TE Vwgh Beschluss 2021/5/25 Ra 2021/20/0163

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Veröffentlicht am 25.05.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Engel, in der Rechtssache der Revision des H A in H, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. November 2020, W231 2214501-1/15E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am 4. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.

2        Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 5. Februar 2019 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem Erkenntnis vom 4. November 2020 nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis an ihn gerichteten Beschwerde mit Beschluss vom 10. März 2021, E 4465/2020-8, ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Folge wurde die gegenständliche Revision erhoben.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Der Revisionswerber macht zur Zulässigkeit der Revision geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe keine ausreichenden Ermittlungen zum Sachverhalt vorgenommen, weil zur Überprüfung seiner Angaben kein Sachverständigengutachten eingeholt und zu seinem Vorbringen keine Nachforschungen im Heimatland angestellt worden seien. In Bezug auf die Beurteilung der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative wird zudem vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht habe für seine Feststellungen keine ausreichend aktuellen Länderberichte herangezogen und entscheidungsrelevante Passagen der Berichte ignoriert.

9        Werden Verfahrensmängel - wie hier Ermittlungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen, darzulegen (vgl. VwGH 7.9.2020, Ra 2020/20/0297, mwN).

10       Das gelingt dem Revisionswerber, der einerseits lediglich auf allgemeine Begebenheiten im Herkunftsland hinweist und andererseits bloß - unter teilweiser Wiederholung seines in den vorangegangenen Verfahren erstatteten Vorbringens - unsubstantiiert behauptet, die Richtigkeit seiner Angaben hätte sich bestätigt, nicht.

11       Im Übrigen entspricht es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass ein allgemeines Recht auf fallbezogene Überprüfung des Vorbringens eines Asylwerbers durch Recherche im Herkunftsstaat nicht besteht (vgl. VwGH 23.2.2021, Ra 2021/20/0023, mwN).

12       Auch im Zusammenhang mit der Beurteilung, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe, wird in der Revision die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel nicht dargetan. In Wahrheit wendet sich der Revisionswerber mit seinen Ausführungen aber ohnedies gegen die rechtliche Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, die allerdings vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur (auch hier) angesprochenen Berichtslage nicht zu beanstanden ist (vgl. VwGH 24.2.2021, Ra 2021/19/0017, mwN).

13       Soweit sich der Revisionswerber gegen die im Rahmen der Erlassung der Rückkehrentscheidung nach § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) vorgenommene Interessenabwägung wendet, ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 29.3.2021, Ra 2021/20/0079, mwN).

14       Im Rahmen der - in der Revision angesprochenen - Gesamtbetrachtung hat das Bundesverwaltungsgericht auf sämtliche fallbezogen entscheidungswesentliche Umstände ausreichend Bedacht genommen. Dass die Beurteilung des Verwaltungsgerichts unvertretbar wäre, vermag der Revisionswerber nicht aufzuzeigen.

15       Entgegen der in der Revision geäußerten Ansicht bedarf es anlässlich des vorliegenden Falles auch keiner „zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit klarstellende[r] Aussagen des Verwaltungsgerichtshofes“. Im Rahmen der nach § 9 BFA-Verfahrensgesetz durchzuführenden Interessenabwägung ist nämlich stets auf die den konkreten Einzelfall betreffenden Aspekte abzustellen, weshalb schon von daher der in der Revision angesprochene Klärungsbedarf nicht besteht (vgl. etwa VwGH 23.6.2020, Ra 2020/20/0189 bis 0191, mwN).

16       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 25. Mai 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021200163.L00

Im RIS seit

18.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

06.07.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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