TE Vwgh Beschluss 2021/5/17 Ra 2020/21/0333

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Veröffentlicht am 17.05.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §46 Abs2
FrPolG 2005 §46 Abs2a
FrPolG 2005 §46a Abs1 Z3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant und den Hofrat Dr. Sulzbacher als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des K S (alias N S alias N S), vertreten durch Mag. Karl Gatternig, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Renngasse 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juli 2020, W195 1416318-3/5E, betreffend Karte für Geduldete (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte im Oktober 2010 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde letztendlich mit im Beschwerdeweg ergangenem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Juli 2019 vollumfänglich abgewiesen, wobei unter einem eine Rückkehrentscheidung erging und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Bangladesch zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen festgesetzt. Die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision, der keine aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. November 2019 zurückgewiesen.

2        Mit Schriftsatz vom 6. Februar 2020 stellte der Revisionswerber einen Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete, weil ihm die Botschaft von Bangladesch keinen Reisepass ausstelle. Diesen Antrag wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 4. April 2020 ab. Es führte aus, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nicht unmöglich erscheine. Die Botschaft von Bangladesch habe bisher keine Auskunft gegeben, wonach mit den vom Revisionswerber angegebenen Personaldaten eine Identifizierung als Staatsangehöriger von Bangladesch bzw. die Ausstellung eines Heimreisezertifikats nicht möglich wäre. Die Wohnadresse in Bangladesch sei bekannt, der Vater des Revisionswerbers habe dort angetroffen werden können. Zudem lägen vom Revisionswerber „zu vertretende Gründe (Abschiebungshindernisse)“ vor, weil er durch die Angabe von unterschiedlichen Vornamen versuche, seine Identität zu verschleiern.

3        In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde brachte der Revisionswerber insbesondere vor, dass er alles getan habe, um bei der Ausstellung eines Heimreisezertifikats mitzuwirken. Die Feststellung des BFA, wonach es keine Auskunft über die Unmöglichkeit der Ausstellung eines Heimreisezertifikats gebe, sei keine geeignete bescheidmäßige Begründung für die tatsächliche Erlangbarkeit dieses Dokuments.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab.

5        Es führte aus, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nicht unmöglich erscheine. Der Revisionswerber habe den gegenständlichen Antrag nur wenige Monate nach der rechtskräftigen Erledigung seines Asylverfahrens gestellt. Die Botschaft habe die Identifizierung des Revisionswerbers bisher nicht abgelehnt. Das BFA habe darauf hingewiesen, dass die Botschaft von Bangladesch nach den Erfahrungswerten regelmäßig - wenngleich mitunter nach längerer Verfahrensdauer - Heimreisezertifikate ausstelle. Schon deshalb sei seinem Antrag nicht stattzugeben gewesen. Außerdem habe der Revisionswerber keinen Nachweis darüber erbracht, dass er zwecks Ausstellung eines Reisedokuments selbst mit der Botschaft Kontakt aufgenommen habe oder sich bei seiner Familie um die Nachsendung von Dokumenten bemüht habe.

6        Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7        Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG „nicht zur Behandlung eignen“, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8        An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

9        Der Revisionswerber macht unter diesem Gesichtspunkt geltend, dass das Bundesverwaltungsgericht die Rechtslage verkannt habe, indem es eine Verpflichtung zur eigenständigen Beschaffung eines Reisedokuments nach § 46 Abs. 2 FPG während eines anhängigen Verfahrens zur amtswegigen Beschaffung eines Heimreisezertifikats angenommen habe.

10       Der Verwaltungsgerichtshof hat mittlerweile klargestellt, dass für den Fremden keine parallelen Mitwirkungspflichten nach § 46 Abs. 2 FPG und nach § 46 Abs. 2a FPG bestehen können. Macht das BFA von der Ermächtigung zur Führung eines amtswegigen Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates nach § 46 Abs. 2a FPG Gebrauch, so hat der Fremde seiner diesbezüglichen Mitwirkungspflicht nachzukommen, ohne dass ihn gleichzeitig die Verpflichtung trifft, im Sinne des § 46 Abs. 2 FPG aus Eigenem bei der Botschaft die Ausstellung eines Reisedokumentes zu beantragen und dafür einen Nachweis zu erbringen (vgl. VwGH 30.4.2021, Ra 2020/21/0543, Rn. 18).

11       Das Bundesverwaltungsgericht hat dem Revisionswerber daher angesichts des anhängigen Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikats zu Unrecht eine Verletzung von Mitwirkungspflichten im Sinn des § 46 Abs. 2 FPG vorgeworfen. In erster Linie hat das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen für eine Duldung nach § 46a Abs. 1 Z 3 FPG aber deswegen verneint, weil die Abschiebung des Revisionswerbers - angesichts der erst kurzen Zeitspanne seit Rechtskraft der Rückkehrentscheidung und mangels einer negativen Antwort der Botschaft von Bangladesch - (noch) nicht unmöglich erscheine. In der Revision wird weder diese Feststellung bekämpft noch die damit in Zusammenhang implizit vertretene Rechtsansicht in Frage gestellt, wonach nicht schon dann eine Unmöglichkeit der Abschiebung im Sinn des § 46a Abs. 1 Z 3 FPG gegeben ist, wenn Bemühungen um die Erlangung von Reisedokumenten nach Vorliegen einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung nicht sogleich zum Erfolg geführt haben. Ausgehend davon ist es aber nicht darauf angekommen, ob der Revisionswerber Mitwirkungspflichten verletzt hatte und daher ein allfälliges Abschiebungshindernis von ihm zu vertreten wäre. Insofern hängt das Schicksal der Revision nicht von der zur Begründung ihrer Zulässigkeit aufgeworfenen Rechtsfrage (und ihrer unrichtigen Beurteilung durch das Bundesverwaltungsgericht) ab.

12       Die Revision war daher mangels Darlegung einer (entscheidungswesentlichen) Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG - nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde - gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 17. Mai 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020210333.L00

Im RIS seit

21.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.07.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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