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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des A in S, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. November 1995, Zl. 4.332.372/7-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. November 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der "früheren SFRJ", der am 15. Dezember 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 16. Dezember 1991 den Antrag auf Asylgewährung gestellt hat, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 10. März 1992, mit welchem festgestellt worden war, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei, abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hatte anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 20. Dezember 1991 angegeben:
"1990 habe ich in der Schweiz 9 Monate als Gelegenheitsarbeiter bzw. Gastarbeiter gearbeitet. Als ich am 10.9.1990 in meine Heimat zurückkehrte, nahm mir die Polizei den Reisepaß ab und wurde ich zur Bundesarmee einberufen. Ich hatte zu diesem Zweck eine schriftliche Ladung bekommen. Ich leistete dieser Einberufung keine Folge, weil ich die Serben hasse und nicht in deren Armee - Bundesarmee - dienen wollte. Ich hielt mich bis zu meiner Flucht im Kosovo versteckt. Ich hielt mich zu dieser Zeit bei verschiedenen Bekannten und Freunden auf. In dieser Zeit versuchte ich auch durch das Geben von Schmiergeld meinen Reisepaß wieder zu bekommen. Ich wollte wieder in die Schweiz. Ich bin nun hier in Österreich und will nun eventuell in Österreich bleiben oder weiter anschließend in die Schweiz. Ich will wieder Geld verdienen. Dies mit ehrlicher Arbeit. Zum Zeitpunkt meiner Flucht hatte ich eigentlich keinen Grund meine Heimat zu verlassen. Ich habe weder an den Kriegshandlungen teilgenommen, noch bestand für mich die Gefahr, daß ich von den Behörden aufgegriffen und zum Militärdienst geschickt werden könnte. Im Kosovo herrschen die Serben und wollte ich deshalb weg."
In seiner Berufung brachte der Beschwerdeführer vor:
"Ich entstamme einer albanischen Familie im Kosovo und war allein deshalb schon immer wieder konfrontiert mit Benachteiligungen und Ungerechtigkeiten gegenüber unserer Nationalität.
Meinen Militärdienst habe ich 1983/84 in Karlovsc abgelegt. Die Personen dieser Kaserne waren dann auch die ersten, die zur Armee eingezogen wurden, um den ungerechten Krieg gegen die Kroaten zu führen.
So bekam auch ich am 10. Dezember 1991 die mündliche Aufforderung, mich beim Militär zu melden und meinen Pflichten nachzukommen. Viele andere junge Männer haben diesen Aufruf befolgen müssen, sind aber nicht mehr zurückgekommen, viele von ihnen sind im Krieg umgekommen.
Für mich kam es nicht in Frage, auf der Seite derer zu kämpfen, die unserem eigen Volk so viel Leid zufügen.
Bei einer Rückkehr stünden mir viele Jahre Gefängnis bevor.
Aus diesem Grund war ich gezwungen, aus Yugoslawien zu flüchten. Ich ging vorerst für 2 Tage zu Verwandten nach Vilikic, um der Verhaftung der Polizei zu entgehen. In weiterer Folge brachte mich ein LKW-Fahrer nach Maribor, von wo ich nach kurzem Aufenthalt zur Grenze bei Szentil kam und illegal nach Österreich gelangte. Hier in Österreich hoffe ich auf Aufnahme und Anerkennung als Flüchtling."
Die Berufung wurde mit dem Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. September 1993 abgewiesen. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof, welcher mit Erkenntnis vom 5. Oktober 1994, Zl. 94/01/0134, den Bescheid infolge Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94, aufgehoben hat.
Daraufhin erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid. Sie legte in Anwendung des § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 ihrer Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde, weil im gegenständlichen Fall keine der Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 für eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens zuträfe. Die belangte Behörde gelangte zur Ansicht, daß das Ermittlungsverfahren keine hinreichend sicheren Anhaltspunkte dafür erbracht habe, daß der Beschwerdeführer in seinem Heimatland aus einem der in § 1 Z. 1 des Asylgesetzes 1991 genannten Gründe Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre, solche zu befürchten gehabt hätte bzw. derzeit bei einer allfälligen Rückkehr zu gewärtigen habe. Sie stützte diese Ansicht darauf, daß die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe alleine nicht die Flüchtlingseigenschaft indizieren und daher auch nicht zur Asylgewährung führen könne. Aus dem Vorbringen betreffend die erfolgte Aufforderung zur Militärdienstleistung seien keine Indizien für eine beabsichtigte asylrechtlich relevante Verfolgung des Beschwerdeführers zu erkennen. In der jugoslawischen Föderation bestehe - wie das auch in der "ehemaligen SFRJ" der Fall gewesen sei - grundsätzliche allgemeine Wehrpflicht, wobei nach den gesetzlichen Bestimmungen keine ethnischen Unterschiede vorgesehen seien bzw. gewesen seien. Auch in der Strafverfolgung und -bemessung mache das Gesetz keinen Unterschied hinsichtlich ethnischer Kriterien. Auch die Tatsache, daß der Beschwerdeführer allenfalls - im Falle der Befolgung des Einberufungsbefehles - gezwungen gewesen wäre, im Rahmen des Bürgerkrieges gegen seine Landsleute vorzugehen, sei keine gegen ihn persönlich gerichtete Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer bringt vor, daß das in erster Instanz vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich geführte Verfahren deshalb "vollkommen mangelhaft" gewesen sei, weil der Bescheid der Behörde erster Instanz keine den §§ 58 Abs. 2 und 60 AVG entsprechende Begründung enthalte.
Der Beschwerdeführer verwechselt hier offenbar Mängel des Ermittlungsverfahrens mit Mängeln eines Bescheides. Es kann dahingestellt bleiben, ob der erstinstanzliche Bescheid Mängel in der Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung aufwies, weil die belangte Behörde im Administrativverfahren berechtigt war, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Die belangte Behörde machte von diesem Recht Gebrauch und verwies in keiner Weise auf den Bescheid der ersten Instanz, weshalb der Berufungsbescheid die unterinstanzliche Erledigung verdrängte. Allfällige Begründungsmängel des erstinstanzlichen Bescheides entfalten somit im gegenständlichen Verfahren keine Wirkung mehr.
Hingegen ist aus einer allfälligen Mangelhaftigkeit eines Bescheides der Schluß unzulässig, das zuvor durchgeführte Ermittlungsverfahren sei mangelhaft gewesen. Der Beschwerdeführer bringt nicht vor, daß die anläßlich seiner Einvernahme am 20. Dezember 1991 aufgenommene Niederschrift mangelhaft zustandegekommen sei.
Die Ansicht der belangten Behörde, sie habe gemäß § 20 Abs. 1 in ihrer Entscheidung von dem Ermittlungsergebnis erster Instanz - welches sich im konkreten Fall in den genannten niederschriftlichen Angaben erschöpften - auszugehen, kann nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Insofern der Beschwerdeführer auf eine von der belangten Behörde angenommene Sicherheit vor Verfolgung in Slowenien hinweist, ist ihm lediglich zu entgegnen, daß dieser Ausschließungsgrund (§ 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991) im angefochtenen Bescheid nicht herangezogen wurde, weshalb seine diesbezüglichen Ausführungen ins Leere gehen.
Die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, daß die Einberufung zur Militärdienstleistung im allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung darstelle, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes stellt grundsätzlich keinen Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dar, da die Militärdienstpflicht alle in einem entsprechenden Alter befindlichen männlichen Staatsbürger in gleicher Weise trifft. Eine wegen der Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes bzw. wegen Desertion drohende, auch strenge Bestrafung wird in diesem Sinne grundsätzlich nicht als Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention angesehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Auffassung auch in Fällen vertreten, in denen in den betroffenen Heimatstaaten Bürgerkrieg, Revolten oder bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen stattgefunden haben. Die Flucht wegen Einberufung zum Militärdienst könnte nur dann asylrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung aus einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt oder aus solchen Gründen die Behandlung während des Militärdienstes unterschiedlich bzw. eine drohende allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen gewesen wäre (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377 = Slg. 14.089 A). Der Beschwerdeführer hat im gegenständlichen Verfahren lediglich angegeben, der Einberufung deshalb keine Folge geleistet zu haben, weil er die Serben hasse und nicht in deren Armee - Bundesarmee - dienen wolle.
Damit hat der Beschwerdeführer aber nicht aufgezeigt, daß seine Einberufung aus einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen seine Behandlung während des Militärdienstes unterschiedlich bzw. eine drohende allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen gewesen wäre.
Da - wie ausgeführt - die belangte Behörde zulässigerweise gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz vom Ermittlungsergebnis erster Instanz ausgegangen ist, sind die in der Berufung gemachten Angaben des Beschwerdeführers, welche einen Zusammenhang zwischen seiner Einberufung zum Militärdienst und seiner Eigenschaft als Angehöriger der von den Serben unterdrückten albanischen Nationalität im Kosovo hergestellt hätten, im gegenständlichen Verfahren nicht beachtlich.
Zwar rügt der Beschwerdeführer zu Recht, daß die belangte Behörde nicht auf die von ihm in erster Instanz angegebene Abnahme seines Reisepasses durch staatliche Behörden eingegangen ist, doch kann er damit die Beschwerde nicht zum Erfolg führen, weil die Abnahme des Reisepasses grundsätzlich keine asylrechtlich relevante Verfolgung begründet. Denn unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt dann vor, wenn der Eingriff in die zu schützende Sphäre geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in den Aufenthaltsstaat zu begründen. Die Abnahme des Reisepasses stellt hier keinen derartig intensiven Eingriff dar.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996010034.X00Im RIS seit
20.11.2000