TE Vwgh Erkenntnis 2021/5/12 Ra 2021/13/0018

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.05.2021
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §110 Abs2
BAO §85 Abs2
VwGG §42 Abs2 Z3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der A GmbH in Liquidation in W, vertreten durch die Kalcik & Co Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. in 1160 Wien, Huttengasse 45, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 27. Oktober 2020, Zl. RV/7104060/2016, betreffend Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag, jeweils für die Jahre 2008 bis 2010, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom 1. Februar 2013 wurde im Wesentlichen festgestellt, näher genannte Personen („Subauftragnehmer“), die laut Buchhaltung Rechnungen an die revisionswerbende Partei gestellt hätten, seien als Dienstnehmer zu beurteilen.

2        Mit Bescheiden vom 1. Februar 2013 wurde die revisionswerbende Partei im Hinblick auf diesen Bericht zur Haftung für Lohnsteuer für die Jahre 2008 bis 2010 herangezogen; weiters wurde der Dienstgeberbeitrag samt Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für diese Jahre festgesetzt (zum Teil samt Säumniszuschlägen).

3        Die revisionswerbende Partei erhob am 19. Februar 2013 gegen diese Bescheide Berufung.

4        Mit Bescheid vom 21. Februar 2013 forderte das Finanzamt die revisionswerbende Partei auf, Mängel der Berufung bis zum 19. März 2013 zu beheben; bei Versäumung der Frist gelte das Anbringen als zurückgenommen.

5        Die revisionswerbende Partei brachte in der Folge Anträge auf Verlängerung der Frist zur Mängelbehebung ein. Mit Eingabe vom 12. Dezember 2013 machte die revisionswerbende Partei schließlich geltend, zur Begründung der Berufung werde auf einen der Eingabe beiliegenden Einspruch gegen einen Bescheid der Gebietskrankenkasse verwiesen.

6        Mit Beschwerdevorentscheidung vom 15. September 2015 wies das Finanzamt die (nunmehrige) Beschwerde als unbegründet ab.

7        Die revisionswerbende Partei beantragte die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

8        In einem Aktenvermerk vom 27. Oktober 2016 hielt das Bundesfinanzgericht fest, der im Mängelbehebungsauftrag des Finanzamts vom 21. Februar 2013 gewährten Frist bis zum 19. März 2013 folge ein Schriftsatz der Revisionswerberin vom 12. Dezember 2013. Bei einer Rücksprache mit dem Finanzamt sei mitgeteilt worden, dass anlässlich der Vorlage der Beschwerde intern im Finanzamt nachgefragt worden sei; Schriftstücke dazu seien nicht mehr auffindbar. Per E-Mail vom 28. Oktober 2016 übermittelte das Finanzamt sodann dem Bundesfinanzgericht mehrere Fristverlängerungsanträge der Revisionswerberin.

9        Mit Schreiben vom 21. Juli 2020 wandte sich das Bundesfinanzgericht an die revisionswerbende Partei. Darin teilte das Bundesfinanzgericht u.a. mit, aus den Verfahrensakten gehe ein Antrag auf Verlängerung der Frist zur Mängelbehebung bis zum 19. April 2013 hervor; ein bis spätestens 19. April 2013 eingebrachter weiterer Antrag auf Fristverlängerung sei jedoch nicht ersichtlich. Weiters liege ein Ersuchen vom 28. Juni 2013 um Fristverlängerung bis 31. Juli 2013 vor; ein darauf folgender Fristverlängerungsantrag sei nicht ersichtlich. Falls weitere Anträge auf Fristverlängerung eingebracht worden seien, mögen diese vorgelegt werden.

10       Mit Eingabe vom 28. August 2020 übermittelte die revisionswerbende Partei eine „Fristverlängerungsbestätigung“ vom 21. Mai 2013; das Ansuchen sei am 17. April 2013 gestellt worden und sollte dem Finanzamt vorliegen.

11       Mit dem angefochtenen Beschluss sprach das Bundesfinanzgericht aus, die Berufung vom 19. Februar 2013 gelte als zurückgenommen. Der Vorlageantrag vom 13. Oktober 2015 wurde als unzulässig geworden zurückgewiesen. Das Bundesfinanzgericht sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 (iVm Abs. 9) B-VG nicht zulässig sei.

12       In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin habe - nach früheren Anträgen - am 28. Juni 2013 (neuerlich) ein Ansuchen um Fristverlängerung, und zwar bis zum 31. Juli 2013, eingebracht. Bis zum 31. Juli 2013 habe die Revisionswerberin kein weiteres Ansuchen um Fristverlängerung eingebracht (sondern erst wieder am 27. August 2013 mit Antrag auf Verlängerung der Frist für die Mängelbehebung bis zum 31. Dezember 2013). Die Berufung vom 19. Februar 2013 gelte daher gemäß § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen. Die Beschwerdevorentscheidung des Finanzamts stehe dieser Entscheidung des Bundesfinanzgerichts nicht entgegen. Die Beschwerdevorentscheidung habe vielmehr durch die nunmehrige Entscheidung des Bundesfinanzgerichts ihre Wirksamkeit verloren. Damit erweise sich der Vorlageantrag als unzulässig und sei daher zurückzuweisen gewesen.

13       Gegen diesen Beschluss wendet sich die Revision. Mit der Revision wurde insbesondere ein Ausdruck aus „finanzonline“ vorgelegt, wonach die Revisionswerberin mit Eingabe vom 31. Juli 2013 eine weitere Verlängerung der Frist für die Mängelbehebung bis 31. August 2013 beantragte.

14       Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein und ersuchte die belangte Behörde insbesondere, zu der mit der Revision vorgelegten Kopie eines Antrags auf Fristverlängerung vom 31. Juli 2013 Stellung zu nehmen.

15       Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

16       Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

17       Gemäß § 85 Abs. 2 BAO berechtigen Mängel von Eingaben die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung. Die Abgabenbehörde hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden Frist als zurückgenommen gilt. Werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.

18       Von der Abgabenbehörde festgesetzte Fristen können nach § 110 Abs. 2 BAO verlängert werden.

19       Mit der im Revisionsverfahren vorgelegten Urkunde, zu der die belangte Behörde keine Äußerung erstattete, ist die Sachverhaltsannahme des Bundesfinanzgerichts zum Fehlen eines Verlängerungsantrags erschüttert. Unter Berücksichtigung der weiteren, im angefochtenen Beschluss festgestellten Anträge auf Fristverlängerung wäre von einer durchgehenden Kette von Fristverlängerungsanträgen bzw. Bescheiden betreffend die Bewilligung der Fristverlängerung auszugehen.

20       Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

21       Von der von der revisionswerbenden Partei beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

22       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 (betreffend Eingabengebühr wurde mit Beschluss vom 3. Mai 2021 - entsprechend dem Antrag der Revisionswerberin - Verfahrenshilfe bewilligt).

Wien, am 12. Mai 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021130018.L00

Im RIS seit

18.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.07.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten