TE Vwgh Beschluss 2021/5/11 Ra 2020/21/0518

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Veröffentlicht am 11.05.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §21 Abs7
BFA-VG 2014 §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §76
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant und die Hofräte Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter sowie die Hofrätinnen Dr. Julcher und Dr. Wiesinger als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des Y A M (auch: A) (alias M M), vertreten durch Mag. Dieter Kieslinger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Bräunerstraße 3/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 2. November 2020, W278 2223852-13/5E, betreffend Feststellung der Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Zum bisherigen Verfahrensgang wird auf die Darstellung im Erkenntnis vom heutigen Tag (VwGH 11.5.2021, Ra 2021/21/0066) verwiesen. Daraus ist für den vorliegenden Fall hervorzuheben, dass der Revisionswerber im Anschluss an eine von ihm verbüßte Strafhaft seit 10. April 2019 - mit Unterbrechungen durch letztlich gescheiterte Abschiebeversuche nach Afghanistan im Zeitraum vom 7. bis 9. Mai 2019 und vom 29. Mai 2019 bis 5. September 2019 - in Schubhaft angehalten wurde.

2        Vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wurden nach § 22a Abs. 4 BFA-VG periodische - nach der Überschreitung einer Anhaltedauer von vier Monaten (seit dem Schubhaftbescheid vom 6. September 2019) und danach alle vier Wochen - Überprüfungen der weiteren Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft vorgenommen. Beginnend mit dem Erkenntnis vom 3. Jänner 2020 und (soweit hier maßgeblich) zuletzt mit Erkenntnis vom 7. Oktober 2020 wurde immer wieder festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig sei.

3        Mit dem vorliegend angefochtenen Erkenntnis des BVwG vom 2. November 2020 wurde nunmehr neuerlich nach gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG vorgenommener Aktenvorlage durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) auf Grund der genannten Bestimmung festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft gegen den Revisionswerber maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig sei. Des Weiteren sprach das BVwG gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

6        Vorauszuschicken ist, dass die Frage der Effektuierbarkeit der Abschiebung des Revisionswerbers innerhalb der Schubhafthöchstdauer und die damit im Zusammenhang stehende Frage der Erlangbarkeit eines Heimreisezertifikates - damals noch: von der russischen Vertretungsbehörde - in der Revision nicht thematisiert wird. Darauf ist daher im vorliegenden Fall - anders als in den Erkenntnissen vom heutigen Tag (VwGH 11.5.2021, Ra 2021/21/0066, und VwGH 11.5.2021, Ra 2021/21/0051), mit denen in Bezug auf spätere Phasen der Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft (auch) wegen zu der angesprochenen Frage gegebener Verfahrens- und Begründungsmängel eine Aufhebung erfolgte - nicht einzugehen. Die Begründung der Zulässigkeit der gegenständlichen Revision beschränkt sich nämlich auf die Bekämpfung der Annahme zum Vorliegen von Fluchtgefahr und auf die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der Unterlassung einer mündlichen Verhandlung.

7        Es ist allerdings ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Frage, ob konkret von einem Sicherungsbedarf bzw. von Fluchtgefahr auszugehen ist, der nur durch Schubhaft und nicht auch durch gelindere Mittel begegnet werden könne, stets eine solche des Einzelfalles ist, die daher nicht generell zu klären und als einzelfallbezogene Beurteilung grundsätzlich nicht revisibel ist, wenn diese Beurteilung auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage in vertretbarer Weise vorgenommen wurde (siehe etwa VwGH 17.4.2020, Ra 2019/21/0322, Rn. 12, mwN).

8        Das ist hier schon deshalb der Fall, weil sich das BVwG zunächst zutreffend darauf stützte, dass der Revisionswerber noch während der Anhaltung in Strafhaft unbestritten die Absicht zur freiwilligen Ausreise vortäuschte, um nach seiner Freilassung Gelegenheit zum Untertauchen zu erlangen. Zu Recht berücksichtigte das BVwG aber auch, dass gegen den Revisionswerber zum Zeitpunkt der Stellung seines Asylfolgeantrags im März 2019 eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand. Dazu kommt, dass der Revisionswerber durch seine widersprechenden Identitätsangaben - einerseits den Namen M. M., geboren am 1. Jänner 1999 in Kunduz, Staatsangehöriger von Afghanistan, und andererseits den Namen Y. A., geboren am 18. September 1999 in Grosny, Staatsangehöriger der Russischen Föderation - evident seine Abschiebung in den Herkunftsstaat in ganz erheblicher Weise erschwerte. In Bezug auf dieses vom BVwG ebenfalls herangezogene „aktenkundige Verhalten“ liegt jedenfalls auch die in der Revision vermisste Aktualität vor. Schon wegen der genannten Umstände durfte das BVwG in vertretbarer Weise weiterhin vom Vorliegen von Fluchtgefahr sowie angesichts der Unstrittigkeit der erwähnten Sachverhaltselemente insoweit auch von einem geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG und damit von der Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung ausgehen. Auf die in diesem Zusammenhang in der Revision ins Treffen geführten Umstände - insbesondere Bestehen eines „guten sozialen Umfelds“ vor seiner für die Zwecke des Strafverfahrens im Oktober 2018 erfolgten Festnahme - kommt es demgegenüber nicht entscheidungswesentlich an, sodass diesbezüglich auch kein maßgeblicher Begründungsmangel gegeben ist. Das gilt im Übrigen auch für die des Weiteren noch relevierten Deutschkenntnisse des Revisionswerbers und seine seinerzeitige ehrenamtliche Tätigkeit, woraus für die Frage des (aktuellen) Fehlens von Fluchtgefahr von vornherein nichts zu gewinnen ist.

9        In der Revision werden somit keine im vorliegenden Fall maßgeblichen grundsätzlichen Rechtsfragen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 11. Mai 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020210518.L00

Im RIS seit

17.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.07.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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