TE Vwgh Erkenntnis 1997/3/19 93/11/0212

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Veröffentlicht am 19.03.1997
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Index

L17006 Gemeindeeigener Wirkungsbereich Steiermark;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

GesundheitsschutzV Graz 1971 §1 Abs1;
GesundheitsschutzV Graz 1971 §1 Abs2 lita;
VStG §44a Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde der M in G, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 19. August 1993, Zl. UVS 30.13-45/93-10, betreffend Übertretung der Gesundheitsschutzverordnung der Landeshauptstadt Graz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren betreffend Stempelgebühren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem (das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 2. Oktober 1992 bestätigenden) angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe seit Mai 1992 durch mangelnde Reinhaltung ihrer Wohnung, des Stiegenhauses, des WC im Parterre und des Kellers eines näher bezeichneten Hauses in Graz hygienische Mißstände (Geruchsbelästigung) herbeigeführt, die geeignet seien, das örtliche Gemeinschaftsleben in einem im Verhältnis zu den ortsüblichen Gegebenheiten unzumutbaren Ausmaß zu stören und die Umwelt untragbar zu belästigen, und dadurch eine Übertretung nach § 4 Abs. 1 iVm § 1 Abs. 2 lit. a der ortspolizeilichen Gesundheitsschutzverordnung des Gemeinderates vom 22. April 1971, Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz 1971, S. 123, idF der Verordnungen des Gemeinderates vom 12. Juni 1975, Amtsblatt S. 157, und der Verordnung des Gemeinderates vom 10. November 1983, Amtsblatt S. 241 (im folgenden GesundheitsschutzV), begangen. Über die Beschwerdeführerin wurde eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) verhängt.

In ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; sie beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach § 1 Abs. 1 GesundheitsschutzV sind unbeschadet bestehender Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes sowie der bestehenden ortspolizeilichen Anordnungen Handlungen und Unterlassungen, die für sich allein oder im Zusammenwirken mit anderen Handlungen und Unterlassungen geeignet sind, durch Lärm-, Staub-, Rauch- oder Geruchsentwicklung das örtliche Gemeinschaftsleben in einem im Verhältnis zu den jeweiligen ortsüblichen Gegebenheiten unzumutbaren Ausmaß zu stören und die Umwelt untragbar zu belästigen, insbesondere eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen durch hygienische Mißstände herbeizuführen, verboten.

Nach § 1 Abs. 2 lit. a GesundheitsschutzV ist, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 zutreffen, insbesondere die mangelnde Reinhaltung von Grundstücken und den darauf befindlichen Baulichkeiten und ähnlichen Objekten von Schmutz, Unrat und Ungeziefer verboten.

Nach § 4 Abs. 1 GesundheitsschutzV bilden Zuwiderhandlungen gegen die Anordnungen und Verbote dieser Verordnung eine Verwaltungsübertretung und werden mit Geldstrafen bis zu S 3.000,-- und im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen bestraft.

Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides nahm die belangte Behörde als erwiesen an, daß im gegenständlichen Wohnobjekt das WC im Parterre sowie der Kellergang vor dem Abteil der Beschwerdeführerin mit Kisten, Plastiksackerln und sonstigem Unrat verstellt gewesen seien, daß in sämtlichen Ecken des Kellers eine Unzahl von Plastiksäcken lagerten und daß derartige Unratablagerungen auch neben dem Wohnungseingang der Beschwerdeführerin im Parterre vorhanden seien. Die vernommenen Zeugen hätten bereits beim Stiegenhaus im Eingang und im Keller einen Geruch wie auf einer Mülldeponie wahrgenommen; starker Geruch sei weiters auf dem WC vorhanden gewesen und auch aus der Wohnung der Beschwerdeführerin geströmt. Für sämtliche Ablagerungen von Unrat zeichne unbestrittenermaßen die Beschwerdeführerin veranwortlich.

Die Beschwerdeführerin, die im gegenständlichen Haus als Hausbesorgerin eine Dienstwohnung bewohnt, bestreitet das ihr angelastete Verhalten. Es gebe keinerlei Hinweis darauf, daß die Ablagerungen ihr zuzurechnen seien; die belangte Behörde gehe lediglich von allgemein gehaltenen Feststellungen aus. Weder ihre Wohnung noch ihr Kellerabteil sei je einem Augenschein unterworfen worden. Ihr Einwand der mangelnden Passivlegitimation im Hinblick auf ihre Eigenschaft als Hausbesorgerin sei von der belangten Behörde nicht geprüft worden.

Vorweg ist festzuhalten, daß die belangte Behörde der Beschwerdeführerin spruchmäßig nicht etwa das Ablagern von Müll außerhalb der Müllablagerungsplätze (§ 1 Abs. 2 lit. c GesundheitsschutzV), sondern das Herbeiführen eines hygienischen Mißstandes (Geruchsbelästigung) durch mangelnde Reinhaltung (§ 1 Abs. 2 lit. a GesundheitsschutzV) zur Last gelegt hat. Da das Ablagern von Müll außerhalb der Müllablagerungsplätze im Tatbestand des § 1 Abs. 2 lit. c GesundheitsschutzV eigens erfaßt ist, kann ein derartiges Tun nicht auch unter den Tatbestand des § 1 Abs. 2 lit. a GesundheitsschutzV fallen. (Die belangte Behörde hat allerdings auch in der Begründung keine Feststellung dahin getroffen, die Beschwerdeführerin selbst habe den vorgefundenen Unrat abgelagert.)

Der angefochtene Bescheid ist in Ansehung des Schuldspruches und der Begründung in mehrfacher Hinsicht mit Mängeln behaftet:

Die Tatumschreibung im Spruch findet in der Begründung insoweit keine Deckung, als dort zwar von Ablagerungen NEBEN dem Wohnungseingang der Beschwerdeführerin, nicht jedoch auch IN der Wohnung die Rede ist.

Die Feststellung, die Beschwerdeführerin zeichne für die festgestellten Unratablagerungen "unbestrittenermaßen" verantwortlich, ist aktenwidrig. Die Beschwerdeführerin hat ihre Verantwortlichkeit für diese Ablagerungen ausdrücklich bestritten (im Einspruch und in der Berufung). Offenbar aufgrund dieser aktenwidrigen Annahme ist die belangte Behörde eine Begründung für ihre Annahme der Verantwortlichkeit der Beschwerdeführerin für die vorgefundenen Unratablagerungen schuldig geblieben.

Sollte allerdings ihre Antwort auf den Hinweis der Beschwerdeführerin auf die Verantwortlichkeit der Hauseigentümer bzw. der Hausverwaltung für den Mißstand, ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 lit. a GesundheitsschutzV könne von jedermann begangen werden und im übrigen bilde das gegenständliche Verhalten einen eklatanten Verstoß gegen die vertraglichen Pflichten als Hausbesorgerin zur regelmäßigen Reinigung von Stiegen, Kellern, usw., als Begründung für die Annahme der Verantwortlichkeit der Beschwerdeführerin zu verstehen sein, ist dazu festzuhalten:

Gegen das Verbot der "mangelnden Reinhaltung" von Grundstücken, darauf befindlichen Baulichkeiten und ähnlichen Objekten nach § 1 Abs. 2 lit. a iVm § 1 Abs. 1 GesundheitsschutzV verstößt, wer die zur Hintanhaltung einer qualifizierten Verschmutzung erforderlichen Reinigungsmaßnahmen unterläßt (arg.: "mangelnde Reinhaltung"). Diese Verpflichtung trifft allerdings (anders als das in § 1 Abs. 1 GesundheitsschutzV enthaltene Verbot der Verunreinigung von Grundstücken und Gebäuden) nicht jedermann, sondern nur die über das betreffende Grundstück (Objekt) Verfügungsberechtigten (Eigentümer, Pächter, Nutznießer bzw. Nutzungsberechtigte). Die in Rede stehende Reinhaltungspflicht erfaßt somit nur Personen, denen eine solche Rechtsstellung in bezug auf ein Grundstück (Objekt) zukommt. Da es sich hier um eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung handelt, kann sie durch private Rechtsgeschäfte nicht auf Dritte (Hausverwalter, Hausbesorger usw.) überbunden werden. Dazu bedürfte es einer entsprechenden Anordnung in der Verordnung selbst, wie sie ihr § 2 Abs. 1 in Ansehung der dort normierten Pflichten für "Beauftragte" vorsieht (ähnlich § 93 Abs. 5 StVO 1960 in Bezug auf Anrainerpflichten).

Im Hinblick auf diese Rechtslage ist somit zum einen der Hinweis auf die vertraglich vereinbarten Reinigungspflichten der Beschwerdeführerin als Hausbesorgerin im gegebenen Zusammenhang verfehlt; als solche konnte sie nicht gegen § 1 Abs. 2 lit. a GesundheitsschutzV verstoßen; ein solcher Verstoß kann ihr nur als Nutzungsberechtigte hinsichtlich Wohnung, Kellerabteil und WC zur Last fallen. Zum anderen bedarf es im Fall einer Übertretung des § 1 Abs. 2 lit. a GesundheitsschutzV zur Umschreibung der Tat im Sinne des § 44a Z. 1 VStG der Angabe der Rechtsstellung des Täters, aus der sich dessen Pflicht zu Reinigungsmaßnahmen ergibt. Eine solche Angabe fehlt jedoch im gegenständlichen Schuldspruch. Dessen Tatumschreibung entspricht auch insofern nicht dem Gebot des § 44a Z. 1 VStG, als daraus nicht ersichtlich ist, wodurch der angenommene hygienische Mißstand (Geruchsbelästigung) konkret verursacht wurde.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. 1994/416. Ersatz für Stempelgebühren war lediglich in Höhe von S 450,-- zuzusprechen (S 360,-- für drei Ausfertigungen der Beschwerde; S 90,-- für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides).

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1993110212.X00

Im RIS seit

07.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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