TE OGH 2021/5/26 2Ob38/21h

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Veröffentlicht am 26.05.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** P*****, vertreten durch Dr. Andreas Cwitkovits, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Ö***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Lansky, Ganzger & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, und die Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. W*****gesellschaft mbH und 2. DI J***** H*****, beide *****, beide vertreten durch Singer Fössl Rechtsanwälte OG in Wien, sowie 3. R***** GmbH, *****, vertreten durch SRG Stock Rafaseder Gruszkiewicz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 428.848 EUR sA und Feststellung (Streitwert: 10.000 EUR), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Dezember 2020, GZ 4 R 154/17x-6, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig der klagenden Partei die mit 652,32 EUR (darin enthalten 108,72 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1]            Der Kläger macht nach einem Unfall Schadenersatzansprüche geltend. Er erhob ein Leistungs- und ein Feststellungsbegehren, mit dem er den Ausspruch der Haftung der Beklagten für alle seine aus dem näher bezeichneten Vorfall resultierenden künftigen Schäden begehrte.

[2]            Das Erstgericht schränkte in einem frühen Verfahrensstadium das Verfahren auf den Grund des Anspruchs ein. Nachdem es im ersten Rechtsgang das gesamte Klagebegehren abgewiesen hatte, diese Entscheidung jedoch vom Berufungsgericht aufgehoben worden war, erörterte es im zweiten Rechtsgang neuerlich mit den Parteien, dass zuerst über den Grund des Anspruchs entschieden werde, und erst danach das bereits vorliegende Gutachten zur Verletzung des Klägers zu ergänzen sei. In der Tagsatzung vom 18. 5. 2017 schloss es die Verhandlung und behielt das Urteil über den Grund des Anspruchs der schriftlichen Ausfertigung vor.

[3]            In seiner mit „Zwischenurteil“ bezeichneten Entscheidung vom 31. 7. 2017 sprach das Erstgericht aus, dass „der Anspruch des Klägers“ dem Grunde nach zu 75 % zu Recht bestehe.

[4]            Das Berufungsgericht änderte mit Urteil vom 28. 3. 2018 diese – von ihm als „(richtig: Teil- und Zwischenurteil)“ bezeichnete – Entscheidung im Sinn des Ausspruchs ab, dass das (näher umschriebene) „Zahlungsbegehren“ dem Grunde nach (zur Gänze) zu Recht bestehe. In seiner Begründung führte es dazu aus, dass das Erstgericht in seiner Entscheidung erkennbar nur über das Zahlungsbegehren abgesprochen und sich – in Übereinstimmung mit der einschlägigen Rechtsprechung – mit der Berechtigung des Feststellungsbegehrens nicht auseinandergesetzt habe.

[5]            In der Folge wies der Oberste Gerichtshof zu 2 Ob 35/19i die außerordentliche Revision der Beklagten mangels erheblicher Rechtsfrage zurück, wobei er die Berufungsentscheidung als „Teilzwischenurteil“ bezeichnete.

[6]            Im fortgesetzten Verfahren vor dem Erstgericht tat der nach Richterwechsel für die Rechtssache neu zuständige Erstrichter seine Rechtsansicht kund, dass das Feststellungsbegehren aus dem Verfahren ausgeschieden sei. Der Spruch des Erstgerichts im Zwischenurteil vom 31. 7. 2017 sei unvollständig geblieben, es liege ein Verstoß gegen § 404 Abs 1 ZPO vor. Der Kläger habe weder einen Ergänzungsantrag gestellt, noch habe er eine Mängelrüge erhoben.

[7]            Daraufhin beantragte der Kläger beim Berufungsgericht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrags auf Ergänzung des Berufungsurteils vom 28. 3. 2018 um den Ausspruch, dass bezüglich des Feststellungsbegehrens im fortgesetzten erstinstanzlichen Verfahren zu entscheiden sein werde. Er sei aufgrund der Bezeichnung des Urteils als „Teil- und Zwischenurteil“ durch das Berufungsgericht sowie als „Teilzwischenurteil“ durch den Obersten Gerichtshof davon ausgegangen, dass sowohl das Erst- als auch das Berufungsgericht nur über das Leistungsbegehren entschieden habe und eine Entscheidung über das Feststellungsbegehren noch folgen werde. Nach den Ausführungen des Erstrichters in der Tagsatzung vom 1. 12. 2020 halte der Kläger einen Urteilsergänzungsantrag für angezeigt. Die Versäumung der Frist für diesen Antrag beruhe auf einem nur leichten Versehen des Klagevertreters.

[8]            Das Berufungsgericht entschied über diesen Antrag nicht. Es berichtigte allerdings sein Urteil dahin, dass die im Kopf, Spruch und in den Entscheidungsgründen vorgenommene Bezeichnung des angefochtenen „Zwischenurteils“ des Handelsgerichts Wien vom 31. 7. 2017 nicht „(richtig: Teil- und) Zwischenurteil“, sondern „(richtig: Teil-)Zwischenurteil“ zu lauten habe und der Spruch des abgeänderten Teilzwischenurteils um den Ausspruch „Die Entscheidung über das Feststellungsbegehren bleibt der Endentscheidung vorbehalten.“ ergänzt werde. Gleichzeitig wurde der Kläger mit seinem Wiedereinsetzungsantrag auf diese Entscheidung verwiesen.

[9]            Das Berufungsgericht führte aus, dass das Erstgericht mit dem angefochtenen Zwischenurteil erkennbar nur über das Zahlungsbegehren des Klägers abgesprochen habe, während es sich mit der Berechtigung des Feststellungsbegehrens über die Haftung der Beklagten für künftige Schäden nicht auseinandergesetzt habe. Da ein Zwischenurteil bei einem Feststellungsbegehren zudem verfehlt wäre, weil bei Feststehen aller Anspruchsvoraussetzungen über einen Feststellungsanspruch bereits eine Endentscheidung gefällt werden müsste, habe es das angefochtene Zwischenurteil als Teilzwischenurteil, mit dem erkennbar nur über einen Teil der Begehren, nämlich über das Zahlungsbegehren, eine Entscheidung dem Grunde nach gefällt worden war, behandelt. Die irrtümliche Bezeichnung des angefochtenen Urteils als „Teil- und Zwischenurteil“ statt richtig (wie auch in 2 Ob 35/19i) als „Teilzwischenurteil“ könne als offenbare Unrichtigkeit jederzeit – also auch noch nach Eintritt der formellen Rechtskraft – von Amts wegen berichtigt werden. Um der vom Erstrichter im fortgesetzten Verfahren vertretenen Rechtsauffassung, das Feststellungsbegehren sei aus dem Verfahren ausgeschieden, zu begegnen, sei zur Klarstellung der in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils ohnehin vertretenen Rechtsauffassung ausnahmsweise auch im Spruch Ausdruck zu verleihen und dort im Wege einer Berichtigung auszusprechen, dass die Entscheidung über das Feststellungsbegehren der Endentscheidung vorbehalten bleibe. Der Kläger könne mit seinem Wiedereinsetzungsantrag auf diesen Berichtigungsbeschluss verwiesen werden.

[10]           Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, den Wiedereinsetzungsantrag zurück-, hilfsweise ihn abzuweisen. In einem weiteren Eventualantrag wird die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begehrt.

[11]           Der Kläger beantragt in seiner Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[12]           Der Rekurs ist bereits mangels Beschwer der Beklagten unzulässig.

[13]     1. Materielle Beschwer bedeutet, dass derjenige ein Rechtsmittel erheben kann, der behauptet, dass seine rechtlich geschützten Interessen durch den angefochtenen Beschluss unmittelbar beeinträchtigt werden, das heißt in dessen Rechtssphäre nachteilig eingegriffen wird (RS0118925).

[14]           2. Bei einem Teilzwischenurteil über den Grund des Anspruchs bedarf es keines Entscheidungsvorbehalts bezüglich des noch offenen Feststellungsbegehrens. Der in den Spruch der Entscheidung aufgenommene Entscheidungsvorbehalt hinsichtlich des Feststellungsbegehrens entbehrt einer gesetzlichen Grundlage und hat daher nur deklarativen Charakter (2 Ob 49/09h = RS0125625).

[15]           Hier hat das erstinstanzliche Zwischenurteil
– wie von der damaligen Erstrichterin angekündigt – dem Grunde nach über das gesamte Zahlungsbegehren abgesprochen. Da nur dieses erfasst sein konnte (RS0120248), gab es keine unerledigten Anträge, sodass eine Verletzung des § 404 Abs 1 ZPO nicht vorlag. Der Ausspruch eines Entscheidungsvorbehalts hinsichtlich des Feststellungsbegehrens war nicht erforderlich und wäre daher bloß deklarativ gewesen. Seine Unterlassung konnte daher auch nicht das Ausscheiden des Feststellungsbegehrens aus dem Verfahren bewirken.

[16]           3. Beschlüsse, mit denen sich Gerichte eine Entscheidung vorbehalten, haben nicht den Charakter einer gerichtlichen Entscheidung und sind daher unanfechtbar (1 Ob 2401/96m; 7 Ob 4/19t; RS0006111 [T3]). Das trifft hier auch auf den vom Berufungsgericht im Wege einer „Berichtigung“ nachträglich beigefügten Entscheidungsvorbehalt zu. Weder durch diesen bloß deklarativ wirkenden Entscheidungsvorbehalt noch durch die Richtigstellung der Bezeichnung des Urteils (die implizit schon in 2 Ob 35/19i vorgenommen worden war) wurde daher in die geschützte Rechtssphäre der Beklagten eingegriffen (RS0006497).

[17]           4. Der Rekurs gegen den Berichtigungsbeschluss des Berufungsgerichts ist aus diesem Grund unzulässig.

[18]           5. Die Kostenentscheidung im Verfahren über den Berichtigungsantrag gründet auf § 41 ZPO iVm § 50 ZPO. Der Kläger hat inhaltlich auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels mangels Beschwer hingewiesen („nur Klarstellung“). Als Bemessungsgrundlage ist der Wert des von der Berichtigung betroffenen Anspruchsteils heranzuziehen (6 Ob 71/20i).

Textnummer

E131923

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0020OB00038.21H.0526.000

Im RIS seit

18.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.06.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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