TE Lvwg Erkenntnis 2021/4/29 LVwG-AV-1418/001-2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.04.2021
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Entscheidungsdatum

29.04.2021

Norm

FlVflG NÖ 1975 §22 Abs1
ZustG §25 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) erkennt durch den Senatsvorsitzenden Mag. Christian Gindl, den Berichterstatter Dr. Klaus Vazulka, den Richter Mag. Franz Kramer und die fachkundigen Laienrichter Ing. Roland Nagl und DI Otto Bohrn über die Beschwerde des A als Kurator der Verlassenschaft nach B, ***, ***, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Agrarbezirksbehörde (NÖ ABB) im Zusammenlegungsverfahren *** vom 3.11.2020, Zl. ***, betreffend Anordnung der vorläufigen Übernahme der Grundabfindungen, Bestimmung des Angleichungsfaktors, Erlassung von Überleitungsbestimmungen, Einräumung von Dienstbarkeiten und Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§§ 22 Abs. 1 Flurverfassungs-Landesgesetzes 1975 - FLG

§§ 13 Abs. 2, 24 Abs. 4, 28 Abs.1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG

§ 25 Abs. 1 Zustellgesetz - ZustG

§ 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Die NÖ ABB hat am 3.11.2020, Zl. ***, im Zusammenlegungsverfahren *** einen Bescheid erlassen, mit welchem die vorläufigen Übernahme der Grundabfindungen angeordnet wurde, die Bestimmung des Angleichungsfaktors, die Erlassung von Überleitungsbestimmungen und die Einräumung von Dienstbarkeiten erfolgte und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde.

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

Gegen diesen Bescheid wurde von A als Kurator der Verlassenschaft nach B rechtzeitig Beschwerde erhoben und begründend wörtlich ausgeführt:

„I. Mit Bescheid *** vom 03. November 2020 hat die Behörde die vorläufige Übernahme der Grundabfindung im Zusammenlegungsverfahren *** angeordnet. Die darin angeführten Begründungen sind mangelhaft und es wurden durch die Behörde wesentlich Verfahrensverstöße begangen, sodass der Bescheid als Ganzes oder zumindest in wesentlichen Teilen rechtswidrig ist.

II. Da der angefochtene Bescheid der NÖ Agrarbezirksbehörde die Verlassenschaft B in den Rechten verletzt stelle ich folgende

Anträge

die Behörde möge

1. Den hier angefochtenen Bescheid zu Gänze aufzuheben.

2. In eventu eine vorläufige Übernahme unter Ausschluss der Grundstücke der Verlassenschaft B gern. § 22 Abs 2 FLG anordnen

3. In eventu die Wiederherstellung des Standes vor der vorläufigen Übernahme anordnen, die Grundabfinden in der Natur abzustecken und den Parteien diese zu erläutern und auf Wunsch vorzuzeigen um in der Folge eine objektivierte Abstimmung durchzuführen

4. In eventu das Gutachten des Amtssachverständigen vorzulegen und eine angemessene Zeit zur Stellungnahme einzuräumen

5. In eventu der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkennen.

Beschwerdebegründung

III. Die Anträge begründe ich im Einzelnen wie folgt:

1. In der Bescheidbegründung zu A 1 führt die Behörde an, dass

• „die Grundabfindung in der Natur abgesteckt, jeder Partei erläutert und auf Wunsch vorgezeigt wurden und die Partei Gelegenheit hatte, dazu Stellung zu nehmen"

Der Partei B wurde die Grundabfindungen nachweislich weder erläutert noch vorgezeigt noch hatte die Partei Gelegenheit zur Stellungnahme. Nach dem Ableben der Partei B wurde mit 9. September 2020 Herr C und in der Folge mit 6. November 2020 Herr A vom zuständigen Bezirksgericht *** als Verlassenschaftskurator bestellt. In diesem Zeitraum wurden von der Behörde keine Schritte gesetzt eine der Verpflichtung gern. §22 Abs. 1 lit d FLG nachzukommen.

Im Zeitraum zwischen dem Ableben der Partei B und der Bestellung eines Verlassenschaftskurators, wurden sämtliche verfahrensrelevanten Schriftstücke durch die Behörde überhaupt nicht bzw. falsch zugestellt. Dies begründet einen groben Verfahrensmangel, zudem der Behörde bekannt war, dass die Verlassenschaft in dem Zeitpunkt über keine prozessfähige Vertretung verfügt hat. Die Behörde hätte aufgrund der „Wichtigkeit der Sache" gern. §11 AVG einen Kurator bestellen lassen können, um zu gewährleisten, dass die Rechte der Verlassenschaft gewährleistet sind. Dies wurde ebenfalls unterlassen.

2. In der Begründung zu A 1 des gegenständlichen Bescheides führt die Behörde an, dass

• „mindestens zwei Drittel der Parteien, die Grundabfindung übernehmen sollen, der vorläufigen Übernahme zugestimmt haben."

Mit der Abstimmungsliste vom 10. September 2020 wurden die Zustimmungen der Parteien zur vorläufigen Übernahme eingeholt.

Die Grundstücke der Verlassenschaft B wurden unter Wissen bzw. Duldung der Behörde bereits seit zumindest August 2020 entsprechend der Aufteilung nach vorläufiger Übernahme genutzt.

Bei der Begehung der Grundstücke der Verlassenschaft B am 9. September 2020 wurde durch die Erben sowie einen im Zuge der Verlassenschaftsabhandlung anwesenden Sachverständigen D und dem Gerichtskommissärfestgestellt, dass sämtliche Grundstücksgrenzen des Altbestandes bereits unwiederbringlich zerstört wurden und die Bewirtschaftung entsprechend der neuen in der Natur ausgesteckten Grundstücksgrenzen durchgeführt wurde. In diesem Zusammenhang muss davon ausgegangen werden, dass es sich bei den neuen Grundstücksgrenzen um jene handelt, die im Zuge der vorläufigen Übernahme durch die Parteien des Agrarverfahrens bewirtschaftet werden sollen. Dieser Umstand wurde durch den Verlassenschaftskurator der Behörde zur Kenntnis gebracht.

Diese Sachverhalt der unrechtmäßigen Zerstörung der Grundstückgrenzen und Nutzung der Grundstücke vor der vorläufigen Übernahme der Grundabfindung mit 1. Jänner 2020 wurde durch den Kurator C am 10. September 2020 der Behörde schriftlich zur Kenntnis gebracht und zusätzlich bei der Besprechung am 6. Oktober 2020 in *** mit Hm. E und Hrn. F erneut gemeldet.

Aufgrund der vorgebrachten Tatsachen kann die am 10. September 2020 eingehoite Zustimmung zur vorläufigen Übernahme, lediglich als rückwirkende Zustimmung zu bereits geschaffenen Tatsachen betrachtet werden. Eine ernsthafte Wahlmöglichkeit für die Parteien kann zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bestanden haben. Da zu diesem Zeitpunkt Behördenvertreter regelmäßig an Ort und Stelle zu gegen war, hätte der Behörde dieser Umstand der verfahrenswidrigen Nutzung der Grundstücke augenscheinlich sein müssen. Die Behörde hat es unterlassen, diese rechtswidrige Nutzung sofort zur Anzeige zu bringen. Aufgrund der fehlenden Wahlmöglich hat die Behörde gegen das Verfahren verstoßen und die Abstimmung ab absurdum geführt.

3. Weiters führt die Behörde in der Bescheidbegründung von A 1 an, dass die Voraussetzungen zu §22 Abs. 1 FLG gegeben sind, da die Behörde vor allem

• „Plan der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen bereits erlassen (Bescheid vom 7.7. 2020, ***)"

Dieser Bescheid hat die Partei Verlassenschaft B niemals erhalten. In Folge dessen konnte der Umstand, dass ein Grundstück nicht selbstständig begeh oder befahrbar ist nicht urgiert werden.

• „[...] zur Frage der zweckmäßigen Bewirtschaftung des Gebietes [...] ein Gutachten eines Amtssachverständigen für Fragen der Landwirtschaft eingeholt" hat.

Dieses Gutachten vom 7. September 2020 von Fr. G wurden den Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 22. Oktober 2020 auszugsweise zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben.

An der Qualität bzw. Präsentation des Gutachtens ergeben sich erhebliche Zweifel, da die Gutachterin die massiven Rechtsverletzungen der Grundstücksgrenzen sowie die fehlende Begeh- oder Befahrbarkeit von Feldstücken offensichtlich nicht bemerkt hat oder in den vorgetragenen Teilen des Gutachtens bei der Versammlung am 22.Oktober 2020 nicht erwähnt wurden. Dazu ist zu vermerken, dass ein derartiges Gutachten von einer sachverständigen Person über einen längeren Zeitraum unter Abwägungen aller Eventualität erstellt wird. Es liegt in der Natur der Sache, dass mit der Sache nicht befasste Zuhörer, ein entsprechender Zeitraum zum Studium der Unterlagen sowie des Gegenstandes des Gutachtens gegeben werden muss. Die Reduzierung der Stellungnahme sowie die Einforderung einer Zustimmung unmittelbar nach Präsentation des Gutachtens einzuschränken ist daher unzulässig und rechtlich unwirksam, da die notwendige Bedenkzeit nicht eingeräumt wurde.

4. In der Begründung zu A 2 weißt die Behörde den Antrag des Verlassenschaftskurator C als unbegründet ab, da sich dieser nicht auf den Verhandlungsgegenstand (Übergangszeitpunkt, Überleitungsbestimmungen, Angleichungsfaktor, Dienstbarkeiten) bezieht.

Tatsächlich hat sich der Antrag aber auf den Umstand bezogen, dass sich die Behörde die vorläufige Übernahme gern. § 22 Abs 2 FLG auf Teile des Zusammenlegungsgebietes beschränken kann. Die Behörde hat den in der mündlichen Verhandlung dargebrachten Antrag auf eine für sie günstige Weise ausgelegt und daher ein unzweckmäßiges Ermessen geübt. Die Unterfertigung des Protokolls der Versammlung erfolgte daher durch den Verlassenschaftskurator nicht. Aufgrund der in den Vorpunkten genannten Begründungen ist eine Beschränkung auf Teile des Zusammenlegungsgebietes tatsächlich zweckmäßig, um die groben Verfahrensmängel zu sanieren.

5. Unter Punkt B ordnet die Behörde an, dass „Das Recht zur Grundstücksnutzung [...] mit dem angeordneten Zeitpunkt der Übernahme auf die Eigentümer der Abfindungsgrundstücke [...]" übergeht.

Tatsächlich werden die Grundstücke unter Wissen und Duldung der Behörde bereits seit zumindest August 2020 entsprechenden der Aufteilung nach vorläufiger Übernahme genutzt. Eine Anordnung durch die Behörde ist daher gegenstandlos, da sie lediglich dazu geeignet ist, einen rechtswidrigen Zustand zu sanieren und auf Kosten der beschwerenden Partei rechtswidrige Fakten zu schaffen.

6. Mit lit D des gegenständlichen Bescheides schließt die Behörde die aufschiebende Wirkung des

Bescheides nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien wegen Gefahr in Verzug aus. Den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung durch Gefahr in Verzug zu begründen geht vollkommen am Gefahrenbegriff an sich vorbei. Weder liegt eine Gefahr gegen Leib und Leben noch ein zu erwartender Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung vor. Erschwerend wiegt an der Stelle, dass durch die Rechtswidrigkeit des Verfahrens Schaden für die beschwerende Partei verursacht wird und nunmehr auch noch die aufschiebende Wirkung der Bescheidbeschwerde durch die Behörde aberkannt wird. Da wie oben ausgeführt der verursachte Schaden in kausalem Zusammenhang mit dem rechtswidrigen Handeln der Behörde steht, ist der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung durch Gefahr in Verzug nicht zu begründen und kann daher nur gegenstandslos sein.“

3.   Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Das LVwG hat Einsicht genommen in den verwaltungsbehördlichen Akt und legt dessen unbedenklichen Inhalt seinem weiteren Verfahren zu Grunde.

4.   Feststellungen:

Herr B, der Partei im Zusammenlegungsverfahren *** war, verstarb am ***. Mit Beschluss des Bezirksgerichts *** vom 9.9.2020 wurde Herr C zum Verlassenschaftskurator mit dem Wirkungskreis „Vertretung der Verlassenschaft im Flurzusammenlegungsverfahren ***“ bestellt. Mit einem weiteren Beschluss des Bezirksgerichts *** vom 6.11.2020 wurde an seiner Statt Herr A für denselben Wirkungskreis zum Verlassenschaftskurator bestellt.

Eine Verständigung über die geplante vorläufige Übergabe der Grundabfindungen, über die Parteienabstimmung und die Anberaumung der Übergabsverhandlung wurden gemäß § 25 ZustG kundgemacht. Ein Lageplan mit den neuen Abfindungsgrundstücken der Partei samt vorläufiger Abfindungsbescheinigung wurden das das Notariat H, welches die Verlassenschaft abwickelte, übermittelt.

Am 10.9.2020 erfolgte die Abstimmung über die Anordnung der vorläufigen Übernahme der Grundabfindungen, zu welcher Herr C (als Kurator) erschien und ein Schreiben übergab, in welchem diese abgelehnt wurde. Dieses lautete wörtlich wie folgt: „Die Vorläufige Grundabfindung kann in der vorliegenden Form nicht übernommen werden und wird zur Gänze abgelehnt. Die vorliegende Bescheinigung und dem schwer interpretierbare Lageplan ist zu entnehmen (, dass) die zugedachte(n) Abfindung keinesfalls einen Ersatz für die eingebrachten Grundstücke darstellen“. In weiterer Folge wurde dies als „Neinstimme“ gewertet und dem Verfahren als solche zu Grunde gelegt. Von der Möglichkeit, die künftigen Abfindungen vorgewiesen bzw. erläutert zu bekommen oder eine Stellungnahme abzugeben, wurde seitens Herrn C kein Gebrauch gemacht.

Die Übergabsverhandlung fand am 22.10.2020 statt. Herr C war bei dieser anwesend. Das landwirtschaftliche Übergabegutachten wurde in dieser Verhandlung erläutert. Die Einräumung einer Frist zur Abgabe einer Stellungnahme zu diesem Gutachten wurde seinerseits nicht beantragt. Die Verhandlungsschrift wurde von ihm nicht unterfertigt.

Die Verständigung über die Erlassung des 1. Teilplans des Plans der gemeinsamen Maßnahmen und Anlage wurde vor der Anordnung der vorläufigen Übernahme gegenüber der Verlassenschaft nach B ebenfalls gemäß § 25 ZustG kundgemacht. Am 25.2.2021 erfolgte eine Verständigung über die Erlassung dieses Bescheides an die Verlassenschaft nach B zu Handen A als Verlassenschaftskurator. Ein, diese Verständigung beurkundender Rückschein liegt im Akt ein.

5.   Rechtslage:

§ 22 (1) FLG: Sobald die neue Flureinteilung nach Maßgabe der Bestimmungen der §§ 13 bis 19 ermittelt ist, kann die Behörde nach Erlassung des Planes der gemeinsamen Anlagen und Maßnahmen und vor Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes, unbeschadet des Beschwerderechtes gegen diese Bescheide, die vorläufige Übernahme von Grundabfindungen und den vorläufigen Eigentumsübergang an den für gemeinsame Anlagen ausgeschiedenen Grundflächen anordnen, wenn

a)

dies zur zweckmäßigen Bewirtschaftung des Zusammenlegungsgebietes erforderlich ist und

b)

Besitzstandsausweis und Bewertungsplan bereits in Rechtskraft erwachsen sind und

c)

die Bewirtschaftung der Mehrzahl der zu übernehmenden Grundabfindungen ohne wesentliche Behinderung der Zufahrt und ohne über das übliche Ausmaß hinausgehende Aufwendungen möglich ist und

d)

die Behörde die zu übernehmenden Grundabfindungen in der Natur abgesteckt, jeder Partei erläutert und über deren Verlangen vorgezeigt sowie der Partei Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat und

         e)       mindestens zwei Drittel der Parteien, die Grundabfindungen übernehmen sollen, der vorläufigen Übernahme zugestimmt haben. Parteien, denen im Sinne des § 17 Abs. 1 ein gemeinsamer Abfindungsanspruch zusteht, haben eine gemeinsame Stimme. Wer keine Erklärung abgibt, hat als zustimmend zu gelten.

§ 13 (2) VwGVG: Die Behörde kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.

§ 24 (4) leg. cit.: Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

§ 28 (1) leg. cit.: Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

§ 28 (2) leg. cit.: Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

         1.       der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

         2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

§ 25 (1) ZustG: Zustellungen an Personen, deren Abgabestelle unbekannt ist, oder an eine Mehrheit von Personen, die der Behörde nicht bekannt sind, können, wenn es sich nicht um ein Strafverfahren handelt, kein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist und nicht gemäß § 8 vorzugehen ist, durch Kundmachung an der Amtstafel, dass ein zuzustellendes Dokument bei der Behörde liegt, vorgenommen werden. Findet sich der Empfänger zur Empfangnahme des Dokuments (§ 24) nicht ein, so gilt, wenn gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, die Zustellung als bewirkt, wenn seit der Kundmachung an der Amtstafel der Behörde zwei Wochen verstrichen sind.

§ 25a (1) VWGG: Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Art. 133 (4) B-VG: Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe Geldstrafe zum Gegenstand, kann durch Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig ist.

6.   Erwägungen:

Damit die vorläufige Übernahme der Grundabfindungen bescheidmäßig angeordnet werden kann, müssen bestimmte zuvor genannte Voraussetzungen vorliegen. So müssen zwei Drittel aller Grundeigentümer, die Abfindungen zugeteilt erhalten dieser Übernahme zustimmen. Weiters muss der GMA-Plan erlassen sein. Über das Zutreffen anderer in § 22 Abs. 1 FLG angeführter Voraussetzungen muss ein landwirtschaftliches Gutachten vorliegen. Zusätzlich müssen die vorläufig zu übernehmenden Grundstücke in der Natur abgesteckt, der betreffenden Partei erläutert und mit der Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahe auf Verlangen vorgezeigt worden sein.

Zunächst ist im Zusammenhang mit Zustellungen gemäß § 25 Abs. 1 ZustG auf die einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Demnach setzt eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung voraus, dass die Behörde alle ihr zu Gebote stehenden Mittel für die Ermittlung der Abgabestelle und die ihr nach den Umständen zumutbaren amtswegigen Ermittlungen zu deren Erforschung ausgeschöpft hat (vgl. VwGH 21.5.1996, 95/04/0201, mwN und 28.10.2003, 2003/11/0056). Da mit der Zustellung für die Partei in der Regel weitreichende Rechtsfolgen verbunden sind, ist die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung als ein Ausnahmefall zu betrachten. Es ist bei dieser Zustellungsform als „ultima ratio“ ein eher strenger Maßstab anzulegen (vgl. VwGH 20.9.2000, 97/08/0564).

Im vorliegenden Fall ist die Partei B bereits am *** verstorben. Grundsätzlich stünde die Vertretung und Verwaltung der Verlassenschaft gemäß § 810 Abs. 1 ABGB den Erben zu, sobald sie ihr Erbrecht hinreichend ausgewiesen und gültige Erbantrittserklärungen abgegeben haben, es sei denn, dass das Verlassenschaftsgericht anderslautende Anordnungen trifft. Werden hingegen keine oder widersprechende Erbantrittserklärungen abgegeben, weil die Erben uneinig, säumig oder unbekannt sind, ist ein Verlassenschaftskurator zu bestellen. Letztlich ist ein Verlassenschaftskurator auch aus sonstigen Gründen zu bestellen, wenn es dem Verlassenschaftsgericht zur Vertretung und Verwaltung des Nachlasses erforderlich erscheint oder von einer Partei mit berechtigtem Interesse beantragt wird. Letzteres traf im gegenständlichen Fall zu, weshalb zunächst Herr C mit Beschluss des Bezirksgerichts *** vom 9.9.2020 für den Wirkungskreis der Vertretung der Verlassenschaft im Zusammenlegungsverfahren *** zum Verlassenschaftskurator bestellt wurde.

Für eine rechtswirksame Zustellung nach dem Tod der Partei B am *** bis zur Bestellung des Verlassenschaftskurators bedeutet dies, dass eine Zustellung durch öffentliche Kundmachung gemäß § 25 Abs. 1 ZustG und/oder auch eine Zustellung an den die Verlassenschaft abhandelnden Notar keine ordnungsgemäßen Zustellungen darstellen. Diese können eine Zustellung an einen Verlassenschaftskurator nicht ersetzen.

Auszugehen ist daher davon, dass weder die Verständigung über die Abstimmung zur Anordnung über die vorläufige Übernahme der Grundabfindungen, noch die Ladung zur Übergabsverhandlung und auch nicht die Verständigung über die Erlassung des 1. Teilplans des Plans der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen ordnungsgemäß bzw. rechtswirksam zugestellt wurden.

Isoliert betrachtet hätte dies eine Verletzung in subjektiven Rechten zur Folge haben können, da eine Teilnahme an der Abstimmung sowie eine Zählung seines Abstimmungsverhaltens und eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung für die Partei ein gesetzlich vorgesehenes Recht zur Wahrung ihrer Interessen darstellen. Zu einer derartigen Rechtsverletzung ist es aber schlussendlich nicht gekommen, da der (sodann mit Beschluss vom 9.9.2020 eingesetzte und damalige) Verlassenschaftskurator, Herr C, zum Abstimmungstermin (10.9.2020) erschien und sich gegen die Anordnung der vorläufigen Übernahme der Grundabfindungen aussprach. Dies wurde auch als „Neinstimme“ gewertet. Angemerkt ist, dass in einem vorbereiteten Schriftsatz die Ablehnung der vorläufigen Übernahme mit der dem eingebrachten Altstand nicht adäquaten Abfindung begründet wurde. Bei diesem Abstimmungstermin hätte auch noch die Möglichkeit bestanden, sich die vorläufige Grundabfindung vorweisen und erklären zu lassen sowie eine Stellungnahme hiezu abzugeben. Von dieser Möglichkeit wurde kein Gebrauch gemacht.

Auch an der Übergabeverhandlung nahm Herr C teil. Er erhob in dieser auch Einwendungen, die sich inhaltlich allerdings gegen die Grundabfindung richteten und deshalb von der NÖ ABB bescheidmäßig nicht materiell behandelt wurden. Gegen das in der Verhandlung präsentierte landwirtschaftliche Übergabegutachten erhob er keine Einwände. Er stellte auch keinen Antrag auf Einräumung einer Frist zur Erstattung einer Stellungnahme bzw. eines Gegengutachtens. Dass eine Unterfertigung der Verhandlungsschrift seinerseits unterblieb, ist vorliegend rechtlich ohne Bedeutung.

Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass Herr C alle ihm zustehenden Rechte trotz vorheriger nicht rechtmäßiger Zustellungen wahrnehmen konnte und von dieser Möglichkeit auch Gebrauch machte. Selbst bei Annahme ordnungsgemäßer Ladungszustellungen wäre kein anderes Ergebnis erzielbar gewesen. Insoferne sind diese Zustellmängel daher als folgenlos zu beurteilen. Selbst im Fall einer Bescheidbehebung und Wiederholung der betreffenden Verfahrensschritte könnte für die Verlassenschaft kein für sie günstigeres Ergebnis erzielt werden, da ohnehin alle subjektiven Rechte von Herrn C ausgeschöpft wurden.

Berechtigung kommt aus den oben genannten Zustellmängeln dem Beschwerdeargument der Nichterlassung des GMA Plans hinsichtlich der Verlassenschaft nach B zu. Dies ist eine (von mehreren) Voraussetzungen die gegeben sein müssen, um die Anordnung der vorläufigen Übernahme der Grundabfindungen treffen zu können. Die Erlassung dieses Bescheides gegenüber dieser Partei ist aber zwischenzeitig (vor der nunmehrigen Entscheidung durch das LVwG) durch die NÖ ABB erfolgt, die Verständigung von dessen Auflage wurde korrekter Weise an den jetzigen Verlassenschaftskurator zugestellt.

In diesem Zusammenhang ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Demnach hat das LVwG grundsätzlich die Sach- und Rechtslage in seinem Entscheidungszeitpunkt anzuwenden (vgl. VwGH 25.6.2019, Ra 2019/10/0012). Vom Ergebnis her bedeutet das, dass auch aus diesem Einwand der Beschwerde kein Erfolg zu geben war, da nunmehr auch diese Voraussetzung für die Anordnung der vorläufigen Übernahme vorliegt.

Auch der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde erfolgte zu Recht, da im Interesse der anderen Verfahrensparteien auf Grund des in der Natur weitgehend umgesetzten Plans der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen eine Bewirtschaftung des Altstandes kaum oder gar nicht möglich wäre. Ein ordnungsgemäßer Anbau könnte nicht stattfinden, weshalb insofern Gefahr in Verzug vorliegt. Aus denselben Gründen ist eine Herausnahme der Grundstücke der Beschwerdeführerin aus der Übernahmeanordnung nicht möglich.

Mit dem vorliegenden Bescheid wird, soweit verfahrensrelevant, aus rechtlicher Sicht lediglich das vorläufige Eigentum an den Neugrundstücken zugeteilt. Über Benutzungsverhältnisse wird - abgesehen von Überleitungsbestimmungen - im bekämpften Bescheid nicht abgesprochen. Deshalb ist es dem LVwG auch verwehrt, über die tatsächliche Bewirtschaftung der Abfindungsgrundstücke der Beschwerdeführerin abzusprechen.

Die Prüfung, ob die zugeteilten Grundstücke in ihrer Gesamtheit den eingebrachten Grundstücken entsprechen, und somit die Kriterien der Gesetzmäßigkeit der Grundabfindung eingehalten wurde, ist einer Beschwerde gegen den noch zu erlassenden Zusammenlegungsplan vorbehalten.

Gemäß § 44 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Nach Abs. 4 dieser Gesetzesstelle kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, entgegenstehen.

Von der Durchführung der mündlichen Verhandlung wurde Abstand genommen, weil die verfahrensgegenständlichen Unterlagen erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ. Des Weiteren handelte es sich bei der Lösung der verfahrensgegenständlichen Fragen ausschließlich um Rechtsfragen, zu deren Lösung im Sinne der Rechtsprechung des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 Abs. 1 EMRK sowie Art. 47 GRC steht dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen: Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 23.11.2006, Nr. 73.053/01 (Jussila gegen Finnland), vom 10.05.2007, Nr. 7.401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom .04.2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass eine Partei grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände etwa dann angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder „hoch-technische“ Fragen betrifft. Der Gerichtshof verwies in diesem Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, dass angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (vgl. u.a. VwGH 12.12.2008, Zl. 2005/12/0183, sowie VwGH 18.02.2015, Zl. 2015/12/0001).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein), hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne.

Da, wie vorhin dargelegt, der Sachverhalt hinreichend geklärt ist und ausschließlich rechtliche Fragen aufgeworfen wurden, konnte die Entscheidung daher im Sinne des § 24 VwGVG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden (vgl. u.a. etwa VwGH 5.03. 014, Zl. 2013/05/0131).

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

7.   Zur Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Schlagworte

Landwirtschaft und Natur; Bodenreform; Zusammenlegungsverfahren; Verlassenschaft; Verfahrensrecht; Zustellung; Zustellmangel;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.1418.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.06.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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