TE Vwgh Beschluss 2021/5/27 Ra 2020/19/0184

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Veröffentlicht am 27.05.2021
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
VwGG §33 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des D D, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12/I, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. März 2020, L503 2218735-1/5E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Ein Aufwandersatz findet nicht statt.

Begründung

1        Der (volljährige) Revisionswerber ist Staatsangehöriger der Ukraine. Er stellte am 4. Jänner 2018 gemeinsam mit seiner Mutter und seinen Geschwistern, ebenfalls Staatsangehörige der Ukraine, einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte seine Mutter vor, der Revisionswerber leide an Epilepsie und sei mit Ausnahme der Nahrungsaufnahme nicht selbständig und arbeitsfähig. Bei einer Rückkehr in die Ukraine wisse sie nicht, wovon sie leben könnten. Der Vater des Revisionswerbers, ihr Ehemann, sei untergetaucht und komme nicht mehr für ihren Unterhalt und jenen des Revisionswerbers und dessen Geschwister auf.

2        Der Vater des Revisionswerbers, ein Staatsangehöriger Armeniens, stellte am 3. Dezember 2018 ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz.

3        Mit Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 21. September 2018 wurde der einschreitende Rechtsanwalt zum einstweiligen Erwachsenenvertreter des Revisionswerbers für dessen Vertretung im Asylverfahren bestellt. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 10. April 2019 wurde der einschreitende Rechtsanwalt zum gerichtlichen Erwachsenenvertreter des Revisionswerbers für dessen Vertretung „im Asylverfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in allen weiteren Verfahren, die mit der Frage des Aufenthaltes des Betroffenen im Bundesgebiet im Zusammenhang stehen“, bestellt. Begründend wurde in diesem Beschluss ausgeführt, der Revisionswerber sei schwerst behindert und werde im Haushalt seiner Mutter betreut. Weitere Angelegenheiten außer der Vertretung „im Asylverfahren“ seien nicht zu besorgen, weshalb der Wirkungskreis des Erwachsenenvertreters insoweit zu beschränken sei.

4        Mit Bescheid vom 27. März 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Ukraine ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in die Ukraine zulässig sei, sprach aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe, und erkannte einer Beschwerde gegen die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung ab.

5        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers - mit einer hier nicht relevanten Maßgabe - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6        Mit hg. Beschluss vom 10. Juni 2020 wurde dem Revisionswerber die Verfahrenshilfe für die außerordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis bewilligt. Mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer für Kärnten vom 22. Juni 2020 wurde der Erwachsenenvertreter des Revisionswerbers zum Verfahrenshelfer bestellt.

7        Gegen das Erkenntnis des BVwG erhob der Revisionswerber die vorliegende (außerordentliche) Revision.

8        In den vom BVwG übermittelten Verfahrensakten befindet sich ein Antrag der Eltern des Revisionswerbers vom 23. Mai 2019 auf unterstützte freiwillige Rückkehr nach Armenien für sich und ihre Kinder, den Revisionswerber eingeschlossen.

9        Mit Schreiben vom 11. Dezember 2020 übermittelte das BVwG eine Mitteilung des Vereins Menschenrechte Österreich, wonach dieser Verein den Revisionswerber sowie dessen Eltern und Geschwister auf ihren Wunsch bei der Ausreise unterstützt habe und die erfolgte Ausreise aus dem Bundesgebiet bestätige. Ihre Ausreise sei am 2. Dezember 2020 nach Armenien erfolgt.

10       Nach Aufforderung zur Stellungnahme teilte der Verfahrenshelfer des Revisionswerbers mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2020 mit, er sei als Erwachsenenvertreter von der Ausreise des Revisionswerbers nicht informiert worden und habe dazu auch keine Genehmigung erteilt. Er könne daher auch nicht bestätigen, dass die Ausreise auf Wunsch des Revisionswerbers erfolgt sei. Der Revisionswerber könne auf Grund seiner geistigen Beeinträchtigung seinen Willen nicht kundtun. „Nach den dem Erwachsenenvertreter vorliegenden Informationen“ seien der Revisionswerber und seine Familienangehörigen nicht freiwillig ausgereist, sondern auf Druck des ihre Ausreise betreibenden Vereins Menschenrechte Österreich. Trotz der Ausreise bestehe nach wie vor ein rechtliches Interesse des Revisionswerbers an einer Entscheidung über seine Revision, „zumal in seinem Asylverfahren rechtskräftig seine Außerlandesbringung in die Ukraine, nicht jedoch nach Armenien angeordnet wurde“. Im Asylverfahren habe nicht geklärt werden können, ob der arbeitsunfähige Revisionswerber in der Ukraine unter Berücksichtigung der geringen Höhe der ihm dort gebührenden Sozialrente eine Lebensgrundlage vorfinden werde, mit der die Grundlagen seiner menschlichen Existenz gedeckt würden, bzw. ob er in der Ukraine unter Berücksichtigung der dort vorhandenen wesentlich schlechteren Behandlungsmöglichkeiten als in Österreich eine Verschlechterung seines labilen Gesundheitszustandes befürchten müsse.

11       Gemäß § 33 Abs. 1 VwGG ist die Revision, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde, nach Anhörung des Revisionswerbers in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

12       § 33 Abs. 1 VwGG ist nicht auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall (wegen Gegenstandslosigkeit) liegt insbesondere auch dann vor, wenn der Revisionswerber kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat (vgl. etwa VwGH 31.3.2020, Ra 2020/14/0035).

13       Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist im Fall einer freiwilligen Rückkehr des Revisionswerbers in seinen Herkunftsstaat die Revision gegen ein Erkenntnis, mit dem ein Antrag auf internationalen Schutz ab- oder zurückgewiesen und eine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen wurde, als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen (vgl. VwGH 29.8.2019, Ra 2017/19/0532, mwN).

14       Im vorliegenden Fall ist der Revisionswerber zwar nicht in seinen Herkunftsstaat, welcher auf Grund seiner Staatsangehörigkeit die Ukraine ist, sondern gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern nach Armenien, also in den Herkunftsstaat seines Vaters ausgereist. Ungeachtet dessen ist anhand der Umstände des vorliegenden Falles unter Berücksichtigung des Vorbringens des bestellten Verfahrenshelfers im Schriftsatz vom 22. Dezember 2020 aber nicht ersichtlich, dass weiterhin ein rechtliches Interesse des Revisionswerbers an der Beseitigung des mit Revision bekämpften Erkenntnisses bestünde:

15       Wenn der einschreitende Rechtsanwalt das rechtliche Interesse des Revisionswerbers an einer Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes damit begründet, es sei unklar, ob der Revisionswerber in der Ukraine eine Lebensgrundlage vorfinden und ob sich sein labiler Gesundheitszustand in der Ukraine nicht verschlechtern werde, geht dieses Vorbringen auf Grund der Ausreise des Revisionswerbers nach Armenien von vornherein ins Leere, zumal sich das Revisionsvorbringen lediglich gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat des Revisionswerbers (Ukraine) und die damit einhergehende Rückkehrentscheidung richtet.

16       Wenn der einschreitende Rechtsanwalt vorbringt, der Revisionswerber und seine Familienangehörigen seien nicht freiwillig, sondern auf Druck eines Vereines ausgereist, ist zunächst festzuhalten, dass die durch die Ausreise erfolgte Änderung des Wohnortes des Revisionswerbers nicht vom Vertretungsumfang des gerichtlichen Erwachsenenvertreters des Revisionswerbers umfasst ist. Das Vorbringen, der Verfahrenshelfer habe in seiner Funktion als Erwachsenenvertreter der Ausreise nicht zugestimmt, geht demnach ins Leere. Warum die gemeinsam mit seinen Eltern und seiner Familie erfolgte Ausreise des Revisionswerbers „auf Druck“ erfolgt sein sollte, begründet der einschreitende Verfahrenshelfer, der auch nicht auf die gegenteilige Mitteilung des die Ausreise unterstützenden Vereins eingeht, lediglich mit ihm „vorliegenden Informationen“, ohne diese aber in einer für den Verwaltungsgerichtshof nachprüfbaren Weise zu konkretisieren.

17       Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, dass ungeachtet der Ausreise des Revisionswerbers aus dem Bundesgebiet nach wie vor ein rechtliches Interesse an der Fortführung seines Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz und somit an einer Sachentscheidung über das angefochtene Erkenntnis bestünde.

18       Die Revision war daher als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren gemäß § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen.

19       Ein Aufwandersatz findet gemäß § 58 Abs. 2 zweiter Halbsatz VwGG nicht statt.

Wien, am 27. Mai 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020190184.L00

Im RIS seit

21.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

06.07.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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