TE Vwgh Erkenntnis 1997/3/19 95/01/0526

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Veröffentlicht am 19.03.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des O in G, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Mai 1995, Zl. 4.346.194/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Gambia, der am 8. März 1995 in das Bundesgebiet eingereist ist und noch am selben Tag den Antrag auf Asylgewährung gestellt hat, hat den Bescheid des Bundesasylamtes vom 22. März 1995, mit dem sein Asylantrag abgewiesen worden war, mit Berufung bekämpft.

Mit dem Bescheid vom 22. Mai 1995 wies die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Sie begründete ihren Bescheid im wesentlichen damit, die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen seien unglaubwürdig, seine in der Berufung gegen die Vollständigkeit und Richtigkeit der Übersetzung bzw. der mit ihm aufgenommenen Niederschrift geltend gemachten Bedenken seien unbegründet. So mache er geltend, gemäß § 18 AsylG 1991 sei der Vernehmung ein geeigneter Dolmetscher beizuziehen, der den gesamten Verlauf der Vernehmung in die Muttersprache des Asylwerbers oder eine andere ihm ausreichend verständliche Sprache zu übersetzen habe. Die bei seiner Vernehmung beigezogene Dolmetscherin sei aber nicht in der Lage oder auch nicht bereit gewesen, die ihm vom vernehmenden Beamten gestellten Fragen in eine ihm ausreichend verständliche Sprache zu übersetzen. Obwohl er der englischen Sprache kundig sei, sei er kaum in der Lage gewesen, die von der Dolmetscherin in dieser Sprache an ihn gerichteten Fragen zu verstehen, zumal sich die englische Aussprache der Übersetzerin gravierend von dem in Gambia gesprochenen Englisch unterscheide. Die Dolmetscherin habe des öfteren Fragen wiederholen müssen, ehe er imstande gewesen sei, diese einigermaßen zu verstehen. Der Großteil der sich daraus ergebenden Mißverständnisse sei im Protokoll nicht vermerkt worden. Wären die an ihn gerichteten Fragen in eine ihm ausreichend verständliche Sprache übersetzt worden, so wäre er ohne weiteres in der Lage gewesen, detaillierte Auskünfte über den Putsch vom 11. November 1994 und seine Inhaftierung und Befreiung zu geben und diese Ereignisse dadurch glaubhaft darzutun. Er sei auch sehr wohl in der Lage, umfassende Angaben über die derzeitige Situation der PPP in Gambia zu tätigen. Dem entgegnete die belangte Behörde mit dem Argument, daß der vernehmende Beamte und die beigezogene gerichtlich beeidete Dolmetscherin bei der Einvernahme des Beschwerdeführers mittels klärender Fragen versucht hätten, den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu ermitteln, um einen entsprechenden Eindruck von der Glaubwürdigkeit seines Vorbringens zu erhalten. Die diesen Vernehmungen beigezogenen Beamten und Dolmetscher seien sich dabei der Wichtigkeit und Bedeutung der Befragung und des Protokolls vollkommen bewußt. Die Einvernahme des Beschwerdeführers sei in einer dem Beschwerdeführer laut eigenen Angaben ausreichend verständlichen - nämlich der englischen - Sprache durchgeführt und die übersetzten Antworten in einem mehrseitigen Protokoll niederschriftlich festgehalten worden. Es sei nicht nachvollziehbar, daß bei dem angeblich gravierenden Unterschied zwischen der englischen Aussprache des Beschwerdeführers und jener der gerichtlich beeideten Dolmetscherin er nicht in der Lage gewesen sein wolle, die Fragen der Übersetzerin zu verstehen, diese aber sehr wohl seine Antworten ohne Schwierigkeiten verstanden und übersetzen habe können. Weiters sei nicht nachvollziehbar, daß der Beschwerdeführer etwaige im Zuge seiner niederschriftlichen Befragung aufgetretene Verständigungsprobleme nicht noch während der Amtshandlung geltend gemacht habe und daß er, obwohl er nunmehr erhebliche Verständigungsschwierigkeiten bei seiner Einvernahme behaupte, nach Beendigung seiner Befragung mit seiner Unterschrift bestätigt habe, daß ihm der Inhalt des Protokolls vorgelesen worden sei, daß er dieses verstanden und er seinen Angaben nichts hinzuzufügen habe. Wenn er nun behaupte, er habe die Fragen der Dolmetscherin nicht oder nur falsch verstanden, so versuche er damit offensichtlich, sein unglaubwürdiges erstinstanzliches Vorbringen zu rechtfertigen. Bekräftigt in dieser Auffassung werde die belangte Behörde durch den Umstand, daß er in seinem Rechtsmittel zwar behaupte, detaillierte Auskünfte über den angesprochenen Putsch vom 11. November 1994, seine Verhaftung und Befreiung geben zu können, aber in seiner Berufung letztlich keinen ergänzenden Sachverhalt vorgebracht, sondern lediglich auf sein erstinstanzliches Vorbringen verwiesen habe. In Übereinstimmung mit der vom Bundesasylamt vorgenommenen Beweiswürdigung erachtete daher auch die belangte Behörde die Angaben des Beschwerdeführers als nicht glaubwürdig und schloß sich den Ausführungen des Bundesasylamtes "vollinhaltlich an" und erhob "diese zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides". Darüber hinaus nahm die belangte Behörde - durch Übernahme der diesbezüglichen Begründung des Bundesasylamtes - auch Verfolgungssicherheit gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 (in Slowenien) an.

In seiner Beschwerde wiederholt der Beschwerdeführer seine Behauptung, er habe die seiner Vernehmung beigezogene Dolmetscherin nicht bzw. nur schlecht verstanden, da diese ein "höchst kompliziertes und für mich kaum verständliches Oxford-Englisch" gesprochen habe und sich daher "auf beiden Seiten zahlreiche Mißverständnisse" ergeben hätten. Wäre dies nicht der Fall gewesen, wäre er in der Lage gewesen, wesentlich detailliertere Auskünfte über den Putsch vom 11. November 1994 zu geben und so seine Teilnahme daran glaubhaft zu machen bzw. wesentlich detailliertere Angaben über seine Inhaftierung und Befreiung aus dem Gefängnis und über die derzeitige Situation der PPP in Gambia zu machen. Obwohl dies bereits in seiner Berufung gerügt worden sei, habe die belangte Behörde in Verletzung ihrer Pflicht zur amtswegigen Ermittlung im Sinne der §§ 16 Abs. 1, 20 Abs. 2 AsylG 1991 eine Ergänzung des Verfahrens unterlassen, vielmehr über seine Berufung "rein auf Grund der Aktenlage entschieden, ohne zumindestens Erhebungen darüber durchzuführen, ob der von mir geltend gemachte Verfahrensmangel, nämlich, daß ich durch die mir unverständliche Aussprache des Englischen der Dolmetscherin kaum in der Lage war, auf die durch den erhebenden Beamten gestellten Fragen ausreichend zu antworten, tatsächlich vorliegt". Er mache daher die rechtswidrige Nichtanwendung des § 20 Abs. 2 AsylG und die Fällung der Entscheidung der belangten Behörde rein auf Grund der Aktenlage (bzw. durch die nicht erfolgte Ergänzung und Wiederholung des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens) durch die belangte Behörde trotz mangelhaften erstinstanzlichen Verfahrens die Verletzung seines "Rechtes auf rechtliches Gehör im Asylverfahren in eklatanter Weise" geltend. Auch unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides macht der Beschwerdeführer geltend, er hätte jedenfalls bei Rückkehr in sein Heimatland Gambia wegen der Teilnahme am Putsch vom 11. November 1994 mit einem Verfahren vor einem Militärgericht zu rechnen und würde vermutlich zu lebenslanger Haft oder zum Tode verurteilt werden. Ein ergänzendes Sachverhaltsvorbringen insbesondere in bezug auf die mehrfach angebotenen "detaillierteren Angaben über den Putsch vom 11. November 1994" und seine "Inhaftierung und Befreiung aus dem Gefängnis" enthalten auch die Beschwerdeausführungen nicht.

Es ist der Beschwerde zwar zuzugeben, daß der bloße Verweis auf die Unterfertigung der Niederschrift in der Regel kein geeignetes Argument gegen die Behauptung der Unvollständigkeit und Unrichtigkeit der Übersetzung bietet, doch ist allein daraus für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen.

Die belangte Behörde hat gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 bei ihrer Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrundezulegen, wenn sie nicht eine der Voraussetzungen für eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens im Sinne des § 20 Abs. 2 leg. cit. als gegeben erachtet. Der Beschwerdeführer hätte in Geltendmachung von in diesem Sinne relevanten Verfahrensmängeln auch insoweit ein ergänzendes Vorbringen erstatten können, als auf Grund der von ihm aufgezeigten Verfahrensmängel sein bereits diesbezüglich vor der Behörde erster Instanz erstattetes Vorbringen nicht protokolliert worden wäre oder er sonst gehindert gewesen wäre, dieses Vorbringen bereits vor der Behörde erster Instanz geltend zu machen. Dem gegenüber hat der Beschwerdeführer jedoch im vorliegenden Fall in der Berufung lediglich auf sein bereits in erster Instanz erstattetes Vorbringen verwiesen und - wie übrigens auch in der Beschwerde - lediglich angekündigt, "detailliertere Angaben über den Putsch vom 11. November 1994 und meine Teilnahme daran glaubhaft" machen zu wollen, ohne dies jedoch zumindest in der Beschwerde tatsächlich zu tun. Damit hat der Beschwerdeführer zwar einen der belangten Behörde (bzw. der Behörde erster Instanz) allenfalls unterlaufenen Verfahrensfehler aufgezeigt, ohne jedoch dessen Entscheidungswesentlichkeit darzutun. Verfahrensmängel gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG können nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, wenn sie wesentlich sind, wobei die Wesentlichkeit des behaupteten Verfahrensmangels in der Beschwerde darzutun ist. Dies tut der Beschwerdeführer nicht, weshalb die Beschwerde bereits aus diesem Grunde abzuweisen war. Daran ändert auch nicht seine Rüge, die belangte Behörde sei der ihr aufgegebenen amtswegigen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen. Dazu ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 AsylG 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens vom Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet und die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen, diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der auf § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 AsylG 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800 bis 0803). Da im vorliegenden Fall konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung den Angaben des Beschwerdeführers nicht zu entnehmen waren, war auch die belangte Behörde nicht verpflichtet, von Amts wegen weitere Ermittlungen zu pflegen. Hätte sich allerdings auf Grund der Ausführungen in der Berufung und einer allenfalls dort vorgebrachten Sachverhaltsergänzung ergeben, daß eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens vorgelegen sei, wären die Verwaltungsbehörden zu einer entsprechenden Sachverhaltsergänzung verpflichtet gewesen. Angesichts des Umstandes, daß der Beschwerdeführer aber auch in der Berufung eine - von ihm selbst als erforderlich erachtete - detailliertere Schilderung der Ereignisse darzulegen verabsäumt hat, erweist sich auch die Beurteilung der Verwaltungsbehörden als zutreffend, daß eine Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung aus den gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 zutreffend herangezogenen Angaben des Beschwerdeführers nicht entnommen werden konnte. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als frei von der behaupteten inhaltlichen Rechtswidrigkeit bzw. von Verfahrensmängeln.

Bei dieser Sach- und Rechtslage erübrigt es sich, darauf einzugehen, ob die belangte Behörde zu Recht (auch) vom Vorliegen des Ausschlußgrundes des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 ausgegangen ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995010526.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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