Entscheidungsdatum
19.04.2021Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W217 2240524-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Angela SCHIDLOF sowie den fachkundigen Laienrichter Franz GROSCHAN als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Nemetschke Huber Koloseus Rechtsanwälte GmbH, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 11.11.2020, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass liegen vor.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Herr XXXX (in der Folge: BF) ist seit 27.06.2017 Inhaber eines Behindertenpasses. Der Grad der Behinderung wurde zuletzt mit 50% festgestellt.
Mit Antrag vom 20.05.2020 begehrte der BF beim Sozialministeriumservice (in der Folge: belangte Behörde) die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass sowie die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung.
Im von der belangten Behörde daraufhin eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 18.08.2020, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF, wurde von Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, Folgendes festgehalten:
„Anamnese:
Auf die Vorgutachten - Letztuntersuchung 12/2019 -
1) Versteifung linkes Sprunggelenk (40%)
2) Polyneuropathie beide untere Extremitäten, sensomotorisches Neuropathiesyndrom (30%)
3) Periphere arterielle Verschlusskrankheit, Zustand nach Venenbypass linker Unterschenkel (20%)
4) Chronisch venöse Insuffizienz (20%)
5) Arthrose der Hand- und Fingergelenke (10%) -
mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 v. H. - und das BVwG-Erkenntnis wird eingangs verwiesen.
Keine relevante Zwischenanamnese.
Derzeitige Beschwerden:
Herr XXXX berichtet über seine Gefühlsstörungen in den Beinen und die Versteifung des linken Sprunggelenkes. Beide Tatsachen machen das Gehen immer beschwerlicher.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
ThromboASS, fallweise Arthrotec.
Sozialanamnese:
Pensionist, verheiratet, 2 Kinder, will einen Parkausweis.
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Orthopädischer Befund Dr. XXXX - 18.5.2020: Gehstreckeneinschränkung 50 Meter, brennende PNP UE bds. schwer und leicht OE, Z. n. rez. Erysipel US links nach Z. n. Osteomyelitis Tibia links undd SG, schwere PNP UE bds., Nervus medianus Neuropathie schwer, USG-Arthrose schwer 4°, US-Ödeme, Z. n. CTS-OP links.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
Normal.
Ernährungszustand:
Sehr gut.
Größe: 178,00 cm Gewicht: 88,00 kg Blutdruck: 160/85
Klinischer Status – Fachstatus:
Kopf/Hals: Haut und sichtbare Schleimhäute gut durchblutet, Visus und Gehör altersentsprechend unauffällig, unauffällige Halsorgane.
Thorax/Herz/Lunge: inspektorisch und auskultatorisch unauffällig, Nichtraucher, keine Atemauffälligkeiten.
Abdomen: über TN, unauffällige Organgrenzen, keine Druckempfindlichkeit.
Obere Extremitäten: Fingerpolyarthrosen, geringe Handgelenksarthrosen, Z. n. CTS-OP bds., große Gelenke frei beweglich, intermittierend geringer Tremor.
Untere Extremitäten: Versteifung linkes Sprunggelenk, Verplumpung linker Fuß, geringe Beinverkürzung links, Varikositas, aktuell keine Ödeme, keine motorischen Defizite.
Wirbelsäule: unauffällig strukturiert, ausreichend frei bewegliche HWS, BWS/LWS - FBA im Stehen: 20 cm.
Gesamtmobilität – Gangbild:
kommt mit 2 UASK - die mehr mitgetragen, als funktionell eingesetzt werden - und orthopädischen Schuhen ins Untersuchungszimmer. Kann sich problemlos allein aus- und ankleiden, kann mit seinen Schuhen sicher frei auf seinen Beinen stehen.
Status Psychicus:
voll orientiert, Stimmung und Antrieb unauffällig, kooperativ.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1
Versteifung linkes Sprunggelenk
2
Polyneuropathie beide untere Extremitäten, sensomotorisches Neuropathiesyndrom, Z. n. Karpaltunnelsyndromoperation beiderseits
3
Periphere arterielle Verschlusskrankheit, Zustand nach Venenbypass linker Unterschenkel
4
Chronisch venöse Insuffizienz
5
Arthrose der Hand- und Fingergelenke
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Keine Änderung eingetreten.
X
Dauerzustand
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein.
Gutachterliche Stellungnahme:
Öffentliche Verkehrsmittel sind zumutbar, da weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren und oberen Extremitäten und der Wirbelsäule, noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, noch erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten / Funktionen vorliegen. Unter Berücksichtigung des erhobenen Untersuchungsbefundes und der vorliegenden Befunde kann eine kurze Wegstrecke aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe - allenfalls unter Verwendung eines Gehstockes / einer Unterarmstützkrücke und orthopädischem Schuhwerk, da damit die Stand- und Gangsicherheit optimiert werden kann - ohne Unterbrechung zurückgelegt werden. Das erforderliche Hilfsmittel erschwert die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht in erheblichem Ausmaß. Die vorliegenden dauernden Gesundheitsschäden wirken sich nicht erheblich auf die Möglichkeit des sicheren Ein- und Aussteigens und auf die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels gegebenen Bedingungen aus.
Es stehen belastungsabhängige Probleme im Bereich des linken Sprunggelenks und der Füße bei Polyneuropathie im Vordergrund, welche die Steh-und Gehleistung mäßig aber nicht maßgeblich einschränken. Die Gesamtmobilität ist weiterhin ausreichend, um kurze Wegstrecken von etwa 300-400 m, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe und orthopädischem Schuhwerk aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurücklegen zu können und um Niveauunterschiede zu überwinden. An den oberen Extremitäten sind keine höhergradigen Funktionsbehinderungen fassbar, die Kraft seitengleich und gut, sodass die Benützung von Haltegriffen zumutbar und möglich ist. Kraft und Koordination sind ausreichend. Weder konnte eine erhebliche Gangbildbeeinträchtigung festgestellt werden noch liegt ein maßgebliches muskuläres Defizit vor, sodass das behinderungsbedingte Erfordernis der Verwendung von zwei Unterarmstützkrücken zum Zurücklegen kurzer Wegstrecken durch die festgestellten Funktionseinschränkungen und dokumentierte Leiden nicht ausreichend begründbar ist. Der vorgelegte orthopädische Befund enthält viele Behauptungen, die in den Raum gestellt werden, aber nicht ausreichend durch objektive und funktionelle Befunde untermauert werden.“
2. Gegen dieses Gutachten wurden vom BF im Rahmen des hierzu erteilten Parteiengehörs mit Schriftsatz vom 07.09.2020 unter Beilage medizinischer Beweismittel Einwendungen erhoben sowie die Beiziehung eines Facharztes aus dem Gebiet der Orthopädie/orthopädischen Orthopädie beantragt.
2.1. Der bereits befasste Arzt für Allgemeinmedizin führte hierauf in seiner Stellungnahme vom 09.11.2020 Folgendes aus:
„Antwort(en):
Herr XXXX wurde am 29.7.2020 im SMS, Landesstelle Wien, nach Anamneseerhebung untersucht und dabei festgestellt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist.
Einwendungen: In der gutachterlichen Stellungnahme wird ausgeführt, dass weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren und oberen Extremitäten und der Wirbelsäule, noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, noch erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten/Funktionen vorlägen. Untersuchungsbefundes könne der Antragsteller eine kurze Wegstrecke aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe zurücklegen, wobei weiter unten in der Stellungnahme definiert wird, dass der Gutachter offenbar davon ausgeht, dass eine kurze Wegstrecke etwa 300 bis 400m beträgt. "Begründend" wird ausgeführt, dass der vorgelegte orthopädische Befund "viele Behauptungen" enthalte, diese jedoch nicht ausreichend durch objektive und funktionelle Befunde untermauert seien. Dies ist unrichtig; Tatsache ist viel mehr, dass der Befundbericht des Orthopäden Dr. XXXX vom 18.5.2020 eine ausführliche Diagnose enthält sowie einen Therapievorschlag. Dass es für die von Seiten des Antragstellers ständig behandelnden Orthopäden und Facharztes diagnostizierte schwere Polyneuropathie offenbar keine zielführende Therapie gibt, ist überaus bedauerlich, darf jedoch keineswegs dem Antragsteller zum Nachteil gereichen! Auch ist im genannten Befundbericht vom 18.5.2020 klar und widerspruchsfrei diagnostiziert, dass der Antragsteller infolge seiner körperlichen Einschränkungen insbesondere im Bereich der Füße und nicht mehr als 50m zu Fuß zurücklegen kann. Weshalb es sich dabei um eine bloße "Behauptung" ohne ausreichende Begründung handeln sollte, geht aus der bisher vorliegenden gutachterlichen Stellungnahme nicht hervor und bleibt der Allgemeinmediziner dafür jede Begründung schuldig. Offenkundig hat sich dieser mit dem Vorbefund des Facharztes nicht ausreichend auseinandergesetzt. Neuerlich ist darauf hinzuweisen, dass der Antragsteller in der XXXX im XXXX Gemeindebezirk wohnt, welche bekanntlich äußerst abschüssig ist. Bis zur Station des nächstgelegenen öffentlichen Verkehrsmittels hätte er eine Wegstrecke von etwa 400m zurückzulegen, was aus den dargelegten Gründen ihm nicht möglich und auch nicht zumutbar ist. Darüber hinaus lebt die Ehefrau des Antragstellers krankheitsbedingt in einem Pflegeheim im XXXX , und ist es dem Antragsteller, der seine Frau täglich besucht, aus den oben dargelegten gesundheitlichen Einschränkungen, insbesondere des Bewegungsapparates, nicht möglich, seine Ehefrau mittels öffentlichen Verkehrsmitteln zu besuchen. Auf das Attest des den Antragsteller ständig behandelnden Chirurgen Dr. XXXX , indem bereits die dargestellte Situation aus medizinischer Sicht umfassend geschildert wird und das auch bereits vorgelegt wurde, wird neuerlich verwiesen. Die darin geschilderten Umstände sind unverändert, respektive im Hinblick auf die mittlerweile vergangenen zehn Monate weiter verschlechtert. Auch dieses Attest ist nach den bisherigen Unterlagen bei der gutachterlichen Beurteilung außer Betracht geblieben. Zusammengefasst ist der bisherigen Beweisaufnahme als grober Mangel anzulasten, dass der Sachverständige in seiner Stellungnahme eine echte und tragfähige Begründung für seine von den Gutachten der Fachärzte abweichende Haltung und seine abweisende Einschätzung vermissen lässt. Die Ausführungen, wonach der Antragsteller kurze Wegstrecken von 300 bis 400m eigenständig zurücklegen könne und keine funktionelle Einschränkung insbesondere der unteren Extremitäten vorlägen, stehen diese in krassem Widerspruch zu jener der einschlägigen Fachärzte. Eine Begründung für das Abgehen fehlt. Das bisherige Beweisverfahren ist daher grob mangelhaft und unvollständig, so dass die tatsächlichen beim Antragsteller bestehenden Einschränkungen und Beschwerden insbesondere der unteren Extremitäten durch Beiziehung eines Facharztes aus dem Gebiet der Orthopädie / orthopädischen Chirurgie und Gefäßchirurgie festzustellen sein werden.
Befundnachreichung:
Es werden keine neuen objektiven Befunde nachgereicht.
Gutachterliche Stellungnahme:
Auf die abwertenden Inhalte der Stellungnahme wird nicht eingegangen. Der zitierte Allgemeinmediziner (seit > 25 Jahre gutachterlich tätig, lehrender und ausübender Manualmediziner) kann sehr wohl einen aussagekräftigen neuroorthopädischen Funktionsbefund erheben und daraus gutachterliche Schlüsse ziehen.
Schlussfolgerung: Es wird abschließend festgehalten, dass aus gutachterlicher Sicht nach neuerlicher Durchsicht des vorliegenden Aktenmaterials eine Änderung der getroffenen Beurteilung nicht vorgeschlagen wird, da die relevanten objektivierbaren Gesundheitsschädigungen und Funktionsbehinderungen nach dem BEG und ihre Auswirkungen auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel korrekt berücksichtigt und auch ausführlich begründet wurden. Objektiv beweisende gegenteilige Befunde liegen nicht vor.
Öffentliche Verkehrsmittel sind zumutbar, da weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren und oberen Extremitäten und der Wirbelsäule, noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, noch erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten / Funktionen vorliegen. Unter Berücksichtigung des erhobenen Untersuchungsbefundes und der vorliegenden Befunde kann eine kurze Wegstrecke aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe - allenfalls unter Verwendung eines Gehstockes / einer Unterarmstützkrücke und orthopädischem Schuhwerk, da damit die Stand- und Gangsicherheit optimiert werden kann - ohne Unterbrechung zurückgelegt werden. Das erforderliche Hilfsmittel erschwert die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht in erheblichem Ausmaß. Die vorliegenden dauernden Gesundheitsschäden wirken sich nicht erheblich auf die Möglichkeit des sicheren Ein- und Aussteigens und auf die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels gegebenen Bedingungen aus. Es stehen belastungsabhängige Probleme im Bereich des linken Sprunggelenks und der Füße bei Polyneuropathie im Vordergrund, welche die Steh- und Gehleistung mäßig - aber nicht maßgeblich - einschränken. Die Gesamtmobilität ist weiterhin ausreichend, um kurze Wegstrecken von etwa 300-400 m, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe und orthopädischem Schuhwerk aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurücklegen zu können und um Niveauunterschiede zu überwinden. An den oberen Extremitäten sind keine höhergradigen Funktionsbehinderungen fassbar, die Kraft seitengleich und gut, sodass die Benützung von Haltegriffen zumutbar und möglich ist. Kraft und Koordination sind ausreichend. Weder konnte eine erhebliche Gangbildbeeinträchtigung festgestellt werden noch liegt ein maßgebliches muskuläres Defizit vor, sodass das behinderungsbedingte Erfordernis der Verwendung von zwei Unterarmstützkrücken zum Zurücklegen kurzer Wegstrecken durch die festgestellten Funktionseinschränkungen und dokumentierte Leiden nicht ausreichend begründbar ist. Weitere fachärztliche Untersuchungen sind nicht erforderlich.“
3. Mit Bescheid vom 11.11.2020, OB: XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass ab. Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt worden sei, welches ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragungen nicht vorliegen würden.
4. In seiner Beschwerde vom 22.12.2020 brachte der BF vor, seine Erkrankung sei nicht besser, sondern schlechter geworden. Er habe einen Parkausweis für Behinderte, befristet bis 31.10.2019, besessen. Nun sei die kommissionell errichtete Behindertenzone vor seinem Wohnhaus, lautend auf sein Kennzeichen, wieder entfernt worden. Unter einem legte er ein orthopädisches-unfallchirurgisches Attest eines Facharztes für Unfallchirurgie und Orthopädie, Arzt für Allgemeinmedizin, allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger vom 14.12.2020 vor.
5. Die belangte Behörde holte darauf hin ein weiteres Sachverständigengutachten ein.
5.1. Dr. XXXX , Facharzt für Orthopädie, führt in seinem Gutachten vom 10.03.2021, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des BF aus:
„Anamnese:
Vorgutachten 19.12.2019
Diagnosen:
Funktionsbehinderungen, Versteifung linkes Sprunggelenk 40 v. H.
Polyneuropathie beide untere Extremitäten, sensomotorisches Neuropathiesyndrom 30 v.H.
Periphere arterielle Verschlusskrankheit, Z. n. Venenbypass linker Unterschenkel 20 v.H.
Chronische venöse Insuffizienz, 20 v.H.
Arthrose der Hand- und Fingergelenke, 10 v.H.
Gesamt GdB 50 v.H.
Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist zumutbar.
Gutachten vom 29.7.2020.
Diagnosen:
Versteifung linkes Sprunggelenk, Polyneuropathie beider unterer Extremitäten, sensomotorische Neuropathie, Z. n. Carpaltunnelsyndrom –Operation beidseits. Periphere arterielle Verschlusskrankheit, Z. n. Venenbypass linker Unterschenkel, chronisch venöse Insuffizienz, Arthrose der Hand- und Fingergelenke.
Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
Zwischenanamnese:
Seit Juli 2020 keine Unfälle und Operationen am Bewegungsapparat.
Derzeitige Beschwerden:
Bei Belastung im linken Sprunggelenk, Versteifung vor Jahren im AKH mit orthopädischen Schuhen, besteht eine Schwellungsneigung im Fußwurzelbereich und im Sprunggelenk.
In den Kniegelenken keine Beschwerden. Fallweise Schmerzen in der linken Hüfte.
Verwendet seit 01-2021 Achselstützkrücken.
Faustschluss ist eingeschränkt. Schmerzen auch in den Schultergelenken. Muss sich erst auf die Gehilfen einstellen.
Schmerzen in Ruhe und mehr bei Belastung in der unteren LWS. Ausstrahlung in die Becken Hüftregion beider Seiten wird angegeben.
Gefühllosigkeit beider Seiten vom Fuß bis zu den Unterschenkeln reichend.
Anlaufschwierigkeiten nach dem Aufstehen langem Sitzen.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Letzte physikalische Therapie: Herbst 2020.
Schmerzstillende Medikamente: Tramal 100, Miranax, Ibuprofen 600.
Weitere Medikamente Valium, Passedan, Thrombo ASS, Magnesium.
Hilfsmittel: Achselkrücken.
Sozialanamnese:
Pension.
Wohnung 1. Stock mit Lift.
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
18.5.2020 Befundbericht Dr. XXXX , XXXX : Gehstreckeneinschränkung 50m, PNP UE beidseits schwer, leicht OE. Nervus medianus Neuropathie beidseits schwer, USG-Arthrose schwer. Medizinisch keine kausale Therapie für die schwere PNP möglich. Stöcke und Stützkrücken permanent angeraten. Vitamin-B-Komplex. Überweisung FA für Neurologie. Tremor und Polyneuropathie.
14.12.2020 Befund Dr. XXXX , XXXX : Orthopädisch Unfallchirurgisches Attest: es besteht ein objektivierbar hochgradig ausgeprägte sensomotorischen Neuropathiesyndrom der beiden unteren Extremität, daneben ein hochgradig ausgeprägtes Carpaltunnelsyndrom links, ein mäßiges Carpaltunnelsyndrom rechts. Verformung des linken Fußes, die obere und untere Sprunggelenksbeweglichkeit ist auf Wackelbewegungen eingeschränkt. Das mitgebrachte Röntgen des linken Sprunggelenkes zeigt eine Deformierung des oberen Sprunggelenkes sowie eine hochgradige Arthrose im unteren Sprunggelenk. Es wird bescheinigt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar sei.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
Kommt mit Begleitperson, aufrecht gehend, normale Straßenkleidung, orthopädischer Schuh. Achselkrücken.
Aus- und Ankleiden langsam im Stehen und Sitzen, teilweise mit Fremdhilfe.
Guter AZ und EZ
Rechtshändig.
Kopf, Brustkorb, Bauch unauffällig.
Haut normal durchblutet,
Operationsnarbe linker Unterschenkel, linkes Sprunggelenk.
Ernährungszustand:
Gut
Größe: 178,00 cm Gewicht: 86,00 kg Blutdruck:
Klinischer Status – Fachstatus:
Wirbelsäule gesamt (Untersuchung nur im Sitzen möglich)
Im Lot, Becken-, Schultergeradstand, Streckhaltung LWS, keine Skoliose. seitengleiche Tailliendreiecke, symmetrische, abgeschwächte seitengleiche Muskulatur
HWS S 35-0-0, R je 50, F je 10,
BWS R je 10,
LWS FBA nicht prüfbar Reklination 0, Seitneigen je 10, R je 10, Plateaubildung L4-S1 mit segmentalem Druckschmerz links mehr als rechts.
SI Gelenke nicht druckschmerzhaft,
Grob neurologisch:
Hirnnerver frei.
OE: MER mittellebhaft, seitengleich, Sensibilität der Langfinger abgeschwächt, Kraft seitengleich beidseits abgeschwächt, Essentieller Tremor beidseits
UE: MER mittellebhaft, seitengleich, Sensibilität bis zum körperfernen Unterschenkeldrittel vom Fuß weg herabgesetzt, Kraft seitengleich
Keine Pyramiedenzeichen.
Obere Extremität
Allgemein
Rechtshändig, Achsen normal, Gelenkkonturen Langfinger plump, Muskulatur seitengleich, Durchblutung seitengleich, Handgelenkspulse gut tastbar. Gebrauchsspuren seitengleich.
Schulter bds:
S 40-0-140, F 140-0-30, R(F0) 60-0-60, (F90) 80-0-80. Kein schmerzhafter Bogen.
Ellbogen bds:
S 0 -0-125, R 80-0-80, bandstabil.
Handgelenk bds:
S 40-0-60, Radial-, Ulnarabspreizung je 10
Z-Daumen beidseits, Daumensattelgelenk stabil Nackengriff:
Nicht eingeschränkt, seitengleich. langsam
Schürzengriff:
Nicht eingeschränkt, seitengleich, langsam
Kraft seitengleich, Faustschluss inkomplett, seitengleich, Fingerfertigkeit vermindert. Spitzzangen und Oppositionsgriff deutlich Kraftgemindert.
Tremor.
Untere Extremität
Allgemein
Keine Beinlängendifferenz, Beinachse normal, Gelenkkonturen linkes Sprunggelenk und Fußwurzel plump. Muskulatur seitengleich, Durchblutung seitengleich, Fußpulse gut tastbar, links sehr schwach, Gebrauchsspuren seitengleich.
Hüfte bds:
S 0-0-100, R je 10, F je 10, kein Kapselmuster.
Knie bds:
S 0-0-140, bandstabil, kein Erguss, keine Meniskuszeichen, Patellaspiel nicht eingeschränkt, Zohlenzeichen negativ.
SG rechts:
S 10-0-20, bandfest, kein Erguss.
SG bds:
S in Neutralstellung eingesteift., bandfest, kein Erguss.
Fuß rechts:
Rückfuß gerade, Längsgewölbe normale Krümmung, mäßiger Spreizfuß Metatarsalgie 2-4.
Fuß links:
Rückfuß gerade, Längsgewölbe abgeflacht, Spreizfuß
Fußwurzel plump
Gesamtmobilität – Gangbild:
Kleinschrittig, unsicher. Anlaufschwierigkeiten beim Aufstehe aufs Sitzen,
Deutliches Hinken links, planes Aufsetzten des linken Fußes, Abrollvorgang barfuß deutlich eingeschränkt mit angedeuteter Ausweichbewegung.
Zehen-Fersenstand, Einbeinstand Hocke nicht prüfbar
Transfer auf die Untersuchungsliege selbständig, langsam mit Hilfe
Wendebewegungen selbständig.
Status Psychicus:
Orientiert, freundlich, kooperativ.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1
Sprunggelenksversteifung links.
2
Polyneuropathie beider unterer Extremitäten, sensomotorische Neuropathie, Z. n. Carpaltunnelsyndrom-Operation.
3
Periphere arterielle Verschlusskrankheit, Z. n. Venenbypass linker Unterschenkel.
4
Chronisch venöse Insuffizienz.
5
Arthrose der Hand- und Fingergelenke.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Im Vergleich zum Vorgutachten Juli 2020 ist ein Fortschreiten der Pulyneuropathie durch Befundvorlagen und Klinik belegbar.
?
Dauerzustand
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Es besteht durch die Gefühlsstörung in den Beinen eine maßgebliche Unsicherheit beim Gehen und Stehen. Das Aufrichten aus dem Sitzen ist bie Pendelbewegungen durchführbar. Es bestehen auch maßgebliche Anlaufschwierigkeiten. Für die Fortbewegung sind 2 Krücken krankheitsbedingt erforderlich.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten?
Keine vorliegend.
Gutachterliche Stellungnahme:
s.o.“
6. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 18.03.2021 mit dem Hinweis, dass wegen Fristüberschreitung eine Beschwerdevorentscheidung nicht möglich gewesen sei, von der belangten Behörde vorgelegt.
7. In der Folge übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem BF das Gutachten von Dr. XXXX zur Kenntnisnahme. Dieser ersuchte, seinem Antrag stattzugeben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Am 20.05.2020 langte bei der belangten Behörde der gegenständliche Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass ein.
Der BF ist Inhaber eines (zuletzt) am 08.07.2019 ausgestellten Behindertenpasses. Der Grad der Behinderung wurde mit 50% festgestellt.
Beim BF liegen folgende Funktionseinschränkungen vor:
- Sprunggelenksversteifung links.
- Polyneuropathie beider unterer Extremitäten, sensomotorische Neuropathie, Z. n. Carpaltunnelsyndrom-Operation.
- Periphere arterielle Verschlusskrankheit, Z. n. Venenbypass linker Unterschenkel.
- Chronisch venöse Insuffizienz.
- Arthrose der Hand- und Fingergelenke.
Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass liegen vor.
Hinsichtlich der Auswirkungen der beim BF bestehenden Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wird die diesbezügliche Beurteilung in dem oben wiedergegebenen medizinischen Gutachten Dris. XXXX der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.
2. Beweiswürdigung:
Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ basiert auf dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zum Behindertenpass ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen der „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“, die zur Gewährung der Vornahme dieser Zusatzeintragung führen, gründen sich auf das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 10.03.2021. Unter Berücksichtigung der vom BF ins Verfahren eingebrachten medizinischen Unterlagen und nach persönlicher Untersuchung des BF wurde vom medizinischen Sachverständigen festgestellt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für den BF nicht zumutbar ist.
Der Facharzt für Orthopädie gelangte unter den von ihm geprüften Gesichtspunkten auf Grundlage der Ergebnisse der persönlichen Untersuchung des BF am 12.02.2021 zu dem Schluss, dass im Fall des BF öffentliche Verkehrsmittel nicht zumutbar sind, und begründete dies, dass durch die Gefühlsstörung in den Beinen eine maßgebliche Unsicherheit beim Gehen und Stehen besteht. Das Aufrichten aus dem Sitzen ist bei Pendelbewegungen durchführbar. Es bestehen auch maßgebliche Anlaufschwierigkeiten. Für die Fortbewegung sind 2 Krücken krankheitsbedingt erforderlich.
Somit waren die im Rahmen der Beschwerde erhobenen Einwände geeignet, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu entkräften, da sie ausreichend substantiiert waren.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichts bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des medizinischen Sachverständigengutachten Dris. XXXX , welches daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt wird.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu Spruchpunkt A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
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5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hierzu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hierfür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
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§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
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§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
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Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0242, vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)
Wie bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, wurde seitens des von der belangten Behörde eingeholten, auf einer persönlichen Untersuchung des BF basierenden, Sachverständigengutachtens eines Facharztes für Orthopädie vom 10.03.2021, nachvollziehbar festgestellt, dass im Fall des BF die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass vorliegen.
Beim BF sind, wie bereits in den beweiswürdigenden Ausführungen ausgeführt wurde, ausgehend von diesem Sachverständigengutachten aktuell erhebliche Einschränkungen objektiviert; im Rahmen der persönlichen Begutachtung wurde festgestellt, dass beim BF durch die Gefühlsstörung in den Beinen eine maßgebliche Unsicherheit beim Gehen und Stehen besteht. Das Aufrichten aus dem Sitzen ist bei Pendelbewegungen durchführbar. Es bestehen auch maßgebliche Anlaufschwierigkeiten. Für die Fortbewegung sind 2 Krücken krankheitsbedingt erforderlich.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Im gegenständlichen Fall bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob dem BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, ein Gutachten eines medizinischen Sachverständigen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie oben bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten Unzumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W217.2240524.1.00Im RIS seit
18.06.2021Zuletzt aktualisiert am
19.06.2021