TE Vwgh Beschluss 2021/5/27 Ra 2021/19/0162

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Veröffentlicht am 27.05.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §18 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des M S P in W, vertreten durch Mag.rer.soc.oec. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. November 2020, W242 2192097-1/36E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein iranischer Staatsangehöriger, welcher am 13. April 2015 mit einem Visum „D“ nach Österreich einreiste und am 24. April 2015 einen befristeten Aufenthaltstitel für den Zweck „Studierender“ nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz erhielt, stellte - nachdem ein Verlängerungsantrag mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom 3. Mai 2017 abgewiesen worden war - am 20. Juni 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er im Wesentlichen damit, der iranische Geheimdienst habe während seines Auslandsaufenthaltes von seiner Konversion zum Christentum, welche circa vier Monate vor seiner Ausreise stattgefunden habe, erfahren, weshalb sein Leben nunmehr in Gefahr sei und er nicht mehr in den Iran zurückkehren könne.

2        Mit Bescheid vom 12. März 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 19. August 2019 als unbegründet ab und erklärte die Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig.

4        Infolge einer dagegen erhobenen Beschwerde hob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 28. November 2019, E 3555/2019-10, das Erkenntnis des BVwG zur Gänze wegen der Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander auf. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof im Wesentlichen aus, das BVwG habe es unterlassen, zumutbare Ermittlungen über die Echtheit des vom Revisionswerber vorgelegten Berufungsurteils aus dem Iran, wonach der Revisionswerber zur Todesstrafe verurteilt worden sei, durchzuführen. Insbesondere habe das BVwG den Revisionswerber nicht dazu aufgefordert, das erstinstanzliche Urteil aus dem Iran vorzulegen, obwohl es seine Beweiswürdigung (auch) auf den Umstand gestützt habe, dass mangels Vorlage eines solchen weder überprüft werden könne, ob ein solches Urteil tatsächlich existiere, noch ob dieses mit dem vorgelegten Berufungsurteil tatsächlich übereinstimme.

5        Im zweiten Rechtsgang wies das BVwG die Beschwerde des Revisionswerbers mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis erneut als unbegründet ab und erklärte die Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig.

6        Die vorgebrachte Konversion des Revisionswerbers zum christlichen Glauben wertete das BVwG neuerlich als nicht glaubwürdig und begründete dies unter anderem mit Divergenzen im Fluchtvorbringen, mit einer Steigerung desselben sowie mit widersprüchlich erscheinenden Angaben des Revisionswerbers über seine Motivation für die Hinwendung zum Christentum. Dem BVwG erschien überdies unplausibel, dass der Revisionswerber in den ersten zwei Jahren seines Aufenthalts in Österreich keine Kirche besucht habe. Die Aussagen des einvernommenen Zeugen, welcher den Revisionswerber als am christlichen Glauben interessiert beschrieben und seine aktive Teilnahme an kirchlichen Veranstaltungen bestätigt habe, würden sich nicht mit dem vom Revisionswerber im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG gewonnenen Eindruck decken. Bei den vom Revisionswerber vorgelegten Urkunden aus dem Iran handle es sich um „Gefälligkeitsurkunden“. Der Revisionswerber habe es trotz entsprechender Aufforderung unterlassen, das erstinstanzliche Urteil aus dem Iran vorzulegen, was er damit begründet habe, dass dieses Urteil in seiner Abwesenheit ergangen sei, er nichts davon gewusst und sein Vater über einen Anwalt erfolglos versucht habe, dieses Urteil zu bekämpfen. Auf weitere Nachfrage habe der Revisionswerber angegeben, dass er über das iranische Justizsystem nicht Bescheid wisse und er es unterlassen habe, sich um die Übermittlung des erstinstanzlichen Urteils zu bemühen, weil dieses mit der Vorlage des rechtskräftigen Berufungsurteils nicht mehr benötigt werde. Der Annahme, dass es sich bei den vorgelegten Dokumenten aus dem Iran um Gefälligkeitsurkunden handle, stünden auch die (mittlerweile eingeholten) Untersuchungsberichte des Bundeskriminalamtes nicht entgegen, zumal die Echtheit ebendieser Dokumente nur mangels geeignetem Vergleichsmaterial nicht habe ausgeschlossen werden können.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Zur Zulässigkeit bringt die Revision zusammengefasst Ermittlungs- und Begründungsmängel sowie die Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung vor. Das BVwG habe es trotz der aufhebenden Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes unterlassen, sich mit den vorgelegten iranischen Gerichtsurteilen auseinanderzusetzen. Das BVwG habe zwar eine Überprüfung der Urkunden durch das Bundeskriminalamt, jedoch neuerlich keine Überprüfung durch einen Vertrauensanwalt der Österreichischen Botschaft im Iran veranlasst und seine Wertung, dass es sich um „Gefälligkeitsurkunden“ handle, darauf gestützt, dass der Revisionswerber das erstinstanzliche Urteil aus dem Iran nicht habe vorlegen können. Überdies seien wesentliche Aussagen des einvernommenen Zeugen nicht berücksichtigt worden. Das BVwG hätte zudem näher genannte, ins Verfahren eingebrachte Länderberichte berücksichtigen müssen.

11       Was die in der Revision gerügte Unterlassung einer Überprüfung der vorgelegten Urkunden durch einen Vertrauensanwalt der Österreichischen Botschaft im Iran anbelangt, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach ein allgemeines Recht auf eine fallbezogene Überprüfung des Vorbringens durch Recherche im Herkunftsstaat nicht besteht. Die Beurteilung der Erforderlichkeit derartiger Erhebungen im Sinn des § 18 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 obliegt der ermittelnden Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht (vgl. etwa VwGH 29.1.2021, Ra 2020/19/0455, mwN). Die Frage, ob amtswegige Erhebungen erforderlich sind, stellt regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar, weil es sich dabei um eine einzelfallbezogene Beurteilung handelt. Solchen Fragen kann (nur) dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen (vgl. nochmals VwGH Ra 2020/19/0455, mwN).

12       Die Revision legt mit der bloßen Behauptung, bei einer Überprüfung der vorgelegten Urkunde vor Ort hätte festgestellt werden können, dass es sich bei dieser um keine „Gefälligkeitsurkunde“ handle, nicht dar, dass das BVwG von den Leitlinien der Rechtsprechung abgewichen wäre.

13       Soweit sich die Revision gegen die Beweiswürdigung wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung in Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht im Einzelfall die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 9.12.2020, Ra 2020/19/0295, mwN).

14       Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (vgl. etwa VwGH 10.3.2021, Ra 2021/19/0042, mwN).

15       Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (vgl. etwa erneut VwGH Ra 2020/19/0295, mwN).

Das BVwG setzte sich mit allen im Sinn dieser Rechtsprechung maßgeblichen Aspekten auseinander und stützte seine Beweiswürdigung insbesondere auf den persönlichen Eindruck des Revisionswerbers in der durchgeführten mündlichen Verhandlung. Es erachtete - wie bereits oben dargestellt - das Vorbringen des Revisionswerbers, wonach er infolge eines inneren Entschlusses zum Christentum konvertiert sei, als inkonsistent sowie widersprüchlich und aufgrund (lediglich) oberflächlicher und vager Angaben zur persönlichen Bedeutung des Christentums als insgesamt nicht glaubwürdig. Entgegen dem Vorbringen in der Revision setzte sich das BVwG auch mit den vorgelegten Urkunden aus dem Iran sowie mit den Aussagen des einvernommenen Zeugen auseinander und unterzog diese einer gesamtheitlichen Würdigung. Eine Unvertretbarkeit dieser Beweiswürdigung vermag die Revision nicht aufzuzeigen.

16       Werden überdies Verfahrensmängel - wie hier Ermittlungs- und Begründungsmängel zu näher genannten, vom Revisionswerber ins Verfahren eingeführten Länderberichten - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden (vgl. erneut VwGH Ra 2020/19/0295, mwN). Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 25.3.2021, Ra 2021/20/0062, mwN). Diesen Anforderungen wird die diesbezüglich allgemein gehaltene Revision nicht gerecht.

17       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 27. Mai 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021190162.L00

Im RIS seit

21.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

06.07.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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