TE OGH 2021/5/26 8Ob53/21h

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Veröffentlicht am 26.05.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Insolvenzsache des Schuldners E***** M*****, vertreten durch die Url Rechtsanwalt GmbH in Knittelfeld, über den ordentlichen Revisionsrekurs des Gläubigers K***** S*****, vertreten durch Mag. Gerhard Moser, Rechtsanwalt in Murau, gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 12. März 2021, GZ 32 R 8/21b-51, mit dem der Rekurs des Gläubigers gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Judenburg vom 20. Jänner 2021, GZ 19 S 5/14k-47, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Text

Begründung:

[1]            Mit Beschluss des Erstgerichts vom 24. 3. 2014 wurde über das Vermögen des Schuldners das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Die Frist zur Forderungsanmeldung wurde mit 5. 5. 2014 festgesetzt.

[2]            In der Tagsatzung vom 26. 5. 2014 wurde der vom Schuldner angebotene Zahlungsplan angenommen. Demnach sollten die Insolvenzgläubiger 7 % ihrer Forderungen durch einmalige Zahlung binnen 14 Tagen nach Annahme des Zahlungsplans erhalten.

[3]            Mit Beschluss vom selben Tag wurde der Zahlungsplan bestätigt. Der Eintritt der Rechtskraft der Bestätigung des Zahlungsplans und die Aufhebung des Schuldenregulierungsverfahrens wurden am 30. 6. 2014 in der Insolvenzdatei bekanntgemacht. Das Ende der Zahlungsfrist wurde mit 9. 6. 2014 angegeben.

[4]            Mit Antrag vom 19. 1. 2021 begehrte K***** S***** (im Folgenden: Antragsteller) die Feststellung nach § 197 Abs 2 IO, dass die nach dem Zahlungsplan zu zahlende Quote seiner nachträglich hervorgekommenen Forderung der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners entspreche. Er habe seit dem Jahr 1996 einen für vollstreckbar erklärten Titel gegen den Schuldner, aus dem insgesamt 200.020,12 EUR unberichtigt aushafteten. Die Anmeldung im Schuldenregulierungsverfahren sei unterblieben, weil der Antragsteller von der Insolvenz des Schuldners nicht in Kenntnis gesetzt worden sei und der Schuldner die Forderung im Schuldenregulierungsverfahren nicht angegeben habe.

[5]            Das Erstgericht wies diesen Antrag mit der Begründung ab, dass er am 13. 1. 2021 und somit erst nach dem Ende der Zahlungsfrist am 9. 6. 2014 des rechtskräftig bestätigten Zahlungsplans eingelangt sei. Aufgrund des Endes der Zahlungsfrist seien vom Schuldner keine weiteren Teilquoten an die Gläubiger zu tätigen.

[6]            Gegen diesen Beschluss erhob der Antragsteller Rekurs.

[7]            Das Rekursgericht wies mit der angefochtenen Entscheidung den Rekurs zurück. Nach § 197 Abs 2 IO habe das Gericht auf Antrag vorläufig darüber zu entscheiden, ob die zu zahlende Quote einer nachträglich hervorgekommenen, bei Abstimmung über den Zahlungsplan nicht angemeldeten Forderung der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners entspricht. Bei diesem Beschluss handle es sich um eine vorläufige Entscheidung iSd § 156b IO. Aufgrund des expliziten Verweises in § 197 Abs 2 IO auf § 156b IO sei ein solcher Beschluss nach § 197 Abs 2 IO nicht anfechtbar. Aus dem Charakter einer Feststellung iSd § 197 Abs 2 IO als bloß vorläufige Provisorialentscheidung ergebe sich, dass sowohl dem Schuldner als auch dem Gläubiger eine Überprüfung der Beschlussfassung nach § 197 Abs 2 IO im Rechtsweg freistehe. Liege wie hier ein vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschaffener Titel vor, könne der nicht anmeldende Gläubiger, der sich mit der Entscheidung des Insolvenzgerichts nicht zufrieden gebe, eine Feststellungsklage betreffend die Vollstreckbarkeit des alten Exekutionstitels erheben. Der Schuldner könne den Ausspruch nach § 197 Abs 2 IO mit Oppositions- oder Feststellungsklage bekämpfen. Aufgrund der Unanfechtbarkeit der erstgerichtlichen Beschlussfassung nach § 197 Abs 2 iVm § 156b Abs 1 letzter Satz IO erweise sich der Rekurs des Antragstellers als unzulässig.

[8]            Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 30.000 EUR. Es ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mit der Begründung zu, dass soweit überblickbar höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob eine Entscheidung nach § 197 (iVm § 156b) IO insbesondere auch dann unanfechtbar sei, wenn das Erstgericht die Abweisung des Antrags des Einschreiters auf dessen verspätete Geltendmachung stütze.

[9]            Gegen diese Entscheidung richtet sich der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revisionsrekurs des Antragstellers mit einem auf Stattgebung des Antrags nach § 197 Abs 2 IO gerichteten Abänderungsantrag; hilfsweise wird beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache an das Rekursgericht zurückzuverweisen. In seinem Rechtsmittel wendet sich der Antragsteller jedenfalls auch gegen die Ansicht des Rekursgerichts, die erstinstanzliche Entscheidung sei unanfechtbar.

[10]           Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig und im Sinne des Eventualantrags auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[11]           1. Jedes Rechtsmittel ist grundsätzlich nur auf die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung gerichtet. Das Rechtsschutzziel eines Rechtsmittels gegen einen Beschluss auf Zurückweisung eines Rechtsmittels kann damit nicht auf Abänderung oder Aufhebung einer anderen Entscheidung gerichtet sein. Ansonsten würde das Rechtsmittelgericht eine Entscheidungskompetenz in Anspruch nehmen, die nach funktionellen Kriterien einer Vorinstanz zukommt (8 Ob 56/19x [Pkt II.1.] mwN).

[12]           Es ist demnach hier allein die angefochtene, auf Zurückweisung des gegen die erstgerichtliche Entscheidung eingebrachten Rekurses wegen des Rechtsmittelausschlusses nach § 197 Abs 2 iVm 156b Abs 1 Satz 2 IO lautende Entscheidung auf deren Richtigkeit zu überprüfen. Die mit dem Hauptantrag des Revisionsrekurswerbers angestrebte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs über seinen Antrag nach § 197 Abs 2 IO selbst ist anlässlich des vorliegenden Revisionsrekurses ausgeschlossen.

[13]           2.1. Nach § 156b Abs 1 Satz 1 IO hat das Insolvenzgericht in einer bestimmten – hier nicht interessierenden – Situation „auf Antrag des Schuldners oder des Gläubigers die mutmaßliche Höhe der bestrittenen Forderung oder des Ausfalls vorläufig festzustellen“. Nach § 156b Abs 1 Satz 2 IO ist gegen diese Entscheidung kein Rechtsmittel zulässig.

[14]           Nach § 197 Abs 1 Satz 1 IO haben Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen bei Abstimmung über den Zahlungsplan nicht angemeldet haben, Anspruch auf die nach dem Zahlungsplan zu zahlende Quote „nur insoweit, als diese der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners entspricht“. Ob die zu zahlende Quote der nachträglich hervorgekommenen Forderung der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners entspricht, hat das Insolvenzgericht gemäß § 197 Abs 2 IOauf Antrag vorläufig zu entscheiden (§ 156b)“.

[15]           2.2. § 156b Abs 1 Satz 2 IO schließt ein Rechtsmittel nur „gegen diese Entscheidung“ aus, nämlich eine Entscheidung, mit der die mutmaßliche Höhe der bestrittenen Forderung oder des Ausfalls vorläufig festgestellt wird. Aus dem Klammerverweis auf § 156b am Ende von § 197 Abs 2 IO geht hervor, dass auch die in § 197 Abs 2 genannte Entscheidung unbekämpfbar ist (vgl Mohr, IO11 [2012] Anm 3 zu § 197; G. Kodek, Privatkonkurs2 [2015] Rz 444; I. Faber in KLS [2019] § 197 Rz 18; Jelinek/Zangl/Jaufer, IO9 [2020] Anm zu § 197), also eine Entscheidung darüber, ob oder inwieweit (vgl § 197 Abs 1 IO sowie 17 Ob 5/21s [Pkt II.1.3.] mwH) die zu zahlende Quote der nachträglich hervorgekommenen Forderung der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners entspricht (vgl 8 Ob 146/09t [Pkt IV.1.]; 3 Ob 51/11p [Pkt 2.2.] = EvBl 2011/125 [Schneider]; 3 Ob 189/14m [Pkt 3.1.] = ÖBA 2016/2295 [Posani]; RIS-Justiz RS0114815).

[16]           2.3. Im vorliegenden Fall beantragte der jetzige Revisionsrekurswerber unter expliziter Bezugnahme auf § 197 Abs 2 IO zu entscheiden, „dass die nach dem Zahlungsplan zu zahlende Quote hinsichtlich der nachträglich hervorgekommenen Forderung des Gläubigers der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners entspricht“, also eine gänzlich bejahende Entscheidung der im Gesetz genannten Frage, „ob die zu zahlende Quote der nachträglich hervorgekommenen Forderung der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners entspricht“. Das Erstgericht wies diesen Antrag ab, jedoch nicht etwa deshalb, weil es zum Ergebnis gekommen wäre, dass die Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners gar nicht oder zumindest nicht zur Gänze die Begleichung der Forderung des Antragstellers mit der Zahlungsplanquote erlaubte. Vielmehr begründete es die Abweisung damit, dass aufgrund des Endes der Zahlungsfrist vom Schuldner keine weiteren Teilquoten an die Gläubiger zu tätigen seien. Das Erstgericht hat somit nicht entschieden, ob oder inwieweit die Begleichung der nachträglich hervorgekommenen Forderung mit der Quote der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners entspricht. Die Entscheidung des Erstgerichts war daher – entgegen der Ansicht des Rekursgerichts – keine Entscheidung iSd § 197 Abs 2 IO. Der Rechtsmittelausschluss des § 197 Abs 2 (aE) iVm § 156b Abs 1 Satz 2 IO konnte daher keine Anwendung finden.

[17]           Weil der genannte Rechtsmittelausschluss die Zurückweisung des Rekurses nicht zu tragen vermag, war die rekursgerichtliche Entscheidung aufzuheben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

[18]     3. Ein Kostenersatz kommt im Insolvenzverfahren aufgrund von § 254 Abs 1 Z 1 IO nicht in Betracht (RS0065227).

Textnummer

E131953

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0080OB00053.21H.0526.000

Im RIS seit

22.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

27.10.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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