sein würde. Physische oder psychische Beeinträchtigungen hätten nicht festgestellt werden können und habe der BF auch keine Immunschwäche vorgebracht. Entgegen den Bestimmungen des Fremdengesetzes, spätestens am XXXX , sei der BF illegal in das Bundesgebiet eingereist und sei ausschließlich auf Grund der in Kraft stehenden, asylrechtlichen Bestimmung zum vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen. Ein Aufenthaltsrecht nach anderen gesetzlichen Bestimmungen habe nie bestanden. Strafrechtliche Vormerkungen würden in Österreich nicht bestehen.

Der Antrag auf internationalen Schutz habe sich als unbegründet und somit rechtswidrig erwiesen und sei rechtskräftig abgewiesen worden. Der BF würde sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und sich vehement weigern diesen Zustand zu ändern.

Ein unzulässiger Eingriff in das Privat-, und Familienleben habe nicht festgestellt werden können und hätten sich seit Rechtskraft des Bescheides des BFA keine nennenswerten Änderungen weder hinsichtlich seines Familienlebens noch nennenswerte Änderungen hinsichtlich seines Privatlebens ergeben. Er würde von Geldern aus der öffentlichen Hand leben und kein geregeltes Einkommen beziehen, keiner Erwerbstätigkeit nachgehen und würde bis dato auf die Unterstützungen der Grundversorgung bzw. auf mögliche Unterstützung Dritter angewiesen sein.

Zum Einreiseverbot wurde ausgeführt, dass dem BF mit Bescheid vom XXXX ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung aufgetragen worden sei das Bundesgebiet zu verlassen. Der BF sei seiner Ausreiseverpflichtung weder freiwillig noch fristgerecht nachgekommen. Hinderungsgründe, welche seiner Ausreiseverpflichtung entgegenstehen würden, seien weder belegt noch vorgebracht worden. Der BF habe nicht nachweisen können im Besitz der Mittel zu sein, um seinen Lebensunterhalt in Österreich aktuell oder in naher Zukunft bestreiten zu können. Einer erlaubten Erwerbstätigkeit würde der BF nicht nachgehen.

8. Beweiswürdigend wurde zur Person des BF ausgeführt, dass er an keiner physischen oder physischen Beeinträchtigung leiden würde. Es sei nicht hervorgekommen, dass er an einer Immunschwäche leiden würde.

Zum Aufenthalt des BF wurde ausgeführt, dass der BF visumspflichtig sei und dieser am XXXX einen Asylantrag gestellt habe, der ihn zum vorübergehenden Aufenthalt berechtigt habe. Mit Bescheid des BFA sei sowohl die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und gleichzeitig eine Rückkehrentscheidung erlassen worden. Gleichzeitig sei festgestellt worden, dass seine Abschiebung nach Indien zulässig sein würde. Ebenso sei dem BF keine Aufenthaltsberechtigung „Besonderer Schutz“ zuteilgeworden. Nach Einbringung der Beschwerde am XXXX sei dieser in Rechtskraft erwachsen.

Zum Privat-, und Familienleben wurde festgestellt, dass seit der rechtskräftigen Entscheidung vom XXXX keinerlei Änderungen der Privat-, und Familienverhältnisse hervorgekommen seien. Seit Abschluss des Asylverfahrens sei der BF zur Ausreise verpflichtet. Alle danach entstandenen Anbindungen hätten um den unsicheren Aufenthaltsstatus und der durchsetzbaren Ausreiseverpflichtung Bescheid gewusst.

Betreffend des Einreiseverbotes wurde ausgeführt, dass dem BF aufgetragen worden sei ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung aus dem österreichischen Bundesgebiet auszureisen. Zumal die Rückkehrentscheidung in Rechtskraft erwachsen sei, sei dem BF die Pflicht zur Ausreise bekannt gewesen. Belegbare Gründe seien einer fristgerechten Ausreise nicht gegenübergestanden. Trotz dieses Wissens sei der BF der Ausreisepflicht nicht nachgekommen und halte sich somit wissentlich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. In den in der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 16.12.2008 festgelegten gemeinsamen Normen und Verfahren zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger in den Mitgliedstaat ist unter Artikel 11 Abs. 1 lit. b klar normiert, dass eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehe, wenn der Fremde der Rückkehrentscheidung nicht nachkomme. Dies sei beim BF nachweislich der Fall.

Außer Zweifel stehe, dass der Aufenthalt im Bundesgebiet nach dem von diesen ungenutzten „Verstreichenlassen“ der Ausreisepflicht unrechtmäßig geworden sei und der BF trotz des Wissens um diesen Umstand weiterhin unrechtmäßig im Bundesgebiet verbleiben sei, um sich mutmaßlich dadurch ein weiteres, wenngleich allfällig nur vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet, zu erschleichen. Der BF sei nicht gewillt sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten und die ihm aufgetragenen Auflagen zu erfüllen. Die Einhaltung des Fremdenrechts einschließlich einem geordneten Zuzug und dem Aufenthalt von Fremden sei für das Wohl eines jeden Staates von hoher Bedeutung. Aus diesem Grunde sei bei einem nicht bloß als minder oder unerheblich zu wertenden Verstoß gegen die Vorschriften des FPG davon auszugehen, dass ein Fremder durch dieses Verhalten eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle und allenfalls darüber hinaus der Aufenthalt des BF auch anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufen würde.

Bis dato habe der BF von staatlicher Unterstützung gelebt und gehe die Behörde davon aus, dass der BF mittellos sei und somit nicht in der Lage sei für seinen Unterhalt in Österreich aufzukommen.

Es sei für das BFA als erwiesen anzunehmen, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle und auf Grund seines bislang gezeigten Verhaltens nicht gewillt sein würde, seiner Rückkehrverpflichtung tatsächlich nachzukommen. Der BF habe klar zum Ausdruck gebracht, dass er nicht gewillt sei die Gesetze der Republik zu Österreich zu akzeptieren und zu respektieren, weshalb eine neue Rückkehrentscheidung samt damit einhergehenden Einreiseverbot im Hinblick auf die Bestimmungen des Art. 11 der Rückführungsrichtlinie sowie den Bestimmungen des § 53 des Fremdenpolizeigesetzes in der im Spruch genannten Dauer auszusprechen gewesen sei.

Rechtlich wurde ausgeführt, dass gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG von Amts wegen zu prüfen habe, wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG falle. Über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG habe das Bundesamt gemäß § 58 Abs. 3 AsylG mit verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

Weder im bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren noch bis dato hätten Gründe festgestellt werden können, welche zur Erteilung eines Aufenthaltstitels besonderer Schutz hätte führen können, zumal die erforderlichen Grundlagen dafür nicht gegeben seien.

Zur Rückkehrentscheidung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich der BF seit XXXX in Österreich aufhalte und die gesamte Zeit über von staatlicher Unterstützung leben würde. Der BF habe, verglichen mit einem Fall der der Entscheidung des VwGH 08.07.2009, 2008/21/0533; vgl. auch VwGH 22.01.2009, 2008/21/0654 zugrunde gelegt wurde, weder die dortige Aufenthaltsdauer noch die diesbezüglichen Integrationsschritte gesetzt. Hinzu komme, dass diese entsprechend der Judikatur des VwGH für die Beurteilung die Unzulässigkeit der Ausweisung zu indizieren, nicht gereicht hätte.

Der EGMR habe im Urteil vom 08.04.2008 NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich festgestellt, dass eine Differenzierung im Hinblick auf die Interessensabwägung zwischen dem Privatleben eines Fremden und dem öffentlichen Interesse an einer Ausweisung ausdrücklich zwischen im Aufenthaltsstaat rechtmäßig niedergelassenen oder bloß auf Grund deren Status als Asylwerber vorübergehend zum Aufenthalt berechtigter Fremder zu sehen sei. Aus menschenrechtlicher Sicht sei eine unterschiedliche Behandlung dieser Personengruppe gerechtfertigt, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines über die Jahre hinaus andauernden Verfahrens nie sicher sei.

Die Einreise des BF nach Österreich basiere auf dem Bestreben der Verschaffung einer dauerhaften Niederlassung in Österreich unter Umgehung der Einreise-, und Niederlassungsvorschriften. Eine entsprechende Berücksichtigung des vorhandenen Privat-, und Familienlebens im Sinne des Art 8 Abs. 2 EMRK würde einer von der Rechtsordnung verpönten Begünstigung rechtsmissbräuchlichen Verhaltens gleichkommen, was daher ebenfalls für die im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen sprechen würde.

Bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen könnten keine Hinweise gefunden werden, welche den Schluss zulassen würden, dass gegen den BF durch eine Ausweisung auf unzulässige Weise im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK in dessen Recht auf Schutz des Familien-, und Privatlebens eingegriffen werden würde.

Weder aus den Feststellungen zur Lage im Zielstaat noch aus seinem Vorbringen würde sich eine derartige Gefährdung ergeben. Die Zumutbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie Abschiebung im Zuge des Asylverfahrens sei ausführlich geprüft worden. Der rechtskräftige Abschluss des Asylverfahrens würde seit XXXX zurückliegen. Die zu diesem Zeitpunkt angestellten Überlegungen würden nach wie vor gültig sein, weil es zu keiner maßgeblichen Änderung der Situation in seinem Herkunftsstaat gekommen sei und auch keine weiteren Gründe geltend gemacht worden seien, die gegen eine Abschiebung sprechen würden.

Zu dem im Zusammenhang mit der Rückkehrentscheidung erlassenen Einreiseverbot wurde ausgeführt, dass im gegenständlichen Fall § 53 Abs. 2 Z 6 FPG erfüllt sein würde, da der BF ausschließlich Sozialleistungen bezogen habe. Nach Aufforderung einer Stellungnahme habe der BF nichts vorgebracht, womit er derzeit seinen Lebensunterhalt verdienen würde. Er würde nicht ausreichend Barmittel zur Verfügung haben und habe auch keine Möglichkeit sich auf legalem Wege Geld zu leihen oder durch Aufnahme einer legalen Erwerbstätigkeit einen Verdienst zu schaffen. Der Unterhalt sei nur durch staatliche Unterstützung, im gegenständlichen Falle, durch die Inanspruchnahme der Grundversorgung gewährleistet.

EWR Bürger, welche nicht in der Lage sein würden die Mittel für deren Unterhalt nachzuweisen und zum Beispiel Mindestsicherung beziehen würden, würden Gefahr laufen gemäß § 66 FPG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen zu werden. Aus dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz müsse dies auch gegenüber Drittstaatsangehörigen die Gültigkeit haben. Die Mittel aus der Grundversorgung würden nicht geeignet sein, die in § 53 Abs. 2 Z 6 FPG vorzuhaltende Mittellosigkeit zu entkräften. Der Umstand, dass der BF auch künftig nicht in der Lage sein würde, die Mittel für seinen Unterhalt aus Eigenem ohne staatliche Zuwendungen zu besorgen, würde sich schon aus der Tatsache ergeben, dass der BF über kein Aufenthaltsrecht in Österreich verfügen und daher auch keiner Beschäftigung nachgehen könne.

Sein Fehlverhalten, die Nichteinhaltung der behördlichen bzw. gerichtlichen Anweisung in der gewährten Frist das Bundes-, bzw. Schengengebiet zu verlassen, habe in keiner der genannten Ziffern des § 53 FPG subsumiert werden können, jedoch sei dies geeignet die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gefährden und wiederlaufe auch den Interessen des Art 8 EMRK.

Der BF sei offensichtlich nicht bereit die österreichische Rechtsordnung und die aus dieser Rechtsordnung in Rechtskraft erwachsenen Entscheidungen der Behörden und/oder Gerichte zu achten. Die Behörde komme zum Schluss, dass sein Aufenthalt in Österreich jedenfalls eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen würde.

Die Gesamtbeurteilung seines Verhaltens, seiner Lebensumstände sowie seiner familiären und privaten Anknüpfungspunkte habe daher im Zuge der von der Behörde vorgenommenen Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung des Einreiseverbotes in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig sei, die vom BF ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Das ausgesprochene Einreiseverbot sei daher zur Erreichung der in Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten.

Die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten sei. § 18 Abs. 2 BFA-VG sehe bei Vorliegen der genannten Tatbestände zwingend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung vor.

9. Gegen den im Spruch genannten Bescheid wurde binnen offener Frist Beschwerde erhoben.

Angeführt wurde im Wesentlichen, dass das BFA das Privat-, und Familienleben des BF nicht als schutzwürdig erachten würde und auf Grund der angeblichen Mittellosigkeit ein Einreiseverbot von zwei Jahren angemessen sein würde. Hinsichtlich der Beurteilung, ob die Voraussetzung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung in Hinblick auf Art 8 EMRK vorliegen würde, sei eine gesamtheitliche Betrachtung anzuwenden und somit das Vorliegen der Voraussetzungen zu beurteilen.

Hinsichtlich der Rückkehrentscheidung würde den unrichtigen Behauptungen des Bundesamtes bezüglich der Integration des BF in Österreich widersprochen. Der BF habe sich in der Zeit seines Aufenthaltes intensiv um eine Integration bemüht. Er sei in der Lage sich auf legale Weise seinen eigenen Lebensunterhalt zu finanzieren, er habe zahlreiche soziale Kontakte geknüpft und könne sich im Alltag auf Deutsch verständigen, er sei selbsterhaltungsfähig und unbescholten. Die Frage der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung sei keiner adäquaten Beurteilung, insbesondere keiner aktuellen Beurteilung unterzogen worden und die Ausweisung stelle daher einen Widerspruch zu Art 8 EMRK dar. Die derart willkürliche Anwendung der entsprechenden Gesetzesbestimmungen sei nicht nachvollziehbar und sei daher eine Verletzung des Willkürverbotes nach Art. 7 B-VG bzw. dem Verbot der Ungleichbehandlung Fremder untereinander gemäß Art. I des BVG über die Beseitigung rassischer Diskriminierung. Wie dargestellt seien nicht alle Fragen geklärt worden und die Glaubwürdigkeit sowie die Integration des BF sei keiner wirklichen Beurteilung unterzogen worden.

Der Verpflichtung konkrete Recherchen durchzuführen sei das Bundesamt nicht nachgekommen. Es sei nicht ausreichend, wenn das BFA allgemeine Bemerkungen abdrucke, es sei vielmehr verpflichtet zum persönlichen Vorbringen des Asylwerbers konkrete Feststellungen zu treffen

Insbesondere hätten auch die aktuellen Länderberichte bezüglich Indien beachtet werden müssen, bzw. auf das konkrete Vorbringen und zu den Befürchtungen des BF bezüglich einer Rückkehr hin Recherchen angestellt werden müssen. Das BFA habe im angefochtenen Bescheid keine Angaben über die Situation in Indien getätigt und keine Analyse der Länderberichte trotz der konkreten Erklärungen des BF, wonach der BF weiterhin in Indien einer Verfolgung ausgesetzt sei, durchgeführt. Der BF sei weiterhin in Indien einer Verfolgung ausgesetzt. Auch auf Grund der Entwurzelung aus Indien befürchte der BF im Falle einer Abschiebung in eine existenzielle Notlage zu geraten.

Der BF habe keine familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte mehr in Indien. Auf Grund der schlechten Sicherheits-, und Menschenrechtslage und wegen der sich durch die bereits lange Abwesenheit des BF ergebenden Entwurzelung aus seiner Heimat und wegen seiner weiterhin bestehenden Verfolgungsbefürchtungen sei er einer menschenrechtswidrigen Behandlung ausgesetzt.

Ein soziales Auffangnetz bestehe in seiner Heimat für den BF nicht und es sei im Falle einer Rückkehr davon auszugehen, dass eine Verletzung der durch Art 2 und 3 EMRK geschützten Rechte vorliegen würde. Aus dem Vorbringen des BF sei durchaus eine Verletzung seiner Rechte abzuleiten und hätte dies überprüft werden müssen, anstatt lapidar darauf zu verweisen.

Hinsichtlich des Einreiseverbotes sei außerdem festzustellen, dass die Begründung der BF würde wegen angeblicher Mittellosigkeit eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellen, nicht nachvollziehbar. Der BF sei stets in der Lage auf legale Weise das Leben in Österreich zu finanzieren ohne Probleme zu machen oder der Öffentlichkeit zur Last zu fallen. Für die Erlassung eines Einreiseverbotes bestehe daher kein dringender Anlass, weder aus präventiven Gründen noch zur Wahrung der Interessen Österreichs.

Beim Einreiseverbot hätte man das Auslangen mit einem kürzeren Einreiseverbot finden können. Auf Basis der Situation des BF hätte eine aktuelle Beurteilung stattfinden und festgestellt werden müssen, dass ein kürzeres Verbot angemessen wäre.

Die Frage der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung sowie der Verhängung des Einreiseverbotes sei daher keiner adäquaten Bestellung, insbesondere keiner aktuellen Beurteilung unterzogen worden und stelle daher einen Widerspruch zu Art 8 EMRK dar.

Die Behörde habe es verabsäumt sich mit der konkreten Situation des BF auseinanderzusetzen. Die Verpflichtung ein amtswegiges Ermittlungsverfahren durchzuführen bedeute, dass die korrekte und aktuelle Situation untersucht werde. Dies sei verabsäumt worden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der BF ist Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat Punjab, gehört der Religionsgemeinschaft der Sikhs und der Volksgruppe der Punjabi an. Seine Identität steht nicht fest. Er spricht die Sprachen Punjabi und etwas Hindi. Im Herkunftsstaat besuchte er in der Zeit von 2000 bis 2010 eine namentlich genannte High School und im Anschluss daran in der Zeit von 2011 bis 2012 ein College. Er finanzierte seinen Unterhalt als Tagelöhner auf Baustellen und in der Landwirtschaft. Der BF lebte vor seiner Ausreise aus Indien mit seinen Elternteilen in einem kleinen Haus zusammen. Der BF ist ledig, kinderlos und gesund.

Die Verfolgungsbehauptungen des BF sind nicht glaubhaft. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF in Indien eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht. Er hatte keine persönlichen Probleme mit den Behörden im Heimatland.

Der BF hat keine Verwandten oder sonstige Familienangehörigen in Österreich und spricht kein Deutsch. Der BF nimmt keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch und geht keiner regelmäßigen erlaubten Erwerbstätigkeit nach. Er ist strafrechtlich unbescholten. Der BF steht im erwerbsfähigen Alter. Die Eltern, drei Schwestern, ein Bruder des BF sowie weitere Verwandte (vier Cousinnen, sechs Cousins) leben im Herkunftsstaat.

Der unbescholtene BF hält sich seit XXXX durchgehend im österreichischen Bundesgebiet auf. XXXX stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Asylverfahren wurde mit Erkenntnis des BVwG vom XXXX rechtskräftig negativ abgeschlossen und gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG erlassen und dem BF gleichzeitig gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung verhängt.

Der BF ist dennoch im Bundesgebiet verblieben und wurde diesem sowohl am XXXX als auch XXXX eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme zur Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.

Nicht festgestellt werden kann, dass dem BF in der Republik Indien aktuell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person drohen würde oder dass ihm im Falle einer Rückkehr ins Herkunftsland die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

1.2. Zur Situation in der Republik Indien

COVID-19

Letzte Änderung: 22.10.2020

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie verhängte die indische Regierung am 25. März 2020 eine Ausgangssperre über das gesamte Land, die nur in Einzelfällen (Herstellung lebensnotwendiger Produkte und Dienstleistungen, Einkaufen für den persönlichen Bedarf, Arztbesuche, usw.) durchbrochen werden durfte. Trotz der Ausgangssperre sanken die Infektionszahlen nicht. Seit der ersten Aufsperrphase, die am 8. Juni 2020 begann, schießt die Zahl der Infektionen noch steiler als bisher nach oben. Größte Herausforderung während der Krise waren die Millionen von Wanderarbeitern, die praktisch über Nacht arbeitslos wurden, jedoch auf Grund der Ausgangssperre nicht in ihre Dörfer zurückkehren konnten. Viele von ihnen wurden mehrere Wochen in Lagern unter Quarantäne gestellt (also de facto eingesperrt), teilweise mit nur schlechter Versorgung (ÖB 9.2020). Nach Angaben des indischen Gesundheitsministeriums vom 11. Oktober 2020 wurden seit Beginn der Pandemie mehr als sieben Millionen Infektionen mit SARS-CoV-2 registriert. Die täglichen offiziellen Fallzahlen stiegen zwar zuletzt weniger schnell als noch im September, die Neuinfektionen nehmen in absoluten Zahlen jedoch schneller zu als in jedem anderen Land der Welt. Medien berichten in einigen Teilen des Landes von einem Mangel an medizinischem Sauerstoff in Krankenhäusern (BAMF 12.10.2020).

Sorge bereitet die zunehmende Ausbreitung von COVID-19-Infektionen in Kleinstädten und ländlichen Gebieten, wo der Zugang zur medizinische Versorgung teilweise nur rudimentär oder gar nicht vorhanden ist (WKO 10.2020). Durch die COVID-Krise können Schätzungen zu Folge bis zu 200 Mio. in die absolute Armut gedrängt werden. Ein Programm, demzufolge 800 Mio. Menschen gratis Lebensmittelrationen erhalten, wurde bis November 2020 verlängert. Die Ausmaße dieses Programms verdeutlichen, wie hart Indien von der COVID-Pandemie und dem damit verbundenen Einbruch der Wirtschaft betroffen ist (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (12.10.2020): https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2020/briefingnotes-kw42-2020.pdf;jsessionid=91E533F0FC7A0F35C0751A9F00F3D711.internet572?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 12.10.2020

?        ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien

?        WKO - Aussenwirtschaft Austria (10.2020): Aussen Wirtschaft Wirtschaftsbereich Indien, WIRTSCHAFTSBERICHT Indien (Q1–Q22020), https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-wirtschaftsbericht.pdfhttps://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 21.10.2020

Politische Lage

Letzte Änderung: 23.10.2020

Indien ist mit über 1,3 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA 5.10.2020; vgl. AA 23.9.2020). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 11.3.2020). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 2.2020a).

Der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist nach britischem Muster durchgesetzt (AA 2.2020a; vgl. AA 23.9.2020). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit ist verfassungsmäßig garantiert, der Instanzenzug ist dreistufig (AA 23.9.2020). Das oberste Gericht (Supreme Court) in New Delhi steht an der Spitze der Judikative und wird gefolgt von den High Courts auf Länderebene (GIZ 8.2020a). Die Pressefreiheit ist von der Verfassung verbürgt, jedoch immer wieder Anfechtungen ausgesetzt (AA 9.2020a). Indien hat eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 9.2020a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 11.3.2020). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Ebene der Bundesstaaten (AA 23.9.2020).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister der Regierungschef ist (USDOS 11.3.2020). Der Präsident nimmt weitgehend repräsentative Aufgaben wahr. Die politische Macht liegt hingegen beim Premierminister und seiner Regierung, die dem Parlament verantwortlich ist. Präsident ist seit 25. Juli 2017 Ram Nath Kovind, der der Kaste der Dalits (Unberührbaren) entstammt (GIZ 8.2020a).

Im April/Mai 2019 wählten etwa 900 Mio. Wahlberechtigte ein neues Unterhaus. Im System des einfachen Mehrheitswahlrechts konnte die Bharatiya Janata Party (BJP) unter der Führung des amtierenden Premierministers Narendra Modi ihr Wahlergebnis von 2014 nochmals verbessern (AA 23.9.2020).

Als deutlicher Sieger mit 352 von 542 Sitzen stellt das Parteienbündnis „National Democratic Alliance (NDA)“, mit der BJP als stärkster Partei (303 Sitze) erneut die Regierung. Der BJP-Spitzenkandidat und amtierende Premierminister Narendra Modi wurde im Amt bestätigt. Die United Progressive Alliance rund um die Congress Party (52 Sitze) erhielt insgesamt 92 Sitze (ÖB 9.2020; vgl. AA 19.7.2019). Die Wahlen verliefen, abgesehen von vereinzelten gewalttätigen Zusammenstößen v. a. im Bundesstaat Westbengal, korrekt und frei. Im Wahlbezirk Vellore (East) im Bundesstaat Tamil Nadu wurden die Wahlen wegen des dringenden Verdachts des Stimmenkaufs ausgesetzt und werden zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt (AA 19.7.2019). Mit der BJP-Regierung unter Narendra Modi haben die hindu-nationalistischen Töne deutlich zugenommen. Die zahlreichen hindunationalen Organisationen, allen voran das Freiwilligenkorps RSS, fühlen sich nun gestärkt und versuchen verstärkt, die Innenpolitik aktiv in ihrem Sinn zu bestimmen (GIZ 8.2020a). Mit der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts treibt die regierende BJP ihre hindunationalistische Agenda weiter voran. Die Reform wurde notwendig, um die Defizite des Bürgerregisters des Bundesstaats Assam zu beheben und den Weg für ein landesweites Staatsbürgerregister zu ebnen. Kritiker werfen der Regierung vor, dass die Vorhaben vor allem Muslime und Musliminnen diskriminieren, einer großen Zahl von Personen den Anspruch auf die Staatsbürgerschaft entziehen könnten und Grundwerte der Verfassung untergraben (SWP 2.1.2020; vgl. TG 26.2.2020). Kritiker der Regierung machten die aufwiegelnde Rhetorik und die Minderheitenpolitik der regierenden Hindunationalisten, den Innenminister und die Bharatiya Janata Party (BJP) für die Gewalt verantwortlich, bei welcher Ende Februar 2020 mehr als 30 Personen getötet wurden. Hunderte wurden verletzt (FAZ 26.2.2020; vgl. DW 27.2.2020).

Bei der Wahl zum Regionalparlament der Hauptstadtregion Neu Delhi musste die Partei des Regierungschefs Narendra Modi gegenüber der regierenden Antikorruptionspartei Aam Aadmi (AAP) eine schwere Niederlage einstecken. Diese gewann die Regionalwahl erneut mit 62 von 70 Wahlbezirken. Die AAP unter Führung von Arvind Kejriwal, punktete bei den Wählern mit Themen wie Subventionen für Wasser und Strom, Verbesserung der Infrastruktur für medizinische Dienstleistungen sowie die Sicherheit von Frauen, während die BJP für das umstrittene Staatsbürgerschaftsgesetz warb (KBS 12.2.2020). Modis Partei hat in den vergangenen zwei Jahren bereits bei verschiedenen Regionalwahlen in den Bundesstaaten Maharashtra und Jharkhand heftige Rückschläge hinnehmen müssen (quanatra.de 14.2.2020; vgl. KBS 12.2.2020).

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der „strategischen Autonomie“ wird zunehmend durch eine Politik „multipler Partnerschaften“ mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und als aufstrebende Großmacht die zunehmende verantwortliche Mitgestaltung regelbasierter internationaler Ordnung (BICC 7.2020). Ein ständiger Sitz im UN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 8.2020a). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an, wobei nicht zuletzt Alternativkonzepte zur einseitig sino-zentrisch konzipierten „Neuen Seidenstraße“ eine wichtige Rolle spielen. In der Region Südasien setzt Indien zudem zunehmend auf die Regionalorganisation BIMSTEC (Bay of Bengal Initiative for Multi-Sectoral Technical and Economic Cooperation). Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft und Mitglied im „Regional Forum“ (ARF). Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. Die Shanghai Cooperation Organisation (SCO) hat Indien und Pakistan 2017 als Vollmitglieder aufgenommen. Der Gestaltungswille der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) schien zuletzt abzunehmen (BICC 7.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 15.10.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (19.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Mai 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014276/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Mai_2019%29%2C_19.07.2019.pdf, Zugriff 15.10.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (9.2020a): Indien: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/politisches-portrait/206048, Zugriff 15.10.2020

?        BICC - Bonn International Centre for Conversion (7.2020): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2020_Indien.pdf, Zugriff 20.10.2020

?        CIA - Central Intelligence Agency (5.10.2020): The World Factbook – India, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 15.10.2020

?        DW – Deutsche Welle (27.2.2020): Sierens China: Schwieriges Dreiecksverhältnis, https://www.dw.com/de/sierens-china-schwieriges-dreiecksverh%C3%A4ltnis/a-52556817, Zugriff 28.2.2020

?        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.2.2020): Immer mehr Tote nach Unruhen in Delhi, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/indien-tote-bei-gewalt-zwischen-hindus-und-muslimen-in-delhi-16652177.html, Zugriff 28.2.2020

?        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (8.2020a): Indien, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/indien/geschichte-staat/, Zugriff 15.10.2020

?        KBS – Korean Broadcasting System (12.2.2020): Niederlage für Indiens Regierungschef Modi bei Wahl in Neu Delhi, http://world.kbs.co.kr/service/contents_view.htmlang=g&board_seq=379626, Zugriff 14.2.2020

?        ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien

?        Quantara.de (14.2.2020): Herbe Niederlage für Indiens Regierungschef Modi bei Wahl in Neu Delhi, https://de.qantara.de/content/herbe-niederlage-fuer-indiens-regierungschef-modi-bei-wahl-in-neu-delhi, Zugriff 20.2.2020

?        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (8.2019): Indiens Ringen um die Staatsbürgerschaft, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2020A02_wgnArora_WEB.pdf, Zugriff 18.2.2020

?        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (8.2019): Keine Ruhe in Kaschmir. Die Auflösung des Bundesstaats und die Folgen für Indien, https://www.swp-berlin.org/10.18449/2019A45/, Zugriff 16.1.2020

?        TG – The Guardian (26.2.2020): Anti-Muslim violence in Delhi serves Modi well, https://www.theguardian.com/commentisfree/2020/feb/26/violence-delhi-modi-project-bjp-citizenship-law, Zugriff 28.2.2020

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026357.html, Zugriff 13.3.2020

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 06.11.2020

Es gibt in Indien eine Vielzahl von Spannungen und Konflikten, Gewalt ist an der Tagesordnung (GIZ 8.2020a). Aufstände gibt es auch in den nordöstlichen Bundesstaaten Assam, Manipur, Nagaland sowie in Teilen Tripuras. In der Vergangenheit konnte eine Zunahme von Terroranschlägen in Indien, besonders in den großen Stadtzentren, verzeichnet werden. Mit Ausnahme der verheerenden Anschläge auf ein Hotel in Mumbai im November 2008, wird Indien bis heute zwar von vermehrten, jedoch kleineren Anschlägen heimgesucht (BICC 7.2020). Aber auch in den restlichen Landesteilen gab es in den letzten Jahren Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund. Im März 2017 platzierte eine Zelle des „Islamischen Staates“ (IS) in der Hauptstadt des Bundesstaates Madhya Pradesh eine Bombe in einem Passagierzug. Die Terrorzelle soll laut Polizeiangaben auch einen Anschlag auf eine Kundgebung von Premierminister Modi geplant haben (BPB 12.12.2017). Das Land unterstützt die US-amerikanischen Maßnahmen gegen den internationalen Terrorismus. Intern wurde eine drakonische neue Anti-Terror-Gesetzgebung verabschiedet, die Prevention of Terrorism Ordinance (POTO), von der Menschenrechtsgruppen fürchten, dass sie auch gegen legitime politische Gegner missbraucht werden könnte (BICC 7.2020).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir (ÖB 9.2020; vgl. BICC 7.2020) und der und im von separatistischen Gruppen bedrohten Nordosten Indiens (ÖB 9.2020; vgl. BICC 7.2020, AA 23.9.2020). Der Punjab blieb im vergangenen Jahren von Terroranschlägen und Unruhen verschont (SATP 8.10.2020). Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People’s Liberation Front etc.) einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.9.2020). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, sondern vielmehr als „communal violence“ bezeichnet (ÖB 9.2020).

Gewalttätige Operationen maoistischer Gruppierungen in den ostzentralen Bergregionen Indiens dauern an (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.7.2020, FH 4.3.2020). Rebellen heben illegale Steuern ein, beschlagnahmen Lebensmittel und Unterkünfte und beteiligen sich an Entführungen und Zwangsrekrutierungen von Kindern und Erwachsenen. Zehntausende Zivilisten wurden durch die Gewalt vertrieben und leben in von der Regierung geführten Lagern. Unabhängig davon greifen in den sieben nordöstlichen Bundesstaaten Indiens mehr als 40 aufständische Gruppierungen, welche entweder eine größere Autonomie oder die vollständige Unabhängigkeit ihrer ethnischen oder Stammesgruppen anstreben, weiterhin Sicherheitskräfte an. Auch kommt es weiterhin zu Gewalttaten unter den Gruppierungen, welche sich in Bombenanschlägen, Morden, Entführungen, Vergewaltigungen von Zivilisten und in der Bildung von umfangreichen Erpressungsnetzwerken ausdrücken (FH 4.3.2020).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 907 Todesopfer durch terroristische Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 812 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 kamen 940 Menschen durch Terrorakte. 2019 belief sich die Opferzahl terroristischer Gewalt landesweit auf insgesamt 621 Tote. 2020 wurden bis zum 1.11. insgesamt 511 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 1.11.2020).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen (z. B. Maoistisch-umstürzlerische) Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 23.9.2020).

Indien und Pakistan

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (Piazolo 2008). Die äußerst angespannte Lage zwischen Indien und Pakistan hat sich in der Vergangenheit immer wieder in Grenzgefechten entladen, welche oft zu einem größeren Krieg zu eskalieren drohten. Seit 1947 gab es bereits drei Kriege aufgrund des umstrittenen Kaschmir-Gebiets (BICC 12.2019; vgl. BBC 23.1.2018). Bewaffnete Zusammenstöße zwischen indischen und pakistanischen Streitkräften entlang der sogenannten „Line of Control (LoC)“ haben sich in letzter Zeit verschärft und Opfer auf militärischer wie auch auf ziviler Seite gefordert. Seit Anfang 2020 wurden im von Indien verwalteten Kaschmir 14 Personen durch Artilleriebeschuss durch pakistanische Streitkräfte über die Grenz- und Kontrolllinie hinweg getötet und fünf Personen verletzt (FIDH 23.6.2020; vgl. KO 25.6.2020).

Indien wirft Pakistan dabei unter anderem vor, in Indien aktive terroristische Organisationen zu unterstützen. Pakistan hingegen fordert eine Volksabstimmung über die Zukunft der Region, da der Verlust des größtenteils muslimisch geprägten Gebiets als Bedrohung der islamischen Identität Pakistans wahrgenommen wird (BICC 12.2019). Es kommt immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir (BICC 12.2019). So drang die indische Luftwaffe am 26.2.2019 als Vergeltung für einen am 14.2.2019 verübten Selbstmordanschlag erstmals seit dem Krieg im Jahr 1971 in den pakistanischen Luftraum ein, um ein Trainingslager der islamistischen Gruppierung Jaish-e-Mohammad in der Region Balakot, Provinz Khyber Pakhtunkhwa, zu bombardieren (SZ 26.2.2019; vgl. FAZ 26.2.2019, WP 26.2.2019).

Indien und China

Der chinesisch-indische Grenzverlauf im Himalaya ist weiterhin umstritten (FAZ 27.2.2020). Zusammenstöße entlang der „Line of Actual Control (LAC)“, der De-facto-Grenze zwischen der von Indien verwalteten Region des Ladakh Union Territory und der von China verwalteten Region Aksai Chin forderten am 15.6.2020 in den ersten Vorfällen seit 45 Jahren mindestens 20 Tote auf indischer Seite und eine unbekannte Anzahl von Opfern auf chinesischer Seite (FIDH 23.6.2020; vgl. BBC 3.7.2020, BAMF 8.6.2020). Viele indische Experten sehen in der Entscheidung der Modi-Regierung vom August 2019, den Bundesstaat Jammu und Kaschmir aufzulösen, einen Auslöser für die gegenwärtige Krise (SWP 7.2020; vgl. Wagner C. 2020). Die chinesischen Gebietsübertretungen können somit als Reaktion auf die indische Politik in Kaschmir in den letzten Monaten gesehen werden (SWP 7.2020). Weitere Eskalationen drohen auch durch Gebietsverletzungen an anderen Stellen der mehr als 3.400 Kilometer langen Grenze (FAZ 27.2.2020; vgl. SWP 7.2020). Sowohl Indien als auch China haben Ambitionen, ihren Einflussbereich in Asien auszuweiten (BICC 7.2020).

Zwar hat der amerikanisch-chinesische Handelskrieg die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Indien und China gestärkt und neue Möglichkeiten für indische Unternehmen auf dem chinesischen Markt geschaffen, dennoch fühlt sich Indien von Peking geopolitisch herausgefordert, da China innerhalb seiner „Neuen Seidenstraße“ Allianzen mit Indiens Nachbarländern Pakistan, Bangladesch, Nepal und Sri Lanka geschmiedet hat. Besonders der Wirtschaftskorridor mit dem Erzfeind Pakistan ist den Indern ein Dorn im Auge (FAZ 27.2.2020). Bestimmender Faktor des indischen Verhältnisses zu China ist das immer wieder auch in Rivalität mündende Neben- und Miteinander zweier alter Kulturen, die heute die beiden bevölkerungsreichsten Staaten der Welt sind. Das bilaterale Verhältnis ist von einem signifikanten Ungleichgewicht zu Gunsten Chinas gekennzeichnet (BICC 7.2020).

Indien und Bangladesch

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze. Indien kontrolliert die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs und war historisch maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs während seines Unabhängigkeitskrieges beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert (GIZ 8.2020a). Darüber hinaus bestehen kleinere Konflikte zwischen den beiden Ländern (BICC 7.2020).

Indien und Sri Lanka

Die beiden Staaten pflegen ein eher ambivalentes Verhältnis, das durch den mittlerweile beendeten Bürgerkrieg auf Sri Lanka zwischen der tamilischen Minderheit und singhalesischen Mehrheit stark beeinflusst wurde. Die tamilische Bevölkerungsgruppe in Indien umfasst ca. 65 Millionen Menschen, woraus sich ein gewisser Einfluss auf die indische Außenpolitik ergibt (GIZ 8.2020a).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 15.10.2020

?        BBC - British Broadcasting Corporation (3.7.2020): Locals remain anxious amid India-China border stand-off, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-53020382, Zugriff 22.7.2020

?        BBC - British Broadcasting Corporation (23.1.2018): India country profile – Overview, http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 29.1.2019

?        BICC - Bonn International Centre for Conve

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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