TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/7 G305 2229095-1

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Veröffentlicht am 07.05.2021
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Entscheidungsdatum

07.05.2021

Norm

ASVG §67 Abs10
AVG §69
B-VG Art133 Abs4

Spruch


G305 2229095-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Mag. Dr. Johannes REISINGER, Rechtsanwalt in 8480 Mureck, Grazer Straße 1, gegen den Bescheid der XXXX (jetzt: Österreichische Gesundheitskasse, Landesstelle XXXX ), vom XXXX .2019, BZ: XXXX , zu Recht erkannt:

A)

In Stattgebung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom XXXX .2019, BZ: XXXX , sprach die Österreichische Gesundheitskasse, Landesstelle XXXX (vormals: XXXX Gebietskrankenkasse) (im Folgenden: belangte Behörde oder kurz: ÖGK) aus, dass der von XXXX (in der Folge: Beschwerdeführer oder kurz: BF) auf die Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 69 AVG gerichtete Antrag zurückgewiesen werde.

In der Begründung heißt es im Wesentlichen kurz zusammengefasst, dass die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 Abs. 2 AVG binnen zwei Wochen ab Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes einzubringen gewesen wäre (subjektive Frist). Das Konkursverfahren sei am XXXX .2000 aufgehoben worden und sei dem BF seit diesem Zeitpunkt die höhere Quote bekannt gewesen. Zudem sei ein Antrag auf Wiederaufnahme nur innerhalb von drei Jahren ab Erlassung des Bescheides zulässig (objektive Frist). Beide Fristen seien abgelaufen, weshalb der am XXXX .2019 per Fax eingelangte Antrag zurückzuweisen gewesen sei.

2. Gegen diesen, dem BF am XXXX .2019 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid erhob dieser im Wege seiner Rechtsvertretung am XXXX .2019 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, worin er erklärte, dass er den Bescheid der belangten Behörde seinem gesamten Inhalt und Umfang nach anfechte.

In der Folge sprach er sich gegen die Umdeutung des als „Anregung auf Einleitung eines Verfahrens“ bezeichneten Schriftsatzes vom XXXX .2019 in einen „Antrag auf Wiederaufnahme“ des Verfahrens aus und brachte dazu im Wesentlichen kurz zusammengefasst vor, dass die „Anregung auf Einleitung eines Verfahrens“ keinesfalls als Wiederaufnahme des Verfahrens im Sinne des § 69 Abs. 1 AVG zu deuten sei. An keiner Stelle des Schriftsatzes habe er expressis verbis die Bezeichnung „Wiederaufnahme des Verfahrens“ verwendet und sei an keiner Stelle des Schriftsatzes die Bestimmung des § 69 Abs. 1 AVG zitiert worden. Vielmehr sei auf Seite 3 zu Punkt 4. des Schriftsatzes vom XXXX .2019 ein Vorbringen erhoben worden, wonach er über einen Anspruch auf Erlassung eines neuen Bescheides verfügen würde. Bereits aus dieser Diktion ergebe sich bei Anwendung der einfachen Denkgesetze der Logik, dass er keinen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens erhoben, sondern eine „Anregung auf Einleitung eines Verfahrens mit anschließender Erlassung eines Bescheides gemäß § 410 Abs. 1 ASVG“ eingebracht habe. Die belangte Behörde habe auch die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs verkannt, wonach eine wesentliche Änderung der Tatsachen nach Erlassung eines Bescheides nicht durch einen Antrag auf Wiederaufnahme, sondern nur durch eine neue Antragstellung geltend gemacht werden könne.

3. Am 02.03.2020 brachte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die gegen den Bescheid vom XXXX .2019 erhobene Beschwerde und die Akten des verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahrens sowie einen zum XXXX .2020 datierten Vorlagebericht zur Vorlage.

4. Mit hg. Verfahrensanordnung vom 31.07.2020 wurde dem Beschwerdeführer der Vorlagebericht der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht und ihm die Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb festgesetzter Frist gegeben.

5. In seiner zum XXXX .2020 datierten, als „Äusserung“ titulierten Stellungnahme heißt es im Kern, dass unstrittig feststehe, dass der Konkurs über die XXXX erst am XXXX .2003 aufgehoben wurde. Die wesentliche Änderung des Sachverhalts sei darin zu erblicken, dass der Konkurs über die XXXX erst nach dem XXXX .1996 bzw. nach dem XXXX .2000 aufgehoben worden sei. Unabhängig davon, dass es sich um keinen Antrag, sondern um eine Anregung handle, sei sein Schriftsatz vom XXXX .2019 in dessen Rubrum genau bezeichnet worden. Auch habe er im verfahrenseinleitenden Schriftsatz vom XXXX .2019 genau vorgebracht, was er begehre. Unstrittig stehe weiter fest, dass „am XXXX .1995 von XXXX der XXXX an die ÖGK eine Masseforderung in der Höhe von ATS 255.735,18 berichtigt worden ist.“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Mit am XXXX .1997 in Rechtskraft erwachsenem Bescheid vom XXXX .1996, Zl. XXXX , sprach die die XXXX Gebietskrankenkasse (jetzt: Österreichische Gesundheitskasse, Landesstelle XXXX ) aus, dass der Beschwerdeführer als ehemaliger Geschäftsführer der Firma XXXX gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm § 83 ASVG verpflichtet sei, ihr ATS 3,681.759,82 zzgl. 10,5% Verzugszinsen ab dem XXXX .1995 zu zahlen.

1.2. Mit einem weiteren, am XXXX .2000 erlassenen, am XXXX .2001 in Rechtskraft erwachsenen Bescheid zu Zl. XXXX sprach die belangte Behörde aus, dass ihr der Beschwerdeführer als ehemaliger Geschäftsführer der Firma XXXX gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm § 83 ASVG den Betrag von ATS 8,634.267,73 (d.s. EUR 627.476,71) zuzüglich Verzugszinsen im gemäß § 59 Abs. 1 ASVG gültigen Satz von derzeit 8,40% p.a. ab dem XXXX .2001 schulde und diese Schuld binnen 15 Tagen nach Zustellung des Bescheides zu zahlen sei.

1.3. Zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2012 trug der BF über einen Bevollmächtigten ( XXXX ) das Begehren an die belangte Behörde heran, ihm Auskunft über den Schuldenstand zu geben [Schreiben der belangten Behörde vom XXXX .2019].

1.4. Am XXXX .2019 brachte er im Wege seiner Rechtsvertretung einen Schriftsatz bei der belangten Behörde ein, den er als „Anregung auf Einleitung eines Verfahrens“ bezeichnete und auf eine „wesentliche Änderung“ des Sachverhalts gegenüber dem Zeitpunkt der Bescheiderlassung am XXXX .2000 stützte.

Begründend führte der BF aus, dass die belangte Behörde in dem vor dem Landesgericht XXXX zu GZ XXXX eröffneten Konkursverfahren der Firma XXXX Forderungen angemeldet und sie eine Quote in Höhe von insgesamt 1,32630% (d.i. ein Betrag von EUR 11.189,74) erhalten hätte. Das vor dem Landesgericht XXXX anhängig gewesene Konkursverfahren sei am XXXX .2003 aufgehoben worden. Zudem habe der Masseverwalter die Masseforderung im Betrag von EUR 255.735,18 bezahlt. Daraus ergebe sich, dass sich der Sachverhalt gegenüber dem Zeitpunkt der Bescheiderlassung wesentlich geändert hätte, weil der Konkurs erst am XXXX .2003, also zu einem Zeitpunkt nach der Bescheiderlassung, aufgehoben worden sei.

1.5. In dem vor dem Landesgericht XXXX zur GZ: XXXX über das Vermögen der XXXX eröffneten Konkursverfahren meldete die belangte Behörde am XXXX .1994 eine Forderung in Höhe von ATS 2,817.970,56 an [Forderungsanmeldung vom XXXX .1994; Beilage ./H].

1.5.1. Am XXXX .1995 meldete sie in diesem Konkursverfahren eine weitere Forderung in Höhe von ATS 130.000,00 an [Forderungsanmeldung vom XXXX .1995; Beilage ./G].

1.5.2. Am XXXX .1995 überbrachte die Behörde in dem über das Vermögen der XXXX vor dem Landesgericht XXXX zur GZ: XXXX eröffneten Konkursverfahren eine Forderungsanmeldung über den Betrag von ATS 2,367.595,79 [Forderungsanmeldung vom XXXX .1995; Beilage ./E].

1.5.3. Mit Schriftsatz vom XXXX .1994 wurde die angemeldete Forderung um ATS 76.204,80 auf ATS 2,291.390,99 eingeschränkt [Forderungseinschränkung vom XXXX .1995; Beilage ./D].

1.5.4. In dem vor dem Landesgericht XXXX über das Vermögen der XXXX zu GZ: XXXX eröffneten Insolvenzverfahren meldete die belangte Behörde mit Eingabe vom XXXX .1998 eine weitere Forderung in Höhe von ATS 8,721.482,56 an [Forderungsanmeldung vom XXXX .1998; Beilage ./C].

1.5.5. Nach Schließung des Insolvenzverfahrens gelangten eine Gesamtquote von 1,32630% (im Betrag von EUR 96.084,09) zur Ausschüttung, ein auf die Masseforderung geleisteter Betrag in Höhe von EUR 10.474,57 und die KÖST (bis 09/03) in Höhe von EUR 437,00 zur Auszahlung [Verteilungsnachweis des Masseverwalters XXXX vom XXXX .2003; Beilage ./I.].

1.6. In dem dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom XXXX .2019 deutete die belangte Behörde die zum XXXX .2019 datierte, als „Anregung auf Einleitung eines Verfahrens“ bezeichnete Eingabe des BF in einen „Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 69 AVG“ um und sprach dessen Zurückweisung aus.

2. Beweiswürdigung:

Der oben dargestellte Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und aus dem vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführten Ermittlungsverfahren sowie aus dem kontradiktorischen Vorbringen der Verfahrensparteien im Beschwerdeverfahren.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm. § 2 VwGVG und § 6 BVwGG (Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichts) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zur Entscheidung über Beschwerden gegen die Bescheide eines Versicherungsträgers.

Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG ist die Entscheidung über Beitragshaftungen gemäß § 67 ASVG nicht von einer Senatsentscheidung umfasst. Somit obliegt die Entscheidung der vorliegenden Beschwerdesache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idF. BGBl. I Nr. 122/2013 geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht waren, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 27 VwGVG legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Demzufolge hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde zu überprüfen. Verwiesen wird dabei auf die Bestimmungen des § 9 VwGVG, der den Inhalt der Beschwerde beschreibt und hier insbesondere auf Abs. 1 Z 3 und Z 4 leg. cit.. Dies betrifft die Angabe der Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie das Begehren.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Zu Spruchteil A):

3.2. Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid vom XXXX .2019, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde eine auf die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens gerichtete Anregung des BF vom XXXX .2019, den sie in einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 AVG umdeutete, zurück, weil dieser gemäß § 69 Abs. 2 AVG nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist ab Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes eingebracht worden sei.

In seiner gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde brachte der BF vor, dass seine „Anregung auf Einleitung eines Verfahrens“ „keinesfalls als Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens iSd § 69 Abs. 1 AVG“ zu deuten sei. An keiner Stelle seines Schriftsatzes sei die Bezeichnung „Wiederaufnahme des Verfahrens“ expressis verbis verwendet worden und sei an keiner Stelle des Schriftsatzes die Bestimmung des § 69 Abs. 1 AVG zitiert worden. Vielmehr habe er auf Seite 3 zu Pkt. 4. des Schriftsatzes vom 09.04.2019 ein Vorbringen erhoben, wonach er über einen Anspruch auf Erlassung eines neuen Bescheides verfüge. Schon aus dieser Diktion ergebe „sich bei Anwendung der einfachen Denkgesetze der Logik“, dass er keinen Antrag auf Wiederaufnahme eines Verfahrens, sondern eine „Anregung auf Einleitung eines Verfahrens mit anschließender Erlassung eines Bescheides gemäß § 410 Abs. 1 AVG“ erhoben habe.

3.2.1. Anlassbezogen bezieht sich die vom BF am XXXX .2019 bei der belangten Behörde eingebrachte „Anregung auf Einleitung eines Verfahrens“ auf eine wesentliche Änderung des der Erlassung des Bescheides vom XXXX .2000, Zl. XXXX , zu Grunde liegenden Sachverhalts; dies deshalb, da das zu GZ XXXX beim Landesgericht XXXX über das Vermögen der XXXX anhängig gemachte Insolvenzverfahren erst am XXXX .2003, sohin zu einem Zeitpunkt nach der Erlassung des Bescheides, aufgehoben wurde.

In seiner den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens bildenden Eingabe hat der BF angesprochen, dass das über das Vermögen der XXXX anhängige Insolvenzverfahren am XXXX .2003 nach erfolgter Schlussverteilung aufgehoben worden sei. Auf der Grundlage der Schlussverteilung habe die belangte Behörde eine Gesamtquote von 1,32630% erhalten, was einem Betrag von EUR 11.189,74, entspreche und sei ihr eine Masseforderung in Höhe von EUR 255.735,18 zugestanden worden. Diese Tatsachen hätten im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom XXXX .2000 noch gar nicht bestanden. Abgesehen davon lasse sich der „Anregung auf Einleitung eines Verfahrens“ nicht entnehmen, dass er damit eine Wiederaufnahme des mit diesem Bescheid erledigten Verwaltungsverfahrens iSd § 69 AVG erreichen wollte.

3.2.2. Wenn es in der Beschwerdeschrift heißt, dass „eine wesentliche Änderung der Tatsachen nach Erlassung eines Bescheides nicht durch einen Antrag auf Wiederaufnahme, sondern nur durch eine neue Antragstellung geltend gemacht werden könne“, erweist sich die Beschwerde insofern als berechtigt, als bei einer von ihm angenommenen „wesentlichen Änderung“ der Tatsachen, die in concreto in der Ausschüttung einer höheren Quote an die belangte Behörde bestehen soll, in der Tat ein neuer Antrag und nicht etwa ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens iSd § 69 AVG zu stellen ist.

So hat der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen, dass bei Sachverhaltsänderungen, die nach einer Entscheidung eingetreten sind, kein Antrag auf Wiederaufnahme, sondern ein neuer Antrag zu stellen sei, weil in diesem Fall einem auf der Basis des geänderten Sachverhaltes gestellten Antrag die Rechtskraft bereits erlassener Bescheide nicht entgegensteht (VwGH vom 21.10.1999, Zl. 98/20/0467; vom 26.06.2012, Zl. 2009/11/0059; vom 17.02.2015, Ra 2014/09/0020 und vom 09.05.2018, Ra 2018/12/0014).

3.2.3. Im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Begehren des Beschwerdeführers auf Einleitung eines Verwaltungsverfahrens ist weiter zu berücksichtigen, dass der Bescheid der belangten Behörde vom XXXX .2000, mit dem sie ihm gegenüber aussprach, dass er ihr als ehemaliger Geschäftsführer der Firma XXXX gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm § 83 ASVG den Betrag von ATS 8,634.267,73 (d.s. EUR 627.476,71) zuzüglich Verzugszinsen im gemäß § 59 Abs. 1 ASVG gültigen Satz von derzeit 8,40% p.a. ab dem XXXX .2001 schulde und diese Schuld binnen 15 Tagen nach Zustellung des Bescheides zu zahlen sei, am 09.03.2001 in Rechtskraft erwachsen und seither vollstreckbar ist.

Da dieser nach dem traditionellen Konzept der Verwaltungsverfahrensgesetze weder durch ein verwaltungsinternes Rechtsmittel noch durch eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht bekämpft werden kann, liegt Unanfechtbarkeit des Bescheides vom XXXX .2000 vor und ist die damit erledigte Rechtssache zur Zl. XXXX rechtskräftig entschieden.

Im Zusammenhang mit der Eingabe des BF ist weiter zu berücksichtigen, dass die Bestimmung des § 68 Abs 1 AVG die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache ohne nachträgliche Änderungen der Sachlage und Rechtslage verhindern soll (VwGH vom 17.02.2015, Zl. 2014/09/0029 mwH), weshalb seinem Begehren die objektive Grenze einer „res iudicata“ entgegenstehen könnte.

3.2.4. Der Umdeutung der Eingabe vom XXXX .2019 von einer „Anregung auf Einleitung eines Verfahrens“ in einen Antrag auf Wiederaufnahme iSd § 69 AVG steht entgegen, dass sich dieser nicht entnehmen lässt, dass sie sich auf einen der in § 69 Abs. 1 AVG enthaltenen Tatbestände, die einen Wiederaufnahmeantrag rechtfertigen könnten, stützt oder damit die „Aufrollung“ des mit Bescheid vom XXXX .2000 rechtskräftig erledigten Verwaltungsverfahrens bezweckt werden sollte.

Dem in der Eingabe vom XXXX .2019 enthaltenen Vorbringen lässt sich entnehmen, dass es auf die Einleitung eines „neuen“ Verwaltungsverfahrens und nicht auf eine Wiederaufnahme gemäß § 69 AVG gerichtet ist, was vom Sinngehalt gegenüber der mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid erledigten Sache ein aliud darstellt.

In Anbetracht des Fehlens von Angaben, die den (eindeutigen) Schluss zulassen, dass der BF mit seiner Eingabe eine Wiederaufnahme des mit Bescheid vom XXXX .2000 zur Zl. XXXX erledigten Verfahrens gemäß § 69 AVG bezwecken will, erweisen sich die von der belangten Behörde vorgenommene Umdeutung der „Anregung auf Einleitung eines Verfahrens“ und der Abspruch über ein offenbar nicht gestelltes Begehren als verfehlt.

3.2.5. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Zum Absehen von der Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag, oder wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat die Beschwerdeführerin die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Gemäß Abs. 4 kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) entgegenstehen. Gemäß Abs. 5 kann das Verwaltungsgericht von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der Sachverhalt blieb unstrittig und war anlassbezogen lediglich eine Rechtsfrage zu lösen.

4. Zu Spruchpunkt B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH vertritt eine eindeutige und einheitliche Rechtsprechung, weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH und VfGH ist zwar teilweise zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

neuerliche Antragstellung Rechtskraft wesentliche Änderung Wiederaufnahme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G305.2229095.1.00

Im RIS seit

21.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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