TE Bvwg Beschluss 2021/4/20 W201 2238328-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.04.2021
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Entscheidungsdatum

20.04.2021

Norm

BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch


W201 2238328-1/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Angela SCHIDLOF als Vorsitzende und die Richterin Mag. Julia Stiefelmeyer sowie den fachkundigen Laienrichter
Franz GROSCHAN als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX vom 04.11.2020, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), beschlossen:

A)

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Die Beschwerdeführerin, hat am 25.11.2019 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) unter Vorlage eines Befundkonvolutes einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gem. § 29b StVO gestellt, welcher auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und Eintragung des Zusatzvermerkes „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ gilt sofern die Antragstellerin noch nicht im Besitz eines solchen ist.

2.       Zur Überprüfung des Antrages hat die belangte Behörde ein Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 10.02.2020, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung 50 vH betrage.

In diesem Gutachten wird im Wesentlichen zusammengefasst Folgendes festgehalten:

„Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Position

GdB

01

Eosinophile Granulomatose mit Polyangitiis – vormals Churg-Strauss-Syndrom

Oberer Rahmensatz, da unter dauerhafter Kortisontherapie erhöhte Infektanfälligkeit, ohne schwerwiegende Infektionen, keine stationären Aufenthalte, inkludiert fibromyalgieforme Beschwerden im Rahmen der Grunderkrankung, Wirbelkörpereinbrüche nach Kortisontherapie.

10.03.13

40 vH

02

Erschöpfungsdepressives Syndrom

Zwei Stufen über dem unteren Rahmensatz, da somatisierend, unter Medikation stabil, keine stationären Aufenthalte erforderlich.

03.06.01

30 vH

03

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule

Oberer Rahmensatz, da funktionelle Einschränkungen bei Drehbewegung, kein Hilfsmittel, keine Schmerztherapie erforderlich.

02.01.01

20 vH

04

Varikositas beidseits

Unterer Rahmensatz, da retikuläre Ausprägung ohne funktionelle Einschränkung, ohne antikoagulative Therapie, ohne dauerhaft erforderliche Kompressionstherapie.

05.08.01

10 vH

05

Funktionseinschränkung im rechten Schultergelenk

02.06.01

10 vH

06

Funktionseinschränkung im rechten Handgelenk bei Z.n. Sturz und Radiusfraktur

02.06.20

10 vH

07

Analprolaps

Unterer Rahmensatz, da geringe Auswirkungen

07.04.04

10 vH

 

Gesamtgrad der Behinderung

50 vH

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Leiden 1 wird durch Leiden 2 um eine Stufe erhöht, da maßgebliche wechselseitige Leidensbeeinflussung gegeben ist. Die übrigen Leiden erhöhen mangels maßgeblicher wechselseitiger ungünstiger Leidensbeeinflussung nicht weiter. Dauerzustand.

Zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wird folgendes ausgeführt:

„Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300m ist ohne Fremdhilfe, ohne Gehhilfe und ohne maßgebliche Pausen möglich. Das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport sind ohne Fremdhilfe, ohne Hilfsmittel möglich. Es bestehen keine Gleichgewichtsstörungen, keine Instabilität sowie keine höhergradigen Einschränkungen der oberen und unteren Extremitäten. Die kardiopulmonale Leistungsfähigkeit ist ausreichend, es bestehen keine kardialen Dekompensationszeichen, keine Beinödeme, keine Luftnot in Ruhe oder bei geringer Belastung. Die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel ist zumutbar.

Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein.“

3.       Im Rahmen des gemäß § 45 Abs. 3 AVG am 19.02.2020 erteilten Parteiengehörs wurde von der Beschwerdeführerin unter Vorlage weiterer Beweismittel im Wesentlichen zusammengefasst vorgebracht, dass der Grad der Behinderung mit 50 vH zu gering beurteilt sei. Es seien weder das Zusammenwirken der Leiden noch deren Auswirkungen auf das alltägliche Leben berücksichtigt worden. Ihr Allgemeinzustand im Rahmen der Untersuchung sei keinesfalls normal gewesen. Auch kenne die Sachverständige sich mit dem bestehenden Leiden Churg Strauss nicht aus. Aus diesem Leiden resultierten Osteoporose und Fibromyalgie. Durch die vielen Wirbeleinbrüche und die Rippenfrakturen sei sie massiv in der Beweglichkeit eingeschränkt. Es bestehe massive Sturzgefahr. Durch die venöse Insuffizienz bestünden oft Lähmungen in den Beinen. Auch sei es ihr nach Trümmerfraktur der rechten Hand nicht einmal möglich eine Flasche zu öffnen. Weshalb sie sich auch nicht ausreichend anhalten könne, um in öffentliche Verkehrsmittel einzusteigen. Auch bestehe ein erhöhtes Infektionsrisiko wegen der Hypoeosinophilie, weshalb sie Abstand zu anderen Menschen halten müsse. Es sei ihr von der Benützung von Massenverkehrsmittel abgeraten worden. Sie leide an massiver Erschöpfung, Bluthochdruck und Bronchospasmus.

4.       Zur Überprüfung der Einwendungen holte die belangte Behörde ein Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Fachärztin für Innere Medizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 23.06.2020, mit dem Ergebnis ein, dass der Grad der Behinderung 30 vH betrage.

In diesem Gutachten wird im Wesentlichen zusammengefasst Folgendes festgehalten:

„Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Position

GdB

01

Eosinophile Granulomatose

Zwei Stufen über dem unteren Rahmensatz, da systemische Symptomatik sowie Erschöpfung, bei bestehenden Therapieoptionen.

10.03.13

30 vH

02

Generalisierte degenerative Erkrankung des Bewegungsapparates

Oberer Rahmensatz, da geringfügige funktionelle Beeinträchtigung.

02.02.01

20 vH

03

Somatisierende Depression

Zwei Stufen über dem unteren Rahmensatz, da medikamentös stabilisiert.

03.095.01

20 vH

04

Varikositas

Unterer Rahmensatz, da keine wesentliche Schwellungsneigung

05.08.01

10 vH

05

Analprolaps

Unterer Rahmensatz, da geringe Auswirkungen

07.04.04

10 vH

 

Gesamtgrad der Behinderung

30 vH

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Das führende Leiden 1 wird von Leiden 2 und 3 wegen Leidens-Überschneidung nicht weiter erhöht. Leiden 4 und 5 erhöhen den Gesamtgrad der Behinderung nicht weiter, da von geringer funktioneller Relevanz. Dauerzustand.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Veränderungen im Vergleich zum Vorgutachten: Leiden 1 ist seit 2013 dokumentiert und im Wesentlichen stabil, eine definitive körperliche Verschlechterung des Leidens ist nicht befundbelegt, der letzte Laborbefund (aus dem Gutachten vom 10.02.2020, Laborbefund vom 16.12.2019) sogar weitgehend unauffällig unter der laufenden Therapie, sodass Leiden 1 aus internistischer Sicht um eine Stufe niedriger eingestuft wird. Die vormaligen Leiden 3, 5 und 6 werden unter Leiden 2 zusammengefasst, da vor allem durch die Therapie bedingt und daher systemisch. Leiden 3 wird wegen der somatisierend – überschneidenden Symptomatik zu Leiden 1 um eine Stufe niedriger eingestuft.“

Zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wird folgendes ausgeführt:

„Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist, bei hierorts gutem Allgemein- und Ernährungszustand, sowie freiem und unauffälligem Gangbild, durch die dokumentierten Leiden nicht erheblich erschwert.

Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein. Eine schwere und anhaltende Erkrankung des Immunsystems liegt nicht vor. Den Befunden ist weder eine signifikante erhöhte Infektanfälligkeit zu entnehmen, noch gibt es einen Hinweis auf Infektionen mit Problemkeimen. Es liegt kein hochgradiges Immundefizit, welches die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einschränkt, vor.“

5.       Im Rahmen des gemäß § 45 Abs. 3 AVG am 23.07.2020 erteilten Parteiengehörs wurde von der Beschwerdeführerin unter Vorlage weiterer Beweismittel im Wesentlichen zusammengefasst vorgebracht, dass das Dr. XXXX kein ausreichendes Fachwissen – insbesondere von Churg-Strauss aufweise und ihr Gutachten unrichtig und mangelhaft sei. Sie habe im Rahmen des Einspruches ein weiteres Sachverständigengutachten beantragt um den tatsächlichen Grad der Behinderung von mehr als 50 vH feststellen zu lassen. Dr. XXXX habe den Grad der Behinderung ohne Begründung willkürlich von 50 vH auf 30 vH herabgesetzt. Die Sachverständige habe sich nicht eingelesen und sei sehr laut gewesen, was zeige, dass sie selbst psychische Probleme habe. Auch habe sie sich keine Zeit genommen. Ihr Gesundheitszustand habe sich nicht verbessert. Auf die vorliegenden Befunde sei nicht eingegangen worden. Ihre körperlichen Leiden würden ihr große Beschwerden bereiten und würde sie es nicht schaffen öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Auf Grund der Erkrankung des Immunsystems sei sie sehr geschwächt und könne öffentliche Verkehrsmittel keinesfalls benützen und sei ihr von Ärzten davon abgeraten worden. Auch habe sich die Sachverständige mit der Tatsache der bestehenden Pandemie nicht auseinandergesetzt. Sie gehöre zu den besonders gefährdeten Personen. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei ihr daher keinesfalls zumutbar. Auf Grund der Pandemie und der mangelnden Sozialkontakten verschlechtere sich ihr Gemütszustand in Richtung Depression. Zusammenfassend sie in der Beweglichkeit massiv eingeschränkt und die Stiegen zur Wohnung im 1. Stock seien mit körperlichen Mühen verbunden. Es sei ihr insofern auch nicht möglich öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Ein Stehen im Zug sei wegen der Sturzgefahr nicht möglich. Sie könne die Wege zum öffentlichen Verkehrsmittel nicht mehr bewältigen und müssen aufgrund der Sturzgefahr und der Immunschwäche Menschengedränge meiden. Auch habe sie eine kaputte HWS mit Knochenmarkseinengung, welche nicht berücksichtigt worden sei, aber zu wahnsinnigen Kopfschmerzen und Schwindel führe. Sie beantrage die Einholung eines weiteren Gutachtens durch einen Sachverständigen der sich mit
Churg -Strauss auskenne.

6.       Zur Überprüfung der Einwendungen hat die belangte Behörde eine ergänzende, auf der Aktenlage basierende, mit 05.10.2020 datierte, medizinische Stellungnahme von der bereits befassten Sachverständigen Dr. XXXX eingeholt, in welcher im Wesentlichen Folgendes festgehalten wurde:

„Wie bereits im Gutachten ausführlich festgehalten, ist Leiden 1 seit 2013 ohne wesentliche funktionelle Verschlechterung befundbelegt. Hierorts präsentierte sich die AW mit freiem und unauffälligem Gangbild sowie ausreichender körperlicher Beweglichkeit. Aus internistischer Sicht ist daher eine Änderung/Erhöhung des Grades der Behinderung nicht begründbar. Die persönlichen Attacken der AW gegen meine Kollegen und mich möchte ich nicht kommentieren.“

7.       Auf Grund eines von der Beschwerdeführerin an das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gerichteten Emails – hat die belangte Behörde in der Folge das gegenständliche Verfahren dem BMSGPK vorgelegt, wo eine Prüfung der Sachverständigengutachten durch die dortige medizinische Fachabteilung erfolgte.

In der, auf der Aktenlage basierenden medizinischen Stellungnahme Dr. XXXX (undatiert) wird Folgendes festgehalten:

„Das Sachverständigengutachten Dr.in XXXX vom 13.02.2020 ist äußerst ausführlich und aussagekräftig. Es enthält einen umfangreichen Untersuchungsbefund. Die Grade der Behinderung (GdB) der einzelnen Leiden sind nachvollziehbar aus den erfassten Funktionsdefiziten, untermauert von einer umfassenden Befundwürdigung, abgeleitet. Auch der ausreichend begründete Gesamt- GdB von 50% ist aus h. o. ärztlicher Sicht korrekt.

Das Sachverständigengutachten Dr.in XXXX vom 22.07.2020 ist inhaltlich wesentlich komprimierter als das Vorgutachten. Den Beurteilungen der GdBs der einzelnen Leiden und dem festgestellten Gesamt- GdB von 30% wird seitens der medizinischen Fachabteilung nicht beigepflichtet, da eine wesentliche Verbesserung des Gesundheitszustands der Antragstellerin gegenüber dem Vorgutachten nicht ablesbar ist. Auch die darin vorgenommenen Änderungen und Zusammenfassungen einzelner Leiden und GdBs sind bei weitestgehend stabilem Erkrankungsmuster und –ausmaß nicht nachvollziehbar.

Zusammenfassend ist anhand vorliegender Gutachten und Befunde von einem Gesamt-GdB von 50% auszugehen. Eine höhere Einschätzung, wie in den Einwendungen der Antragstellerin gefordert, ist anhand der im äußerst ausführlichen Gutachten Dr.in XXXX vom 13.02.2020 dargestellten Funktionseinschränkungen derzeit nicht nachvollziehbar zu begründen.

Den, in beiden vorliegenden Gutachten getroffenen, nachvollziehbar begründeten Beurteilungen der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wird aus ho. Ärztlicher Sicht beigepflichtet. Aufgrund der dargelegten Funktionseinschränkungen ist der Antragstellerin das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Einsteigen in öffentliche Verkehrsmittel, das Aussteigen aus öffentlichen Verkehrsmitteln und der sichere Transport in diesen möglich und zumutbar.

Eine schwere Erkrankung des Immunsystems im Sinne der Einschätzungsverordnung liegt aufgrund der vorliegenden Unterlagen bei der Antragstellerin nicht vor.

Speziell im Gutachten Dr.in XXXX wird darauf ausführlich eingegangen und die diesbezügliche Entscheidung nachvollziehbar begründet.

An dieser Beurteilung ergibt sich auch unter Einbeziehung der Einwendungen der Antragstellerin und aller im Akt vorliegenden Befunde inklusive der Ärztlichen Bestätigung von Prim. Dr. XXXX (nicht datiert) und der Ambulanten Visite vom 4.6.2020, Klinik XXXX , Prim. Univ. Doz. Dr. XXXX aus Sicht der medizinischen Fachabteilung keine Änderung.“

8.       Mit Schreiben vom 28.10.2020 hat das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz die Beschwerdeführerin vom Ergebnis der erfolgten Überprüfung in Kenntnis gesetzt.

9.       Am 04.11.2020 hat die belangte Behörde der Beschwerdeführerin einen unbefristeten Behindertenpass gem. § 40, § 41 und § 45 BBG ausgestellt und einen Grad der Behinderung in Höhe von 50 vH eingetragen.

10.      Mit Bescheid vom 04.11.2020, OB XXXX hat die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 BBG abgewiesen.

11.      Gegen diesen Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben. Unter Vorlage weiterer Beweismittel, wurden die bisherigen Vorbringen wiederholt. Die beigezogenen Sachverständigen seien zur Beurteilung des bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Leidens nicht qualifiziert. Sie leide an Urticaria. Es liege entgegen den Ausführungen der Sachverständigen sehr wohl eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor. Auch sei ein weiteres Leiden hinzugekommen. Sie leide am rechten Knie an schwerer Arthrose, Meniskusruptur mit einem reaktiven Knochenmarksödem einem Erguss und einem Knorpelschaden 3. Grades. Sie könne nur mit 2 Krücken gehen, müsse das Knie schonen und habe zu Hause eine Motorschiene. Sie müsse ständig mit Schmerzen leben, da sie aufgrund der multiplen Medikamentenunverträglichkeiten keine Schmerzmittel einnehmen könne. Aus all diesen Gründen sei ihr die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel keinesfalls möglich. Der Grad der Behinderung betrage jedenfalls mehr als 50 vH. Als Beweis würden einzuholende Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Innere Medizin/Rheumatologie/ Pneumologie sowie Orthopädie und Dermatologie genannt.

12.      Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt langte der Aktenlage nach am 05.01.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

13.      Da aufgrund der Formulierung der Beschwerde nicht eindeutig zu erkennen war, ob sich die Beschwerde nur gegen die Ausstellung des Behindertenpasses oder auch gegen die Abweisung des beantragten Zusatzvermerkes richtet, wurde der Beschwerdeführerin die Verbesserung der Beschwerde aufgetragen. In der fristgerecht eingebrachten Verbesserung wurde von der Beschwerdeführerin - unter neuerlicher Wiederholung der bisherigen Vorbringen - mitgeteilt, dass die Beschwerde sich sowohl gegen die Ausstellung des Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 50 vH als auch gegen die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung“ richte.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 29 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG sind die Erkenntnisse zu begründen. Für Beschlüsse ergibt sich aus § 31 Abs. 3 VwGVG eine sinngemäße Anwendung.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A)

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden,

1.       wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.       die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 28 VwGVG, Anm. 11.).

Ist die Voraussetzung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG erfüllt, hat das Verwaltungsgericht (sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist) „in der Sache selbst“ zu entscheiden.

Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner Judikatur zur Entscheidungsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts gemäß § 28 VwGVG (vgl. VwGH vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063) grundsätzlich von einem prinzipiellen Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte aus. Eine meritorische Entscheidungspflicht des Verwaltungsgerichtes liegt jedenfalls gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG vor, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies ist der Fall, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde. Davon ist auszugehen, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

Die verbleibenden Ausnahmen von der meritorischen Entscheidung in der Sache selbst sind strikt auf den ihnen gesetzlich zugewiesenen Raum beschränkt. Die in § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG verankerte Zurückverweisungsentscheidung stellt eine solche Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungsbefugnis der Verwaltungsgerichte dar. Normative Zielsetzung ist, bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken von der Möglichkeit der Zurückverweisung Gebrauch zu machen.

Davon ist auszugehen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Wird das Treffen einer meritorischen Entscheidung verneint, hat das Verwaltungsgericht auch nachvollziehbar zu begründen, dass die Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 28 VwGVG nicht vorliegen.

Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird.

Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt aus folgenden Gründen als grob mangelhaft:

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist u.a. jedenfalls einzutragen:

3.       die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-        erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-        erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-        erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-        eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-        eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

(§ 1 Abs. 4 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise)

Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktions-beeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(§ 1 Abs. 5 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0242, vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).

Maßgebend für die Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ ist die Feststellung der Art, des Ausmaßes und der Auswirkungen der bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Gesundheitsschädigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

Dazu hat die belangte Behörde im angefochtenen Verfahren nur ansatzweise Ermittlungen geführt.

Die Beschwerdeführerin hat mit ihrem Antrag auf Vornahme der verfahrensgegenständlichen Zusatzeintragung medizinische Beweismittel in Vorlage gebracht, welche zusätzlich zur bestehenden eosinophilen Granulomatose Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates dokumentieren.

Eine ausreichende Auseinandersetzung mit der bei der Beschwerdeführerin vorliegenden und dokumentierten eosinophilen Granulomatose (vormals Churg Strauss Syndrom) und den resultierenden Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist in den eingeholten Gutachten nicht erfolgt.

So wurde von den Sachverständigen keine ausreichende Stellungnahme zu den Auswirkungen der Grunderkrankung auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel insbesondere auch im Hinblick auf die körperliche Belastbarkeit der Beschwerdeführerin abgegeben. Dies insbesondere da in den vorgelegten Befunden eine allgemeine Schwäche der Beschwerdeführerin – resultierend aus der Grunderkrankung – beschrieben wird, welche die Beschwerdeführerin in ihrer Mobilität stark einschränkt. So wird zuletzt im Befund
Dr. XXXX , Facharzt für Hämatoonkologie vom 21.02.2020 dargestellt, dass die Beschwerdeführerin sich in einem schlechten Gesamtzustand befinde und zunehmend an Müdigkeit, Abgeschlagenheit und enormer Leistungsminderung leide, wodurch sie im Alltag anfallenden Verpflichtungen nicht mehr nachkommen könne.

Die Beschwerdeführerin hat mit ihrem Antrag auf Vornahme der gegenständlichen Zusatzeintragung auch medizinische Beweismittel in Vorlage gebracht, welche zusätzlich zur bestehenden eosinophilen Granulomatose, Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates dokumentieren. So wird im vorgelegten Befund Dr. XXXX vom 17.10.2019 beschrieben, dass das bestehende Churg Strauss Syndrom eine massive Fibromyalgie mit unerträglichen Schmerzen im Bereich des gesamten Achsenskeletts sowie beider Beine mit sich bringe und es aufgrund schwerer Patholomorphologien an der LWS immer wieder zu Schwäche der unteren Extremitäten komme, was zu mehrfachen Stürzen geführt habe. Auch seien multiple Knochenbrüche aufgetreten, welche bleibende Schäden und Funktionseinschränkungen nach sich ziehen würden.

In den von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten Dris. XXXX und Dris. XXXX , sowie in der auf der Aktenlage basierenden Stellungnahme Dris. XXXX wird allerdings auf die vorgelegten Befunde und deren Inhalt nicht konkret eingegangen. So werden im Gutachten Dris. XXXX die Beweismittel zwar aufgelistet und ausführlich deren Inhalt zitiert, es wird jedoch nicht ausgeführt, welche Funktionsdefizite in den vorgelegten Befunden dokumentiert werden bzw. ob, gegebenenfalls in welcher Form, diese in der Beurteilung berücksichtigt worden sind. Ob bzw. inwieweit sich die in den vorgelegten Befunden bzw. Sachverständigengutachten dokumentierten Gesundheitsschädigungen der Beschwerdeführerin auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirken, wird nicht dargelegt.

Dies wäre aber - auch vor dem Hintergrund der diesbezüglichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 23.05.2012, 2008/11/0128; 20.10.2011, 2009/11/0032; 27.01.2015, 2012/11/0186) - im gegenständlichen Fall, auch im Hinblick auf die bei der Beschwerdeführerin vorliegende körperliche Schwäche und die festgestellten Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates unbedingt erforderlich gewesen um beurteilen zu können, inwieweit die Beschwerdeführerin durch diese Leiden bzw. durch das Zusammenwirken der vorliegenden Leiden, an der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel (insbesondere beim Gehen, Stehen, Sitzen sowie Ein- und Aussteigen) gehindert wird.

Somit wird in den eingeholten Gutachten zwar die Art der objektivierten dauernden Gesundheitsschädigungen aufgelistet, zur Frage der beschwerdegegenständlichen Zusatzeintragung erfolgt jedoch keine ausreichende individualisierte Beurteilung.

Es kann somit nicht von einer Schlüssigkeit des eingeholten Sachverständigenbeweises gesprochen werden. Ein Gutachten bzw. eine medizinische Stellungnahme, welche Ausführungen darüber vermissen lässt, aus welchen Gründen der ärztliche Sachverständige zu einer Beurteilung gelangt ist, stellt keine taugliche Grundlage für die von der belangten Behörde zu treffende Entscheidung dar (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Der eingeholte medizinische Sachverständigenbeweis vermag daher die verwaltungsbehördliche Entscheidung nicht zu tragen.

Mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie gehöre der Covid-19 Risikogruppe an, hat sich die belangte Behörde überhaupt nicht auseinandergesetzt. Die Frage, ob bei der Beschwerdeführerin auf Grund ihrer Grunderkrankung ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht, bzw. ob die Auswirkungen einer möglichen Covid-19 Erkrankung bei der Beschwerdeführerin einen schwereren Verlauf nehmen würden, als bei vergleichbaren gesunden Personen ist medizinischerseits abzuklären.

Mit der Rechtsfrage ob der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Grunderkrankung unter Covid-19 Bedingungen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist hat die belangte Behörde sich konkret auseinanderzusetzen.

Die seitens des Bundesverwaltungsgerichtes erforderliche Überprüfung im Rahmen der freien Beweiswürdigung ist auf dieser Grundlage daher nicht möglich.

Das Verwaltungsgericht hat im Falle einer Zurückverweisung darzulegen, welche notwendigen Ermittlungen die Verwaltungsbehörde unterlassen hat. (Ra 2014/20/0146 vom 20.05.2015)

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde sohin unter Einbeziehung des Beschwerdevorbringens und der vorgelegten Beweismittel und unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen ein weiteres Sachverständigengutachten basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin, einzuholen und die Ergebnisse bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen haben.

Von den Ergebnissen des weiteren Ermittlungsverfahrens wird die Beschwerdeführerin mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme in Wahrung des Parteiengehörs in Kenntnis zu setzen sein.

Anschließend hat sich die belangte Behörde mit der Rechtsfrage auseinanderzusetzen, ob der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist dies inbesondere auch wie oben dargestellt, unter Berücksichtigung der Grunderkrankung der Beschwerdeführerin in Verbindung mit Covid-19.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht kann – im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG – nicht im Sinne des Gesetzes liegen.

Die unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht läge angesichts des gegenständlichen gravierend mangelhaft geführten verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahrens nicht im Interesse der Raschheit und wäre auch nicht mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden. Zu berücksichtigen ist auch der, mit dem verwaltungsgerichtlichen Mehrparteienverfahren verbundene erhöhte Aufwand.

Im Übrigen scheint die Zurückverweisung der Rechtssache an die belangte Behörde auch vor dem Hintergrund der seit 01.07.2015 geltenden Neuerungsbeschränkung in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 46 BBG zweckmäßig.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall der Beschwerdeführerin noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rascher und kostengünstiger festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

In den rechtlichen Ausführungen zu Spruchteil A wurde ausführlich unter Bezugnahme auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063,) ausgeführt, warum die Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen geboten war.

Schlagworte

Behindertenpass Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Sachverständigengutachten Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W201.2238328.1.00

Im RIS seit

18.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

19.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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