TE Vwgh Erkenntnis 1997/3/19 96/01/0021

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Veröffentlicht am 19.03.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AVG §68 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. November 1995, Zl. 4.270.958/26-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. November 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Zaire, der am 22. Jänner 1989 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 29. Oktober 1992 den nunmehr dritten Asylantrag gestellt hat, gegen den diesen Asylantrag zurückweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 4. November 1992 abgewiesen.

Zur Vorgeschichte im Hinblick auf den ersten Asylantrag des Beschwerdeführers vom 25. Jänner 1989 und den zweiten Asylantrag des Beschwerdeführers vom 5. Februar 1990 wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 94/19/0052, verwiesen. Mit dem genannten Erkenntnis wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. September 1992, mit welchem dieser die Berufung des Beschwerdeführers gegen den den zweiten Antrag des Beschwerdeführers wegen entschiedener Sache zurückweisenden Bescheid der Sicherheitsdirektion Wien abwies, abgewiesen. Die belangte Behörde hatte im letztgenannten Bescheid § 2 Abs. 3 des Asylgesetzes 1991 angewendet.

Den nunmehr dritten Asylantrag stützte der Beschwerdeführer über sein dem vorhergehenden Verfahren zugrundeliegenden Vorbringen hinausgehend auf einen "Fahndungsbefehl" vom 15. November 1990. Aus diesem gehe hervor, daß der Beschwerdeführer aus Gründen seiner politischen Gesinnung verfolgt werde. Der den vorhergehenden Verfahren zugrundeliegende Sachverhalt sei seit dem 15. November 1990 in der Richtung wesentlich verändert, daß sein Heimatstaat nunmehr bereits konkrete Schritte unternehme, um den Beschwerdeführer aus politischen Gründen zu verfolgen. Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 4. November 1992 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Die Behörde erster Instanz konnte im dritten Antrag des Beschwerdeführers keinen neuen Sachverhalt erkennen.

In der dagegen erhobenen Berufung wies der Beschwerdeführer neuerlich darauf hin, daß es sich bei dem genannten "Fahndungsbefehl" um eine neue Tatsache handle, welche erst nach dem Zeitpunkt entstanden sei, in welchem er sie im vorhergehenden Asylverfahren mit Aussicht auf Erfolg hätte geltend machen können. Der "Fahndungsbefehl" habe die für die Entscheidung maßgebenden Umstände wesentlich verändert, weshalb einer neuen Sachentscheidung die Rechtskraft nicht entgegenstehe.

Die belangte Behörde ersuchte im Berufungsverfahren das Bundesasylamt mit Schreiben vom 12. Oktober 1995 um niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers unter anderem zu folgendem Thema:

"Hiebei möge M vorgehalten werden, daß der von ihm vorgelegte "Fahndungsbefehl" vom 15.11.1990 (Aktenseite 106, 107) ganz offensichtlich - und sogar für jeden Laien erkennbar - eine Totalfälschung darstellt, die keinesfalls geeignet ist, eventuelle Nachfluchtgründe seiner Person glaubhaft zu machen. Es ist wohl undenkbar, daß in einem "Fahndungsbefehl" lediglich der Name des Betreffenden eingesetzt wird, ohne daß hiebei auch zumindest das Geburtsdatum, die (letzte bekannte) Anschrift oder andere Merkmale zur Konkretisierung der Person angeführt werden. Weiters erscheint geradezu absurd, daß in einem derartigen Schriftstück ausdrücklich erklärt wird, daß der Betreffende aus politischen Gründen verfolgt wird, sodaß insgesamt, zumal auch der Rundstempel und die Unterschrift des Gefertigten völlig unleserlich sind, diese Urkunde als plumper Versuch einen sogenannten Nachfluchtgrund zu konstruieren erscheint. In diesem Zusammenhang wäre der Genannte auch zu befragen, wie diese Urkunde denn überhaupt in seinen Besitz gelangt sei, da Haftbefehle dem Betreffenden regelmäßig erst anläßlich der Verhaftung zukommen."

Der Beschwerdeführer wurde am 2. November 1995 vor dem Bundesasylamt Linz im Beisein von Frau Mag. F für Dr. R und unter Beiziehung eines Dolmetschers für die französische Sprache niederschriftlich einvernommen. Der Zweifel der belangten Behörde an der Echtheit des "Fahndungsbefehls" vom 15. November 1990 wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten; er gab dazu an:

"Ich habe derzeit viele Probleme und den Kopf voll. Ich führe an, daß dieser Fahndungsbefehl echt ist. Ich erhielt diesen Fahndungsbefehl im Jahr 1991 oder 1992 von der Uni Kinshasa. Dieser wurde mir von Studenten übermittelt. Es handelt sich dabei um Mitglieder der UDPS. Ein Student namens J übermittelte dieses Schriftstück an mich in Österreich. Nachdem vor zwei Jahren die Uni geschlossen wurde, brach der Kontakt zu dieser Person ab."

Daraufhin erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid. Sie begründete ihn mit im wesentlichen dem oben wiedergegebenen Vorhalt entsprechenden Argumenten unter Bezugnahme darauf, daß der Beschwerdeführer nach Vorhalt dieser Umstände keine Erklärung für die kuriose Form bzw. den Inhalt des Schriftstückes habe finden können, sondern lediglich ausweichend knapp ausgeführt habe, daß er "derzeit viele Probleme und den Kopf voll habe". Auch die Erklärungsversuche hinsichtlich des Zukommens des "Fahndungsbefehles" vermöchten mangels Überprüfbarkeit und Nachvollziehbarkeit, wie der vom Beschwerdeführer genannte Student an dieses Schriftstück gelangt sein sollte, "nicht zu überzeugen", daß der "Fahndungsbefehl" keine "Totalfälschung" darstelle. Damit sei das Schriftstück nicht geeignet, eine Änderung der Sachlage gegenüber der seinerzeitigen Entscheidung im letzten Asylverfahren glaubhaft zu machen. In dieser Ansicht sei die belangte Behörde auch durch den Umstand bestärkt, daß der Beschwerdeführer - nach früheren Angaben - angeblich aus der Haft entlassen worden sein wolle. Es erscheine wenig glaubhaft, daß er einerseits offiziell aus dem Gefängnis entlassen worden sei und andererseits nun doch wieder verhaftet werden solle. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer in seinem übrigen Vorbringen zumindest einmal bewußt die Unwahrheit angegeben, weil er hinsichtlich seiner Mitgliedschaft bei der regimegegnerischen Partei UDPS und hinsichtlich seiner Flucht bzw. Entlassung aus der Haft gravierend widersprüchliche Angaben gemacht habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Insofern der Beschwerdeführer zur Frage der Echtheit des "Fahndungsbefehls" mangelndes Parteiengehör behauptet, ist dieses Vorbringen aktenwidrig. Er ist auf die oben wiedergegebenen Vorhaltungen anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 2. November 1995 hinzuweisen. Daraus folgt, daß sein nunmehr in der Beschwerde erstattetes Sachverhaltsvorbringen gegen die von der belangten Behörde angenommene Totalfälschung des "Fahndungsbefehls" dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG unterliegt.

Bereits das Argument der belangten Behörde, es sei wohl undenkbar, daß in einem "Fahndungsbefehl" lediglich der Name des Betreffenden eingesetzt werde, ohne daß hiebei auch zumindest das Geburtsdatum, die (letzte bekannte) Anschrift oder andere Merkmale zur Konkretisierung der Person angeführt würden, sind allein für sich gesehen nicht ungeeignet, um daraus schlüssig die Fälschung des "Fahndungsbefehles" ableiten zu können. Der Beschwerdeführer ist anläßlich des Vorhaltes bei der - im Beisein seines Rechtsvertreters - durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme vom 2. November 1995 dieser Annahme lediglich ausweichend entgegengetreten. Das weitere Argument der belangten Behörde hinsichtlich der Zweifel am Zukommen des "Fahndungsbefehles" hat der Beschwerdeführer nur in unüberprüfbarer Weise beantwortet sowie offengelassen, wie der "Fahndungsbefehl" in die Hände des Studenten gelangt sein solle, welcher dieses Schriftstück an den Beschwerdeführer übermittelt haben solle. Der belangten Behörde kann nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie diese Erklärungsversuche des Beschwerdeführers als ungeeignet ansah, der Fälschungsannahme hinsichtlich des "Fahndungsbefehles" Hinreichendes entgegenzusetzen.

Die vom Beschwerdeführer in der Beschwerde versuchte Darstellung, das "Fahndungsersuchen" sei kein Haftbefehl, ist angesichts des darin enthaltenen Textes, der Beschwerdeführer möge im Fall, daß er aufgefunden werde, verhaftet und mit Militärgewalt "in die Verwahrung des Höchstgerichtes" überstellt werden, nicht nachvollziehbar. Auch nach dem Beschwerdevorbringen richtet sich der "Fahndungsbefehl" an andere staatliche Stellen der Republik Zaire als an die Universität, und kann daher das behauptete Zukommen über einen Studenten an den Beschwerdeführer nicht erklären.

Dem Beschwerdeführer ist lediglich dahingehend zu folgen, daß die zur Bestärkung der Fälschungsannahme der belangten Behörde unter anderem vom Beschwerdeführer auch behauptete offizielle "provisorische" Entlassung aus der Haft (an anderer Stelle: Flucht aus der Haft zu einem anderen Termin als die offizielle Entlassung) nicht geeignet ist, ein weiteres Indiz für die Fälschung des "Fahndungsbefehles" darzutun. Denn es widerspricht nicht der allgemeinen Erfahrung, daß nach einer Person, welche nach "provisorischer Haftentlassung" das Land verläßt, neuerlich gefahndet wird. Die Unrichtigkeit dieses zusätzlichen Argumentes der belangten Behörde bewirkt aber nicht die Unschlüssigkeit der auf anderen tragenden Gründen basierenden Wertung der belangten Behörde.

Insofern der Beschwerdeführer auf eine vorgehaltene Urkunde aus Deutschland eingeht, ist ihm entgegenzuhalten, daß diese Urkunde im angefochtenen Bescheid nicht erwähnt wird, sodaß das Vorbringen ins Leere geht.

Damit erübrigt sich eine Befassung mit den von der belangten Behörde aufgezeigten Widersprüchen des Beschwerdeführers in den bisherigen Verwaltungsverfahren und dem Schluß der Behörde, er habe zumindest einmal bewußt die Unwahrheit angegeben, welchem der Beschwerdeführer im übrigen nicht entgegengetreten ist.

Da sohin die Verneinung der Echtheit des vorgelegten "Fahndungsbefehles" nicht als unschlüssig erkannt werden kann, ist die belangte Behörde auch mit ihrer rechtlichen Folgerung, es sei kein gegenüber den früheren Asylanträgen wesentlich geänderter entscheidungsrelevanter Sachverhalt glaubhaft gemacht, weshalb der nunmehrige Asylantrag zu Recht von der Behörde erster Instanz wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden sei, im Recht.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996010021.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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