TE Vwgh Erkenntnis 1997/3/19 95/01/0553

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Veröffentlicht am 19.03.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §20 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AVG §15;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministes für Inneres vom 4. Mai 1995, Zl. 4.334.618/10-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist nigeranischer Staatsangehöriger und reiste am 2. März 1992 in das Bundesgebiet ein. Am 5. März 1992 beantragte er die Gewährung von Asyl. Anläßlich seiner am 6. Mai 1992 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich erfolgten niederschriftlichen Befragung gab er zu seinen Fluchtgründen an, nach Beendigung der Fußballsaison (1990) habe die SDP ihm das Angebot gemacht, bis zum Beginn der neuen Saison halbtags als Schreibkraft für die Partei zu arbeiten. Er sei diesem Angebot nachgekommen und habe dort zu arbeiten begonnen. Er habe im Parteilager in Benin City gearbeitet. Er sei Anfang Dezember 1991 vom Obmann der Partei beschuldigt worden, daß er dem NRC Informationen über die SDP unerlaubterweise habe zukommen lassen, was aber nicht der Wahrheit entsprochen habe. Laut dem Obmann hätte er dem NRC Informationen über die Kandidatur für den Bürgermeisterposten seitens der SDP zukommen lassen. Er sei angeblich zu einem Mitglied des NRC gegangen und hätte diesem den Namen des Kandidaten genannt. Er sei am 17. Dezember 1991 von Polizisten von zu Hause abgeholt und auf die Polizeistation in Benin City gebracht worden. Zwei Tage später sei er von der Polizei vor das Gericht gestellt worden. Die Verhandlung sei vertagt worden, sodaß man ihn wieder auf die Polizeistation gebracht habe. Nach einigen Tagen sei er dann wieder dem Gericht vorgeführt worden. Die Verhandlung habe stattgefunden und er sei zu Unrecht zu sechs Jahren Haft wegen der angeblichen Parteispionage verurteilt worden. Er sei sich keiner Schuld bewußt. Die ihm vorgeworfene Handlung sei keine strafbare. Bei einer Rückkehr würde er wahrscheinlich mit einer Strafverschärfung rechnen müssen. Nachdem er verurteilt worden sei, sei er in ein Krankenhaus gebracht worden, von wo ihm die Flucht in der Nacht gelungen sei, indem er aus einem Fenster ins Freie gesprungen sei (Punkt 17 der Niederschrift). Zuvor (Punkt 16 der Niederschrift) hatte der Beschwerdeführer angegeben, er sei im Jahr 1991, am 28. Dezember, von der Polizei in Haft genommen und vom Obersten Gerichtshof wegen Parteispionage zu sechs Jahren Haft verurteilt worden.

Mit formularmäßigem Bescheid vom 14. Mai 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich fest, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle.

In der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung wendete sich der Beschwerdeführer gegen die mangelhafte Begründung des Bescheides erster Instanz und wiederholte seine Fluchtgründe dahingehend, im Dezember 1991 hätten seine Probleme angefangen, als er Mitglied in der "STP", einer demokratischen Partei in Nigeria, geworden sei. Er habe teilzeitmäßig für diese Partei gearbeitet. Es hätten Wahlen abgehalten werden sollen und die "STP" habe ein Parteimitglied nominiert. Er sei beschuldigt worden, Informationen über diesen Kandidaten an die gegnerische Partei weitergegeben zu haben, um ihm zu schaden. Das entspräche aber nicht der Wahrheit. Er habe das auch den Mitgliedern der "STP" erklärt, nach einer Woche seien jedoch Polizisten zu ihm nach Hause gekommen und er sei verhaftet worden. Er sei zur Polizeistation gebracht und dort verhört worden. Dort habe er wieder beteuert, daß er den Kandidaten der "STP" nicht verraten habe, dennoch sei sein Fall vor ein Gericht gebracht worden, von dem er zu einer Gefängnisstrafe von sechs Jahren verurteilt worden sei. Er sei ins Gefängnis gebracht worden, wo er während seines Aufenthaltes brutal mißhandelt worden sei. Heute noch könne man eine Narbe auf seinem Bauch erkennen. Nach drei Wochen habe er sich so schlecht gefühlt, daß er in ein Krankenhaus gebracht worden sei, wo er zwei Wochen verblieben sei. Während dieser Zeit habe er sich wieder erholt und hätte ins Gefängis zurückgebracht werden sollen. Dies sei für ihn unvorstellbar gewesen, sodaß er beschlossen habe, aus dem Krankenhaus zu flüchten. Eines Nachts gegen 2 Uhr früh sei es ihm gelungen, aus einem Fenster zu springen und so aus dem Krankenhaus zu fliehen. Er sei geradewegs zu seiner Frau gerannt, und gemeinsam seien sie nach Lagos geflüchtet. Dort hätten sie einen Cousin getroffen, der sehr überrascht gewesen sei, ihn in Lagos zu treffen, weil er von seiner Verurteilung gehört habe. Er (der Beschwerdeführer) habe ihm (dem Cousin) die ganze Geschichte erzählt. Der Cousin habe versprochen, ihnen zu helfen. Sie hätten sich bei einem seiner Freunde verstecken können. Sein Cousin habe dann Pässe besorgt und die Flugtickets nach Bulgarien organisiert. Mit einem Bus seien sie hernach nach Cotonu in die Republik Benin gefahren und von dort nach Tripolis (Libyen) und Sofia. Von Sofia seien sie mit dem Zug über Rumänien nach Ungarn gefahren. Ein Ungar habe sie an die österreichische Grenze gebracht, die sie Anfang April zu Fuß überquert hätten.

Mit Bescheid vom 4. Mai 1993 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Auf Grund der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 15. September 1994, Zl. 94/19/0494, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (infolge Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 AsylG 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94) auf. Im fortgesetzten Berufungsverfahren ergänzte der Beschwerdeführer über Aufforderung der belangten Behörde seine Berufung dahingehend, schwerwiegende Verfahrensmängel des Verfahrens erster Instanz hätten bereits bei seiner niederschriftlichen Vernehmung begonnen, wo seine Ausführungen falsch bzw. unvollständig protokolliert worden seien und es der vernehmende Beamtes unterlassen hätte, Zusammenhänge, die ihm unklar seien, durch präzise Fragestellung zu erhellen. Auch sei er, der Beschwerdeführer, bei der Ausführung ganz wesentlicher asylrechtlich relevanter Punkte ständig unterbrochen worden. Die Niederschrift sei ihm auch nicht übersetzt worden, wodurch ihm die Möglichkeit einer sinnvollen Replik, der Verbesserung von Fehlern, Auslassungen und Unschärfen genommen worden sei. Daraus ergebe sich ohne Zweifel, daß die Behörde erster Instanz es verabsäumt habe, ihrer besonderen Anleitungs- und Belehrungspflicht im Sinne des § 16 AsylG 1991 sowie ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht gemäß § 39 AVG nachzukommen, zumal sich schon damals eindeutig aus seiner Aussage ergeben habe, daß er aus religiösen () Motiven in seinem Heimatland verfolgt würde. Nach Wiedergabe seines bisherigen Werdeganges führte der Beschwerdeführer erneut an, im Dezember 1991 seien politische Kampagnen in Gang gesetzt worden, weil das militärische Regime die Oberhand über die Regierung gewonnen habe und jede Partei Leute für eigene Kampagnen rekrutieren habe müssen. So sei er von der "STP" aufgefordert worden, für sie zu arbeiten. Seine Arbeit sei es gewesen, Kampagnen zu organisieren, um Leute anzuwerben bzw. sie zu überzeugen. Er habe sich über die Entwicklung der Kampagnen sowie über die Gewinnchancen in speziellen Gebieten informieren und auch die Entwicklung von Strategien übernehmen müssen. Zu dieser Zeit habe es große politische Probleme in Nigeria zwischen den verschiedenen Parteien gegeben, Informationen seien ausgetauscht worden und seien in falsche Hände gekommen. Parteien hätten immer einen Weg gefunden, sich gegenseitig auszuspielen, mittels verschiedener Petitionen, die gegeneinander verwendet worden seien. So sei er im Dezember 1991 vom Obmann der "STP" angeklagt worden, vertrauliche Informationen an die Oppositionspartei NRC weitergeleitet zu haben, was er jedoch nicht getan habe. Nach den Wahlen im Staat Edo, die von seiner Partei gewonnen worden seien, habe die NRC-Partei mehrere Petitionen mit dem Vorwurf des unkorrekten Handels während der Kampagne gegen den Gouverneur eingebracht. Er sei als derjenige angeklagt worden, der die vertraulichen Informationen an den NRC weitergegeleitet habe. Nach einer Woche sei er von der Polizei verhaftet und eingesperrt worden. Das Gericht (Spezialtribunal) habe ihn zu sechs Jahren Freiheitsentzug verurteilt, obwohl er nichts getan habe. Es sei ein Einspruch erhoben worden, dem nicht Folge gegeben worden sei. Er sei im Gefängnis eingesperrt und brutal gefoltert worden. Er habe noch immer eine Narbe auf seiner Brust. Er sei krank und ins Spital gebracht worden. Nach zwei Wochen Aufenthalt im Spital sei er auf dem Wege der Besserung gewesen und habe in Erfahrung gebracht, daß er bald aus dem Spital entlassen und zurück ins Gefängnis gebracht hätte werden sollen. So habe er an eine Flucht gedacht, der einzige Weg habe durch das Fenster des Spitals geführt. Eines Nachts etwa zwei Uhr in der Früh, sei er durch ein Fenster geflüchtet. Im übrigen wiederholte er die bisher gemachten Angaben.

Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Bescheid wies die belangte Behörde die ergänzte Berufung neuerlich gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Nach Darstellung des Verfahrensganges und der von ihr in Anwendung gebrachten Rechtslage führte sie im wesentlichen aus, die Darstellung des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen sei unglaubwürdig. Äußerst unglaubwürdig sei insbesondere, daß der Beschwerdeführer allein wegen eines Verstosses gegen parteiinterne Regeln, nämlich der Preisgabe des Namens eines von der SDP nominierten Kandidaten für den Bürgermeisterposten von der Polizei festgenommen und nach der Durchführung einer Gerichtsverhandlung zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, erfahrungsgemäß zögen Handlungen, die sich gegen das innerparteiliche Reglement richteten, maximal den Parteiausschluß nach sich. Äußerst unglaubwürdig stelle sich auch die behauptete Festnahme in diesem Zusammenhang dar. Es sei auch mit den Denkgesetzen unvereinbar, daß im Falle seiner tatsächliche Festnahme und der Durchführung einer Gerichtsverhandlung ein Strafausmaß in der von ihm behaupteten Höhe für ein derartiges "Vergehen" verhängt worden sei. Als unglaubwürdig erachtete die belangte Behörde die Darstellung der Flucht des Beschwerdeführers nach Hause mit dem Argument, daß dort wohl als erstes nach ihm gesucht worden wäre. Auch hätte eine solche Flucht eine offizielle Fahndung nach sich gezogen, sodaß der Beschwerdeführer schon aus subjektiver Sicht nicht gewagt hätte, sich unter Verwendung seines nationalen Reisedokumentes der staatlichen Grenzkontrolle auf der Fahrt in den Benin aus Angst vor Entdeckung und Aufgreifung zu unterziehen. Dies sei jedenfalls ein Indiz dafür, daß zu diesem Zeitpunkt kein subjektiv asylrechtlich relevantes Schutzbedürfnis vorgelegen sei. Dem in der Berufungsergänzung gemachten Vorwurf der falschen und unvollständigen Protokollierung seiner Angaben hielt die belangte Behörde entgegen, er habe in der Niederschrift die abschließende Frage nach der Vollständigkeit seiner Fluchtgründe und die Bestätigung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Ausführungen mit seiner Unterschrift bestätigt. Die nunmehr aufgestellte Behauptung der unzureichenden Übersetzung und der unvollständigen Erfassung seines Vorbringens diene daher offensichtlich nur der Asylerlangung "unter allen Umständen". Sie hielt dem Beschwerdeführer entgegen, die Norm des § 16 Abs. 1 AsylG 1991 sei nicht dahingehend zu interpretieren, daß der Asylwerber durch Fragestellung bzw. auf andere geeignete Weise derart zu lenken sei, daß die Erfassung und Würdigung dieser Angaben dann auch zur Asylerlangung führen müsse. Auf die Berufung des Beschwerdeführers vom 25. Mai 1992 sei "gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 i.d.g.F. nicht näher einzugehen" gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers im Rahmen der Beweiswürdigung mit seiner Unglaubwürdigkeit in bezug auf die von ihm im erstinstanzlichen Verfahren gemachten Angaben begründet. Die Beweiswürdigung ist als Denkprozeß nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit des Denkvorganges als solchen handelt sowie darum, ob das Verfahren, das die Unterlagen für die von der belangten Behörde aufgebauten Schlußfolgerungen geliefert hat, in gesetzmäßiger Weise abgewickelt wurde. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher die in freier Beweiswürdigung erzielten, den Sachverhalt betreffenden Annahmen der belangten Behörde nur insoweit zu überprüfen, als sie durch die Beweisaufnahme nicht bestätigt werden, der ermittelte Sachverhalt unzureichend ist und daher einer Ergänzung bedarf und dann, wenn die Annahmen der belangten Behörde auf Grund eines Verfahrens zustande gekommen sind, das den Verfahrensvorschriften nicht entsprach. Eine unschlüssige Beweiswürdigung bewirkt Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Dieser - eingeschränkten - Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof halten die von der belangten Behörde angestellten Erwägungen nicht stand. Abgesehen davon, daß die Sätze

"Darüber hinaus haben Sie die Festnahme sowie ausschließende Verurteilung lediglich behauptet, ohne durch Zusätzliches die Glaubwürdigkeit erhöhen zu können. Würde das Behaupten von aus subjektiver Sicht bestehenden asylrelevanten Umständen genügen, könnte von Glaubhaftmachung bzw. Beweiswürdigung nicht gesprochen werden"

eine nicht nachvollziehbare, inhaltsleere Floskel darstellen, auf die einzugehen sich daher erübrigt, erweisen sich auch die von der belangten Behörde im einzelnen zur Darlegung der Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers herangezogenen Argumente als nicht tragfähig. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zu wiederholten Malen ausgesprochen, daß bei der Beurteilung der von einem außereuropäischen Asylwerber geschilderten Verfolgungsgefahr nicht nur die dortigen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse im Rahmen einer Gesamtschau mitzuberücksichtigen sind, sondern daß auch eine gewisse Zurückhaltung bei der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit und Angemessenheit staatlicher Sanktionen auf ein inkriminiertes Verhalten unter Anlegung europäischer Maßstäbe und Wertungen geboten erscheint. Die für europäische Begriffe unverhältnismäßig harte Strafe für eine nach solchen Maßstäben nicht strafbare Handlung kann daher ohne genauere Kenntnis der im - politisch und gesellschaftlich in Unruhe befindlichen - Heimatland des Beschwerdeführers herrschenden Verhältnisse nicht von vornherein als völlig unwahrscheinlich gewertet werden. Dieselben grundsätzlichen Überlegungen beziehen sich auch auf das nächste von der belangten Behörde herangezogene Argument, die vom Beschwerdeführer behauptete Flucht nach Hause sei unglaubwürdig, weil dort wohl als erstes nach ihm gesucht worden wäre, was angesichts nicht näher dargelegter Kenntnis über die Schnelligkeit und Effektivität von Fahndungen der staatlichen Organe im Heimatland des Beschwerdeführers nicht stichhältig ist. Im übrigen ergibt sich aus der niederschriftlichen Befragung des Beschwerdeführers nicht, wann bzw. wie lange er sich "zu Hause" aufgehalten hat. Auch das weitere Argument, ein subjektiv asylrechtlich relevantes Schutzbedürfnis sei nicht anzunehmen, da der Beschwerdeführer unter Verwendung seines nationalen Reisedokumentes sich der staatlichen Grenzkontrolle unterzogen habe, erscheint nicht schlüssig, geht doch die Behörde mit keinem Wort darauf ein, daß der Beschwerdeführer sowohl in seiner Berufung als auch in seiner Berufungsergänzung darauf hinwies, daß er einen (gefälschten) Paß für sich und seine Ehegattin von seinem Cousin erhalten habe, sich daher keineswegs eines auf sein Nationale ausgestellten Reisepasses bedient habe. In bezug auf dieses Faktum, sowie auch in bezug auf die genauen Daten seiner Inhaftierung (zu Punkt 16 der Niederschrift vom 28. Dezember 1991, zu Punkt 17 der Niederschrift vom 17. Dezember 1991) erfolgte keine Aufklärung, obwohl dies in der Berufungsergänzung unter Verweis auf § 16 AsylG 1991 gerügt worden war. Es trifft zwar zu, daß die Ermittlungspflicht der belangten Behörde nicht so weit geht, den Asylwerber darin zu unterweisen, wie er sein Vorbringen zu gestalten habe, damit es von Erfolg gekrönt sei, doch hat sie im Rahmen des § 16 Abs. 1 in geeigneter Weise darauf hinzuwirken, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt oder überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Die belangte Behörde wäre daher im Sinne des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 verhalten gewesen, die in der Berufungsergänzung gerügte Mangelhaftigkeit der Protokollierung der Erstangaben des Beschwerdeführers einer Überprüfung zu unterziehen bzw. im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen. Lediglich der Verweis darauf, daß auf die Berufung des Beschwerdeführers "gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 i.d.g.F. nicht näher einzugehen" gewesen sei, erweist sich als ungenügende Begründung. Daß auch der Verweis auf § 15 AVG keine geeignete Antwort auf den Vorwurf der mangelhaften Rückübersetzung seiner in englischer Sprache gemachten Angaben ist, hat der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls bereits mehrfach ausgesprochen.

Im Sinne der obigen Darlegungen belastete daher die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Vermeidung sie zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Bescheid hätte gelangen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995010553.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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