TE Vwgh Erkenntnis 1997/3/19 95/01/0023

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Veröffentlicht am 19.03.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des A in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. März 1994, Zl. 4.239.103/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. März 1994 wurde in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 1. September 1992 der am 7. April 1988 gestellte Asylantrag des Beschwerdeführers - eines Staatsangehörigen der "Jugosl. Föderation", der am 6. April 1988 in das Bundesgebiet eingereist ist, abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Vernehmung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 18. April 1988 zur Begründung seines Asylantrages folgendes ausgeführt:

"Ich habe Jugoslawien aus politischen Gründen verlassen. Am 3.4.1987 habe ich gemeinsam mit einigen Bekannten Flugzettel in Prishtine verteilt, vorwiegend in Schulen und auf den Plätzen davor. Da wir von der bevorstehenden Änderung der albanischen Fahne bereits gehört hatten, protestierten wir auf den Flugzetteln dagegen. Am 2.7.1987 führten wir nochmals eine solche Aktion durch. Jedes Mal waren meine beiden Bekannten X und J mit mir. Die Flugzettel erhielten wir von Studenten von der Uni in Prishtine. Wo diese die Flugzettel angefertigt haben, weiß ich nicht. Bei den vorerwähnten Aktionen wurde ich von der Miliz nicht ausgeforscht. Am 20.2.1988, nachdem die Änderung vollzogen war, haben wir wieder Flugzettel verteilt, die gegen diese protestierten. Die Verteilung wurde auch diesmal von uns dreien vor den Schulen in Prishtine durchgeführt. Vorerst wurde ich von der Miliz nicht ausgeforscht. Am 1.4.1988, ich war mit meinem Bruder bei der Arbeit, kam die Miliz in mein Elternhaus und fragte bei meinem Vater nach mir. Als ich am Abend nach Hause kam, erzählte er mir dies. Da ich befürchtete, verhaftet zu werden, habe ich mich entschlossen, aus Jugoslawien zu flüchten. Nach Jugoslawien will ich auf keinen Fall mehr zurückkehren. Mitglied der KP war ich in Jugoslawien nie."

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 1. September 1992 - daß der Bescheid mit diesem Datum ausgefertigt wurde, ergibt sich sowohl aus dem angefochtenen Bescheid als auch aus dem Beschwerdevorbringen - wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei.

In der Berufung dagegen verwies der Beschwerdeführer lediglich auf seine erstinstanzlichen Angaben und ersuchte "um wohlwollende Behandlung".

Die belangte Behörde ist in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon ausgegangen, daß von ihr bereits das Asylgesetz 1991 anzuwenden sei, dies im Hinblick auf die Bestimmung des § 25 Abs. 2 dieses Gesetzes, weil das gegenständliche Asylverfahren "am bzw. nach dem 1. Juni 1992 beim Bundesministerium für Inneres anhängig war". Im Hinblick darauf, daß das Verfahren aufgrund der erst am 4. September 1992 (Zustellung an den Beschwerdeführer) erfolgten Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides am 1. Juni 1992 noch bei der Behörde erster Instanz anhängig war, trifft diese Auffassung - wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831, auf welches des näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausführlich dargelegt hat - aufgrund der Auslegung der genannten Bestimmung sowie der des § 25 Abs. 1 erster Satz Asylgesetz 1991 nicht zu.

Dies bedeutet jedoch vorliegend keine Rechtsverletzung des Beschwerdeführers, weil sich die belangte Behörde in rechtlicher Würdigung der vom Beschwerdeführer gemachten Angaben über seine Fluchtgründe ausschließlich mit dem Flüchtlingsbegriff des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 auseinandergesetzt hat und dieser von jenem des § 1 Asylgesetz (1968) - ungeachtet dessen, daß es nach der neuen Rechtslage für den Erwerb dieses Status keiner behördlichen Feststellung mehr bedarf, was im gegebenen Zusammenhang ohne rechtliche Bedeutung ist - nicht abweicht, sondern mit dem des Art. 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention, soweit es sich um dessen Z. 2 (in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 18/1974) handelt, vollinhaltlich übereinstimmt (vgl. auch dazu das erwähnte hg. Erkenntnis zur Zl. 92/01/0831).

Weiters wurde der Beschwerdeführer auch dadurch nicht in Rechten verletzt, daß der von der belangten Behörde - wie dargetan - zu Unrecht auf das Asylgesetz 1991 gestützte angefochtene Bescheid vor Aufhebung des Wortes "offenkundig" im § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94, kundgemacht im BGBl. Nr. 610/1994, erlassen wurde, weil die belangte Behörde § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 gar nicht angewendet hat, zumal der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren keine über seine erstinstanzlichen Angaben hinausgehenden Ausführungen gemacht hat.

Die belangte Behörde hat zum Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei von der Miliz gesucht worden und befürchte (wegen der Verteilung von Flugblättern gegen die Änderung der Flagge) verhaftet zu werden, im wesentlichen ausgeführt, daß die Nachforschungen von Polizeibehörden noch nicht die asylrechtlich relevante Verfolgung des Beschwerdeführers indizierten, zumal behördliche Ermittlungen als Mittel der Beweissicherung noch keinen pönalen Charakter hätten.

Mag auch in dem Umstand, daß am 1. April 1988 von der Miliz nach dem Beschwerdeführer in dessen Elternhaus gesucht worden sei, eine gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung aus einem der im Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe gelegen sein, so würde es doch an der für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erforderlichen Intensität dieser Maßnahme gefehlt haben. Selbst wenn der Beschwerdeführer - wie er in der Beschwerde unter Berufung auf die allgemeine politische Lage im Kosovo vorbringt - objektiv zu befürchten gehabt hätte, daß er festgenommen und verhört würde, wäre diese Intensität noch nicht erreicht worden, sofern nicht weitere, ins Gewicht fallende Umstände, die einen weiteren Verbleib in seinem Heimatland für ihn unerträglich gemacht hätten, hinzu getreten wären (vgl. etwa das zur Frage der befürchteten Verhaftung wegen des Einsatzes für die Öffnung von geschlossenen albanischen Schulen ergangene, jedoch auch auf den gegenständlichen Sachverhalt zu übertragende hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1995, Zl. 95/01/0096). Ein Anhaltspunkt dafür, daß vom Beschwerdeführer in diesem Sinne darüber hinausgehende Maßnahmen zu erwarten gewesen wären, fand sich in seinen die zentrale Entscheidungsgrundlage des Asylverfahrens bildenden niederschriftlichen Angaben jedenfalls nicht, zumal die bloße Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe im Kosovo nicht ausreicht, derartige Maßnahmen zu indizieren.

Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang rügt, die belangte Behörde habe ihre Ermittlungspflicht gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 verletzt, ist ihm zunächst zu entgegnen, daß die belangte Behörde - wie dargetan - das Asylgesetz 1991 und daher auch dessen § 16 gar nicht anzuwenden hatte. Überdies ergibt sich auch aus der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, keine Verpflichtung der Behörde, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800 bis 0803).

Eine Verletzung des Parteiengehörs erblickt der Beschwerdeführer darin, daß seine Vernehmung im erstinstanzlichen Verfahren lange Zeit vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides erfolgte und er vor Erlassung dieses Bescheides nicht darauf hingewiesen worden war, daß eine negative Entscheidung über seinen Asylantrag beabsichtigt sei. Dem ist zu entgegnen, daß eine Verpflichtung der Behörde, vor Erlassung eines einen Antrag abweisenden Bescheides den Antragsteller über diese Absicht zu informieren, nicht besteht und der Beschwerdeführer jedenfalls in der Berufung Gelegenheit hatte, Stellung zu nehmen.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995010023.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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