Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des K in E, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. August 1995, Zl. 4.326.103/18-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der "ehemaligen UdSSR" und reiste am 17. September 1991 in das Bundesgebiet ein. Am darauffolgenden Tag beantragte er die Gewährung von Asyl. Anläßlich seiner am 20. September 1991 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich erfolgten niederschriftlichen Befragung gab er zu seinen Fluchtgründen an, er sei Angehöriger der armenischen Volksgruppe und habe zuletzt in Eriwan gelebt. Sein Onkel sei aus politischen Gründen mehrere Jahre eingesperrt gewesen, seine Familie sei deswegen als antikommunistisch abgestempelt. Obwohl nach dem Putsch in Rußland die kommunistische Partei verboten worden sei, müsse man doch damit rechnen, daß es wieder zu einem Putsch komme und die Kommunisten wieder an die Macht kämen. In den Jahren 1988 bis 1990 habe er sich dafür eingesetzt, daß das von Aserbeidschan beanspruchte Gebiet bei Armenien verbleibe. Er habe Veranstaltungen organisiert, bei welchen er die Bevölkerung informiert und auch Zeitungsartikel zu diesem Thema geschrieben habe. Von der Zentralregierung in Rußland sei das Problem nicht gelöst worden, obwohl von Aserbeidschan Gewaltaktionen gesetzt worden seien, um das beanspruchte Gebiet an sich zu reißen. Wegen dieser seiner Aktionen habe der Beschwerdeführer dann Probleme mit dem Parteibüro der kommunistischen Partei bekommen, wo er aufgefordert worden sei, seine Tätigkeiten zu unterlassen. Er habe seine Tätigkeiten trotzdem nicht eingestellt und habe nur, weil er ein sehr guter Arzt sei, seinen Arbeitsplatz nicht verloren und daher weiterhin an der Universität unterrichtet. Seit Anfang 1990 sei er Mitglied der illegalen Republikanischen Partei. Er habe sich aktiv gegen die kommunistische Partei betätigt, indem er für die Republikanische Partei Veranstaltungen organisiert habe. Er sei deshalb drei bis vier Mal zur Abteilung I des Politbüros an seinem Arbeitsplatz vorgeladen und dort über seine politische Betätigung sowie über seinen Kontakt zu seinem Onkel befragt worden. Er sei auch gewarnt worden, daß er seinen Arbeitsplatz zu verlieren drohe und keine Arbeit mehr bekommen könne, falls er seine politische Betätigung nicht aufgebe. Seit Ende 1990 sei die Republikanische Partei jedoch legalisiert worden, sodaß er seine politische Betätigung offiziell habe ausüben können. Im August 1991 sei es dann zum Putsch in der UdSSR gekommen. Die armenischen Kommunisten hätten sofort eine Versammlung einberufen und eine Liste aufgestellt, welche Leute auf die schwarze Liste gehörten. Von Parteimitgliedern habe der Beschwerdeführer dann erfahren, daß auch sein Name auf dieser Liste aufscheine. Obwohl der Putsch niedergeschlagen worden sei, seien die Kommunisten noch immer in der UdSSR (offenbar gemeint: an der Macht) und es sei zu befürchten, daß es abermals zu einem Putsch kommen könnte. Aus Angst, daß er dann durch die Kommunisten für seine politische Betätigung zur Verantwortung gezogen und bestraft werden könnte, habe er sich entschlossen, mit seiner Familie die UdSSR zu verlassen.
Mit Bescheid vom 22. Oktober 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich fest, der Beschwerdeführer erfülle die Voraussetzungen für die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht. Eine ins einzelne gehende Auseinandersetzung mit den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Fluchtgründen erfolgte in diesem Bescheid nicht.
In der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung bemängelte der Beschwerdeführer die fehlende Auseinandersetzung mit den von ihm geltend gemachten Fluchtgründen, eine nur teilweise, zum Teil unkorrekte Wiedergabe seines "Erstinterviews" sowie das Fehlen jeglicher Beweiswürdigung, bekräftigte jedoch im Sachverhalt seine erstinstanzlichen Angaben, ohne davon abweichende Umstände geltend zu machen.
Mit Bescheid vom 28. Mai 1993 wies die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und sprach aus, Österreich gewähre dem Beschwerdeführer kein Asyl. Auf Grund der dagegen erhobenen Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 2. März 1995, Zl. 94/19/0649, den bekämpften Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (hinsichtlich der Frage der Flüchtlingseigenshaft infolge Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 AsylG 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92,93/94) auf, sodaß das Berufungsverfahren bei der belangten Behörde neuerlich anhängig wurde.
Mit Bescheid vom 22. August 1995 wies die belangte Behörde daraufhin die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG neuerlich ab und sprach aus, Österreich gewähre ihm kein Asyl. Begründend ging sie nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der von ihr in Anwendung gebrachten Rechtslage davon aus, den Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen sei nicht zu entnehmen, daß er Angst davor gehabt habe bzw. hätte haben müssen, daß die Kommunisten neuerlich an die Macht gelangten und er wegen seiner politischen Betätigung Schwierigkeiten bekommen würde. Es sei vielmehr zu bemerken, daß bereits im September 1991 das armenische Parlament die Unabhängigkeit erklärt habe, nachdem sich das Volk mit über 94 % dafür ausgesprochen habe. Levor Ter Petrosjan sei in den ersten freien Präsidentschaftswahlen zum Präsidenten des Landes gewählt worden. Die Mehrheit in der Regierung und im Parlament sei nicht kommunistisch. Unter Bedachtnahme auf diese Umstände erscheine die vom Beschwerdeführer befürchtete politische Entwicklung seines Landes als reine Spekulation, die keinesfalls geeignet sei, wohlbegründete Furcht vor Verfolgung hervorzurufen, da subjektive Furcht auf Grund der äußeren Umstände objektiv nicht nachvollziehbar sei. Bei den bestehenden Verhältnissen sei er nicht gefährdet, sodaß sich die Furcht vor einer Rückkehr in seine Heimat als unbegründet darstelle. Die mehrmaligen Vorladungen zur Abteilung I des Politbüros im Jahre 1990 seien offensichtlich nicht der Grund für die erst später erfolgte Ausreise im Jahr 1991 gewesen, handle es sich doch dabei auch nicht um Beeinträchtigungen von solcher Intensität, die dem Beschwerdeführer ein Verbleiben im Heimatland unmöglich gemacht hätten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichthsof erwogen hat:
Die Beschwerdeausführungen zur Inhaltsrüge erschöpfen sich in folgendem Wortlaut:
"Die belangte Behörde vermeint, bei den bestehenden Verhältnissen in Armenien sei ich nicht gefährdet. Dies ist unrichtig.
Tatsache ist, daß die politischen Verhältnisse in meinem Heimatland nach wie vor derart unstabil sind, daß ich im Falle meiner Rückkehr in mein Heimatland (ich) neuerlich mit Verfolgungshandlungen zu rechnen hätte. Ich habe ausgeführt, daß ich seit 1990 Mitglied der "Republikanischen Partei" bin und ich mehrfach auf Grund meiner politischen Aktivitäten zur Abteilung I des Politbüros vorgeladen wurde, wo mir nahegelegt wurde, meine politische Betätigung aufzugeben.
Auch wenn sich die politischen Verhältnisse in meinem Heimatland insoferne geändert haben, als das armenische Parlament die Unabhängigkeit erklärt hat, so ist jedenfalls darauf abzustellen, daß zu meinem Fluchtzeitpunkt ich wohlbegründete Furcht vor Verfolgung hatte, ich bei den damals bestandenen Verhältnissen konkret gefährdet und sohin Furcht vor einer Rückkehr in meine Heimat hatte, sodaß die Voraussetzungen des § 1 Z. 1 AsylG 1991 als erfüllt anzusehen sind.
Die seitens der belangten Behörde gemachten Ausführungen betreffend der politischen und verfassungsrechtlichen nunmehrigen Situation in Armenien sind nicht stichhältig und entsprechen nicht der politischen Lage in meinem Heimatland."
Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Rechtes auf Wahrung des Parteiengehörs geltend, weil ihm die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen zur politischen und verfassungsrechtlichen Situation seines Heimatlandes weder zur Kenntnis gebracht noch Gelegenheit gegeben worden sei, innerhalb einer angemessenen Frist dazu Stellung zu nehmen. Hätte die belangte Behörde Parteiengehör eingeräumt, hätte er darlegen können, daß die politischen Verhältnisse in seinem Heimatland keinesfalls derart konsolidiert seien, daß er derzeit nicht aktuell gefährdet wäre. Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer die Tatsache der Änderung der politischen Verhältnisse in seinem Heimatland als Faktum grundsätzlich nicht in Abrede stellt, jedoch lediglich meint, diese seien nach wie vor derart "unstabil", daß er "neuerlich" mit Verfolgungshandlungen zu rechnen hätte, sodaß auch einem allfälligen Verfahrensmangel durch Verletzung des Parteiengehörs in diesem Punkt keine Relevanz zukommt. Daß aber auch die von ihm ins Treffen geführten, gegen ihn selbst gerichteten "Verfolgungshandlungen" mangels Intensität eine Asylgewährung im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 nicht rechtfertigen, hat die belangte Behörde bereits zutreffend begründet.
Auch der drohende Verlust des Arbeitsplatzes ohne (vom Beschwerdeführer nicht behauptete) massive Gefährdung der Existenzgrundlage rechtfertigt die Asylgewährung nicht.
Dem Beschwerdeführer ist auch darin nicht beizupflichten, wenn er meint, es sei bei Beurteilung seiner Flüchtlingseigenschaft jedenfalls auf den Zeitpunkt seiner Flucht abzustellen. Es entspricht vielmehr ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, daß als maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Vorliegens einer Verfolgungsgefahr jener der Bescheiderlassung durch die belangte Behörde im Sinn des § 66 Abs. 4 AVG zu sein hat (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 30. Mai 1990, Zl. 90/01/0077, und vom 16. Oktober 1996, Zl. 96/01/0639, zustimmend auch Rohrböck, Das Asylgesetz 1991, S. 48).
Insgesamt erweist sich daher die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995010458.X00Im RIS seit
20.11.2000