TE Vwgh Beschluss 2021/5/27 Ra 2021/19/0169

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Veröffentlicht am 27.05.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §25a Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §34 Abs1a

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des F M, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2020, W208 2220517-1/13E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 14. Dezember 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen mit „religiösen Problemen“ im Herkunftsstaat begründete. Im weiteren Verlauf des Verfahrens brachte er vor, dass er von seinem ehemaligen Schuldirektor geohrfeigt, angezeigt und auf näher genannte Art und Weise verfolgt worden sei, weil er nicht habe beten wollen. Schließlich erklärte der Revisionswerber, zum Christentum konvertiert zu sein.

2        Mit Bescheid vom 8. Mai 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Mit dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis vom 14. Dezember 2020 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4        Begründend erachtete das BVwG das Vorbringen des Revisionswerbers, wonach er im Iran - insbesondere aufgrund der von ihm geschilderten Probleme mit seinem ehemaligen Schuldirektor - verfolgt worden sei, als nicht glaubwürdig. Trotz Taufe im April 2019 könne beim Revisionswerber keine Verinnerlichung des christlichen Glaubens festgestellt werden. Es sei nicht davon auszugehen, dass sich der Revisionswerber im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat privat oder öffentlich zum christlichen Glauben bekennen oder missionarisch betätigen würde. Bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat bestehe für den jungen, gesunden und arbeitsfähigen Revisionswerber, welcher über eine mehrjährige abgeschlossene Schulausbildung, Berufserfahrung sowie über familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsgebiet verfüge, keine reale Gefahr einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 und 3 EMRK. Nach Durchführung einer Interessenabwägung gelangte das BVwG zu dem Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Revisionswerbers im Bundesgebiet sein persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiege und die Rückkehrentscheidung somit keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Revisionswerbers darstelle.

5        Mit Beschluss vom 24. Februar 2021, E 314/2021-10, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen das Erkenntnis des BVwG gerichteten Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        Zu ihrer Zulässigkeit bringt die Revision primär vor, das BVwG habe seinen Ausspruch, wonach eine Revision gegen das vorliegende Erkenntnis nicht zulässig sei, ausschließlich mit der sinngemäßen Wiedergabe des Wortlautes des Art. 133 Abs. 4 B-VG begründet. Dies würde nicht den vom Verfassungsgesetzgeber intendierten Anforderungen an eine solche Begründung entsprechen. Die Begründung gemäß § 25a Abs. 1 VwGG dürfe kurz sein, aber nicht inhaltsleer. Anhand der entsprechenden Ausführungen sei eine Einschätzung allfälliger Erfolgsaussichten nicht möglich.

10       Mit diesen Ausführungen wird schon deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt, weil selbst das Fehlen einer näheren Begründung des Ausspruches nach § 25a Abs. 1 VwGG für sich betrachtet nicht dazu führt, dass die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG gegeben wären. Der Verwaltungsgerichtshof ist gemäß § 34 Abs. 1a VwGG an den nach § 25a Abs. 1 VwGG getätigten Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden, sondern überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision anhand der gemäß § 28 Abs. 3 VwGG dazu gesondert vorgebrachten Gründe. An der gesonderten Darlegung dieser Gründe, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird, war der Revisionswerber nicht gehindert (vgl. etwa VwGH 19.4.2016, Ra 2015/20/0302, sowie aus der jüngeren Judikatur 20.1.2021, Ra 2020/19/0323).

11       Soweit die Revision zu ihrer Zulässigkeit zudem die Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens rügt, ist auf die entsprechende ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen. Werden demnach Verfahrensmängel - wie hier Ermittlungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden (vgl. VwGH 9.12.2020, Ra 2020/19/0295, mwN). Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 25.3.2021, Ra 2021/20/0062, mwN). Diesen Anforderungen wird die diesbezüglich allgemein gehaltene Revision nicht gerecht.

12       Insofern sich die Revision überdies gegen die beweiswürdigenden Erwägungen des BVwG wendet und im Speziellen vorbringt, dem BVwG sei aufgrund dessen, dass es die im Verfahren vorgelegten Urkunden nicht zugunsten des Revisionswerbers gewertet habe, eine antizipierende Beweiswürdigung anzulasten, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung in Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht im Einzelfall die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. erneut VwGH Ra 2020/19/0295, mwN).

Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (vgl. VwGH 22.9.2020, Ra 2020/19/0289, mwN).

Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (vgl. VwGH 13.7.2020, Ra 2020/19/0227, mwN).

13       Das BVwG setzte sich in seiner Beweiswürdigung umfassend mit den Angaben des Revisionswerbers sowie mit der Aussage der einvernommenen Zeugin und mit den vorgelegten Urkunden auseinander. Im Ergebnis ging das BVwG von der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens aus und begründete dies mit oberflächlichen, detailarmen sowie teilweise unplausiblen Schilderungen des Revisionswerbers zu den behaupteten fluchtauslösenden Vorfällen. Die Annahme einer Scheinkonversion stützte das BVwG unter anderem auf inhaltsleere Aussagen des Revisionswerbers über seinen neuen Glauben sowie darauf, dass der Revisionswerber nach erfolgter Taufe den Gottesdienst nur noch unregelmäßig besucht, sich nicht im Rahmen der Kirchengemeinde engagiert und zu deren Mitgliedern auch keine Kontakte geknüpft habe. Angesichts der ausführlichen Würdigung des Vorbringens durch das BVwG, welches sich im Zuge einer mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschafft hat, ist - auch im Hinblick auf die allgemein gehaltenen Ausführungen der Revision - nicht zu erkennen, dass die vorgenommene Beurteilung fallbezogen unvertretbar wäre. Entgegen dem Vorbringen der Revision liegt auch keine antizipierende Beweiswürdigung vor.

14       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 27. Mai 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021190169.L00

Im RIS seit

21.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

06.07.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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