TE Vwgh Erkenntnis 2021/5/11 Ra 2020/07/0058

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Veröffentlicht am 11.05.2021
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E3L E15102020
E6J
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
14/01 Verwaltungsorganisation
40/01 Verwaltungsverfahren
81/01 Wasserrechtsgesetz
83 Naturschutz Umweltschutz

Norm

AVG §8
B-VG Art133 Abs6 Z1
EURallg
StaubeckenkommissionsV 1985 §2 Z1
StaubeckenkommissionsV 1985 §3
UVPG 2000 §19 Abs7
VwGG §41
VwGVG 2014 §17
VwRallg
WRG 1934 §83 Abs3
WRG 1959 §100 Abs3
WRG 1959 §102 Abs2 idF 2018/I/073
WRG 1959 §102 Abs5 idF 2018/I/073
WRG 1959 §104
WRG 1959 §104 Abs3
WRG 1959 §104a Abs2 idF 2003/I/082
WRG 1959 §104a idF 2003/I/082
WRG 1959 §131 Abs1
32000L0060 Wasserrahmen-RL Art4 Abs7
62015CJ0664 Protect Natur-, Arten- und Landschaftschutz Umweltorganisation VORAB

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Lukasser, Mag. Haunold und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des Naturschutzbundes S, vertreten durch DDr. Rainer Lukits, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19/5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 19. Mai 2020, Zl. 405-1/464/1/20-2020, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Hallein; mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde H vertreten durch den Bürgermeister A S in H), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Bescheid der belangten Behörde vom 1. Oktober 2019 wurde der mitbeteiligten Partei die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung von Schutz- und Regulierungswasserbauten am K.-Bach in ihrem Gemeindegebiet samt „wasserbautechnischen Begleitmaßnahmen“ erteilt. Bei diesen handelt es sich (unter anderem) um die Errichtung eines Dosierbauwerks im K.-Graben und einer Aufschließungsstraße zum Zweck des Baus und der Instandhaltung der am K.-Graben gelegenen Bauwerke (Wildholzfilter und Dosierbauwerk). Das Vorhaben dient dem Schutz des Stadtzentrums der mitbeteiligten Partei vor Überflutungen.

2        Dagegen erhob die revisionswerbende Partei - eine nach § 19 Abs. 7 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000) anerkannte Umweltorganisation - mit Schreiben vom 29. Oktober 2019 Beschwerde, in der sie sich gegen die Errichtung des Dosierbauwerks sowie der Aufschließungsstraße aussprach.

3        Dazu brachte sie vor, im Befund und Gutachten des von der belangten Behörde beigezogenen geologischen Amtssachverständigen heiße es, dass der Standort des Dosierbauwerks (Sperrenstandort) in einem Terrassensediment angelegt sei, das nach Aufschlüssen weiter oben aus Seeton bestehe. Im Untergrund sei nicht der im Osten und Westen anstehende Kalkfels zu vermuten, sondern es tauche gelegentlich Haselgebirge auf. Der Amtssachverständige ziehe daraus folgenden Schluss: „Aus diesem Grund wird daher die Gründung des Sperrenbauwerks durch eine Kernbohrung zu erkunden sein, da bei Antreffen von Haselgebirge nicht nur die Setzungs- und Laugungsgefährlichkeit, sondern auch die Sulfatresistenz des Betons von Bedeutung ist.“

4        Allein diese Kernbohrung lasse eine definitive Aussage über die Höhe des Bauwerks zu. Bei dem instabilen geologischen Untergrund seien mit höchster Wahrscheinlichkeit Maßnahmen zum Bodenaustausch vonnöten, die in die Bauwerkshöhe einzubeziehen seien. In der Projektbeschreibung sei von einer Höhe des Bauwerks von 14,9 m von der Fundamentunterkante zur Flügeloberkante die Rede. Demnach wäre eine Stellungnahme des „Unterausschusses für Talsperren beim Lebensministerium“ einzuholen gewesen.

5        Es werde darauf hingewiesen, dass das Fehlen von solchen eingehenden Standortuntersuchungen jedenfalls wesentliche Sicherheitsrisiken berge, die letztendlich der mitbeteiligten Partei zuzurechnen seien, aber natürlich auch ein Sicherheitsrisiko für die Bewohner der Altstadt der Stadtgemeinde H. bedeuten könne. Es werde auch darauf verwiesen, dass mögliche Änderungen des Sperrenstandorts „aufgrund geologischer Unwägbarkeiten deren Hektometrierung“ ändere und somit nach dem Verständnis der revisionswerbenden Partei automatisch eine gesonderte wasserrechtliche Bewilligung erfordere.

6        Wie den eingereichten Projektunterlagen zu entnehmen sei, erfolge die Berechnung der Sperrenhöhe lediglich von der Fundamentunterkante weg. Dabei würden die noch nicht bekannten Erkenntnisse aus der Erderkundung des Untergrunds durch eine Kernbohrung in diesem geologisch labilen Bereich völlig außer Acht gelassen.

7        § 104a Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) spreche von einem Verschlechterungsverbot für den Zustand von Oberflächengewässern. Eine solche Prüfung öffentlicher Interessen liege dem gegenständlichen Bescheid zu Grunde. Diese habe ergeben, dass „eine Verbauungsvariante im Nebenschluss einen annähernd gleichwertigen Hochwasserschutz für den Stadtkern von [H.] mit vergleichbaren Kosten gegenüber den bei der Behörde aufliegenden Verbauungsmaßnahmen“ darstelle. Diese Variante könne das Gewässerkonsortium erhalten und bringe keine Verschlechterung des Oberflächenwasserkörpers, wie durch das bewilligte Projekt der mitbeteiligten Partei, mit sich. Die belangte Behörde habe das Ergebnis dieser Prüfung nicht gewürdigt und damit ein Vorhaben bewilligt, das einen vermeidbaren und nicht ausgleichbaren Eingriff in das Ökosystem des Gewässers im K.-Graben darstelle.

8        Mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2019 ergänzte die revisionswerbende Partei ihre Beschwerde.

9        Sie brachte vor, die Höhe des Dosierbauwerks ergebe sich weder aus den Akten noch aus dem Bescheid der belangten Behörde vom 1. Oktober 2019. Aus dem Einreichplan des Projekts der mitbeteiligten Partei gehe aber hervor, dass das Bauwerk 16,75 m hoch sei, wobei dabei ein möglicher Bodenaustausch im Hinblick auf die Baugrundsicherung noch nicht miteingerechnet sei. Gemäß § 104 Abs. 3 WRG 1959 wäre daher zwingend ein Gutachten der Staubeckenkommission einzuholen gewesen.

10       Zudem habe die belangte Behörde die von der mitbeteiligten Partei angedachte Variante einer Errichtung des Dosierbauwerks im Nebenschluss nicht berücksichtigt. Diese Variante gewährleiste aber eine Verbesserung der Durchgängigkeit des Bachs bzw. einen „Lebensraumschutz“ im Sinn des Salzburger Naturschutzgesetzes 1999 (NSchG 1999) und stelle demnach eine bessere Umweltoption im Sinn des § 104a Abs. 2 Z 3 WRG 1959 dar.

11       Auch sei die Errichtung der neuen 760 m langen Aufschließungsstraße zum Zweck des Baus und der Instandhaltung der Bauwerke im K.-Graben wasserrechtlich bewilligt worden. Unabhängig von der Frage, ob dafür eine gesonderte naturschutzrechtliche Bewilligung einzuholen wäre, habe die Behörde auch in diesem Punkt keine eingehende Prüfung nach § 104a Abs. 2 Z 3 WRG 1959 durchgeführt. Die Notwendigkeit dieser Straße sei auch im Hinblick auf die vor mehr als 30 Jahren errichteten Sperrenbauwerke im K.-Tal, die bereits über eine Auffahrtsstraße erschlossen seien, zu relativieren.

12       Insgesamt sei daher eine Bauabwicklung der Sperren im K.-Graben über diese bestehende Straße unter der Voraussetzung, dass das Dosierbauwerk im Nebenschluss ausgeführt werde, technisch möglich. Dies stelle nach Ansicht der revisionswerbenden Partei eine wesentlich bessere Umweltoption im Sinn des § 104a Abs. 2 Z 3 WRG 1959 dar.

13       Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - die Beschwerde der revisionswerbenden Partei, sofern sich ihr Vorbringen auf einen möglichen Verstoß gegen § 104a Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) beziehe, als unbegründet ab, im Übrigen als unzulässig zurück. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

14       Es stellte fest, eine relevante Stau- oder Sperrenhöhe von 15 m oder mehr weise keines der geplanten Stau- oder Absperrbauwerke auf.

15       Teil des Projekts sei die Umlegung des Güterwegs K.-Weg (im Projekt auch als Aufschließungsstraße K.-Graben bezeichnet). Die neue Wegführung sowie die geplante Straßenbreite seien für die Aufschließung der Baustelle sowie die Erhaltung, Wartung und Räumung der Bauwerke notwendig. Der zirka 600 m lange neue Weg gewinne nordwärts über zwei Kehren an Höhe und werde bei der Abzweigung zum Gehöft U. wieder am Bestand eingebunden. Eine andere Straßenführung sei aufgrund des Geländes und der daraus resultierenden Steilheit der Straße nicht sinnvoll und zweckmäßig.

16       Vor Projektierung des gegenständlichen Vorhabens und auch noch während des laufenden behördlichen Verfahrens seien weitere Umsetzungsvarianten geprüft worden. Die zweite Variante einer Errichtung des Dosierbauwerks im Nebenschluss stelle einen annähernd gleichwertigen Hochwasserschutz für das Stadtzentrum der mitbeteiligten Partei bei vergleichbaren Kosten gegenüber dem eingereichten Projekt dar. Dieser Alternative stimmten die betroffenen Grundeigentümer nicht zu und es sei bei dieser Variante für die Befüllung bzw. Entleerung des Retentionsraums die Errichtung einer zirka 200 m langen Rohrleitung notwendig. Aus technischer Sicht werde dies von der Projektantin als nicht sinnvoll und zweckmäßig angesehen.

17       Beide Detailwasserkörper des K.-Bachs seien aufgrund der gegebenen Beeinträchtigungen sowie bestehenden Verrohrungen und Verbauungen schlechter als ein guter Gesamtzustand eingestuft (mäßiger bis schlechter Zustand). Gleiches gelte für die Einstufung und den Zustand seiner Zubringer. Der den Unterlauf des K.-Bachs umfassende Detailwasserkörper sei zudem als erheblich verändertes Gewässer eingestuft.

18       Trotz einiger eingriffsmindernder Maßnahmen trage der Großteil der geplanten Maßnahmen nicht zur Verbesserung des hydromorphologischen Zustands bei, weshalb das gute ökologische Potenzial (bei erheblich veränderten Gewässern) und der gute Zustand der betroffenen Gewässer, ungeachtet des derzeitigen Zustands, nicht erreicht würden. Aus rechtlicher Sicht sei für das Vorhaben daher eine Ausnahme gemäß § 104a WRG 1959 für dessen Bewilligung notwendig.

19       Im Zuge des behördlichen Ermittlungsverfahrens seien mehrere Gutachten eingeholt worden, darunter ein geologisches, ein wasserbautechnisches, ein hydrografisches, ein naturschutzfachliches sowie eines des Amtssachverständigen für Gewässerschutz. Diese seien auch bei der behördlichen Entscheidungsfindung miteinbezogen worden. Das öffentliche Interesse an dem Vorhaben sei geprüft, eine Interessenabwägung gemäß § 104a WRG 1959 durchgeführt worden.

20       In seiner rechtlichen Beurteilung hielt das Verwaltungsgericht zunächst fest, die revisionswerbende Partei könne aus den anzuwendenden Bestimmungen des WRG 1959 keine konkrete Verletzung wasserrechtlich geschützter Rechte durch das Vorhaben (etwa nach § 12 Abs. 2 WRG 1959) geltend machen. Parteistellung komme ihr daher im Verfahren nicht zu. Allerdings komme ihr als anerkannter Umweltorganisation Beteiligtenstellung nach § 102 Abs. 2 WRG 1959 zu und sie könne mögliche Verstöße gegen die Verpflichtung des § 104a WRG 1959 sowohl im behördlichen als auch verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltend machen. Die revisionswerbende Partei sei also darauf beschränkt, im Verfahren die aus dem Unionsumweltrecht hervorgegangenen Rechtsvorschriften, wie die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie, überprüfen zu lassen.

21       Aus der Beschränkung dieser Beteiligtenstellung ergebe sich wiederum, dass sie rechtswirksam „nur“ die Überprüfung der Frage, ob durch das Vorhaben der mitbeteiligten Partei ein möglicher Verstoß gegen die Verpflichtung des § 104a WRG 1959 erfolge und negative Auswirkungen auf den Gewässerzustand hervorgerufen werden könnten, begehren könne.

22       Vor diesem Hintergrund sei sie nicht berechtigt, eine (neuerliche) Überprüfung der Standfestigkeit der Sperrenbauwerke (Wildholzfilter und Dosierbauwerk) zu beantragen, und erweise sich das diesbezügliche Beschwerdevorbringen als unzulässig. Gleiches gelte für das Vorbringen im Zusammenhang mit der Aufschließungsstraße K.-Graben. Diese sei zwar, wie festgestellt, Projektbestandteil, einen unmittelbaren Einfluss oder Auswirkungen auf den Gewässerzustand habe diese Straße offenkundig nicht. Aufgrund der beschränkten Beteiligtenstellung der revisionswerbenden Partei erweise sich daher auch dieses Vorbringen als unzulässig.

23       Zwar befänden sich die von der Verbauung betroffenen Bäche und Gerinne (Oberflächenwasserkörper) derzeit ohnehin in mäßigem bis schlechtem Zustand (Zustandsbewertung 3 bis 5), dennoch verunmögliche die Umsetzung des Vorhabens der mitbeteiligten Partei ein Erreichen eines guten Gewässerzustands oder eines guten ökologischen Potenzials. Die mit der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie normierten Ziele könnten daher nicht erreicht werden, weshalb bei diesem Vorhaben eine zusätzliche Prüfung, ob eine Ausnahme nach § 104a WRG 1959 gewährt werden könne, durchzuführen sei.

24       Aus den Projektadaptierungen und dem Gutachten des Amtssachverständigen für Gewässerschutz ergebe sich, dass, ungeachtet des derzeitigen Zustands, alle praktikablen Möglichkeiten getroffen worden seien, um negative Auswirkungen auf den Zustand des Oberflächenwasserkörpers zu mindern und zu vermeiden (§ 104a Abs. 2 Z 1 WRG 1959). So sei beispielsweise vereinbart worden, wenn dies aus Hochwasserschutzgründen möglich sei, Strukturen in der Bachsohle zu belassen und solche herzustellen. Ebenso würden bestehende Verrohrungen (z.B. hinsichtlich des K.-Bachs auf einer Länge von zirka 150 m) teilweise geöffnet sowie Sperrenbauwerke begrünt und eingeschüttet.

25       Dass die gegenständlichen Hochwasserschutzmaßnahmen im übergeordneten öffentlichen Interesse lägen, werde auch von der revisionswerbenden Partei nicht bestritten. Der Nutzen des Vorhabens für die menschliche Gesundheit, die Erhaltung der Sicherheit des Menschen und eine nachhaltige Entwicklung übertreffe - wie von der mitbeteiligten Partei und der Projektantin dargelegt und von den beigezogenen Amtssachverständigen für plausibel und nachvollziehbar befunden - das öffentliche Interesse an der Erreichung eines guten Gewässerzustands bei weitem. Am Vorhandensein eines übergeordneten öffentlichen Interesses an diesem Vorhaben bestehe daher kein Zweifel. Beide Tatbestände des § 104a Abs. 2 Z 2 WRG 1959 lägen daher vor.

26       Die Schutzziele, die mit dem Vorhaben erreicht werden sollten, könnten aufgrund der technischen Durchführbarkeit oder unverhältnismäßiger Kosten auch nicht durch andere Mittel, die eine wesentlich bessere Umweltoption darstellten, erreicht werden (§ 104a Abs. 2 Z 3 WRG 1959). Ungeachtet dessen habe die mitbeteiligte Partei mehrere Ausführungsvarianten zur Prüfung vorgelegt. Die Prüfkriterien für die Beurteilung und Vergleichbarkeit von Alternativen seien aus der jeweils maßgebenden Norm abzuleiten. So sei aus dem Schutzzweck des § 104a WRG 1959 und der mehrfachen Bezugnahme auf den Gewässerschutzzustand zu schließen, dass nur wasserbezogene Gesichtspunkte für die Beurteilung der „besseren“ Umweltoption entscheidend seien. Die Umweltoption sei demnach dann „besser“, wenn sie das Gewässer weniger beeinträchtige oder bei gleicher Beeinträchtigung höheren Nutzen verspreche.

27       Besonders hinsichtlich der Verbauung und der Bauwerke im K.-Graben habe unter wasserbezogenen Gesichtspunkten nicht festgestellt werden können, dass die von der revisionswerbenden Partei bevorzugte Variante einer Errichtung des Dosierbauwerks im Nebenschluss den K.-Graben weniger beeinträchtige. Bei dieser Variante werde ein Bauwerk seitlich des K.-Grabens errichtet und ein Retentionsraum geschaffen. Zusätzlich wäre für die Befüllung bzw. Ableitung des Wassers eine zirka 200 m lange Rohrleitung zu errichten. Unabhängig von der technischen Sinnhaftigkeit und Durchführbarkeit dieser Variante werde der Gewässerzustand dieses Oberflächenwasserkörpers auch durch diese Maßnahme nicht entscheidend verbessert, weshalb auch diese Alternative keine wesentlich bessere Umweltoption zum bewilligten Vorhaben darstelle. Inwiefern sich diese Alternative aufgrund der fehlenden Zustimmung der betroffenen Grundeigentümer überhaupt umsetzen lasse, könne daher dahingestellt bleiben.

28       Insgesamt seien mehrere mögliche Sperrenstandorte geprüft und die bestmögliche Variante, auch im Hinblick auf den Umweltaspekt (wie unverbaute Gewässerstrecken und Landschaften), ausgewählt worden.

29       Die ordentliche Revision sei unzulässig, weil keine Rechtsfrage zu beurteilen gewesen sei, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukomme. Das Verwaltungsgericht habe - bezogen auf den Einzelfall - zu beurteilen gehabt, ob der angefochtene Bescheid der belangten Behörde materiell- und verfahrensrechtlich rechtmäßig gewesen sei. Mit seiner Entscheidung weiche das Verwaltungsgericht weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehle es an einer solchen Rechtsprechung; auf die in der Entscheidung zitierten Erkenntnisse dürfe verwiesen werden. Weiters sei die zu den maßgebenden materiell- und verfahrensrechtlichen Bestimmungen vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls lägen keine sonstigen Hinweise für eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

30       Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

31       Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragt.

32       Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie sich „vollinhaltlich der Revisionsbeantwortung der Bezirkshauptmannschaft Hallein“ anschließt, jedoch keinen Aufwandersatz begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

33       Artikel 4 der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (Wasserrahmenrichtlinie - WRRL) lautet auszugsweise:

„Artikel 4

Umweltziele

(...)

(7) Die Mitgliedstaaten verstoßen nicht gegen diese Richtlinie, wenn:

-    das Nichterreichen eines guten Grundwasserzustandes, eines guten ökologischen Zustands oder gegebenenfalls eines guten ökologischen Potentials oder das Nichtverhindern einer Verschlechterung des Zustands eines Oberflächen oder Grundwasserkörpers die Folge von neuen Änderungen der physischen Eigenschaften eines Oberflächenwasserkörpers oder von Änderungen des Pegels von Grundwasserkörpern ist, oder

-    das Nichtverhindern einer Verschlechterung von einem sehr guten zu einem guten Zustand eines Oberflächenwasserkörpers die Folge einer neuen nachhaltigen Entwicklungstätigkeit des Menschen ist

und die folgenden Bedingungen alle erfüllt sind:

a)   Es werden alle praktikablen Vorkehrungen getroffen, um die negativen Auswirkungen auf den Zustand des Wasserkörpers zu mindern;

b)   die Gründe für die Änderungen werden in dem in Artikel 13 genannten Bewirtschaftungsplan für das Einzugsgebiet im einzelnen dargelegt, und die Ziele werden alle sechs Jahre überprüft;

c)   die Gründe für die Änderungen sind von übergeordnetem öffentlichem Interesse und/oder der Nutzen, den die Verwirklichung der in Absatz 1 genannten Ziele für die Umwelt und die Gesellschaft hat, wird übertroffen durch den Nutzen der neuen Änderungen für die menschliche Gesundheit, die Erhaltung der Sicherheit der Menschen oder die nachhaltige Entwicklung; und

d)   die nutzbringenden Ziele, denen diese Änderungen des Wasserkörpers dienen sollen, können aus Gründen der technischen Durchführbarkeit oder aufgrund unverhältnismäßiger Kosten nicht durch andere Mittel, die eine wesentlich bessere Umweltoption darstellen, erreicht werden.

(...)“

34       Die für den vorliegenden Revisionsfall maßgebenden Bestimmungen des WRG 1959 lauten auszugsweise:

Zuständigkeit des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.

§ 100. (...)

(3) Für die fachliche Begutachtung der auf Staubeckenanlagen und Talsperren sich beziehenden technischen Fragen im Zug oder außerhalb eines wasserrechtlichen Verfahrens wird beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft eine Kommission gebildet, deren Zusammensetzung, Bestellung und Tätigkeit durch Verordnung näher zu regeln ist.

(...)

Parteien und Beteiligte.

§ 102. (1) Parteien sind:

a)   der Antragsteller;

(...)

(2) Beteiligte im Sinne des § 8 AVG. sind - nach Maßgabe des jeweiligen Verhandlungsgegenstandes und soweit ihnen nicht schon nach Abs. 1 Parteistellung zukommt - insbesondere die Interessenten am Gemeingebrauch, alle an berührten Liegenschaften dinglich Berechtigten, alle, die aus der Erhaltung oder Auflassung einer Anlage oder der Löschung eines Wasserrechtes Nutzen ziehen würden, und im Verfahren über den Widerstreit von Entwürfen (§ 109) alle, die bei Ausführung eines dieser Entwürfe als Partei (Abs. 1) anzusehen wären. Beteiligte sind auch nach § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 anerkannte Umweltorganisationen im Rahmen ihrer örtlichen Anerkennung, um einen möglichen Verstoß gegen die Verpflichtung des § 104a zu verhindern, insbesondere dann, wenn erhebliche negative Auswirkungen auf den ökologischen, chemischen und/oder mengenmäßigen Zustand und/oder das ökologische Potential der betreffenden Gewässer im Sinne des § 104 Abs. 1 lit. b zu erwarten sind.

(3) Die Beteiligten sind berechtigt, im Verfahren ihre Interessen darzulegen; in diesem Rahmen haben die nach § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 anerkannten Umweltorganisationen auch die Möglichkeit, alle von ihr für das geplante Vorhaben als relevant erachteten Stellungnahmen, Informationen, Analysen oder Meinungen in Schriftform vorzulegen oder während einer mündlichen Verhandlung oder Untersuchung mit dem Antragsteller vorzutragen. Diese sind bei der Entscheidung der Behörde angemessen zu berücksichtigen. Die Erhebung von Einwendungen steht den Beteiligten jedoch nicht zu.

(...)

(5) Eine nach § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 anerkannte Umweltorganisation ist im Rahmen ihrer örtlichen Anerkennung berechtigt, gegen Bescheide, die auf der Grundlage dieses Bundesgesetzes oder anderer Bundesgesetze, nach denen wasserrechtliche Bestimmungen mitangewendet werden, erlassen wurden, Beschwerde an das Verwaltungsgericht zu erheben, um einen möglichen Verstoß gegen die Verpflichtung des § 104a geltend zu machen.

(...)

Vorläufige Überprüfung

§ 104. (1) Die Behörde hat bei Vorliegen eines den Bestimmungen des § 103 entsprechenden Antrages, unbeschadet § 104a, sofern aus der Natur des Vorhabens Auswirkungen auf öffentliche Rücksichten (§ 106) zu erwarten sind, vornehmlich insbesondere dahingehend zu prüfen,

(...)

b)   ob und inwieweit von dem Vorhaben Auswirkungen, insbesondere erhebliche negative Auswirkungen auf den Gewässerzustand im Sinne des Abs. 5 zu erwarten sind;

(...)

(3) Bei Bewilligung von Talsperren und Speichern, Flusskraftwerke ausgenommen, deren Höhe über Gründungssohle 15 m übersteigt oder durch die eine zusätzliche Wassermenge von mehr als 500 000 m3 zurückgehalten wird, ist ein Gutachten der Staubeckenkommission einzuholen.

(...)

(5) Ein Vorhaben mit erheblichen negativen Auswirkungen auf den Gewässerzustand ist gegeben, wenn durch das Vorhaben Auswirkungen zu erwarten sind, die den Vorgaben des Art. 4 der Richtlinie 2000/60/EG oder der §§ 30a ff und § 104a WRG 1959, den jeweiligen Zustand der Gewässer zu erhalten oder den Zielzustand zu erreichen, entgegenstehen und

1.   bezogen auf eine biologische Qualitätskomponente des ökologischen Zielzustandes eines Oberflächenwasserkörpers (§ 30a) signifikant stärkere Störungen aufweisen oder

2.   zu einer in ihrer Intensität vergleichbaren Störung des chemischen Zielzustands eines Wasserkörpers oder des mengenmäßigen Zielzustandes eines Grundwasserkörpers führen.

(...)

Vorhaben mit Auswirkungen auf den Gewässerzustand

§ 104a. (1) Vorhaben, bei denen

1.   durch Änderungen der hydromorphologischen Eigenschaften eines Oberflächenwasserkörpers oder durch Änderungen des Wasserspiegels von Grundwasserkörpern

a)   mit dem Nichterreichen eines guten Grundwasserzustandes, eines guten ökologischen Zustandes oder gegebenenfalls eines guten ökologischen Potentials oder

b)   mit einer Verschlechterung des Zustandes eines Oberflächenwasser- oder Grundwasserkörpers zu rechnen ist,

2.   durch Schadstoffeinträge mit einer Verschlechterung von einem sehr guten zu einem guten Zustand eines Oberflächenwasserkörpers in der Folge einer neuen nachhaltigen Entwicklungstätigkeit zu rechnen ist,

sind jedenfalls Vorhaben, bei denen Auswirkungen auf öffentliche Rücksichten zu erwarten sind (§§ 104 Abs. 1, 106).

(2) Eine Bewilligung für Vorhaben gemäß Abs. 1, die einer Bewilligung oder Genehmigung auf Grund oder in Mitanwendung wasserrechtlicher Bestimmungen bedürfen, kann nur erteilt werden, wenn die Prüfung öffentlicher Interessen (§§ 104, 105) ergeben hat, dass

1.   alle praktikablen Vorkehrungen getroffen wurden, um die negativen Auswirkungen auf den Zustand des Oberflächenwasser- oder Grundwasserkörpers zu mindern und

2.   die Gründe für die Änderungen von übergeordnetem öffentlichem Interesse sind und/oder, dass der Nutzen, den die Verwirklichung der in §§ 30a, c und d genannten Ziele für die Umwelt und die Gesellschaft hat, durch den Nutzen der neuen Änderungen für die menschliche Gesundheit, die Erhaltung der Sicherheit der Menschen oder die nachhaltige Entwicklung übertroffen wird und

3.   die nutzbringenden Ziele, denen diese Änderungen des Oberflächenwasser- oder Grundwasserkörpers dienen sollen, aus Gründen der technischen Durchführbarkeit oder auf Grund unverhältnismäßiger Kosten nicht durch andere Mittel, die eine wesentlich bessere Umweltoption darstellen, erreicht werden können.

(...)

Zuständigkeit für die Aufsicht.

§ 131. (1) Zuständig für die Gewässeraufsicht ist hinsichtlich der in den §§ 99 und 100 angeführten Gewässer und Anlagen der Landeshauptmann, sonst die Bezirksverwaltungsbehörde; in den Fällen des § 95 ist jedoch für die ihm übertragenen Aufsichtsaufgaben der Wasserverband zuständig. Zusätzlich kann der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Talsperren und Speicher, Flußkraftwerke ausgenommen, deren Höhe über Gründungssohle 15 m übersteigt oder durch die eine zusätzliche Wassermenge von mehr als 500 000 m3 zurückgehalten wird, sowie nach Maßgabe des § 134 Abs. 7 auch Flußkraftwerke und andere Stauanlagen, in Zeitabständen von nicht mehr als fünf Jahren unter Befassung der Staubeckenkommission (§ 100 Abs. 3) auf Stand- und Betriebssicherheit überprüfen; weitere Überprüfungen können auch nach Prüfung der Berichte des Talsperrenverantwortlichen (§ 23a Abs. 3) vorgenommen werden.

(...)“

35       Die Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 14. Mai 1985 über die Staubeckenkommission (Staubeckenkommissions-Verordnung 1985), BGBl. Nr. 222/1985, lautet auszugsweise:

„Auf Grund des § 100 Abs. 3 des Wasserrechtsgesetzes 1959, BGBl. Nr. 215, wird verordnet:

§ 1. (1) Zur fachlichen Begutachtung der sich auf Staubeckenanlagen und Talsperren beziehenden Fragen wird beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft eine Kommission eingerichtet, die den Namen „Staubeckenkommission“ führt. Sie hat im Rahmen ihres Wirkungsbereiches die Wasserrechtsbehörden im Zuge oder außerhalb eines wasserrechtlichen Verfahrens zu unterstützen.

(...)

§ 2. Der Wirkungsbereich der Kommission umfaßt zur Unterstützung der Wasserrechtsbehörden:

1.   gemäß § 3 die technische und technisch-wirtschaftliche Begutachtung von Entwürfen für den Bau neuer sowie für die Abänderung bestehender oder im Bau befindlicher Staubeckenanlagen und Talsperren;

(...)

§ 3. Im Zuge eines wasserrechtlichen Verfahrens haben die Wasserrechtsbehörden außer bei Gefahr im Verzug zur Beurteilung von Staubeckenanlagen und Talsperren gemäß § 2 Z 1 ein Gutachten der Kommission einzuholen, wenn es sich um die im § 100 Abs. 1 lit. c WRG 1959 genannten Sperrenbauwerke handelt oder besondere Gründungsverhältnisse, ungewöhnliche Bauweisen oder besondere Beanspruchungen vorliegen. Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen, entscheidet im Zweifelsfall der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft.

(...)“

36       Dem vorliegenden Revisionsfall ist voranzustellen, dass gemäß dem mit der Novelle BGBl. I Nr. 73/2018 (Aarhus-Beteiligungsgesetz 2018) eingefügten zweiten Satz des § 102 Abs. 2 WRG 1959 nach § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 anerkannten Umweltorganisationen im Rahmen ihrer örtlichen Anerkennung (bloße) Beteiligtenstellung im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren zukommt.

37       Nach dem auch durch das Aarhus-Beteiligungsgesetz 2018 neu geschaffenen § 102 Abs. 5 WRG 1959 kommt ihnen aber ein (auf die Geltendmachung eines Verstoßes gegen die Verpflichtung des § 104a WRG 1959 beschränktes) Beschwerderecht - das im vorliegenden Revisionsfall nicht in Zweifel gezogen wurde - zu. In einem solchen Fall sind Umweltorganisationen als Parteien des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht anzusehen und daher gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG revisionslegitimiert (vgl. zur Rechtsstellung von Umweltorganisationen nach § 3 Abs. 9 UVP-G 2000: VwGH 1.10.2018, Ro 2017/04/0002; 21.12.2017, Ro 2015/06/0018; 21.12.2016, Ra 2016/04/0117, jeweils mwN).

38       Die revisionswerbende Partei ist somit zur Erhebung der gegenständlichen Revision berechtigt.

39       In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird zunächst vorgebracht, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründungspflicht von Entscheidungen ab.

40       Nach § 104 Abs. 3 WRG 1959 sei unter anderem bei Bewilligung von Talsperren, deren Höhe über Gründungssohle 15 m übersteige, ein Gutachten der Staubeckenkommission einzuholen. Das Verwaltungsgericht habe festgestellt, dass keines der geplanten Stau- oder Absperrbauwerke eine relevante Stau- oder Sperrenhöhe von 15 m oder mehr aufweise. Obwohl die revisionswerbende Partei wiederholt eine projektierte Höhe des geplanten Dosierbauwerks von über 15 m argumentiert habe, fänden sich im angefochtenen Erkenntnis diesbezüglich keine konkreten beweiswürdigenden und rechtlichen Ausführungen.

41       Hätte sich das Verwaltungsgericht näher mit der projektierten Höhe des Dosierbauwerks über der Gründungssohle beschäftigt, hätte es den Argumenten der revisionswerbenden Partei folgend eine Höhe von über 15 m feststellen müssen. Schließlich befänden sich laut Einreichplan der tiefste Punkt der Vorsperre (Unterkante Beton) auf einer Seehöhe von 577,50 m und der höchste Punkt der Hauptsperre auf 594,25 m. Somit betrage die Gesamthöhe 16,75 m und damit mehr als 15 m. Das Verwaltungsgericht hätte somit ein Gutachten der Staubeckenkommission einholen müssen.

42       Dieses Gutachten wäre sicherlich zu dem Schluss gekommen, dass insbesondere die Variante einer Errichtung des Dosierbauwerks im Nebenschluss eine wesentlich bessere Umweltoption im Sinn des § 104a Abs. 2 Z 3 WRG 1959 darstelle und bei der Planung des beantragten Projekts nicht alle praktikablen Vorkehrungen getroffen worden seien, um die negativen Auswirkungen auf den Zustand des Oberflächenwasser- oder Grundwasserkörpers zu mindern.

43       Im Übrigen fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob die revisionswerbende Partei im Wege des § 104a Abs. 2 WRG 1959 auch einen Verstoß gegen die Verpflichtung zur Einholung eines Gutachtens der Staubeckenkommission gemäß § 104 Abs. 3 WRG 1959 geltend machen könne.

44       Aus dem zuletzt genannten Grund erweist sich die Revision als zulässig. Sie ist jedoch aus den nachfolgenden Erwägungen nicht begründet.

45       Im Revisionsfall ist unstrittig, dass das Vorhaben der mitbeteiligten Partei einer Prüfung nach § 104a WRG 1959 zu unterziehen war.

46       § 104a WRG 1959 wurde durch die WRG-Novelle 2003 eingefügt und dient der Umsetzung des Art. 4 Abs. 7 WRRL (vgl. dazu Bumberger/Hinterwirth, WRG § 104a K1). Bei § 104a WRG 1959 handelt es sich folglich um eine aus dem Unionsumweltrecht hervorgegangene Rechtsvorschrift. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind Umweltorganisationen darauf beschränkt, im Verfahren die Beachtung solcher Rechtsvorschriften überprüfen zu lassen (vgl. VwGH 25.4.2019, Ra 2018/07/0380, mit Hinweis auf EuGH 20.12.2017, Protect, C-664/15). Deshalb sieht § 102 Abs. 5 WRG 1959 vor, dass das Beschwerderecht von Umweltorganisationen auf die Geltendmachung eines Verstoßes gegen die Verpflichtung des § 104a WRG 1959 beschränkt ist.

47       Die revisionswerbende Partei vermeint nun, dass sie auf Gundlage von § 104a Abs. 2 WRG 1959 auch einen Verstoß gegen die Verpflichtung zur Einholung eines Gutachtens der Staubeckenkommission gemäß § 104 Abs. 3 WRG 1959 geltend machen könne, weil § 104a Abs. 2 WRG 1959 auf § 104 WRG 1959 verweise. Dieser Argumentation kann aus den folgenden Überlegungen jedoch nicht gefolgt werden.

48       Die Staubeckenkommission hatte ihre erste gesetzliche Grundlage bereits in § 83 Abs. 3 WRG 1934, BGBl. Nr. 316/1934, wonach für die fachliche Begutachtung der sich auf Staubeckenanlagen und Talsperren beziehenden „technischen Fragen“ im Zuge oder außerhalb eines wasserrechtlichen Verfahrens beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft eine Kommission gebildet wird, deren Zusammensetzung, Bestellung und Tätigkeit durch Verordnung näher zu regeln ist.

49       Dieser Wortlaut findet sich - seit der Wiederverlautbarung des WRG 1934 mit BGBl. Nr. 215/1959 - nach wie vor im Wesentlichen unverändert in § 100 Abs. 3 WRG 1959.

50       Die darauf gestützte (aktuell in Geltung stehende) Staubeckenkommissions-Verordnung 1985 beschränkt in ihrem § 2 Z 1 den Wirkungsbereich der Staubeckenkommission auf die „technische und technisch-wirtschaftliche Begutachtung“ von Entwürfen für den Bau neuer sowie für die Abänderung bestehender oder im Bau befindlicher Staubeckenanlagen und Talsperren.

51       Zudem spricht der die Zuständigkeit der Gewässeraufsicht regelnde § 131 Abs. 1 zweiter Satz WRG 1959 von einer Befassung der Staubeckenkommission zur Überprüfung (unter anderem) von Talsperren „auf Stand- und Betriebssicherheit“ durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.

52       Aus einer Zusammenschau dieser Bestimmungen geht eindeutig hervor, dass sich die Staubeckenkommission seit ihrer Einrichtung mit technischen bzw. technisch-wirtschaftlichen Fragen in Bezug auf Staubeckenanlagen und Talsperren bzw. deren Stand- und Betriebssicherheit, jedoch nicht mit Fragen der Auswirkungen solcher Anlagen auf den durch die aus dem Unionsumweltrecht hervorgegangenen Rechtsvorschriften gewährleisteten Schutz bzw. den Gewässerzustand zu befassen hat.

53       Daher können anerkannte Umweltorganisationen im Rahmen ihres Beschwerderechts nach § 102 Abs. 5 WRG 1959 einen Verstoß gegen die Pflicht zur Einholung eines Gutachtens der Staubeckenkommission nach § 104 Abs. 3 WRG 1959 (siehe dazu auch § 3 Staubeckenkommissions-Verordnung 1985) nicht geltend machen, weil es sich bei dieser Bestimmung um keine Rechtsvorschrift handelt, die in einem inhaltlichen Bezug zur Umsetzung des Art. 4 Abs. 7 WRRL steht.

54       Die revisionswerbende Partei konnte somit nicht unter Bezugnahme auf § 104a Abs. 2 WRG 1959 geltend machen, dass ein Gutachten der Staubeckenkommission nach § 104 Abs. 3 WRG 1959 einzuholen wäre. Somit war auch nicht auf den von ihr behaupteten Begründungsmangel in Bezug auf die für die Einholung eines solchen Gutachtens relevante Feststellung der Höhe des Dosierbauwerks im K.-Graben einzugehen.

55       In der Zulässigkeitsbegründung wird ferner unter dem Gesichtspunkt eines Abweichens des angefochtenen Erkenntnisses von der hg. Rechtsprechung zur Begründungspflicht vorgebracht, die erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen und beweiswürdigenden Ausführungen, weshalb das Verwaltungsgericht davon ausgehe, dass die Variante einer Errichtung des Dosierbauwerks im Nebenschluss den Gewässerzustand nicht entscheidend verbessere und deshalb keine wesentlich bessere Umweltoption darstelle, seien dem angefochtenen Erkenntnis nicht zu entnehmen.

56       Entgegen dieser Behauptung traf das Verwaltungsgericht aber Feststellungen zur angesprochenen Verbauungsvariante im Nebenschluss. Diesen zur Folge stellte die Errichtung eines dortigen Dosierbauwerks zwar einen annähernd gleichwertigen Hochwasserschutz für das Stadtzentrum der mitbeteiligten Partei bei vergleichbaren Kosten gegenüber dem eingereichten Vorhaben dar. Jedoch stimmten die betroffenen Grundeigentümer dieser Alternative nicht zu und es wäre bei dieser Variante für die Befüllung bzw. Entleerung des Retentionsraums die Errichtung einer zirka 200 m langen Rohrleitung notwendig. Aus technischer Sicht werde dies von der Projektantin als nicht sinnvoll und zweckmäßig angesehen.

57       Es hielt (erkennbar) dazu auch beweiswürdigend fest, der Umstand, dass es für einen wirksamen Hochwasserschutz der mitbeteiligten Partei erforderlich sei, im K.-Bach samt Nebengerinnen Schutz- und Regulierungswasserbauten zu errichten, sei allen aufliegenden Gutachten übereinstimmend und zweifelsfrei zu entnehmen. Dies werde auch von der revisionswerbenden Partei nicht in Zweifel gezogen.

58       Dass diese Beweiswürdigung unvertretbar wäre (vgl. zu diesem Prüfkalkül etwa VwGH 1.2.2021, Ra 2021/07/0007, mwN), legt die revisionswerbende Partei nicht ansatzweise dar. Es ist vor diesem Hintergrund nicht zu erkennen, dass die darauf gestützten Feststellungen die rechtliche Beurteilung, wonach die Verbauungsvariante im Nebenschluss keine wesentlich bessere Umweltoption im Sinn des § 104a Abs. 2 Z 3 WRG 1959 darstelle, nicht zu tragen vermögen.

59       Ausgehend davon kommt es dem Verwaltungsgerichtshof in der rechtlichen Prüfung der Abwägungsentscheidung nach § 104a Abs. 2 WRG 1959 nicht zu, seine Wertung an die Stelle jener des Verwaltungsgerichts zu setzen. Er hat sich vielmehr auf die Prüfung der Frage zu beschränken, ob die zu prüfende Wertentscheidung vor dem Gesetz insoweit bestehen kann, als die bei der Wertentscheidung zu berücksichtigenden Argumente ausreichend erfasst und einander gegenübergestellt worden sind und als die Wertentscheidung als solche zu den für sie maßgebenden Gesetzesvorschriften in ihrer Gesamtschau nicht in Widerspruch steht (vgl. VwGH 24.11.2016, Ro 2014/07/0101, mwN).

60       Dass das Verwaltungsgericht die gegenständliche Prüfung nach § 104a Abs. 2 WRG 1959 nicht im Sinn der Leitlinien dieser Judikatur vorgenommen hätte, wird nicht behauptet und ist anhand der dargestellten Erwägungen des angefochtenen Erkenntnisses auch nicht zu sehen.

61       In der Zulässigkeitsbegründung wird weiter ausgeführt, obwohl die revisionswerbende Partei im Beschwerdeverfahren geltend gemacht habe, dass für die geplante Aufschließungsstraße am K.-Graben keine wasserrechtliche, sondern eine naturschutzrechtliche Bewilligung erforderlich sei, seien dem angefochtenen Erkenntnis diesbezüglich keine konkreten Ausführungen zu entnehmen. Auch aus diesem Grund weiche das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründungspflicht ab.

62       Damit wendet sich die revisionswerbende Partei aber nicht gegen die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, wonach die Aufschließungsstraße am K.-Graben zwar Projektbestandteil sei, jedoch keinen unmittelbaren Einfluss oder Auswirkungen auf den Gewässerzustand habe. Ausgehend davon ist es für die Beurteilung des vorliegenden Revisionsfalles nicht relevant, ob für die Aufschließungsstraße eine naturschutzrechtliche Bewilligung einzuholen gewesen wäre, weil der revisionswerbenden Partei in diesem Umfang - mangels von dieser Straße ausgehenden unmittelbaren Auswirkungen auf den Gewässerzustand im Sinn des § 104a WRG 1959 - keine Beschwerdeberechtigung zukommt.

63       Aus diesem Grund stellt sich im vorliegenden Fall auch das „im Übrigen“ aufgezeigte Fehlen von Rechtsprechung zur Frage, ob Begleitmaßnahmen, wie etwa die Errichtung einer Zufahrtsstraße, als Teil von Schutz- und Regulierungswasserbauten im Sinn von § 41 Abs. 1 WRG 1959 angesehen werden könnten bzw. ob für diese die Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung zulässig sei, im Hinblick auf die ausschließliche Möglichkeit der Geltendmachung eines Verstoßes gegen die Verpflichtung des § 104a WRG 1959 als Rechtsfrage von abstrakter Natur dar. Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof aufgrund von Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG aber nicht zuständig (vgl. VwGH 4.3.2021, Ra 2020/07/0039, mwN).

64       Zuletzt wird in der Zulässigkeitsbegründung ins Treffen geführt, die revisionswerbende Partei habe im Beschwerdeverfahren geltend gemacht, dass laut dem Gutachten des geologischen Amtssachverständigen die Gründung des geplanten Dosierbauwerks im K.-Graben durch eine Kernbohrung zu erkunden sein werde, weil bei Antreffen von Haselgebirge nicht nur die Setzungs- und Laugungsgefährlichkeit, sondern auch die Sulfatresistenz des Betons von Bedeutung seien. Aufgrund des geologischen Untergrunds sei mit höchster Wahrscheinlichkeit ein Bodenaustausch vonnöten. Eine Laugung und chemische Reaktion bei unzureichender Sulfatresistenz des verwendeten Betons hätten voraussichtlich negative Auswirkungen auf den Zustand der betroffenen Wasserkörper. Das Verwaltungsgericht hätte daher aufgrund des Gutachtens des Amtssachverständigen und der Beschwerde der revisionswerbenden Partei einen Sachverständigen mit der erforderlichen Kernbohrung beauftragen müssen, um in der Folge gegebenenfalls entsprechende Auflagen zum Schutz der betroffenen Wasserkörper festzulegen. Indem es dies unterlassen habe, verstoße es gegen die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur amtswegigen Ermittlungspflicht.

65       Dem ist zu entgegnen, dass das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage nicht mit einem Vorbringen begründet werden kann, das unter das Neuerungsverbot fällt (vgl. VwGH 10.4.2020, Ra 2019/07/0096, mwN).

66       Die revisionswerbende Partei zog im Verfahren die dargestellten Ausführungen des geologischen Amtssachverständigen erkennbar nur zur Bestreitung der Höhe des Dosierbauwerks bzw. zur Geltendmachung der unterlassenen Einholung eines Gutachtens der Staubeckenkommission (wozu sie aber - wie bereits dargelegt - nicht berechtigt war) heran. Dass aus diesen Ausführungen auch der Schluss gezogen werden könne, dass eine Laugung und chemische Reaktion bei unzureichender Sulfatresistenz des verwendeten Betons voraussichtlich negative Auswirkungen auf den Zustand der betroffenen Wasserkörper hätten, bringt die revisionswerbende Partei erstmals im Revisionsverfahren vor, weshalb dieses Vorbringen unter das Neuerungsverbot fällt und damit unbeachtlich ist.

67       Im Übrigen obliegt nach der hg. Rechtsprechung die Beurteilung der Notwendigkeit weiterer Beweisaufnahmen - wie etwa die von der revisionswerbenden Partei angesprochene Beauftragung eines Sachverständigen mit der Durchführung einer Kernbohrung - regelmäßig einzelfallbezogen dem Verwaltungsgericht. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt auch in diesem Zusammenhang nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt ist und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hat.

68       Eine derart krasse Fehlbeurteilung ist im vorliegenden Fall nicht zu sehen. Das Verwaltungsgericht stützte sich nämlich auf schlüssige und nachvollziehbare Amtssachverständigengutachten. Lediglich im Falle eines unschlüssigen Gutachtens wäre vom Verwaltungsgericht ein anderer Sachverständiger heranzuziehen gewesen. Will die revisionswerbende Partei aber in der Konstellation des Revisionsfalls noch ein weiteres Gutachten einbezogen wissen, wäre es an ihr gelegen, selbst ein Gutachten zu beschaffen und dieses dem Verwaltungsgericht vorzulegen (vgl. zum Ganzen VwGH 25.10.2018, Ra 2017/07/0136, mwN).

69       Die Revision war damit aufgrund der Erwägungen zur nicht bestehenden Möglichkeit der Geltendmachung der Einholung eines Gutachtens der Staubeckenkommission durch Umweltorganisationen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

70       Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

71       Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, zumal das Verwaltungsgericht - ein Tribunal im Sinn des Art. 6 EMRK und ein Gericht im Sinne des Art. 47 GRC - eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat (vgl. VwGH 1.2.2021, Ra 2020/07/0079, mwN).

Wien, am 11. Mai 2021

Gerichtsentscheidung

EuGH 62015CJ0664 Protect Natur-, Arten- und Landschaftschutz Umweltorganisation VORAB

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Gemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2 Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3 Gemeinschaftsrecht Richtlinie Umsetzungspflicht EURallg4/2 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Parteibegriff - Parteienrechte Allgemein diverse Interessen Rechtspersönlichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020070058.L00

Im RIS seit

28.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

28.09.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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