TE Vwgh Erkenntnis 2021/5/19 Ra 2020/22/0133

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Veröffentlicht am 19.05.2021
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E3L E02100000
E3L E05100000
E3L E19100000
E3L E19104000
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AVG §56
AVG §69
AVG §69 Abs3
AVG §69 idF 2013/I/033
EURallg
NAG 2005 §3 Abs5
NAG 2005 §54
NAG 2005 §54 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwRallg
32003L0109 Drittstaatsangehörigen-RL
32003L0109 Drittstaatsangehörigen-RL Art10
32004L0038 Unionsbürger-RL
32004L0038 Unionsbürger-RL Art31
32004L0038 Unionsbürger-RL Art35

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrat Dr. Schwarz sowie Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, über die Revision des Bundesministers für Inneres gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 29. April 2020, Zl. VGW-151/082/4451/2020-1, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens bezüglich Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts (mitbeteiligte Partei: A B, vertreten durch Rast & Musliu Rechtsanwälte in 1080 Wien, Alser Straße 23/14), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger Nordmazedoniens, verfügte aufgrund seiner mit einer rumänischen Staatsangehörigen im Mai 2016 geschlossenen Ehe über eine ihm am 25. Juli 2016 ausgefolgte Aufenthaltskarte gemäß § 54 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG).

2        Mit Bescheid vom 24. Februar 2020 nahm der Landeshauptmann von Wien das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren betreffend die Ausstellung einer Aufenthaltskarte gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 und 3 AVG wegen Vorliegen einer Aufenthaltsehe wieder auf, wies den Antrag des Mitbeteiligten auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte vom 17. Juni 2016 gemäß § 54 Abs. 7 NAG zurück und stellte fest, dass der Mitbeteiligte nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts falle.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten statt und hob diesen Bescheid ersatzlos auf. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Gericht für nicht zulässig.

4        In rechtlicher Hinsicht ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass fallbezogen eine Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Ausstellung einer Aufenthaltskarte nicht in Betracht komme, weil es sich dabei nicht um ein mit Bescheid abgeschlossenes Verfahren handle. Die Behörde habe folglich eine ihr nicht zustehende Entscheidungskompetenz in Anspruch genommen. Deshalb sei der vor dem Verwaltungsgericht bekämpfte Bescheid ersatzlos zu beheben.

5        Dagegen richtet sich die Amtsrevision des Bundesministers für Inneres.

6        Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

7        Zur Begründung ihrer Zulässigkeit macht die Amtsrevision geltend, die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, wonach die Behörde zur Wiederaufnahme des Verfahrens mangels Bescheidcharakter der unionsrechtlichen Dokumentation nicht befugt sei, stehe im Widerspruch zu näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs.

8        Die Revision ist zulässig und begründet.

9        Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 9. September 2020, Ro 2020/22/0010, bereits ausgesprochen hat, ist - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - mangels spezieller Regelungen betreffend die Aufhebung der Rechtswirkungen der Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts diesbezüglich ein Anwendungsbereich des § 69 AVG sehr wohl zu bejahen. Daran ändert auch die Möglichkeit für den Bundesminister für Inneres, sowohl Bescheide als auch Dokumentationen gemäß § 3 Abs. 5 NAG aus den dort genannten Gründen für nichtig zu erklären, nichts. Auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen. Der Wiederaufnahme des in Rede stehenden Verfahrens stand daher kein grundsätzliches Hindernis entgegen (vgl. auch VwGH 22.4.2021, Ra 2020/22/0226).

10       Da das Verwaltungsgericht dies verkannte, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Dieses war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 19. Mai 2021

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive Bescheide Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Besondere Rechtsgebiete Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020220133.L00

Im RIS seit

21.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.07.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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