Entscheidungsdatum
16.04.2021Norm
BFA-VG §22a Abs4Spruch
W283 2237951-5/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Stefanie OMENITSCH im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl 267970507/200800611 über die weitere Anhaltung von XXXX , geboren am XXXX , StA. VIETNAM, in Schubhaft zu Recht:
A)
Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet), ein Staatsangehöriger Vietnams, reiste am 31.08.2020 unter Verwendung eines gefälschten spanischen Reisepasses illegal in das Bundesgebiet ein, wurde festgenommen und zur möglichen Schubhaftverhängung befragt. Dabei führte er aus, er habe zuvor in der Slowakei und in Tschechien gearbeitet und sei nun mit einem Reisebus von Prag kommend in Österreich eingereist. Für die Slowakei habe er ein Visum besessen, danach nicht mehr. Er wolle nach Vietnam zurückkehren. Sein Reisepass befinde sich in Prag. Er habe keine Verwandten in einem EU-Staat und seine Familie befinde sich in Vietnam. Er habe nur geringe Barmittel und keine Bankomat- oder Kreditkarte. Er sei in Österreich nicht erwerbstätig gewesen und habe keinen Wohnsitz. Er sei gesund und habe nicht vor, sich einer Abschiebung zu widersetzen. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) vom 01.09.2020 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG zulässig ist. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht festgesetzt und ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Des Weiteren wurde einer Beschwerde gegen die Entscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V). Diese Entscheidung blieb unbekämpft und erwuchs in Rechtskraft.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes ebenfalls vom 01.09.2020 wurde über den BF Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Dabei wurde ausgeführt, dass sich der BF mittellos und ohne Wohnsitz illegal in Österreich aufhalte und sich einer geplanten Abschiebung entziehen werde. Er habe keine Familienangehörigen in Österreich und sei weder beruflich noch sonst irgendwie in Österreich integriert. Die Sicherung der Abschiebung sei notwendig, da sich der BF auch nicht als vertrauenswürdig erwiesen habe und davon auszugehen sei, dass der BF untertauchen werde. Die Anhaltung in Schubhaft sei aufgrund der festgestellten Interessenslagen als verhältnismäßig anzusehen und greife die Anwendung eines gelinderen Mittels nach Ansicht der Behörde zu kurz. Es sei daher Schubhaft zu verhängen gewesen.
3. Am 08.09.2020 wurde der BF einer Delegation der vietnamesischen Botschaft zum Zweck der Identitätsprüfung vorgeführt und in weiterer Folge im Oktober 2020 ein Heimreisezertifikat für den BF ausgestellt.
4. Im Dezember 2020 scheiterten die Bemühungen den BF im Rahmen einer freiwilligen Ausreise in sein Herkunftsland zu verbringen an der Verweigerung der notwendigen Einreisegenehmigung durch den Herkunftsstaat.
5. Das Bundesamt teilte dem BF am 18.02.2021 mit Aktenvermerk gemäß § 80 Abs. 7 FPG mit, dass seine Anhaltung in Schubhaft gemäß § 80 Abs. 4 Z. 2 FPG über die Dauer von sechs Monaten hinaus aufrechterhalten werde, da die erforderliche Genehmigung für die Einreise des BF nach Vietnam bisher nicht vorgelegen sei.
6. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.12.2020, 27.01.2021, 24.02.2021 und zuletzt vom 22.03.2021 wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig ist.
7. Das Bundesamt legte dem Bundesverwaltungsgericht am 09.04.2021 die Akten gemäß §22a BFA-VG zur neuerlichen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft vor und gab dazu eine Stellungnahme ab, aus der sich im Wesentlichen ergibt, dass die Abschiebung des BF im Rahmen eines von Frontex koordinierten Charterfluges am 12.05.2021 geplant sei.
8. Dem BF wurde die Gelegenheit gegeben, im Verfahren eine Stellungnahe abzugeben, wovon der BF jedoch keinen Gebrauch machte.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1. Zum Verfahrensgang (I.1. – I.8.)
Der unter Punkt I.1. – I.8. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.
2. Zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:
2.1. Der BF ist ein volljähriger Staatsangehöriger Vietnams, seine Identität steht fest. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Der BF ist in Österreich unbescholten.
2.2. Der BF wird seit 01.09.2020 in Schubhaft angehalten, die gesetzliche Frist zur neuerlichen Überprüfung der Schubhaft endet am 19.04.2021.
2.3. Der BF ist gesund und haftfähig. Er hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.
3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf:
3.1. Der BF reiste rechtswidrig ohne gültigen Reisepass mit einem Reisebus von Prag kommend in das Bundesgebiet ein und versuchte am 31.08.2020 vom Flughafen Wien-Schwechat mit einem gefälschten spanischen Reisepass nach Irland zu reisen. Gegenüber den einschreitenden Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er an den Namen Thiem Hong PHAM, geb. 30.08.1990, zu führen. Erst nach einem Abgleich seiner Fingerabdrücke konnte die Identität des BF festgestellt werden.
3.2. Gegen den BF besteht ein von der Slowakei erlassenes Einreise- bzw. Aufenthaltsverbot im Schengener Gebiet, das am 21.01.2020 in das Schengener Informationssystem eingetragen wurde und bis 21.01.2023 gültig ist. Nachdem der BF in der Slowakei mit einem Einreiseverbot belegt worden war, begab er sich nach Tschechien, wo er unerlaubt Gelegenheitsarbeiten vornahm.
3.3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 01.09.2020 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem auf die Dauer von 2 Jahren befristeten Einreiseverbot erlassen, dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen. Es liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.
3.4. In Österreich befinden sich weder Familienangehörige des BF noch verfügt er hier über ein nennenswertes soziales Netz. Der BF ging in Österreich bisher keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügt über ein existenzsicherndes Vermögen ebensowenig wie über einen gesicherten Wohnsitz.
4. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft:
4.1. Für den BF wurde ein von 12.10.2020 bis 12.10.2021 gültiges Heimreisezertifikat ausgestellt.
4.2. Im Rahmen der vom BF beantragten unterstützten freiwilligen Ausreise wurde ein Flug für den 18.12.2020 in seinen Herkunftsstaat gebucht. Die Ausreise des BF scheiterte jedoch, da der BF von den vietnamesischen Behörden keine Einreisegenehmigung erhielt und sein Antrag auf Rückkehr von den Behörden seines Herkunftsstaates nicht genehmigt wurde.
4.3. Für den 14.04.2021 wurde die Abschiebung des BF im Rahmen eines von Frontex koordinierten Charterfluges organisiert. Dieser Flug wurde von den vietnamesischen Behörden auf den 12.05.2021 verschoben.
4.4. Eine Änderung der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft seit der letzten Überprüfung ihrer Verhältnismäßigkeit zu Gunsten des BF hat sich im Verfahren nicht ergeben.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes das bisherige Schubhaftverfahren des BF betreffend, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.
1. Zum Verfahrensgang, zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft:
1.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, dem vorliegenden Gerichtsakt sowie den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes das bisherige Schubhaftverfahren des BF betreffend.
1.2. Aus der im Verwaltungsakt einliegenden Kopie des gültigen Heimreisezertifikates ergeben sich die Feststellungen zur Identität des BF. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Da er in Österreich keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist der BF weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Seine Unbescholtenheit ergibt sich aus dem Strafregister.
1.3. Dass der BF seit 01.09.2020 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres. Da die Anhaltung des BF in Schubhaft zuletzt am 22.03.2021 gerichtlich überprüft wurde, endet die gesetzliche Frist zur neuerlichen Überprüfung am 19.04.2021.
1.4. Die Feststellung, wonach der BF haftfähig ist und keine die Haftfähigkeit ausschließende gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Erkrankungen vorliegen, ergibt sich aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres, in der sich keine Hinweise auf Erkrankungen bzw. Arztbesuche des BF finden. Gegenteiliges wurde vom BF – insbesondere in den mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht – auch nicht vorgebacht.
2. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf:
2.1. Dass der BF unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet von Tschechien kommend einreiste, gab er selbst in seiner Einvernahme am 31.08.2020 an, in der er ausführte, dass er über kein Reisedokument verfüge und mit dem Bus von Prag kommend nach Österreich eingereist sei. Die Feststellungen zur versuchten Ausreise nach Irland unter Verwendung eines gefälschten spanischen Reisepasses sowie den gegenüber den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes angegebenen Identitätsdaten ergeben sich aus dem diesbezüglichen Amtsvermerk einer Landespolizeidirektion, der im Verwaltungsakt einliegt.
2.2. Die Feststellungen zu dem von der Slowakei erlassenen Einreise- bzw. Aufenthaltsverbot im Schengener Gebiet ergeben sich aus den Eintragungen im Schengener Informationssystem. Dass der BF die Slowakei in Richtung Tschechien verlassen hat und dort illegal Gelegenheitsarbeiten ausführte, gab der BF selbst bei seiner Einvernahme durch das Bundesamt am 31.08.2020 an.
2.3. Die Feststellungen zum Vorliegen einer rechtskräftigen aufenthaltsbeendenden Maßnahme und eines befristeten Einreiseverbotes beruhen auf der im Verwaltungsakt einliegenden Ausfertigung des diesbezüglichen Bescheides, gegen den der BF kein Rechtsmittel erhoben hat.
2.4. Die Feststellungen zur gänzlich fehlenden sozialen und beruflichen Integration und dem fehlenden Wohnsitz ergeben sich aus der Einvernahme des BF vor dem Bundesamt am 31.08.2020. Die Feststellungen zu seinen finanziellen Verhältnissen ergeben sich aus der Anhaltedatei.
3. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft:
3.1. Die Feststellungen zum Heimreisezertifikat beruhen auf der Kopie dieses Dokumentes, die vom Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt wurde.
3.2. Die Feststellungen zum Scheitern der für 18.12.2020 vorbereiteten freiwilligen Ausreise des BF auf Grund einer mangelnden Einreisegenehmigung im Herkunftsstaat ergeben sich aus der im Verwaltungsakt dokumentierten Kommunikation des Bundesamtes mit jener Organisation, die die freiwillige Ausreise des BF organisiert hat.
3.3. Die Feststellungen zur geplanten Abschiebung des BF am 12.05.2021 beruhen auf der Stellungnahme des Bundesamtes vom 09.04.2021.
3.4. Eine Änderung der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft seit ihrer letzten Überprüfung ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.
Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchteil A. – Fortsetzungsausspruch
3.1.1. Gesetzliche Grundlagen
Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“
§ 77 Gelinderes Mittel
Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.
Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.
Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.
Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.
Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.
Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.
Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.
§ 22a Abs. 4 BFA-VG lautet:
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
Die maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungs-RL) lauten (auszugsweise):
Der mit „Anwendungsbereich“ betitelte Art. 2 Rückführungs-RL lautet:
Art 2. (1) Diese Richtlinie findet Anwendung auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige.
Der mit „Inhaftnahme“ betitelte Art. 15 Rückführungs-RL lautet:
Art 15. (1) Sofern in dem konkreten Fall keine anderen ausreichenden, jedoch weniger intensiven Zwangsmaßnahmen wirksam angewandt werden können, dürfen die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige, gegen die ein Rückkehrverfahren anhängig ist, nur in Haft nehmen, um deren Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen, (…)
…
(5) Die Haft wird so lange aufrechterhalten, wie die in Absatz 1 dargelegten Umstände gegeben sind und wie dies erforderlich ist, um den erfolgreichen Vollzug der Abschiebung zu gewährleisten. Jeder Mitgliedstaat legt eine Höchsthaftdauer fest, die sechs Monate nicht überschreiten darf.
(6) Die Mitgliedstaaten dürfen den in Absatz 5 genannten Zeitraum nicht verlängern; lediglich in den Fällen, in denen die Abschiebungsmaßnahme trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der nachstehend genannten Faktoren wahrscheinlich länger dauern wird, dürfen sie diesen Zeitraum im Einklang mit dem einzelstaatlichen Recht um höchstens zwölf Monate verlängern:
a. mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen oder,
b. Verzögerung bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten.
…“
3.1.2. Zur Judikatur:
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).
„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
Gemäß § 22a Abs. 4 dritter Satz BFA-VG gilt mit der Vorlage der Verwaltungsakten durch das BFA eine Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG - einen neuen Hafttitel dar. Über vor (oder nach) der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen (VwGH vom 29.10.2019, Ra 2019/21/0270; VwGH vom 30.08.2018, Ra 2018/21/0111).
3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.
Gegen den BF besteht eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme, die Anhaltung in Schubhaft ist daher gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zur Sicherung der Abschiebung grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich.
3.1.4. Fluchtgefahr ist dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Die Gründe aus denen das Bundesamt die Fluchtgefahr bejahte haben sich seither nicht geändert und geht im vorliegenden Fall das Gericht auch weiterhin von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus:
Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG ist bei der Beurteilung, ob Fluchtgefahr vorliegt, zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Die Notwendigkeit der Schubhaft kann sich auch daraus ergeben, dass sich der Fremde vor der Einreise in das Bundesgebiet in einem anderen Staat dem behördlichen Zugriff entzogen hat (vgl. VwGH vom 28.06.2007, 2006/21/0051). Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). Der BF hat die Slowakei verlassen, nachdem dort ein Einreiseverbot gegen ihn erlassen wurde und sich unrechtmäßig in Tschechien aufgehalten. Dem Zugriff der slowakischen Behörden hat er sich damit entzogen. Da gegen den BF auch eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht, ist daher insgesamt der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG erfüllt.
Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt sind gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG der Grad der sozialen Verankerung des Fremden in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit bzw. das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen.
Das Verfahren hat keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass es im Fall des BF Änderungen im Zusammenhang mit der Ziffer 9 gegeben habe. Insbesondere hat der BF nach seinen Angaben keine Familienangehörigen in Österreich. Der BF verfügt im Inland über keinerlei enge soziale, berufliche oder familiäre Anknüpfungspunkte und ist auch nicht selbsterhaltungsfähig, weshalb keinerlei soziales Netz vorhanden ist, welches ihn vom Untertauchen bewahren könnte. § 76 Abs. 3 Z 9 FPG ist daher gegenständlich ebenfalls nach wie vor erfüllt.
Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 3 und Z 9 FPG vor.
3.1.5. Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Verhängung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung hat ergeben, dass mehrere Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprechen. Es war daher eine konkrete Einzelfallbeurteilung vorzunehmen welche ergeben hat, dass sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose einen Sicherungsbedarf ergeben haben, da im Fall des BF ein beträchtliches Risiko des Untertauchens gegeben ist. Der BF hält sich trotz eines im Jahr 2020 in der Slowakei gegen ihn erlassenes Aufenthalts- und Einreiseverbotes im Bereich der Schengenstaaten auf, hat versucht, mit einem gefälschten spanischen Reisepass nach Irland weiterzureisen und hat bei seinem Aufgriff durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes falsche Identitätsdaten angegeben.
Gegen den BF wurde auch in Österreich ein befristetes Einreiseverbot erlassen und es liegt eine den BF betreffende durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. Für den BF wurde ein Heimreisezertifikat ausgestellt und ist seine Abschiebung für den 12.05.2021 vorbereitet, wobei auch sein Herkunftsstaat nunmehr seiner Einreise zugestimmt hat. In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).
In Österreich befinden sich weder nahe Familienangehörige des BF noch ist er sonst sozial eng verankert. Der BF verfügt in Österreich über keinen Wohnsitz und auch nicht über ausreichende Mittel zur Existenzsicherung. Einer legalen Beschäftigung ging er in Österreich bisher nicht nach.
Es ist daher auch Sicherungsbedarf gegeben.
3.1.6. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.
Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse so zeigt sich, dass er im Bundesgebiet weder über Familienangehörige, noch über sonstige Kontaktpersonen verfügt. Er ist zudem in Österreich weder legal erwerbstätig, noch sozialversichert. Er hat letztendlich gar keine Anknüpfungspunkte zu Österreich und verfügt auch über keinen Wohnsitz im Bundesgebiet. Der BF verfügt kaum über Barmittel und wies sich mit einem gefälschten spanischen Reisepass aus. Er ist in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig. Er hat sich durch unrechtmäßige Ausreise aus der Slowakei und seinem unrechtmäßigen Aufenthalt in Tschechien dem Zugriff der slowakischen Behörden entzogen und versucht aus Österreich mit einem gefälschten spanischen Reisepass nach Irland auszureisen. Der BF ist auf Grund seines bisherigen Verhaltens nicht als vertrauenswürdig anzusehen. Im Zuge der durchzuführenden Abwägung bleibt daher festzuhalten, dass keine sozialen Bindungen des BF zu Österreich entstanden sind und Selbsterhaltungsfähigkeit nicht gegeben war.
Das Verfahren hat in keiner Weise ergeben, dass der BF durch die Inhaftierung einer unzumutbaren (unverhältnismäßigen) Belastung ausgesetzt sein könnte. Aufgrund der dem Gericht vorgelegten Stellungnahme des BFA lässt sich aus derzeitiger Sicht auch erkennen, dass eine zügige Außerlandesbringung des BF mittlerweile terminisiert wurde. Ein gültiges Heimreisezertifikat liegt bereits vor, die Abschiebung ist für den 12.05.2021 fixiert. Das Gericht geht daher im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zum Zeitpunkt der Entscheidungserlassung davon aus, dass eine Außerlandesbringung des BF nach heutigem Wissensstand am 12.05.2021 auch erfolgen wird.
Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft zum Entscheidungszeitpunkt das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.
3.1.7. Zu prüfen ist, ob der BF noch vor dem Hintergrund der zulässigen Dauer einer Anhaltung in Schubhaft in Schubhaft angehalten werden darf und allenfalls in weiterer Folge, ob eine Abschiebung des BF noch innerhalb der noch zur Verfügung stehenden, zulässigen Dauer der Schubhaft bewerkstelligt werden kann.
Eine Verlängerung der Schubhaft über den Zeitraum von sechs Monaten gemäß § 80 Abs. 2 Z 2 FPG ist im vorliegenden Fall, mangels Anwendbarkeit von § 80 Abs. 3 und Abs. 5 FPG nur unter den Voraussetzungen des § 80 Abs. 4 zulässig.
3.1.7.1. Aus den erläuternden Bemerkungen zu § 80 FPG (RV 1523 BlgNR XXV. GP 2, Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 – FrÄG 2017) ergibt sich:
„Schließlich wird durch die Änderung des § 80 FPG einerseits die Regelung der höchstzulässigen Dauer der Schubhaft den Vorgaben des Unionsrechts auf Grund der Richtlinie 2008/115/EG über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl. Nr. L 348 vom 24.12.2008 S. 98 (im Folgenden: „Rückführungs-RL“) angepasst.“
Mit § 80 FPG wird die Bestimmung des Art. 15 Rückführungs-RL umgesetzt. Ist eine Anhaltung des Fremden in Schubhaft über die übliche Dauer gemäß § 80 Abs. 2 FPG vorgesehen und fällt daher die Überprüfung einer Anhaltung in Schubhaft in den Anwendungsbereich der Rückführungs-RL, ist die innerstaatliche Bestimmung des § 80 FPG richtlinienkonform auszulegen.
Beim Beschwerdeführer handelt es sich gemäß Art. 2 Abs. 1 Rückführungs-RL um einen Drittstaatsangehörigen, der sich illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates aufhält. Die Rückführungs-RL ist im gegenständlichen Fall daher anwendbar und die Bestimmung des § 80 FPG daher im Sinne der Rückführungs-RL auszulegen.
3.1.7.2. Die Anhaltung in Schubhaft darf gemäß § 80 Abs. 2 FPG grundsätzlich die Dauer von sechs Monaten nicht übersteigen. Dies steht im Einklang mit Art. 15 Abs. 5 der Rückführungs-RL.
3.1.7.3. Zu prüfen ist daher, ob in der vorliegenden Konstellation aufgrund der Bestimmungen des § 80 Abs. 4 FPG iVm Art. 15 Rückführungs-RL von einer Schubhaftdauer von bis zu 18 Monaten auszugehen ist.
3.1.7.4. Gemäß § 80 Abs. 4 Z 1 FPG kann ein Drittstaatsangehöriger bis zu 18 Monate in Schubhaft angehalten werden, wenn er bisher deshalb nicht abgeschoben werden konnte, weil die Abschiebung dadurch gefährdet scheint, dass die Feststellung der Identität und der Staatsangehörigkeit des Fremden, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes nicht möglich ist. Mit dieser Bestimmung wird Art. 15 Abs. 6 lit. a der Rückführungs-RL umgesetzt, wonach sich in den Fällen, in denen Abschiebungsmaßnahmen trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen wahrscheinlich länger dauern werden, die höchstmögliche Schubhaftdauer um weitere 12 Monate verlängert.
§ 80 Abs. 4 Z 1 FPG stellt auf eine Gefährdung der Abschiebung ab, die sich daraus ergeben kann, dass die Feststellung der Identität und der Staatsangehörigkeit des Fremden, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes nicht möglich ist. Art. 15 Abs. 6 lit a der Rückführungs-RL stellt darauf ab, dass sich eine Abschiebung aufgrund der mangelnden Kooperationsbereitschaft des Beschwerdeführers verzögert. Nach der Rückführungs-RL muss die mangelnde Kooperationsbereitschaft des Drittstaatsangehörigen daher kausal für die Verzögerung von Abschiebungsmaßnahmen sein, sodass auch § 80 Abs. 4 Z 1 FPG diesbezüglich im Sinn von Art 15 Rückführungs-RL auszulegen ist.
Für den BF wurde bereits am 12.10.2020 ein zum Entscheidungszeitpunkt gültiges Heimreisezertifikates ausgestellt. Eine Anhaltung in Schubhaft über sechs Monate kann daher im gegenständlichen Fall nicht auf § 80 Abs. 4 Z 1 FPG gestützt werden (VwGH 15.12.2020, Ra 2020/21/0404).
3.1.7.5. Gemäß § 80 Abs. 4 Z 2 FPG kann ein Drittstaatsangehöriger bis zu 18 Monate in Schubhaft angehalten werden, wenn er bisher deshalb nicht abgeschoben werden konnte, weil eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt. Mit dieser Bestimmung wird Art. 15 Abs. 6 lit. b der Rückführungs-RL umgesetzt. Gemäß Art. 15 Abs. 6 lit. b Rückführungs-RL kann die höchstmögliche Dauer der Anhaltung in Schubhaft um weitere 12 Monate in Fällen verlängert werden, in denen Abschiebungsmaßnahmen trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der Verzögerung bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch einen Drittstaat, wahrscheinlich länger dauern werden.
Während § 80 Abs. 4 Z 2 FPG darauf abstellt, dass für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligungen eines anderen Staates nicht vorliegen, stellt Art. 15 Abs. 6 lit. b Rückführungs-RL darauf ab, dass es trotz angemessener Bemühungen zu einer Verzögerung der Übermittlung von Unterlagen durch den Drittstaat kommt. Der Anwendungsbereich der Rückführungs-RL ist daher enger gefasst, als in der Umsetzung des § 80 Abs. 4 Z 2 FPG. Es ist daher die nationale Bestimmung im Sinne der Rückführungs-RL auszulegen.
Ergänzend ist festzuhalten, dass weder in den ErwG zur Rückführungs-RL eine weitere Erläuterung der Begriffe „Verzögerungen bei der Übermittlung“ erfolgt, noch Rechtsprechung des EuGH zu Art. 15 Abs. 6 lit. b) in Bezug auf diese Begrifflichkeiten vorliegt. Auch den Erläuterungen zum FrÄG 2017 lässt sich nichts Näheres zu den Begriffen des § 80 Abs. 4 Z 2 FPG entnehmen. Sehr wohl hat der EuGH aber am 10.09.2013 in G. und R., C 383/13 PPU, Rz. 42 und 43 zu Art. 15 Abs. 6 der Rückführungs-RL wie folgt ausgeführt:
„42 Zum einen ist nämlich zu beachten, dass mit der Richtlinie 2008/115 nach ihrem zweiten Erwägungsgrund eine wirksame Rückkehr? und Rückübernahmepolitik festgelegt werden soll, die auf gemeinsamen Normen beruht, die gewährleisten, dass die betreffenden Personen unter vollständiger Achtung ihrer Grundrechte auf menschenwürdige Weise zurückgeführt werden. Ebenso soll nach dem 13. Erwägungsgrund der Richtlinie der Rückgriff auf Zwangsmaßnahmen im Hinblick auf die eingesetzten Mittel und die angestrebten Ziele ausdrücklich nicht nur dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, sondern auch dem der Wirksamkeit unterliegen.
43 Zum anderen hat die Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger nach dem System der Richtlinie 2008/115 Priorität für die Mitgliedstaaten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Dezember 2011, Achughbabian, C?329/11, Slg. 2011, I?12695, Randnr. 38).“
Soweit also der EuGH bei der Auslegung der Rückführungs-RL selbst in Bezug auf Verteidigungsrechte (solche waren in der zitierten Entscheidung verfahrensgegenständlich) vor allem die Wirksamkeit der Mechanismen der Rückführungs-RL zur Rückführung von unrechtmäßig aufhältigen Drittstaatsangehörigen betont, besteht für das Gericht kein Zweifel, dass eine strenge Wortinterpretation der Begrifflichkeiten „Verzögerungen bei der Übermittlung“ nicht geboten ist und der unionsrechtliche Gesetzgeber damit vielmehr ein breites Spektrum an Schwierigkeiten bei der Erlangung und auch Übermittlung der für die Rückführung eines Drittstaatsangehörigen notwendigen Unterlagen abdecken wollte, deren Realisierung zur Verlängerung der möglichen Haftdauer um 12 Monate führt. Eine andere bzw. einschränkende Interpretation auf reine „Übermittlungsverzögerungen“ würde die Wirksamkeit genannter Richtlinie erheblich konterkarieren, da diesfalls wohl nicht einmal Schwierigkeiten bei der „Erlangung“ (iSd HRZ-Zusage eines Zielstaates) der notwendigen Unterlagen hiervor abgedeckt wären, sondern bloß Verzögerungen bei der Übermittlung (also Übersendung) der hierfür notwendigen Unterlagen.
Das Bundesamt hat zeitgerecht das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF eingeleitet und wurde das beantragte Dokument im Oktober 2020 ausgestellt. In weiterer Folge scheiterte die Ausreise des BF jedoch an der fehlenden Einreisebewilligung seines Herkunftsstaates. Das Bundesamt unternahm unter Beteiligung anderer Mitgliedstaaten und der Koordination durch Frontex Bemühungen, einen Charterflug für die Abschiebung des BF zu organisieren, dem mittlerweile auch durch die vietnamesischen Behörden die Zustimmung erteilt wurde. Die vietnamesischen Behörden haben die erforderliche Bewilligung zur Einreise nach Vietnam bis zum 18.02.2021 nicht erteilt, sondern die Zustimmung zur Einreise im Rahmen eines Charterfluges am 14.04.2021 erteilt. Diese Zustimmung wurde von der vietnamesischen Behörde widerrufen und die aktuell vorliegende Zustimmung für eine Frontexcharterabschiebung am 12.05.2021 erteilt.
Diese erforderliche Einreisebewilligung wird von den vietnamesischen Behörden und daher von Behörden des Herkunftsstaates des BF und nicht von einem Drittstaat ausgestellt. Zum Entscheidungszeitpunkt liegt die Zustimmung bereits vor.
Nachdem die Zustimmung für die Einreise am 12.05.2021 durch die vietnamesischen Behörden jedoch nicht innerhalb der 6 Monate erteilt wurde, beträgt aus diesem Grund die max. Schubhaftdauer im Entscheidungszeitpunkt zulässigerweise 18 Monate gemäß § 80 Abs. 1 Z 2 FPG iVm Art. 15 Abs. 6 lit. b Rückführungs-RL.
3.1.7.6. Der Vollständigkeit halber wird angeführt, dass zum Entscheidungszeitpunkt auch keine Hinweise vorliegen, dass der Beschwerdeführer die Abschiebung dadurch vereitelt habe, dass er sich der Zwangsgewalt widersetzt habe, weshalb auch § 80 Abs. 4 Z 3 leg. cit. nicht vorliegt.
3.1.7.7. Gemäß § 80 Abs. 4 Z 4 FPG kann ein Drittstaatsangehöriger bis zu 18 Monate in Schubhaft angehalten werden, wenn er bisher deshalb nicht abgeschoben werden konnte, weil die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint. Mit dieser Bestimmung wird Art. 15 Abs. 6 lit. a der Rückführungs-RL umgesetzt, wonach sich in den Fällen, in denen Abschiebungsmaßnahmen trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen wahrscheinlich länger dauern werden, die höchstmögliche Schubhaftdauer um weitere 12 Monate verlängert.
§ 80 Abs. 4 Z 4 FPG stellt auf eine Gefährdung der Abschiebung ab, die sich daraus ergeben kann, dass sich der Fremde bereits einmal dem Verfahren entzogen hat oder er ein Abschiebehindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat. Art. 15 Abs. 6 lit a der Rückführungs-RL stellt darauf ab, dass sich eine Abschiebung aufgrund der mangelnden Kooperationsbereitschaft des Beschwerdeführers verzögert. Nach der Rückführungs-RL muss die mangelnde Kooperationsbereitschaft des Drittstaatsangehörigen daher kausal für die Verzögerung von Abschiebungsmaßnahmen sein, sodass auch § 80 Abs. 4 Z 4 FPG diesbezüglich im Sinn von Art 15 Rückführungs-RL auszulegen ist.
Der Vollständigkeit halber wird angeführt, dass zum Entscheidungszeitpunkt auch keine Hinweise vorliegen, dass der Beschwerdeführer seine Abschiebung derart vereitelt hat, weshalb auch § 80 Abs. 4 Z 4 leg. cit. nicht vorliegt.
3.1.7.8. Das Bundesamt hat den BF gemäß § 80 Abs. 7 FPG in einer ihm verständlichen Sprache unverzüglich vom Vorliegen der Gründe des Abs. 3 oder 4 schriftlich am 18.02.2021 in Kenntnis gesetzt (VwGH 18.12.2008, 2008/21/0582).
3.1.8. Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Eine Sicherheitsleistung kann auf Grund der fehlenden finanziellen Mittel des BF nicht zur Anwendung kommen. Aber auch die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des erhöhten Sicherungsbedarfs nicht zum Ziel der Sicherung des Verfahrens, da diesfalls die konkrete Gefahr des Untertauchens des BF besteht. Der BF missachtet seit dem Jahr 2020 das schengenweit gültige Aufenthaltsverbot, hielt sich unrechtmäßig in Tschechien auf und beabsichtigte Österreich unter Verwendung eines gefälschten spanischen Reisepasses in Richtung Irland zu verlassen. Da er darüber hinaus bei seinem Aufgriff durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes seine wahre Identität zu verschleiern versuchte und nunmehr ein konkreter Abschiebetermin feststeht, ist nicht anzunehmen, dass sich der BF, der sich in der Vergangenheit als höchst mobil erwiesen hat, bei seiner Entlassung aus der Schubhaft tatsächlich seiner Abschiebung stellen wird.
Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.
3.1.9. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, das Asylverfahren und in weiterer Folge die Außerlandesbringung des BF zu sichern.
Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.
3.1.10. Es konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage und der Stellungnahmen des Bundesamtes geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.
3.2. Zu Spruchteil B. – Zulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Es fehlt an Rechtsprechung, wie § 80 Abs. 4 Z 2 FPG im Hinblick auf die Formulierung Verzögerungen bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch „Drittstaaten“ des Art. 15 Abs 6 lit. b Rückfühungs-RL auszulegen ist. Im vorliegenden Fall wird die erforderliche Einreisebewilligung durch den Herkunftsstaat und nicht durch einen „Drittstaat“ iSd Art. 3 Z 3 Rückführungs-RL erteilt wird.
Die Revision war daher zuzulassen.
Schlagworte
Aufenthaltsverbot Einreiseverbot falsche Angaben Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Identität illegale Einreise Mittellosigkeit öffentliche Interessen Revision zulässig Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Ultima Ratio Untertauchen Verhältnismäßigkeit Verzögerung WohnsitzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W283.2237951.5.00Im RIS seit
18.06.2021Zuletzt aktualisiert am
18.06.2021