TE Vwgh Beschluss 2021/5/25 Ra 2021/22/0071

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Veröffentlicht am 25.05.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §64 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §7 Abs2
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrat Dr. Schwarz und Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache des T I M in W, vertreten durch Rast & Musliu Rechtsanwälte in 1080 Wien, Alser Straße 23/14, gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien vom 19. Jänner 2021, VGW-151/031/14065/2020-8, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 10. September 2020 wurde der Antrag des minderjährigen Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen von Bangladesch, vertreten durch seinen Vater, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ gemäß § 46 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen, weil sein Aufenthalt zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte und er über keinen Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft verfüge.

2        Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde. Am 19. Jänner 2021 führte das Verwaltungsgericht Wien eine mündliche Verhandlung durch, in der der Revisionswerber von seinem Vater vertreten wurde. Weiters wurde vom Verwaltungsgericht ein Dolmetsch für die Sprache Bengalisch beigezogen.

3        Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht Wien das Verfahren über die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt. Weiters sprach es aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

4        Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, dass der Vertreter des Revisionswerbers die Beschwerde in der mündlichen Verhandlung am 19. Jänner 2021 nach Erörterung der Sach- und Rechtslage zurückgezogen habe.

5        Gegen diesen Beschluss des Verwaltungsgerichtes wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, im gegenständlichen Protokoll über die mündliche Verhandlung finde sich an keiner Stelle der vom Verwaltungsgerichtshof geforderte ausdrückliche Wille des Revisionswerbers bzw. seines Vertreters, die Beschwerde zurückzuziehen (Verweis auf VwGH 8.4.2003, 2002/01/0215). Die Passage im Verhandlungsprotokoll, wonach der Beschwerdeführervertreter nach ausführlicher Erörterung der Sach- und Rechtslage die Beschwerde zurückziehe, sei weniger als Prozesserklärung des Vertreters des Revisionswerbers zu deuten, sondern vielmehr als Standpunkt der Verhandlungsleiterin. Darüber hinaus stehe die Zurückziehung der Beschwerde mit dem restlichen Verhandlungsprotokoll im Widerspruch. Der Vater des Revisionswerbers habe nämlich ausgesagt: „Ich möchte schon, dass sowohl meine Frau als auch meine Tochter und [der Revisionswerber] nach Österreich kommen.“

10       Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Rechtslage vor Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz mit 1. Jänner 2014 ausgesprochen, dass die Beschwerderücknahme ausdrücklich, das heißt eindeutig (zweifelsfrei) erklärt werden muss (vgl. das vom Revisionswerber angeführte Erkenntnis VwGH 8.4.2003, 2002/01/0215). Diese Rechtsprechung kann auf die geltende Rechtslage übertragen werden.

11       In der auch vom Vater des Revisionswerbers - als dessen Vertreter vor dem Verwaltungsgericht - unterfertigten Niederschrift zur mündlichen Verhandlung hielt die Verhandlungsleiterin fest, dass der Vertreter des Revisionswerbers die Beschwerde nach ausführlicher Erörterung der Sach- und Rechtslage zurückzieht. Dies unterscheidet den vorliegenden Fall auch von jenem, der dem bereits angeführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (8.4.2003, 2002/01/0215) zugrunde lag. Inwiefern die Protokollierung der Beschwerdezurückziehung unrichtig erfolgt sei, zeigt die Revision nicht auf.

12       Aus der Niederschrift geht hervor, dass der vertretende Vater des Revisionswerbers auf die Verlesung der Verhandlungsschrift verzichtet und keine Einwände erhoben hat und ihm eine Ausfertigung der Niederschrift ausgehändigt wurde.

13       Gemäß § 15 AVG liefert, soweit nicht Einwendungen erhoben wurden, eine gemäß § 14 AVG aufgenommene Niederschrift über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung vollen Beweis, wobei der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges zulässig bleibt (vgl. VwGH 28.9.2018, Ra 2018/20/0440). Fallbezogen sind Einwendungen des Revisionswerbers weder protokolliert, noch wird behauptet, der Revisionswerber hätte Einwendungen im Sinn des § 14 Abs. 3 AVG erhoben. Der Revisionswerber zeigt mit seinem Revisionsvorbringen keine konkreten Gründe zur Entkräftung der Beweiskraft der Niederschrift auf.

14       Sofern der Revisionswerber darauf verweist, dass die Zurückziehung der Beschwerde mit dem restlichen Verhandlungsprotokoll im Widerspruch stehe, ist darauf hinzuweisen, dass dem Motiv für die Erklärung, die Beschwerde zurückzuziehen, für sich allein keine rechtserhebliche Bedeutung zukommt (vgl. VwGH 8.11.2016, Ra 2016/09/0098).

15       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 25. Mai 2021

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Rechtsgrundsätze Verzicht Widerruf VwRallg6/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021220071.L00

Im RIS seit

21.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.07.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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