TE OGH 2021/5/4 5Ob21/21f

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Veröffentlicht am 04.05.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragstellerin H*****, vertreten durch die Prunbauer Rechtsanwalts GmbH, Wien, gegen die Antragsgegnerin Stadt Wien – Wiener Wohnen, *****, vertreten durch die Rudeck – Schlager Rechtsanwalts KG, Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 11 und Z 12 MRG, über die außerordentlichen Revisionsrekurse beider Parteien gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 27. November 2020, GZ 40 R 133/20k-18, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentlichen Revisionsrekurse werden mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1]       I. Zum außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin:

[2]       1.1 Dem Vermieter steht das Recht zu, zwischen der Jahrespauschalverrechnung und der Einzelvorschreibung der Betriebskosten jeweils für den Zeitraum eines ganzen Kalenderjahres zu wählen (RIS-Justiz RS0070024). Die (rechtmäßig vorgeschriebene) Pauschalrate nach § 21 Abs 3 MRG ist ein selbständiger gesetzlicher Mietzinsbestandteil, der ohne Rücksicht auf eine spätere Abrechnung geschuldet wird, und nicht die Akontierung laufender Betriebskosten (RS0070097; RS0070107; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht²³ § 21 MRG Rz 13; E. MHausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht³ Rz 44 f zu § 21 MRG je mwN).

[3]            1.2 Die Antragstellerin steht
– zusammengefasst – auf dem Standpunkt, dass die von der Antragsgegnerin für das Jahr 2017 gewählte Pauschalverrechnung der Betriebskosten unzulässig gewesen sei, weil der Bekanntgabe der Jahrespauschalraten mit Schreiben vom 7. 12. 2016 nicht die Daten für das Abrechnungsjahr 2016, sondern solche für das Jahr 2015 zugrunde gelegt worden seien. Das sei unstrittig und ergebe sich schon daraus, dass die Betriebskosten für das Jahr 2016 zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgerechnet gewesen seien. Da die Voraussetzungen des § 21 Abs 3 MRG nicht vorgelegen hätten, sei durch die Vorschreibung der monatlichen Pauschalraten das gesetzlich zulässige Zinsausmaß überschritten worden.

[4]            2. Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Verrechnung der Betriebskosten in Form von Pauschalraten hat der Vermieter zu behaupten und zu beweisen (vgl 5 Ob 43/91). Er darf die Verrechnungsart der Jahrespauschalverrechnung nicht wählen, wenn keine Daten über die Betriebskosten des vorausgegangenen Kalenderjahres vorliegen (EMHausmann aaO Rz 43; Egglmeier/Jäger in Schwimann, ABGB² § 21 MRG Rz 41; Würth in Rummel, ABGB³ § 21 MRG Rz 10 je mwN). Das war nach den Feststellungen aber nicht der Fall, weil die Antragsgegnerin bei der Bekanntgabe der monatlichen Pauschalrate für das Jahr 2017 über Unterlagen zur Höhe der Betriebskosten des Jahres 2016 verfügte. Indem die Antragstellerin diesen Umstand ignoriert, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, sodass ihre Rechtsrüge insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (vgl RS0043603; RS0043312). Darauf, dass es bei Bekanntgabe der Pauschalraten für das kommende Jahr nicht auf das Vorliegen der formellen Abrechnung gemäß § 21 Abs 3 MRG ankommt, die erst bis zum 30. 6. des folgenden Jahres zu erstatten ist, haben bereits die Vorinstanzen zutreffend hingewiesen (siehe auch Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 § 21 MRG Rz 16; Egglmeier-Schmolke/Schinnagl in Böhm/Pletzer/ Spruzina/Stabentheiner, GeKo Wohnrecht I § 21 MRG Rz 58; zu einer vergleichbaren Ausgangslage bereits 5 Ob 228/18t). Warum die rechtliche Beurteilung unrichtig sein soll, wenn das Rekursgericht die Abweisung ihres Antrags, festzustellen, ob eine rechtskonforme Basis für die Jahrespauschalverrechnung für das Jahr 2018 gegeben sei, bestätigte, kann die Antragstellerin nicht schlüssig darlegen, beruht er doch auf dem selben Vorwurf.

[5]            3. Die Geltendmachung des Rekursgrundes der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung setzt auch im Außerstreitverfahren voraus, dass der qualifiziert vertretene Rechtsmittelwerber inhaltlich ausreichend bestimmt erkennen lässt, welche konkrete Feststellung bekämpft wird, infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung sie getroffen wurde, welche Feststellung begehrt wird und aufgrund welcher Beweisergebnisse und Erwägungen die begehrte Feststellung zu treffen gewesen wäre (RS0006674 [T43]). Fehlt es an diesen Voraussetzungen, bedarf es entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin auch keiner Verbesserung ihres Rechtsmittels, sodass sie mit ihrem Hinweis, das Rekursgericht hätte das Verfahren in ihrem Sinn ergänzen müssen, keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens in zweiter Instanz aufzeigen kann. Sollte sie mit ihren Ausführungen auf angebliche Mängel des erstgerichtlichen Verfahrens abzielen, übersieht sie, dass solche auch im außerstreitigen Rechtsmittelverfahren – von hier nicht gegebenen Ausnahmen abgesehen – nicht mehr an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden können, wenn – wie hier – bereits das Gericht zweiter Instanz ihr Vorliegen verneint hat (RS0050037; RS0042963 [T48]). Ihre Verweise auf Ausführungen in ihrem Rechtsmittel an die zweite Instanz sind unbeachtlich (RS0043579 [T21]).

[6]            4Im Fall einer zwischenzeitlichen Erhöhung von Betriebskosten oder den öffentlichen Abgaben darf der Gesamtbetrag der Betriebskosten und der öffentlichen Abgaben des vorausgegangenen Kalenderjahres um höchstens 10 vH überschritten werden. Es trifft zwar zu, wie die Revisionsrekurswerberin geltend macht, dass die Antragsgegnerin bei der Vorschreibung der Pauschalraten für das Jahr 2017 – anders als in dem zu 5 Ob 228/18t entschiedenen Fall, der ebenfalls ein Verfahren zwischen den selben Parteien betraf – diese Grenze zunächst überschritten hatte, weil, wie sich bei Legung der Abrechnung herausstellte, die Betriebskosten des Jahres 2016 nicht die Höhe jener des vorangegangenen Jahres erreichten. Ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass der gesetzliche Mietzins insoweit überschritten worden wäre (vgl dazu Egglmeier-Schmolke/Schinnagl aaO § 21 MRG Rz 57), kann die Antragstellerin aber schon deshalb nicht nachvollziehbar darlegen, weil die Antragsgegnerin die Differenzbeträge nach Vorliegen der Abrechnung für das Jahr 2016 rückerstattete, bevor noch ihr Antrag bei der Schlichtungsstelle anhängig war.

[7]            5. Nach § 21 Abs 3 MRG hat der Vermieter die Betriebskosten und öffentlichen Abgaben bis spätestens 30. 6. des folgenden Kalenderjahres abzurechnen und dem Hauptmieter in geeigneter Weise Einsicht in die Belege zu gewähren. Dazu hat der Fachsenat in der von der Antragstellerin zitierten Entscheidung zu 5 Ob 106/99w klargestellt, dass, werden Belege auf Datenträgern erfasst und zur Einsicht bereitgehalten, sichergestellt sein muss, dass die Daten dem Beweiswert von Originalurkunden entsprechen. Ein Anspruch, dass die Daten in einem bestimmten Format bereitgestellt werden müssten, wie die Antragstellerin offenbar meint, lässt sich weder aus dieser Entscheidung noch aus dem Gesetz ableiten.

[8]            II. Zum außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin:

[9]       1. Das Rekursgericht trug der Antragsgegnerin in Abänderung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses unter Androhung einer Ordnungsstrafe von 2.000 EUR auf, der Antragstellerin oder einer von ihr bevollmächtigten Person in sämtliche Belege (inklusive Zahlungsnachweise) zur Betriebskosten- und Hauptmietzinsabrechnung der Wohnhausanlage [...] für das Jahr 2017 Einsicht zu gewähren. Dagegen wendet die Antragsgegnerin im Wesentlichen ein, sie habe ihrer Verpflichtung nach § 21 Abs 3 MRG ohnedies entsprochen, weil sie die Einsichtnahme in die Belege nach vorheriger telefonischer Terminvereinbarung angeboten habe.

[10]           2. Eine Fehlbeurteilung dieser Frage durch das Rekursgericht kann die Antragsgegnerin schon deshalb nicht aufzeigen, weil sie wesentliche Aspekte der vom Erstgericht in diesem Zusammenhang festgestellten Umstände ignoriert. Danach hat der Ehemann der Antragstellerin als ihr Vertreter bereits mit E-Mail vom 27. 6. 2018 um einen ehebaldigen Termin für eine Einsicht in die Originalbelege zum Abrechnungsjahr 2017 ersucht. Mit Schreiben vom 2. 7. 2018 setzte die Antragsgegnerin den Vorsitzenden des Mieterbeirats davon in Kenntnis, dass die detaillierten Rechnungs- und Einnahmelisten (Langfassung) bei Wiener Wohnen aufliegen, und eine Einsichtnahme nach vorheriger telefonischer Terminvereinbarung vorgenommen werden könne. Eine weitere E-Mail-Anfrage namens der Antragstellerin vom 25. 10. 2018 um Nennung eines Termins für die Belegeinschau beantwortete die Antragsgegnerin mit einer Eingangsbestätigung und dem Beisatz, das Anliegen werde so rasch als möglich bearbeitet werden. In der Folge unterblieb jedoch eine Reaktion.

[11]     3. Wenn das Rekursgericht bei dieser Sachlage zum Ergebnis gelangte, die allgemeine Bekanntgabe, Terminvereinbarungen seien telefonisch zu treffen, sei, wenn sie (auch) der Antragstellerin zugekommen sein sollte, keine adäquate Mitwirkung der Antragsgegnerin im Sinn des § 21 Abs 3 MRG, ist das im Einzelfall (vgl dazu 5 Ob 18/12a) keinesfalls unvertretbar. Welche Befugnisse den Mitarbeitern des Callcenters zukommen, das für die Antragsgegnerin Telefonate entgegenzunehmen hat, ist demgegenüber ohne Relevanz.

[12]     III. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Textnummer

E131895

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00021.21F.0504.000

Im RIS seit

17.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

17.06.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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