Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
ABGB §293Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, in der Revisionssache 1. des A S und 2. der C S, beide in W, beide vertreten durch Mag. Rupert Rausch, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Dannebergplatz 6/4/4, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 12. Juni 2018, VGW-211/048/16914/2017/E-10 und VGW-211/048/16915/2017/E, betreffend Gehsteigbekanntgabe und Stundung der Verpflichtung zur Gehsteigherstellung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; weitere Partei: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die revisionswerbenden Parteien haben der Stadt Wien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien wurde die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 3. Februar 2016, mit welchem in Bezug auf eine näher bezeichnete Liegenschaft in Wien die Breite, Höhenlage und Bauart des Gehsteiges bekanntgegeben (Spruchpunkt I) und festgelegt worden war, dass der Gehsteig gemäß § 54 Bauordnung für Wien (im Folgenden: BO) nach Anordnung der Behörde herzustellen sei, dass die Gehsteigherstellung jedoch gemäß § 54 Abs. 3 BO auf jederzeitigen Widerruf gestundet werde, als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.
5 Begründend legte das Verwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges und insbesondere der Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in dem in dieser Rechtssache bereits ergangenen Erkenntnis VwGH 14.11.2017, Ro 2017/05/0002, dar, im Hinblick auf das Schreiben der Grundeigentümerin vom 7. März 2014 - in welchem den revisionswerbenden Parteien mitgeteilt worden sei, dass die Zustimmung zur Bauführung und die Unterfertigung der Baupläne davon abhängig gemacht werde, dass ein Superädifikat errichtet werde und diese mit Einreichung der gegenständlichen Einreichpläne bei der Baubehörde dazu ihre Zustimmung erteilen würden - und die vorbehaltslose Einreichung der Baupläne sei vor Beginn der Bauarbeiten zumindest eine konkludente Vereinbarung zwischen der Grundeigentümerin und den revisionswerbenden Parteien zustande gekommen und dadurch die Superädifikatseigenschaft des Kleingartenhauses begründet worden, zumindest aber die mangelnde Belassungsabsicht in ausreichender Form dokumentiert.
6 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision führen die revisionswerbenden Parteien zunächst aus, dass im Spruchpunkt I. des ihnen zugestellten Bescheides des Magistrates der Stadt Wien vom 3. Februar 2016 offenbar auf Grund eines Fehlers des Druckers der Baubehörde ein Teil nicht lesbar sei, weil in der Tabelle mehrere Textzeilen übereinander gedruckt worden seien. Der genannte offensichtliche Druckfehler sei vor dem Verwaltungsgericht geltend gemacht worden, der erstinstanzliche Bescheid von diesem aber dennoch bestätigt und damit für rechtmäßig erklärt worden, wodurch eine Rechtsfrage aufgeworfen werde, zu der es noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gebe.
7 Weiters bringen die revisionswerbenden Parteien vor, zur Feststellung, dass das Schreiben der Grundeigentümerin vom 7. März 2014 beiden revisionswerbenden Parteien zugegangen und sie beide vor der Einreichung der Einreichpläne Kenntnis von diesem Schreiben erlangt hätten, lägen keine Beweisergebnisse vor. Das Beweisverfahren habe vielmehr ergeben, dass die Zweitrevisionswerberin und Ehefrau des Erstrevisionswerbers das Schreiben der Grundeigentümerin vom 7. März 2014 alleine bei der Magistratsabteilung 69 des Magistrates der Stadt Wien übernommen und das Bauansuchen noch am selben Tag bei der Baubehörde abgegeben habe. Die Feststellung des Verwaltungsgerichtes, dass das Schreiben vom 7. März 2014 auch dem Erstrevisionswerber zugekommen sei und dieser vor Einreichung der Einreichpläne davon Kenntnis erlangt habe, sei denkunmöglich und der Lebenserfahrung widersprechend.
Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage dargetan, der grundsätzliche Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukäme:
8 Zunächst ist festzuhalten, dass nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes § 62 Abs. 4 AVG grundsätzlich anzuwenden ist, wenn - wie im Revisionsfall - die den Parteien zugekommene Ausfertigung eines Bescheides mit dem genehmigten Bescheidkonzept nicht übereinstimmt, wobei eine Berichtigung jederzeit - somit auch nach Rechtskraft des zu berichtigenden Bescheides - möglich ist (vgl. zum Ganzen Hengstschläger/Leeb, AVG § 62 Rz 38 und 56 f. sowie VwGH 27.3.2020, Ra 2019/20/0435, mwN). Dass die von ihnen selbst als „offensichtlicher Druckfehler“ bezeichnete Unrichtigkeit einer Berichtigung nicht zugänglich sei, behaupten die revisionswerbenden Parteien nicht. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung wird damit insoweit nicht dargetan.
9 Die Frage, ob ein bestimmtes Gebäude als Superädifikat anzusehen ist oder nicht, unterliegt grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. etwa VwGH 23.4.2020, Ra 2018/06/0099, mwN).
10 Eine derartige Fehlbeurteilung wird in der Zulässigkeitsbegründung nicht dargestellt, zumal sich die revisionswerbenden Parteien ausschließlich auf eine mangelnde Kenntnisnahme vom besagten Schreiben der Grundeigentümerin durch den Erstrevisionswerber unmittelbar vor der Einreichung der Einreichpläne berufen. Maßgeblicher Zeitpunkt für das äußerlich erkennbare Fehlen der Belassungsabsicht ist aber nicht die Einreichung der Einreichpläne, sondern der Beginn der Bauführung (vgl. dazu VwGH 24.1.2013, 2012/06/0157, u.a.), auf welchen auch das Verwaltungsgericht zutreffend abgestellt hat. Unter Zugrundelegung dieses Zeitpunktes erscheint die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, die behauptete fehlende Kenntnis des Erstrevisionswerbers widerspreche der Lebenserfahrung, entgegen der Ansicht der revisionswerbenden Parteien keineswegs denkunmöglich, zumal eine mangelnde Kenntnis des Erstrevisionswerbers auch (noch) zu Beginn der Bauführung in der Zulässigkeitsbegründung nicht behauptet wird.
Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
11 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 1. Juni 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019050052.L00Im RIS seit
23.06.2021Zuletzt aktualisiert am
19.07.2021