TE Vwgh Erkenntnis 1997/3/19 95/13/0238

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Veröffentlicht am 19.03.1997
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

EStG 1972 §16 Abs1 impl;
EStG 1972 §20 Abs1 Z2 impl;
EStG 1988 §16 Abs1;
EStG 1988 §20 Abs1 Z2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/13/0239

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerden des R in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, 1. gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 12. September 1995, Zl. GA 8-2269/94, betreffend Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 1994 im Aufsichtsweg gemäß § 299 Abs. 2 BAO und 2. gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 12. September 1995, Zl. GA 8-2269/94, betreffend Jahresausgleich für 1993, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 25.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein kaufmännischer Angestellter, machte im Jahresausgleichsantrag für 1993 Aufwendungen für einen unter der Bezeichnung "Fachakademie Handel" am Wirtschaftsförderungsinstitut der Wirtschaftskammer Wien absolvierten Lehrgang im Betrag von S 29.000,-- geltend.

In der Berufung gegen den Jahresausgleichsbescheid 1993, in dem die genannten Werbungskosten nicht berücksichtigt worden waren, wurde dazu ausgeführt, eine wesentliche Voraussetzung für den Besuch der WIFI-Fachakademie sei die fachliche und praktische Berufserfahrung des Teilnehmers. Diese Fachkenntnisse sollten erweitert werden. Dem Teilnehmer sollte die Qualifikation zur Führungskraft vermittelt werden. Die WIFI-Fachakademie bereite Praktiker mit Lehrabschluß in verschiedenen Fachrichtungen auf berufliche Aufgaben als Fach- und Führungskraft vor. Eine ganzheitliche Sichtweise und das Verständnis für die Zusammenhänge seien das entscheidende Prinzip der Weiterbildung. Der Fachwirt trete bereits mit Berufungserfahrung in die WIFI-Fachakademie ein und setze seine berufliche Tätigkeit auch während der Unterrichtsphase fort. Ziel des Besuchs der Fachakademie sei es, im schon ausgeübten Beruf jene Fähigkeiten weiterzuentwickeln, die es dem Beschwerdeführer ermöglichen sollen, in seinem jetzigen Beruf höhere Aufgaben zu übernehmen.

In der Folge legte der Beschwerdeführer ein "Zeugnis" seines Dienstgebers vom 13. Dezember 1993 vor, nach dem die Aufgaben des Beschwerdeführers "in der kundenorientierten Auftragsbearbeitung und zwar über die Anfrage-, Bestell-, Lieferschein-, Rechnungs- bis gegebenenfalls Reklamationsbearbeitung" gelegen gewesen seien. Daneben sei der Beschwerdeführer in der Großkundenbearbeitung eingesetzt gewesen, habe die Kunden am Verkaufsschalter bedient, habe auch die Kassaführung sowie Inventurarbeiten übernommen.

Mit Bescheid vom 12. September 1995 wurde die Berufung gegen den Jahresausgleichsbescheid 1993 als unbegründet abgewiesen. In der Begründung des Berufungsbescheides wurde darauf hingewiesen, daß der sechssemestrige Lehrgang "Fachakademie Handel" folgende Gegenstände umfaßt habe:

"1. und 2. Semester:

Marketing (Einführung ins Marketing, Marktanalyse, Sortiments- und Preispolitik)

Warenpräsentation (Grundregeln des Ladenbaus, Raum- und Funktionsplanung)

Verkaufstraining (Prinzipien und Praxis des kundenorientierten Verkaufens, Kommunikationstechniken und Führung von Verkaufsgesprächen)

Rechnungswesen (Steuerrecht, Finanzbuchhaltung und Kennzahlen, Unternehmensrechnung, Finanzierung)

Rechtskunde (Grundbegriffe des öffentlichen und privaten Rechts, Rechtsfragen des Handels) Volkswirtschaftslehre (Grundbegriffe, Wirtschaftsordnungen, volkswirtschaftlicher Kreislauf, volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, Konjunkturzyklen) Handelsbetriebslehre (Betriebsformen, Standortpolitik, Sortimentpolitik, Personaleinsatz, Interpretation von Statistiken und Ableitung von Zielkonzepten) Warenbewirtschaftung und EDV (Lieferanten- und Vertragspolitik, Warenwirtschaftssysteme, Kennzahlen und ihre Interpretation) EDV: Grundlagen und Anwendung (Grundkenntnisse der Hardware, Betriebssysteme, Peripherie, Arbeit mit Standardsoftware).

1. und 2. Semester:

Unternehmensführung

Personalwesen (Personalpolitik, Personalbedarf und Personalaufbringung, Entlohnungsformen, Arbeitszeitformen, Stellenbeschreibung, Personalauswahl, Betriebsverfassung) und Organisation (Wertanalyse, ABS-Analyse, Funktion und Qualifikation des Managements, Vorbereitung auf die Ausbilderprüfung)

Persönliche Bildung (Arbeitsmethodik, Kommunikation, Persönliche Arbeitstechniken)

Allgemeinbildende Fächer (Mathematik, Deutsch, Englisch) Qualifikation: Handelsassistent

3. und 6. Semester:

Kommunikationspolitik (Werbemedien, Prospektgestaltung, Direct Mail, PR, Verkaufsförderungsmaßnahmen; Werbeplanung und Werbebudgetierung, Arbeit mit Grafikern und Agenturen) Produktpolitik (Kreativitätsmethoden, ABC-Listen, Garantieleistung, Kundendienst) Distributionspolitik (Interne und externe Distributionsorgane, Distributionsmethoden, Logistik, Marketing-Fallstudie Marketing-Grobkonzept anhand einer konkreten Fallstudie)

3. und 6. Semester:

Preispolitik (Modelle strategischer Preisfestsetzung, Konditionspolitik)

Rechtsfragen des Handels (Konsumentenrecht, Produkthaftung, Gesellschaftsrecht)

Volkswirtschaftslehre (Marktformen, Geldwesen, wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen, demografische Einflußfaktoren und Trends, Sozialpartnerschaft, EWR und EG) Internationaler Warenaustausch (Zoll- und Außenhandelsgesetze, Ursprungsregeln, Incoterms, Transportwesen) Warenbewirtschaftung und EDV (Einkaufspolitik, Angebotsbewertung, Beschaffungsmarketing, Bedarfsplanung, Lager und Inventur; EDV-Programme in der Warenbewirtschaftung)

Unternehmensführung

Arbeitsrecht (Kollektivverträge, Betriebsvereinbarungen, Arbeitnehmerschutz, Dienstverträge, Dienstzeugnisse) Unternehmensführung und Organisation (Prinzipien der Unternehmensplanung, Zielfelder, strategische und operative Planung, Plankontrolle; Führungsmethodik

Persönliche Bildung (Rhetorik I + II, Verhandlungstechnik, Moderation)

Allgemeinbildende Fächer (Mathematik, Deutsch, Englisch)"

Nach Auffassung der belangten Behörde sei Ziel des in Rede stehenden Lehrganges die Ausbildung zur Führungskraft. Dazu gehöre neben dem Ausbau des Fachwissens auch die Erweiterung der Allgemeinbildung, die Entwicklung persönlicher Fähigkeiten, der Erwerb von Kenntnissen in der Unternehmensführung und vor allem das Verständnis für bereichsübergreifende Zusammenhänge. Bei diesem Bildungsinhalt liege nicht mehr eine spezifische fachliche Weiterbildung im bereits ausgeübten Beruf vor. Die Aufwendungen für den Lehrgang stellten daher nicht als Werbungskosten abzugsfähige Ausbildungskosten dar.

Mit dem Einkommensteuerbescheid für 1994 wurden die im Jahre 1994 vom Beschwerdeführer aufgewendeten Kosten des bezeichneten Lehrgangs als Werbungskosten anerkannt. Dieser Bescheid wurde von der belangten Behörde in Ausübung des Aufsichtsrechtes gemäß § 299 Abs. 2 BAO wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. In der Begründung des Aufhebungsbescheides wurde ausgeführt, daß es sich bei den Aufwendungen für die "Fachakademie Handel" um nicht als Werbungskosten abzugsfähige Ausbildungskosten gehandelt habe.

Sowohl gegen den Berufungsbescheid als auch gegen den Aufhebungsbescheid wurden Beschwerden erhoben und darin deren inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beschlußfassung und Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:

Während Aufwendungen des Steuerpflichtigen zur Erlangung eines Berufes (Ausbildungskosten) zu den nicht abzugsfähigen Ausgaben i.S.d. § 20 EStG 1988 zählen, bilden Berufsfortbildungskosten Werbungskosten. Berufsfortbildung liegt vor, wenn der Steuerpflichtige seine bisherigen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten verbessert, um seinen Beruf besser ausüben zu können. Fortbildungskosten dienen dazu, in einem bereits ausgeübten Beruf auf dem Laufenden zu bleiben und den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden. Sie sind wegen ihres Zusammenhanges mit der bereits ausgeübten Tätigkeit und den hierauf beruhenden Einnahmen als Werbungskosten abzugsfähig (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. November 1994, 90/14/0215 m. w.H.).

Entscheidend für die Unterscheidung zwischen Berufsausbildung und Berufsfortbildung ist die Beantwortung der Frage, ob bereits ein Beruf ausgeübt wird und ob die Bildungsmaßnahmen der Erlangung eines anderen Berufes dienen oder der Verbesserung der Fähigkeiten und Kenntnisse in der Ausübung des bisherigen Berufes, sei es auch in einer höher qualifizierten Stellung. Für die Klärung der damit wesentlichen Frage nach der Berufsidentität ist unter Bedachtnahme auf Berufszulassungsregeln und -gepflogenheiten das Berufsbild maßgebend, wie es sich nach der Verkehrsauffassung auf Grund des Leistungsprofils des betreffenden Berufes darstellt (vgl. das Erkenntnis vom 30. Jänner 1990, 89/14/0227).

Nach den Feststellungen der belangten Behörde übte der Beschwerdeführer in den strittigen Zeiträumen den Beruf eines kaufmännischen Angestellten aus. Der als "Fachakademie Handel" bezeichnete sechssemestrige Lehrgang, den der Beschwerdeführer neben seiner Berufstätigkeit besuchte, enthielt nach dem im Berufungsbescheid angeführten Gegenständen - die Grundlage der entsprechenden Sachverhaltsdarstellung der belangten Behörde ist allerdings in den vorgelegten Akten nicht enthalten - ausschließlich einen solchen Inhalt, der in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem vom Beschwerdeführer ausgeübten Beruf eines kaufmännischen Angestellten steht. Abgesehen davon, daß die von der belangten Behörde aus dem Katalog der Gegenstände des Lehrganges und den Ausführungen des Beschwerdeführers gezogene Schlußfolgerung, Ziel des Lehrganges sei die Ausbildung zur Führungskraft gewesen, nicht zwingend ist, ist eine solche Tätigkeit als "Führungskraft des Handels" als Ausübung des bisher vom Beschwerdeführer ausgeübten Berufes eines kaufmännischen Angestellten, wenn auch allenfalls in besser qualifizierter Stellung anzusehen. Im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde bedeutet die Qualifizierung für die Stellung als Führungskraft in einem bestimmten Beruf nicht, daß damit eine Identität des Berufes nicht mehr gegeben ist. Die leitende Stellung innerhalb eines Berufsbildes kann vielmehr an der Zuordnung zu einem bestimmten Beruf, wie im Beschwerdefall dem eines kaufmännischen Angestellten, nichts ändern. Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie die angefochtenen Bescheide mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, sodaß die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben waren.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Da der angefochtene Bescheid nur im einfachen Ausmaß vorzulegen ist, war der Ersatz der Beilagengebühr jeweils nur im einfachen Ausmaß zuzusprechen. Da der ergänzende Schriftsatz für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung nicht erforderlich war, kam ein Ersatz von Stempelgebühren hiefür nicht in Betracht.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995130238.X00

Im RIS seit

15.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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