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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
KFG 1967 §66 Abs2 lite;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des S in D, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 29. August 1996, Zl. Ib-277-75/94, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B vorübergehend für die Dauer von vier Monaten, gerechnet ab der am 30. Jänner 1994 erfolgten vorläufigen Abnahme des Führerscheines, entzogen.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, nach einem Bericht des Gendarmeriepostens Dornbirn habe der Beschwerdeführer am 30. Jänner 1994 gegen 1,40 Uhr einen PKW auf einer näher bezeichneten Straßenstelle gelenkt und sei dabei auf den vor ihm fahrenden PKW aufgefahren. Bei diesem Unfall seien beide Lenker leicht verletzt worden. An beiden Fahrzeugen sei erheblicher Sachschaden entstanden. Der Beschwerdeführer sei am 30. Jänner 1994 um 2,30 Uhr in der Ambulanz des Krankenhauses Dornbirn zur Durchführung eines klinischen Tests aufgefordert worden, was er aber verweigert habe.
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 27. Februar 1996 sei der Beschwerdeführer wegen einer Übertretung des § 5 Abs. 4 lit. b in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 bestraft worden, weil er sich am 30. Jänner 1994 geweigert habe, sich zur ärztlichen Untersuchung des Grades seiner Alkoholbeeinträchtigung einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt vorführen zu lassen. Dieses Straferkenntnis sei mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg aufgehoben worden, weil der Beschwerdeführer nach der Anzeige nicht die Vorführung, sondern die Mitwirkung an der klinischen Untersuchung verweigert habe.
Eine Entscheidung, ob der Beschwerdeführer eine Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 begangen habe, sei daher im Strafverfahren nicht erfolgt, weshalb die Kraftfahrbehörde diese Frage selbständig als Vorfrage habe beurteilen müssen. Die Aufforderung, sich der ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, habe der Beschwerdeführer nicht bestritten. Er habe in der Berufung vorgebracht, daß er die Aufforderung zur klinischen Untersuchung nicht habe wahrnehmen können, weil er infolge der beim Unfall erlittenen Verletzungen nicht bei klarem Bewußtsein gewesen sei, sondern sich in einem posttraumatischen Verwirrtheitszustand befunden habe. Das im Verwaltungsstrafverfahren eingeholte Gutachten der ärztlichen Amtssachverständigen habe ergeben, daß der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Aufforderung durch die Gendarmeriebeamten logische Überlegungen anstellen und aktive Willensentscheidungen habe treffen können, wie sein Ausspruch, er verweigere den klinischen Test, weil er bereits einmal "draufgezahlt" habe, zeige. Aus dem Ambulanzblatt habe sich ergeben, daß der Beschwerdeführer, der zunächst unklare Antworten gegeben habe, bald völlig das Bewußtsein wiedererlangt habe und daß die Aufforderung zur Durchführung des klinischen Tests erst nach Zustimmung der behandelnden Ärztin ausgesprochen worden sei. Der Beschwerdeführer sei in der Lage gewesen, die Aufforderung zu verstehen und ihr auch nachzukommen. Ein vom Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren vorgelegtes nervenfachärztliches Gutachten könne das amtsärztliche Gutachten nicht entkräften, weil auch der Privatgutachter die Auffassung vertreten habe, daß der Beschwerdeführer wahrscheinlich schon in der Lage gewesen sei, der Aufforderung zur klinischen Untersuchung nachzukommen. Die Überlegungen dieses Gutachters, daß eine klinische Untersuchung vermutlich unrichtige Ergebnisse erbracht hätte, seien für die im vorliegenden Verfahren zu beurteilende Frage, ob der Beschwerdeführer die Durchführung der Untersuchung verweigert habe, unerheblich.
Durch seine Weigerung, sich der ärztlichen Untersuchung zwecks Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung zu unterziehen, habe der Beschwerdeführer eine Übertretung nach § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen. Damit liege eine bestimmte Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 vor. Der Beschwerdeführer habe zudem einen Verkehrsunfall verschuldet. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Beschwerdeführer bereits in den Jahren 1987 und 1988 Alkoholdelikte begangen habe, sei die Annahme gerechtfertigt, der Beschwerdeführer habe seine Verkehrszuverlässigkeit erst nach Ablauf von vier Monaten nach dem Vorfall vom 30. Jänner 1994 wiedererlangt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer macht sowohl unter dem Beschwerdegrund der Verletzung von Verfahrensvorschriften als auch als inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend, die Aufforderung zur klinischen Untersuchung sei rechtswidrig erfolgt, weil sich aus dem von ihm vorgelegten Privatgutachten ergebe, daß eine klinische Untersuchung keine verwertbaren Ergebnisse erbracht hätte.
Diesem Vorbringen ist zu erwidern, daß hier allein zu beurteilen ist, ob der Beschwerdeführer aufgefordert wurde, sich einer ärztlichen Untersuchung zwecks Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung zu unterziehen, und ob er diese verweigert hat. Die Frage, ob und inwieweit eine bei dem Unfall erlittene Gehirnerschütterung Einfluß auf die Testergebnisse haben konnte, hätte der die Untersuchung durchführende Arzt berücksichtigen müssen. Die allfällige Unrichtigkeit des Untersuchungsergebnisses hätte der Beschwerdeführer dann geltend machen können, wenn aufgrund der Ergebnisse der klinischen Untersuchung die Verwaltungsstrafbehörde oder die Kraftfahrbehörde vom Vorliegen einer Übertretung gemäß § 5 Abs. 1 StVO 1960 ausgegangen wäre (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 26. März 1987, Zl. 87/02/0011). Mögliche Auswirkungen der bei einem Unfall erlittenen Verletzungen auf das Untersuchungsergebnis berechtigen den zur klinischen Untersuchung Aufgeforderten aber nicht, diese Untersuchung von vornherein zu verweigern.
Im Gegensatz zu den Behauptungen in der vorliegenden Beschwerde hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren die zeugenschaftliche Vernehmung der V., der behandelnden Ärztin und des Meldungslegers nicht beantragt (und zwar weder im Schriftsatz vom 23. Februar 1994 noch in der Berufung vom 14. Juni 1994). Für eine amtswegige Vernehmung dieser Personen bestand kein Grund. V. war nach der Aktenlage bei dem Vorfall vom 30. Jänner 1994 nicht anwesend. In der Berufung wird behauptet, sie sei bei der Aushändigung der Abnahmebestätigung am 13. April 1994 anwesend gewesen. Dieser Umstand war aber für die von der belangten Behörde zu treffende Entscheidung unerheblich. Die Eintragungen der behandelnden Ärztin im Ambulanzblatt wurden von der ärztlichen Amtssachverständigen und auch in dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Privatgutachten berücksichtigt. Ihre Richtigkeit wurde von niemandem in Zweifel gezogen, sodaß eine zeugenschaftliche Vernehmung der Ärztin, die den Beschwerdeführer am 30. Jänner 1994 im Krankenhaus Dornbirn behandelt hatte, nicht erforderlich war. Gleiches gilt für die in der Anzeige enthaltenen Angaben des Meldungslegers.
Die in der Beschwerde vertretene Auffassung, eine Übertretung nach § 99 Abs. 1 StVO 1960 stelle nur dann eine bestimmte Tatsache dar, wenn sie in einem Verwaltungsstrafverfahren rechtskräftig festgestellt worden sei, widerspricht § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967, der von der Begehung einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 und nicht von der rechtskräftigen Bestrafung wegen einer derartigen Übertretung spricht, und der gesamten dazu ergangenen Rechtsprechung (siehe die bei Grundtner/Stratil, KFG4, unter E.Nr. 62 zu § 66 KFG zitierte hg. Rechtsprechung).
Soweit der Beschwerdeführer die Rechtswidrigkeit der Aufforderung, sich der ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, mit der Behauptung darzutun versucht, er habe sich nicht offenbar in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (§ 5 Abs. 4 lit. b StVO 1960 in der zur Tatzeit geltenden Fassung vor Inkrafttreten der 19. StVO-Novelle, BGBl. Nr. 518/1994) befunden, ist ihm zu erwidern, daß er im Sinne des § 5 Abs. 4 lit. c leg. cit. jedenfalls verdächtig war, als Lenker eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand einen Verkehrsunfall verursacht zu haben. Dieser Verdacht war aufgrund des in der Anzeige und im Ambulanzblatt erwähnten Alkoholgeruches der Atemluft und der Angaben des Beschwerdeführers, im Laufe des Abends alkoholische Getränke konsumiert zu haben, jedenfalls begründet. Es soll in diesem Zusammenhang auch nicht unerwähnt bleiben, daß der Beschwerdeführer unmittelbar nach dem Unfall auf die Frage, ob er denn "besoffen" sei, seinem Unfallgegner geantwortet hat "a klele".
Mit seiner Behauptung, im Hinblick auf die zwischen dem Unfall und der Aufforderung verstrichene Zeit von einer Stunde, hätte eine klinische Untersuchung keine brauchbaren Ergebnisse mehr liefern können, vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, zumal nicht erkennbar ist, warum eine klinische Untersuchung rund 50 Minuten nach dem Unfall keine Aufschlüsse über den Grad der Alkoholeinwirkung zur Tatzeit ermöglichen soll.
Da sich die Beschwerde nach dem Gesagten insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996110281.X00Im RIS seit
12.06.2001