TE Vwgh Beschluss 2021/5/25 Ra 2020/22/0096

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Veröffentlicht am 25.05.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z11
FrPolG 2005 §21 Abs2 Z7
MRK Art8
NAG 2005 §30 Abs1
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrat Dr. Schwarz und Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache der B S P in S, vertreten durch Rast & Musliu Rechtsanwälte in 1080 Wien, Alser Straße 23/14, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. April 2020, W185 2225012-1/2E, betreffend Visum (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Botschaft Skopje), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Die Revisionswerberin, eine kosovarische Staatsangehörige, brachte am 9. Mai 2019 - gestützt auf ihre Ehe mit einem slowenischen Staatsangehörigen, der seit Oktober 2014 in Österreich lebt - bei der Österreichischen Botschaft Skopje (belangte Behörde) einen Antrag auf Erteilung eines Schengen-Visums (Kategorie C) ein.

2        Mit Bescheid vom 13. August 2019 wies die belangte Behörde diesen Antrag ab, weil die Ehe der Revisionswerberin als Aufenthaltsehe gewertet wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wurde mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 15. Oktober 2019 als unbegründet abgewiesen. Die Revisionswerberin stellte einen Vorlageantrag.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 21. April 2020 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab. Weiters sprach es aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Das Verwaltungsgericht legte die wesentlichen Inhalte der Einvernahmen der Revisionswerberin (bei der belangten Behörde am 31. Mai 2019) und ihres Ehemannes P (bei der Landespolizeidirektion Niederösterreich am 15. Juni 2019) dar. Anschließend stellte es fest, dass die Ehe der Revisionswerberin mit P nicht zum Zweck des Eingehens einer Familiengemeinschaft und eines Ehelebens geschlossen worden sei, sondern um der Revisionswerberin einen Aufenthalt in Österreich zu ermöglichen. In seiner Beweiswürdigung verwies das Verwaltungsgericht auf näher dargestellte, divergierende Angaben zur Kontaktanbahnung, dem Verlobungsantrag des Ehemannes und zu den Hochzeitsgeschenken (insbesondere in Bezug auf die Eheringe). Weiters führte das Verwaltungsgericht aus, dass es jedenfalls an einer, einer Eheschließung üblicherweise vorangehenden, Phase des gegenseitigen Kennenlernens gefehlt habe. Auch seit der Eheschließung im August 2018 sei es lediglich zu einem persönlichen Treffen der Eheleute im Kosovo gekommen.

5        In seinen rechtlichen Erwägungen ging das Verwaltungsgericht zunächst davon aus, dass der Revisionswerberin infolge ihrer Ehe mit P die Rechtsposition als begünstigte Drittstaatsangehörige gemäß § 2 Abs. 4 Z 11 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) zukomme. Dies stehe aber - so das Verwaltungsgericht unter Verweis auf näher zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - der Wahrnehmung einer Aufenthaltsehe nicht entgegen. Auch die Versagung eines Visums sei zulässig, zumal auch Art. 35 der Richtlinie 2004/38/EG vorsehe, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen erlassen könnten, die notwendig seien, um die durch die Richtlinie verliehenen Rechte „im Falle von Rechtsmissbrauch oder Betrug - wie z.B. durch Eingehung von Scheinehen - zu verweigern“. Aus Art. 31 Abs. 4 der Richtlinie 2004/38/EG ergebe sich, dass eine Verletzung der öffentlichen Ordnung durch Abschluss einer Aufenthaltsehe auch vor Einreise in das Staatsgebiet durch Verweigerung eines notwendigen Visums wahrgenommen werden könne. Aufgrund der vorliegenden Aufenthaltsehe sei eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegeben. Das Beschwerdeverfahren sei gemäß § 11a Abs. 2 FPG ohne mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen.

6        Gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe keine Feststellung dazu getroffen, ob die Ehe „zum ausschließlichen Zweck, eine fremdenrechtliche Berechtigung zu erhalten“ (Hervorhebung im Original), geschlossen wurde (Hinweis auf VwGH 4.6.2009, 2006/18/0346).

11       Diesem Vorbringen ist entgegen zu halten, dass das Verwaltungsgericht das Vorliegen einer Aufenthaltsehe angenommen und das (beabsichtigte) Führen eines Familienlebens verneint hat. Insbesondere stellte es fest, dass die Ehe geschlossen wurde, um der Revisionswerberin einen Aufenthalt in Österreich zu ermöglichen, und führte damit ohnehin den Zweck der Eheschließung an. Zudem stellt § 30 Abs. 1 NAG auf das Nichtführen eines gemeinsamen Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK ab, und nicht auf den „ausschließlichen“ Zweck der Erlangung einer fremdenrechtlichen Berechtigung (vgl. VwGH 1.4.2021, Ra 2020/22/0214).

12       Dass die dieser Annahme zugrundeliegende Beweiswürdigung in einer unvertretbaren Weise erfolgt wäre, vermag die Revision nicht aufzuzeigen (vgl. zum insoweit eingeschränkten Prüfungsmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes VwGH 9.9.2020, Ra 2019/22/0216, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits festgehalten, dass eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit anzunehmen und das beantragte Visum zu versagen ist, wenn der Drittstaatsangehörige eine Ehe geschlossen und sich in seinem Antrag auf diese Ehe berufen hat, aber das Führen eines gemeinsamen Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK nicht beabsichtigt ist (vgl. VwGH 26.3.2015, Ro 2014/22/0026).

13       Soweit der Revisionswerber unter Verweis auf (ua.) das hg. Erkenntnis vom 15. März 2018, Ra 2017/21/0203, vorbringt, das Verwaltungsgericht habe es verabsäumt, eine auf alle Umstände des Einzelfalles Bedacht nehmende Gesamtbetrachtung vorzunehmen, genügt der Hinweis, dass die derart ins Treffen geführte Rechtsprechung zur Durchführung einer Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK ergangen ist, vorliegend aber die Vornahme einer Interessenabwägung nicht geboten war (vgl. VwGH 3.2.2021, Ra 2021/22/0016).

14       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 25. Mai 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020220096.L00

Im RIS seit

21.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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