Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Juni 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinksi, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in der Strafsache gegen R***** G***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2013/116 und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 15. Februar 2021, GZ 25 Hv 36/20w-57, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019) den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde R***** G***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2013/116 (I.), der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (II.1., V.1., VI.1.), des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB (II.2.) und mehrerer Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (III., IV., V.2., VI.2., VII.1.) sowie des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (VII.2.), der Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB (VIII.1., IX.), der Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB (VIII.2.) und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 2 und Abs 4 Z 1 SMG (X.) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz –
I./ im Februar/März 2019 in N***** A***** S***** mit Gewalt zur weiteren Duldung des Beischlafs genötigt, „indem er sie nach ihrem Erwachen festhielt, als sie ihm (sinngemäß) mitteilte, er solle aufhören, und sie sich wegzudrehen versuchte, und weiter den vaginalen Geschlechtsverkehr vollzog“.
Rechtliche Beurteilung
[3] Inhaltlich nur gegen den Schuldspruch zu I./ richtet sich die auf Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie verfehlt ihr Ziel.
[4] Entgegen dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) haben die Tatrichter die Feststellungen zum Tatgeschehen – im Einklang mit den Kriterien logischen Denkens und allgemeinen Erfahrungssätzen – auf die Angaben der Zeugin A***** S***** gestützt, der sie einen „ausgezeichneten und authentischen Eindruck“ attestierten (US 27 ff, 33).
[5] Dass die Zeugin „die Anwendung von Gewalt nach ihren Begriffsverständnis verneinte“ (in ihrer Vernehmung vor der Polizei; ON 2 S 31) und auch in ihrer kontradiktorischen Vernehmung selbst nicht von Gewalt sprach (ON 8 S 31 ff), steht diesen Konstatierungen nicht entgegen und wurde im Übrigen von den Tatrichtern dezidiert erörtert (US 30; Z 5 zweiter Fall).
[6] Zum Sachverhalt (zu I./) stellten die Tatrichter fest, dass S***** (als sie erwachte) dem Angeklagten mehrfach und unmissverständlich „nein“ sagte. Sie versuchte sich vom Angeklagten wegzudrehen, was ihr jedoch nicht gelang, weil dieser ihr Ersuchen ignorierte, sie zurückzog und festhielt, sodass sie sich nicht von ihm lösen konnte, und den vaginalen Geschlechtsverkehr weiter mit ihr vollzog. Zur Fixierung legte der Angeklagte ihr dabei auch einen Arm um die Schulter und hielt sie mit der anderen Hand an der Hüfte fest. Die ihm körperlich deutlich unterlegene S***** ließ letztlich den Geschlechtsverkehr über sich ergehen (US 11).
[7] Wieso diese Tathandlungen (Zurückziehen, Festhalten und Fixieren) den Gewaltbegriff, der keine besondere Intensität der Kraftanwendung erfordert, nicht erfüllen sollten, erklärt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht (RIS-Justiz RS0116565; zum Gewaltbegriff vgl RS0095666, RS0095260).
[8] Die Beschwerde (Z 9 lit a) vermisst weiters Feststellungen dazu, ob dem Angeklagten erkennbar war, dass S***** keinen Geschlechtsverkehr wollte, übergeht dabei aber – entgegen den Erfordernissen der Geltendmachung materiell-rechtlicher Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810) – die diesbezüglichen Konstatierungen des Erstgerichts zur subjektiven Tatseite, wonach es dem Angeklagten darauf ankam, „ihren seinem Vorhaben […] entgegenstehenden, von ihr ihm gegenüber unmissverständlich kundgemachten Willen, mit Gewalt zu beugen“ (US 11).
[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).
[10] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E131975European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0150OS00050.21Y.0610.000Im RIS seit
23.06.2021Zuletzt aktualisiert am
23.06.2021