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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
VwGG §28 Abs1 Z5Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und die Hofräte Dr. Thoma und MMag. Maislinger als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des C B in I (Deutschland), vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Saalbaugasse 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 25. Jänner 2021, Zl. RV/4100144/2017, betreffend Versagung der Rückerstattung von Grunderwerbsteuer (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Österreich), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Unbestritten ist, dass der Revisionswerber mit Kaufvertrag vom 11. April 2011 eine Liegenschaft samt einem darauf befindlichen Haus (Alm-, Ferienhaus) käuflich erwarb und hiefür das Finanzamt mit Bescheid vom 24. August 2011 Grunderwerbsteuer in Höhe von 5.745 € festsetzte.
2 Laut einem am 9. September 2015 abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich zwischen dem Verkäufer und dem Revisionswerber wurde der Kaufvertrag vom 11. April 2011 aufgehoben.
3 Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde gegen die Versagung der „Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheides vom 24. August 2011“ und auf Erstattung der Grunderwerbsteuer als unbegründet ab und sprach aus, dass gegen das Erkenntnis eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens erwog das Verwaltungsgericht fallbezogen:
„Für den gegenständlichen Fall bedeutet das Folgendes:
Der [Revisionswerber] bzw. beide Vertragsparteien haben am 09.09.2015 den schriftlichen, gerichtlichen Vergleich unterfertigt, in welchem die Aufhebung des streitgegenständlichen Kaufvertrages vereinbart und damit die Grundlage für die allfällige Änderung der Grunderwerbsteuer geschaffen wurde. Die Verkäuferin verpflichtete sich im Vergleich zur Zahlung eines pauschalen Betrages in Höhe von Euro 30.000,00 und zur Einstellung aller anhängigen Vollstreckungsverfahren mitsamt der Löschung zwangsweiser begründeter Pfandrechte. Sämtliche strittigen Vereinbarungen und Punkte wurden im Neuerungsvertrag abschließend geregelt.
Dabei ist zu prüfen, ob die 3-Jahresfrist des § 17 Abs. 1 GrEStG gewahrt ist. In diesem Fall wird die Steuer auf Antrag entsprechend erstattet, wenn der Erwerbsvorgang innerhalb von drei Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld durch Vereinbarung, rückgängig gemacht wird.
Die Steuerschuld entsteht, sobald ein nach diesem Bundesgesetz steuerpflichtiger Erwerbsvorgang verwirklicht ist (§ 8 Abs. 1 GrEStG), sie ist also mit dem Abschluss des Kaufvertrages am 11.04.2011 entstanden; das hat zur Folge, dass die durch einen schriftlichen Vergleich vereinbarte Aufhebung des Vertrages und Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges bis zum 11.04.2014 hätte erfolgen müssen. Unzweifelhaft wurde der am 11.04.2011 abgeschlossenen Vertrag mit gerichtlichen Vergleich am 09.09.2015 außerhalb der 3-Jahresfrist aufgehoben. Die Erstattung nach § 17 Abs. 1 Z 1 GrEStG 1987 kann somit mangels Erfüllung der diesbezüglichen Tatbestandsmerkmale nicht erfolgen.
Schließlich war der Vertrag bis zur Aufhebung durch den Vergleich wirksam in Rechtsbestand.
Soweit der [Revisionswerber] vorbringt und wiederholt einwendet, die Verkäuferin habe mit schriftlicher Erklärung am 02.07.2015 infolge Zahlungsverzug (Erfüllungsverzug) hinsichtlich der Kaufpreisraten ihren Rücktritt vom Vertrag erklärt, wird festgestellt, dass eine Rückgängigmachung und Rückabwicklung des Verpflichtungsgeschäftes im Zuge dieser Erklärung nicht erfolgt ist.
Die Anwendung des § 17 Abs. 1 Z 1 und 2 GrEStG hat die Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges zur unabdingbaren Voraussetzung (VwGH 09.08.2001, 2000/16/0085).
Die Aufhebung des Kaufvertrages erfolgte mittels schriftlichem Vergleich am 09.09.2015. Bei diesem Vergleich handelt es sich um einen Neuerungsvertrag, in dem alle strittigen, zweifelhaften Rechte geregelt wurden. Im Vergleich vereinbarten die Vertrags- und Streitparteien die Aufhebung des Kaufvertrages. Die Verkäuferin verpflichtete sich zur Rückzahlung eines Betrages in Höhe von Euro 30.000,00 und zur Einstellung ihrer Exekutionsmaßnahmen betreffend die Liegenschaften des [Revisionswerbers]. Erst durch diesen Vergleich erlangte die Verkäuferin wiederum ihre vorherige Rechtsposition (Vergleich v. 09.09.2015).
Der Anspruch auf Aufhebung des Vertrages wegen Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes im Sinne des § 934 ABGB muss, vom Fall einer Übereinkunft der Parteien abgesehen, gerichtlich durch Klage oder Einrede geltend gemacht werden.
Soweit der [Revisionswerber] (Antragsteller) meint, das Verpflichtungsgeschäft sei von Beginn an ungültig gewesen und habe er auf Aufhebung des Vertrages wegen Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes im Sinne des § 934 ABGB geklagt, ist zu beachten, dass nicht schon die Erklärung des Verletzten, sondern erst das rechtsgestaltende Urteil des Gerichtes den Vertrag aufhebt (Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts8, I, 258), und zwar rückwirkend (UFS v. 3.12.2012, RV/0772-L/12; UFS 11.12.2006, RV/1596-W/06). Zur letztgenannten Bestimmung ist auszuführen, dass diese innerhalb der gesetzlichen Gewährleistungsfrist gemäß § 933 ABGB geltend gemacht werden muss. Sie beträgt 3 Jahre.
Über das Klagebegehren, dessen Rechtmäßigkeit und sonstige strittigen Rechtsfragen wurde vom Landesgericht nicht mit Urteil abgesprochen. Soweit der Beschwerdeführer meint, das Verpflichtungsgeschäft sei von vornherein ungültig gewesen sei, ist festzustellen, dass ein Urteil oder ein übereinstimmender Willensakt beider Parteien, aus welchem sich die Ungültigkeit des Vertrages ergibt, nicht vorliegt.
Zum Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274 Abs. 1 BAO wird abschließend darauf hingewiesen, dass ein solcher Antrag in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu stellen ist (§ 274 Abs. 1 BAO). Der [Revisionswerber] hat den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verspätet in einem ergänzenden Schriftsatz nach Vorlage der Beschwerde an das BFG gestellt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“
Abschließend begründete das Verwaltungsgericht seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit einer Revision.
4 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision begründet ihre Zulässigkeit folgendermaßen:
„Gegenständliche Entscheidung enthält mehrere Rechtsfragen, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt. Teilweise fehlt an Rechtsprechung in Bezug auf wesentliche Rechtsfragen. Soweit überschaubar ist die Entscheidung auch nicht mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in allen Punkten in Einklang zu bringen. Dies aus folgenden Gründen:
Auf zahlreiche Argumente des Revisionswerbers (RW) im Verfahren wurde nicht eingegangen. Feststeht, dass das Eigentumsrecht des RW im Grundbuch nie einverleibt wurde. Feststeht weiters, dass es zu einer ordnungsgemäßen Übergabe des Vertragsobjektes nie gekommen ist, weil der RW das Vertragsobjekt nicht vertragsgemäß benützen konnte. Dies hat der RW ausdrücklich vorgebracht. Zu einer rechtmäßigen Übergabe und Übernahme des Vertragsobjekts ist es sohin nie gekommen. Der RW hat richtig eingewendet, dass er nie grundbücherlicher Eigentümer des Vertragsobjektes geworden ist. Die Verkäuferin bzw. ihr Mann gingen sogar so weit, die Schlösser zu wechseln und trotz vorliegendem Kaufvertrag zu vermieten. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Schätzung der Liegenschaft durch einen gerichtlich beeideten Sachverständigen einen Verkehrswert von EUR 54.900,00 ergeben hat, das Finanzamt jedoch mit Bescheid vom 24.08.2011 von einer - falschen - Bemessungsgrundlage in Höhe von EUR 164.160,00 ausgegangen ist. Die Grunderwerbsteuer, die ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von EUR 164.160,00 mit EUR 5.745,00 festgesetzt wurde, ist sohin weit überhöht, die Bemessungsgrundlage (Gegenleistung) nicht nachvollziehbar, ist doch schließlich von einem tatsächlichen Verkehrswert von EUR 54.900,00 auszugehen. Der Antrag des RW vom 16.11.2015 auf Rückerstattung der Grunderwerbsteuer ist sohin jedenfalls zumindest teilweise gerechtfertigt, ist die angeführte Bemessungsgrundlage wie oben begründet weit aus zu hoch. Nur der Vollständigkeit wird darauf verwiesen, dass ein gerichtlich beeideter Sachverständiger im Verfahren X des Landesgerichtes den Verkehrswert des Vertragsobjektes mit EUR 54.900,00 ermittelt hat.
Richtig ist, dass es im Zivilprozess zu einem gerichtlichen Vergleich am 09.09.2015 gekommen ist. Ungeachtet der Frage, ob überhaupt ein rechtswirksamer Vertrag zustande gekommen ist, wurde jedenfalls der Verkehrswert der Liegenschaft bzw. des Vertragsobjektes vom Sachverständigen mit EUR 54.900,00 ermittelt. Dies zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses am 11.04.2011. Zudem hat die Verkäuferin mit Schreiben vom 02.07.2015 den Rücktritt vom Vertrag gegenüber dem RW erklärt, weil dieser den Kaufpreis nicht vollständig entrichtet habe. Insgesamt ist sohin der Antrag des RW, nämlich den Grunderwerbsteuerbescheid Erfassungsnummer X aufzuheben und die Steuer rückzuerstatten, jedenfalls teilweise berechtigt, liegt doch dem Vergleich unter anderem das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen in Bezug auf den Verkehrswert von EUR 54.900,00 zu Grunde. Wenn die belangte Behörde von einem Neuerungsvertrag ausgeht, so ist auch vom tatsächlichen Verkehrswert in Höhe von EUR 54.900,00 auszugehen. Dessen ungeachtet wird jedoch weiterhin die Rechtsansicht vertreten, dass ein rechtswirksamer Vertrag überhaupt nie zu Stande gekommen ist und Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft unwirksam waren, verfügte der RW doch nie über den ‚ordentlichen‘ Besitz des Vertragsobjektes. Der RW hat sohin im Verfahren richtig argumentiert, wenn er sich auf die Bestimmungen des § 17 Abs. 1 Z 2 und 3 Grunderwerbsteuergesetz beruft, liegt doch augenscheinlich ein Fall der ‚laesio enormis‘ unter Bedachtnahme auf das Gutachten des Sachverständigen im Zivilverfahren vor.
Unter Bedachtnahme auf die obigen Ausführungen erhellt sich, dass in gegenständlichem Fall Rechtsfragen zu lösen sind, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt und es diesbezüglich an Rechtsprechung fehlt. Die ordentliche Revision hätte daher zugelassen werden müssen. Der RW hat auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Er hätte angehört werden müssen, um den Sachverhalt erschöpfend zu erörtern und zu beurteilen. Die Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung wird sohin ebenfalls gerügt.“
5 Gemäß Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).
6 In den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorzubringenden Gründen ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht oder welche Rechtsfrage dieser uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat. Dem Gebot der gesonderten Darstellung der Gründe wird insbesondere dann nicht entsprochen, wenn die zur Zulässigkeit der Revision erstatteten Ausführungen der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) darstellen (VwGH 6.6.2019, Ra 2019/16/0106, mwN).
Eine bloße Wiedergabe von Rechtssätzen genügt dem ebenso wenig wie die bloße Zitierung aus Literaturfundstellen ohne jegliche Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im besagten Sinn (VwGH 21.2.2020, Ra 2019/16/0221, mwN).
7 Legt man den referierten Maßstab zugrunde, zeigt die außerordentliche Revision nicht auf, zu welchen Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlte oder das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche.
Entgegen den Ausführungen der Revision erfolgte die Vertragsaufhebung nicht auf Grund eines - rückwirkend - rechtsgestaltenden Urteiles, sondern auf Grund eines am 9. September 2015, sohin nach mehr als drei Jahren abgeschlossenen Vergleiches. Der von der Revision neuerlich ins Treffen geführte Umstand der mangelnden Erfüllung von der Verkäuferseite stand einer Gültigkeit des Verpflichtungsgeschäftes nicht entgegen.
Soweit abschließend die Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht „gerügt“ wird, legt die Revision nicht dar, dass die diesbezüglich vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen würde.
8 Die vorliegende Revision ist daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 26. Mai 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021160035.L00Im RIS seit
21.06.2021Zuletzt aktualisiert am
28.07.2021