TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/23 W228 2240464-1

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Veröffentlicht am 23.04.2021
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Entscheidungsdatum

23.04.2021

Norm

ASVG §255 Abs7
AVG §68
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W228 2240464-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch den gerichtlichen Erwachsenenvertreter Dr. XXXX , gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Niederösterreich, vom 03.02.2021, AZ: XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Niederösterreich, (im Folgenden: PVA) hat mit Bescheid vom 16.11.2020 den Antrag von XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführerin) vom 12.11.2020 auf Zuerkennung einer Invaliditätspension gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass mit Bescheid der PVA vom 20.05.2019 der Antrag der Beschwerdeführerin vom 28.01.2019 auf Invaliditätspension gemäß §§ 255 Abs. 7 und 254 ASVG rechtskräftig abgelehnt worden sei, weil die Beschwerdeführerin die erforderliche Mindestanzahl von 120 Beitragsmonaten der Pflichtversicherung nicht erworben habe. Der nunmehrige Antrag vom 12.11.2020 habe erneut die sachliche Behandlung der bereits mit Bescheid vom 20.05.2019 entschiedenen Sache zum Gegenstand. Einer neuerlichen Sachentscheidung stehe daher die Rechtskraft des Bescheides vom 20.05.2019 entgegen.

Innerhalb der Beschwerdefrist wurde seitens der Vertretung der Beschwerdeführerin – entsprechend der im Bescheid vom 16.11.2020 enthaltenen (unrichtigen) Rechtsmittelbelehrung – eine Klage an das Landesgericht Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht erhoben. Dem als Klage titulierten Schreiben ist – zumal sich dieses inhaltlich gegen die bescheidmäßige Absprache vom 16.11.2020 wendet – der Beschwerdewille eindeutig zu entnehmen und wurde das Schreiben seitens der belangten Behörde daher als – fristgerecht erhobene – Beschwerde gegen den Bescheid vom 16.11.2020 gewertet.

Im Verfahren über die Beschwerde erließ die PVA als belangte Behörde gemäß § 14 VwGVG iVm § 56 AlVG eine mit 03.02.2021 datierte Beschwerdevorentscheidung, mit der die Beschwerde abgewiesen wurde. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der am 28.01.2019 gestellte Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung einer Invaliditätspension mit Bescheid vom 20.05.2019 abgelehnt worden sei. Dieser Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen. Am 12.11.2020 sei für die Beschwerdeführerin neuerlich die Zuerkennung einer Invaliditätspension beantragt worden. Da entsprechend dem Wiederholungsverbot in derselben Sache keine neuerliche Entscheidung ergehen dürfe und im gegenständlichen Fall seit Erlassung des Bescheides vom 20.05.2019 weder eine Änderung der maßgeblichen Rechtsvorschriften noch eine Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes eingetreten sei, wirke die Rechtskraft des Bescheides vom 20.05.2019 im konkreten Fall weiter und stehe somit einer neuerlichen inhaltlichen Bearbeitung das Verfahrenshindernis der entschiedenen Rechtssache entgegen.

Mit Schreiben vom 16.02.2021 stellte der Vertreter der Beschwerdeführerin fristgerecht einen Antrag auf Vorlage.

Der Vorlageantrag und die Beschwerde wurden gemäß § 15 Abs. 2 letzter Satz VwGVG unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 17.03.2021 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 24.03.2021 der Vertretung der Beschwerdeführerin das Beschwerdevorlageschreiben der PVA sowie den verdichteten Versicherungsverlauf übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Am 28.01.2019 hat die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Gewährung einer Invaliditätspension gestellt, woraufhin seitens der belangten Behörde ein ärztliches Gesamtgutachten eingeholt wurde.

Auf Basis dieses Gutachtens wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 28.01.2019 auf Gewährung einer Invaliditätspension mit Bescheid der PVA vom 20.05.2019 abgelehnt mit der Begründung, dass die Beschwerdeführerin bereits vor der erstmaligen Aufnahme einer die Pflichtversicherung begründenden Beschäftigung infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche ihrer körperlichen oder geistigen Kräfte außer Stande war, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen, jedoch nicht die erforderliche Mindestanzahl von 120 Beitragsmonaten der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbtätigkeit erworben hat.

Dieser Bescheid der PVA vom 20.05.2019 ist mangels Erhebung eines Rechtsmittels durch die Beschwerdeführerin in Rechtskraft erwachsen.

Am 12.11.2020 wurde für die Beschwerdeführerin neuerlich ein Antrag auf Zuerkennung einer Invaliditätspension gestellt. Dieser Antrag wurde mit gegenständlich angefochtenem Bescheid der PVA vom 16.11.2020 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Die Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom 03.02.2021 abgewiesen.

Seit der Erlassung des Bescheides der PVA vom 20.05.2019 hat die Beschwerdeführerin keine weiteren Beitragsmonate erworben.

Festgestellt wird, dass sich weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben und sich das neue Parteibegehren mit dem früheren deckt.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des Bundesverwaltungsgerichts.

Der Sachverhalt ist in den entscheidungsrelevanten Bereichen unstrittig. Vorliegend handelt es sich vielmehr um eine reine Beurteilung einer Rechtsfrage.

Die Feststellung, wonach die Beschwerdeführerin seit der Erlassung des Bescheides der PVA vom 20.05.2019 keine weiteren Beitragsmonate erworben hat, ergibt sich aus dem Sozialversicherungsdatenauszug.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Nach § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – vorliegend sohin die PVA.

§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Somit liegt im gegenständlichen Fall Einzelrichterzuständigkeit vor.

Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahmen der §§ 1 bis 5, sowie des vierten Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Gegenständlich ist die mit dem angefochtenen Bescheid vom 16.11.2020 erfolgte Zurückweisung des Antrages der Beschwerdeführerin auf Invaliditätspension zu prüfen.

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 leg. cit. die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 leg. cit. findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Eine "entschiedene Sache" ("res iudicata") iSd § 68 Abs 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber der bekämpften Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen (d.h. abgesehen von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind) mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 21.09.2000, 98/20/0564; 25.04.2002, 2000/07/0235; 22.11.2004, 2001/10/0035). Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes ausgeschlossen, sondern auch im Fall desselben Begehrens auf Grund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben (vgl. VwGH 26.06.2012, 2009/11/0059).

Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu dieser Bestimmung liegen verschiedene "Sachen" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG dann vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern (vgl. VwGH 04.11.2004, Zl. 2002/20/0391; VwGH 20.03.2003, Zl. 99/20/0480; VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315).

Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben (nochmals) zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. VwGH 25.04.2002, Zl. 2000/07/0235; VwGH 15.10.1999, Zl. 96/21/0097). Nur eine solche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. VwGH 09.09.1999, Zl. 97/21/0913).

Die PVA hat mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 16.11.2020 den für die Beschwerdeführerin gestellten Antrag vom 12.11.2020 auf Zuerkennung einer Invaliditätspension mangels Änderung der Sach- und Rechtslage wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Zu prüfen ist daher die Identität der Sach- und Rechtslage, nämlich ob eine bereits "entschiedene Sache" vorliegt, ohne dass sich nachträgliche eine Änderung der Sach- und Rechtslage ergeben hätte.

Im gegenständlichen Fall liegt ein rechtskräftiger Bescheid der PVA vom 20.05.2019 vor, mit welchem der Antrag der Beschwerdeführerin vom 28.01.2019 auf Gewährung einer Invaliditätspension abgelehnt wurde.

Als berufsunfähig gilt gemäß § 273 Abs. 1 ASVG die versicherte Person, deren Arbeitsfähigkeit infolge ihres körperlichen oder geistigen Zustandes auf weniger als die Hälfte derjenigen einer körperlich und geistig gesunden versicherten Person von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist, wenn innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag (§ 223 Abs. 2) in zumindest 90 Pflichtversicherungsmonaten eine Erwerbstätigkeit als Angestellte/r oder nach § 255 Abs. 1 ausgeübt wurde. § 255 Abs. 2 dritter und vierter Satz sowie Abs. 2a sind anzuwenden.

Gemäß § 273 Abs. 3 iVm § 255 Abs. 7 gilt der (die) Versicherte auch dann als invalid im Sinne der Abs. 1 bis 4, wenn er (sie) bereits vor der erstmaligen Aufnahme einer die Pflichtversicherung begründenden Beschäftigung infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner (ihrer) körperlichen oder geistigen Kräfte außer Stande war, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen, dennoch aber mindestens 120 Beitragsmonate der Pflichtversicherung auf Grund einer Erwerbstätigkeit nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz erworben hat.

Der Antrag der Beschwerdeführerin vom 28.01.2019 auf Gewährung einer Invaliditätspension wurde mit Bescheid der PVA vom 20.05.2019 abgelehnt mit der Begründung, dass bereits zum Zeitpunkt der erstmaligen Aufnahme einer die Pflichtversicherung begründenden Beschäftigung Berufsunfähigkeit vorlag, die Beschwerdeführerin jedoch bis zum Stichtag nicht die erforderliche Mindestanzahl von 120 Beitragsmonaten der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbtätigkeit erworben hat. Der maßgebliche Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt des Eintritts in das Erwerbsleben konnte sich in der Zwischenzeit nicht verändert haben. Überdies hat die Beschwerdeführerin seit der Erlassung des Bescheides vom 20.05.2019 keine weiteren Beitragsmonate erworben und liegen die erforderlichen 120 Beitragsmonate sohin weiterhin nicht vor.

Eine wesentliche Änderung des dem Bescheid der PVA vom 20.05.2019 zugrundeliegenden Sachverhalts ist sohin, insbesondere auch mangels eines weiteren Beitragsmonatserwerbs, nicht zu erkennen.

Zumal sich daher gegenüber dem Bescheid der PVA vom 20.05.2019 weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat, liegt res iudicata vor.

Die von der belangten Behörde mit Bescheid vom 16.11.2020 ausgesprochene Zurückweisung des Antrags vom 12.11.2020 wegen entschiedener Sache ist somit als rechtmäßig anzusehen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Entscheidung stützt sich auf die in der rechtlichen Würdigung zu Spruchpunkt A) wiedergegebene Judikatur des VwGH.

Schlagworte

Invaliditätspension Prozesshindernis der entschiedenen Sache res iudicata

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W228.2240464.1.00

Im RIS seit

21.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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