Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätin und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, MMag. Matzka und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Michael Huber, Rechtsanwalt in St. Veit an der Glan, gegen die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch Dr. Nikolaus Friedl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 586.095,83 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. Februar 2021, GZ 2 R 120/20m-68, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1.1 Nach ständiger Rechtsprechung ist die bloße Übertragung des Prozessführungsrechts – also ohne Bestehen irgendwelcher sonstiger materiell-rechtlicher Beziehungen zwischen dem Zedenten und dem Zessionar – nach österreichischem Recht unzulässig (RS0032788). Dem österreichischem Recht ist eine gewillkürte Prozessstandschaft (= Prozessführung im eigenen Namen über fremdes Recht) fremd, weil die Klagebefugnis nicht ohne den zugrundeliegenden materiell-rechtlichen Anspruch abgetreten werden kann (RS0053157). Während bei der Inkassozession im Regelfall die Übertragung des Vollrechts mit obligatorischer Beschränkung, in Form einer uneigennützigen Treuhand, vorliegt (8 Ob 205/02h, RS0010457), erfolgt bei der bloßen Einziehungsermächtigung eine derartige Änderung der Rechtszuständigkeit iSd § 1392 ABGB nicht. Liegt eine bloße Einziehungsermächtigung vor, ist die Sachlegitimation des sich darauf berufenden Klägers zu verneinen, weil die Klagebefugnis stets im untrennbaren Zusammenhang mit dem Hauptrecht steht und das Eintreibungsrecht, das das Wesen des Anspruchs ausmacht, von diesem nicht getrennt werden kann (8 Ob 205/02h mwN).
[2] 1.2 Am 3. 7. 2015 trat die Klägerin die geltend gemachte Forderung an eine Bank ab. Mit Schreiben vom 6. 4. 2016 „zedierte“ die Bank die Forderung „ausschließlich zur Einbringlichmachung durch die Rechtsanwaltskanzlei“ des vormaligen Klagevertreters und wies ausdrücklich darauf hin, dass „durch dieses Schreiben die aufrechte Zession und somit unser Anspruch auf Erhalt der Zahlung unverändert aufrecht bleibt. Die Auszahlung der Versicherungsleistung hat ausschließlich auf das bei uns geführte Konto ... zu erfolgen.“
[3] 1.3 Dass mit diesem Schreiben weder eine Rück- noch eine Inkassozession erfolgte, sondern lediglich eine Einziehungsermächtigung, ergibt sich klar aus dem Wortlaut, wird doch ausschließlich die Möglichkeit der Einbringlichmachung durch die Rechtsanwaltskanzlei des vormaligen Klagevertreters bei weiterhin aufrechtem Bestand des Anspruchs der Bank eingeräumt.
[4] 2.1 Über Einwand der unwirksamen Rück- bzw Inkassozession durch die Beklagte erörterte das Erstgericht in der Tagsatzung vom 31. 1. 2020 den Mangel der Aktivlegitimation und trug der Klägerin auf, binnen vier Wochen „eine formal richtige und gültige Rückzessionserklärung mit allen gesetzlichen Erfordernissen“ vorzulegen. Weiters folgte der Schluss der Verhandlung.
[5] 2.2 Mit Schriftsatz vom 27. 2. 2020 legte die Klägerin eine Zusatzvereinbarung vom 25. 2. 2020 zur Ergänzung zur Zessionsvereinbarung vom 6. 4. 2016 vor. Darin ist festgehalten: „Um eine mögliche Abweisung des Klagebegehrens aufgrund mangelnder Sachlegitimation hintanzuhalten, hat die [Bank] mit der Klägerin aus Gründen äußerster advokatorischer Vorsicht eine Ergänzung zur ursprünglichen Zessionsvereinbarung vom 6. 4. 2016 getroffen, wonach die Forderung aus obzitierter Versicherungsurkunde nicht nur zum Inkasso, sondern zur Gänze an die Klägerin rückzediert wird.“
[6] 2.3 Neues Vorbringen darf grundsätzlich nur bis zum Schluss der Verhandlung erstattet werden. Dies gilt auch, wenn die Verhandlung nach § 193 Abs 3 ZPO geschlossen wurde (7 Ob 102/18b mwN, vgl RS0036947 [T3]). Zessionen wirken nicht zurück (7 Ob 102/18g mwN).
[7] So führte auch das Berufungsgericht (ua) aus, dass die nachträgliche – nach Schluss der Verhandlung getroffene – Zusatzvereinbarung die zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung fehlende Aktivlegitimation nicht zu begründen vermag. Diese Ansicht ist nicht zu beanstanden.
[8] 4. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).
Textnummer
E131942European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0070OB00085.21G.0526.000Im RIS seit
22.06.2021Zuletzt aktualisiert am
22.06.2021