TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/23 W217 2241655-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.04.2021
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Entscheidungsdatum

23.04.2021

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W217 2241655-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Angela SCHIDLOF sowie den fachkundigen Laienrichter Franz GROSCHAN als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 08.03.2021, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1.       Herr XXXX (in der Folge: BF) ist seit 07.01.2020 Inhaber eines bis zum 31.07.2025 befristeten Behindertenpasses. Der Gesamtgrad der Behinderung wurde mit 60% festgestellt. Folgende Funktionseinschränkungen wurden dabei von einer Fachärztin für Allgemeinmedizin festgestellt:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Follikuläres Lymphom Grad 1 Stadium II mit Befall des Darmes (ED 04/2007)

1 Stufe über dem unteren Rahmensatz bei Rezidiv 02/2019 und laufender ChemoImmuntherapie; kein Hinweis auf Fernabsiedelungen

10.03.04

60

2

Zöliakie

1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da lebenslange Diät erforderlich

09.03.01

20

Hinsichtlich der Frage, ob dem BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, führte die befasste Sachverständige in ihrem Gutachten vom 02.02.2020 aus:

„1.      Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Die vorhandenen Befunde geben keinen Hinweis auf einen maßgeblich herabgesetzten Allgemein- und Ernährungszustand und eine damit einhergehende Mobilitätseinschränkung, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschweren würde.

2.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Eine schwere und anhaltende Erkrankung des IS liegt nicht vor. Den Befunden ist weder eine signifikant erhöhte Infektanfälligkeit zu entnehmen noch gibt es einen Hinweis auf Infektionen mit Problemkeimen. Es liegt kein hochgradiges Immundefizit, welches die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel einschränkt vor. Bei laufender ChemoImmuntherapie kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht. Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.“

2.       Am 28.09.2020 einlangend begehrte der BF die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass.

In der Folge stellte Frau Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, in ihrem Gutachten vom 25.01.2021, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des BF, fest:

„Anamnese:

follikuläres Lymphom Grad I Stadium II mit Befall des Darmes – ED 04/2007, Rezidiv 02/2019

Z.n. Chemotherapie, Z.n. autologer Stammzellentransplantation 08/2007 und 10/2019, aktuell komplette Remission

degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschäden

Zöliakie seit 2007

Hiatushernie

Derzeitige Beschwerden:

Er habe bei der onkologischen Rehab erfahren, dass die Unzumutbarkeit Öffentlicher Verkehrsmittel bestehen würde, wenn man stuhlinkontinent sei und er sei stuhlinkontinent, da er Zöliakie habe und nach der Chemotherapie. Er würde kein Inkontinenzmaterial tragen. Er würde immer mit dem Auto stehen bleiben und rasch zur Toilette gehen. Die Wanderungen auf der Rehab konnte er gut mitmachen. Er habe jetzt Beschwerden mit der Wirbelsäule, habe Bandscheibenschäden, eventuell sei eine OP geplant. Er würde immer wieder infiltriert werden.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Pantoprazol (Infiltrationen im Bereich der LWS)

Sozialanamnese:

Berufskraftfahrer, Krankenstand seit 03/2019, verheiratet

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Befunde mitgebracht

Überweisung Dr. XXXX , 01/2020:

Neurologie, Diskusprolaps

MRT, 10/2020:

Segment LWK 5, SWK1 Ödembildung und Endplatten bei ausgeprägter aktivierten Osteochondrose, zusätzlich an der Deckplatte SWK1 ausgeprägte intraspongiöse Herniation welche zu einer breitbasigen Impression der Deckplatte führt, außerdem in diesem Segment eine breitbasige rechts mediolateral betonte Diskusprotrusion welche die austretenden Nervenwurzel von L5 rechts und Neuroforamen anhebt und eine mögliche Affektion der absteigenden Nervenwurzel rechtzeitig hervorruft

Befunde im Akt

Humanomed Zentrum XXXX , 09/2020:

follikuläres NHL Grad I Stadium II mit Befall des Duodenums und terminalen Ileums 04/2007, Z.n. Knochenmarkpunktion 04/2007, Z.n. 6 Zyklen R-CHOP 04/2007 bis 08/2007, Z.n. Stammzellenmobilisierung am 02.08. und 03.08.2007, Rezidiv 02/2019, follikuläres Lymphom Grad I des Intestinums, terminalen Ileums und Zökums, Z.n. 6 Zyklen Obinutuzumab/Bendamustin 03/2019 bis 08/2019, Z.n. erster autologer Stammzellentransplantation am 30.10.201, PET-CT am 24.01.2020: Komplette metabolische Remission, Zöliakie seit 2007 (MARSH II), axiale Hiatushernie, Folsäuremangel, fokal komplette intestinale Metaplasie (Magenantrum), liegender Port-ACath, RS-Virusinfektion am 05.03.2020

med. Trainingstherapien: 2x Wandergruppe 50 Minuten, 1x Nordic Walking Gruppe 50 Minuten, 1x Nordic Walking Gruppe 25 Minuten, 3x med. Ausdauertraining Fahrrad 20 Minuten, 3x Krafttraining 25 Minuten

Harn- und Stuhlausscheidung intakt

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

guter AZ, muskulärer Habitus

Ernährungszustand:

guter EZ

Größe: 188,00 cm  Gewicht: 112,00 kg Blutdruck:

Klinischer Status – Fachstatus:

HNA: frei

Cor: rein, rhythmisch

Pulmo: VA, SKS

Abdomen: weich, DS rechter UB, sonst indolent

WS: KS über LWS, FBA im Stehen 10 cm, Zehen/Fersenstand ohne Probleme möglich, Lasègue bds. negativ

OE: frei, Nacken/Schürzengriff bds. endlagig, Faustschluss bds. vollständig, grobe Kraft seitengleich

UE: Varikositas bds. (anamnestisch Z.n. Venenoperation), keine wesentliche Funktionseinschränkung der großen Gelenke (anamnestisch Z.n. Fraktur der Patella rechts, Z.n. Meniskusoperation linkes Knie), Zehen/Fersenstand bzw. Einbeinstand ohne Probleme möglich, keine Ödeme

Gesamtmobilität – Gangbild:

Gehen frei, sicher, ohne Hilfsmittel

Zehen/Fersenstand bzw. Einbeinstand ohne Probleme möglich

laut REHA Befund: Harn- und Stuhlausscheidung intakt

gute körperliche Belastbarkeit

Status Psychicus:

grob unauffällig, in allen Qualitäten gut orientiert, keine wesentliche Einschränkung der Kognition oder Mnestik, Duktus kohärent, euthym

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1

follikuläres Lymphom Grad I Stadium II mit Befall des Darmes – Erstdiagnose 04/2007, Rezidiv 02/2019, Zustand nach Chemotherapie 04/2007 bis 08/2007 und 03/2019 bis 08/2019, Zustand nach autologer Stammzellentransplantation 10/2019, aktuell komplette metabolische Remission

2

Zöliakie, Hiatushernie

3

degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschäden im Bereich der Lendenwirbelsäule

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Besserung von Leiden 1, da aktuell in Remission.

keine wesentliche Änderung der Zöliakie (von Leiden 2) ; Hiatushernie wird nun in Leiden 2 mit erfasst.

Nunmehriges Leiden 3 wird hinzugefügt.

Anamnestisch Zustand nach Fraktur der rechten Kniescheibe und Zustand nach Arthroskopie im Bereich des linken Knies bei Meniskusschaden erreichen keinen GdB, da keine aktuellen Befunde vorliegen.

X        Nachuntersuchung 01/2025 - weil Neuevaluierung nach Ablauf der Heilbewährung entsprechend Vorgutachten.

1.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Bei gutem Allgemeinzustand mit guter körperlicher Belastbarkeit und sicherer Mobilität sind trotz der Funktionseinschränkung bei follikulärem Lymphom, Zöliakie und degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule das sichere Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das sichere Ein- und Aussteigen und der sichere Transport gewährleistet. Niveauunterschiede können ausreichend sicher überwunden werden. Eine kurze Wegstrecke kann ausreichend sicher ohne Pause zurückgelegt werden. Der Transport ist ausreichend sicher möglich. Ausreichend sicherer Stand und Gang. Ausreichend gute körperliche Belastbarkeit. Bezüglich der Stuhlinkontinenz liegen keine aktuellen Befunde vor. Es werden keine Inkontinenzprodukte verwendet. Laut REHA Befund Humanomed Zentrum XXXX 09/2020 sind Harn- und Stuhlausscheidung intakt.

2.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Da aktuell Remission bei follikulärem Lymphom und Zustand nach autologer Stammzellentransplantation vor mehr als 6 Monaten (10/2019) ist die Teilnahme am öffentlichen Leben erwünscht und somit auch die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Die aktuelle Situation bezüglich der Covid-19 Pandemie verunmöglicht nicht die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen.

Gutachterliche Stellungnahme:

Auf Grund der guten körperlichen Belastbarkeit und des sicheren Standes und Ganges ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausreichend sicher möglich.

Bezüglich Stuhlinkontinenz liegen keine ausreichenden Befunde vor. Zustand nach autologer Stammzellentransplantation vor mehr als 6 Monaten (10/2019).

Laut REHA Befund Humanomed Zentrum XXXX 09/2020 sind Harn- und Stuhlausscheidung intakt.“

3.       Mit Schreiben vom 26.01.2021 übermittelte die belangte Behörde dem BF das oben dargestellte Gutachten zur Kenntnisnahme und allfälliger Stellungnahme binnen zweier Wochen. Diese Frist verstrich ungenützt.

4.       Mit Bescheid vom 08.03.2021 hat die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen.

Beweiswürdigend wurde auf das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten, das einen Bestandteil der Bescheidbegründung bildet, hingewiesen. Nach diesem würden die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen.

5.       Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde und verlangte ein neues Gutachten mit Untersuchungen. Neue Befunde wurden keine vorgelegt.

6.       Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 20.04.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II.     Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der BF hat seinen Wohnsitz im Inland.

Der BF ist seit 07.01.2020 Inhaber eines bis zum 31.07.2025 befristet ausgestellten Behindertenpasses. Der Gesamtgrad der Behinderung wurde mit 60% festgestellt.

Mit am 28.09.2020 eingelangtem Schriftsatz stellte der BF den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung".

Beim BF liegen folgende Funktionseinschränkungen vor:

Lfd.

Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1

follikuläres Lymphom Grad I Stadium II mit Befall des Darmes – Erstdiagnose 04/2007, Rezidiv 02/2019, Zustand nach Chemotherapie 04/2007 bis 08/2007 und 03/2019 bis 08/2019, Zustand nach autologer Stammzellentransplantation 10/2019, aktuell komplette metabolische Remission

2

Zöliakie, Hiatushernie

3

degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschäden im Bereich der Lendenwirbelsäule

Hinsichtlich der beim BF festgestellten Gesundheitsschädigungen, ihrer Art und Schwere sowie ihrer Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen aus dem Gutachten vom 25.01.2021 einer Ärztin für Allgemeinmedizin der nunmehrigen Entscheidung zugrunde gelegt.

Zu den Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

Das sichere Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke (ca. 300 m - 400 m), das sichere Ein- und Aussteigen und der sichere Transport sind gewährleistet. Niveauunterschiede können ausreichend sicher überwunden werden. Eine kurze Wegstrecke kann ausreichend sicher ohne Pause zurückgelegt werden. Der Transport ist ausreichend sicher möglich. Es besteht ausreichend sicherer Stand und Gang sowie eine ausreichend gute körperliche Belastbarkeit. Aufgrund der aktuellen Remission bei follikulärem Lymphom und Zustand nach autologer Stammzellentransplantation vor mehr als 6 Monaten (10/2019) liegt keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor, die eine Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar machen würde.

Dem BF ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

2.       Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Vornahme der begehrten Zusatzeintragung basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Behindertenpass ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Abweisung der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ führen, gründen sich auf das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten vom 25.01.2021 einer Ärztin für Allgemeinmedizin. Unter Berücksichtigung der vom BF ins Verfahren eingebrachten medizinischen Unterlagen und nach persönlicher Untersuchung des BF wurde von der medizinischen Sachverständigen festgestellt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für den BF zumutbar ist.

Die getroffenen Einschätzungen der befassten Sachverständigen, basierend auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen (diesbezüglich wird auf die unter Pkt I.2. auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen).

Einbezogen wurden von der befassten Sachverständigen die vom BF vorgelegten Befunde, die im Übrigen nicht im Widerspruch zur gutachterlichen Beurteilung stehen und kein höheres Funktionsdefizit dokumentieren, als anlässlich der Begutachtung festgestellt wurde.

In diesem Gutachten wurde auf die Art und Schwere des Leidens des BF sowie deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Seitens der Sachverständigen wurde unter Berücksichtigung der festgestellten Leidenszustände und der vorgelegten Befunde nachvollziehbar dargelegt, warum dem BF aus medizinischer Sicht die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist.

Hinsichtlich der nach Art und Schwere festgestellten Gesundheitsschädigungen konnten dem Gutachten zufolge ein guter Allgemeinzustand mit guter körperlicher Belastbarkeit und sicherer Mobilität trotz der Funktionseinschränkung bei follikulärem Lymphom, Zöliakie und degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule festgestellt werden. Es liegt aktuell eine Remission bei follikulärem Lymphom und einem Zustand nach autologer Stammzellentransplantation vor mehr als 6 Monaten, nämlich im Oktober 2019, vor.

Bei ihren Einschätzungen konnte sich die Sachverständige insbesondere auf den von ihr erhobenen klinischen Untersuchungsbefund einschließlich des festgestellten Gangbildes stützen. Anhand des von der Sachverständigen beobachteten Gangbildes („Gehen frei, sicher, ohne Hilfsmittel, Zehen/Fersenstand bzw. Einbeinstand ohne Probleme möglich, laut REHA Befund: Harn- und Stuhlausscheidung intakt, gute körperliche Belastbarkeit“) in Zusammenschau mit dem aktuellen Untersuchungsergebnis ergibt sich kein Hinweis auf erhebliche Erschwernis beim Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke (300 bis 400 m), Be- und Entsteigen sowie bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

So beschreibt die befasste Ärztin für Allgemeinmedizin vor dem Hintergrund der klinischen Untersuchung und den vorliegenden Befunden nachvollziehbar, dass beim BF bei gutem Allgemeinzustand mit guter körperlicher Belastbarkeit und sicherer Mobilität trotz der Funktionseinschränkung bei follikulärem Lymphom, Zöliakie und degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule das sichere Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das sichere Ein- und Aussteigen und der sichere Transport gewährleistet sind. Niveauunterschiede können ausreichend sicher überwunden werden. Bezüglich der vom BF behaupteten Stuhlinkontinenz wurden keine Befunde vorgelegt, vielmehr sind gemäß dem REHA Befund Humanomed Zentrum XXXX 09/2020 Harn- und Stuhlausscheidung intakt.

Diese Schlussfolgerungen der medizinischen Sachverständigen finden insbesondere Bestätigung in ihren Aufzeichnungen bei der persönlichen Untersuchung am 04.06.2020 im Rahmen des oben wiedergegebenen Untersuchungsbefundes zu den oberen und unteren Extremitäten bzw. zur Wirbelsäule [„WS: KS über LWS, FBA im Stehen 10 cm, Zehen/Fersenstand ohne Probleme möglich, Lasègue bds. negativ. OE: frei, Nacken/Schürzengriff bds. endlagig, Faustschluss bds. vollständig, grobe Kraft seitengleich. UE: Varikositas bds. (anamnestisch Z.n. Venenoperation), keine wesentliche Funktionseinschränkung der großen Gelenke (anamnestisch Z.n. Fraktur der Patella rechts, Z.n. Meniskusoperation linkes Knie), Zehen/Fersenstand bzw. Einbeinstand ohne Probleme möglich, keine Ödeme).

Weiters wurde von der Sachverständigen festgehalten, dass aufgrund der aktuellen Remission bei follikulärem Lymphom und Zustand nach autologer Stammzellentransplantation vor mehr als 6 Monaten (10/2019) keine schwere Erkrankung des Immunsystems vorliegt, die eine Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar machen würde.

Weitere Befunde wurden vom BF nicht vorgelegt.

Insgesamt spricht bei Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen des BF aus medizinischer Sicht nichts dagegen, dass ihm die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zugemutet wird.

Der BF hat kein substantielles Vorbringen gegen das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten vorgebracht. Der BF, dem es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge freigestanden wäre, durch Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl die getroffenen Einschätzungen der Sachverständigen zu entkräften, ist dem von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Eben wenig wurden diesem Gutachten widersprechende Beweismittel vorgelegt.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des gegenständlichen medizinischen Sachverständigengutachtens.

Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu Spruchpunkt A)

1.       Abweisung der Beschwerde

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)

Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist u.a. jedenfalls einzutragen:

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-        erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-        erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-        erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-        eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-        eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

(§ 1 Abs. 4 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise)

Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktions-beeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(§ 1 Abs. 5 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)

In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird Folgendes ausgeführt:

Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Die Begriffe „erheblich“ und „schwer“ werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensations-möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-        arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-        Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-        hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-        Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-        COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

-        Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-        mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

-        Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr

-        hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten

-        schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen

-        nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

-        anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – sever combined immundeficiency),

-        schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

-        fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

-        selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0242, vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242).

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Betreffend das Kalkül „kurze Wegstrecke“ wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 - 400 m ausgeht (vgl. u.a. VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013).

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)

Wie bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, wurde seitens des von der belangten Behörde eingeholten, auf einer persönlichen Untersuchung des BF basierenden Sachverständigengutachtens einer Ärztin für Allgemeinmedizin nachvollziehbar dargelegt, dass im Fall des BF - trotz der bei ihm vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen - die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass nicht vorliegen.

Beim BF liegen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren oder oberen Extremitäten noch der körperlichen Belastbarkeit vor bzw. konnten keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.

Weitere Gesundheitsschädigungen konnten nicht objektiviert werden.

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist daher dem BF zumutbar.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Im gegenständlichen Fall bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob dem BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, das Gutachten vom 25.01.2021 einer medizinischen Sachverständigen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie oben bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W217.2241655.1.00

Im RIS seit

18.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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