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L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte
Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde der E GesmbH in Y, vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 19. Mai 1995, Zl. II-2199/95, betreffend die Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde R, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 15. April 1993 wurden gemäß § 5 Vorarlberger Baugesetz über Antrag der F-Immobilien Ges.m.b.H. & Co KG (als Miteigentümerin der Grundstücke) Baugrundlagenbestimmungen für eine (im Einreichplan ersichtlich gemachte) Teilfläche der Grundstücke Nr. 3104 und 3105, KG R, erlassen und dabei die maximale Baunutzungszahl mit 55 festgesetzt. Im April 1994 suchte die Beschwerdeführerin als Rechtsnachfolgerin der F-Immobilien Ges.m.b.H. & Co KG hinsichtlich des durch Grundstücksteilung gebildeten Grundstücks 3105/2 (dem Antrag war ein Grundbuchsauszug beigeschlossen, der sich nicht im vorgelegten Akt befindet; einem Aktenvermerk zufolge wurde die Eigentümerstellung der Beschwerdeführerin geprüft und als gegeben angenommen) um Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage auf der Gp. 3105/2, KG R, an (das Grundstück 3105/2 wurde aus jenem Teil des Grundstücks 3105 gebildet, für welchen mit dem oben genannten Bescheid die Festsetzung der Baugrundlagen erfolgte). Aus den eingereichten Plänen ergab sich eine geringfügige Überschreitung der vorgeschriebenen Baunutzungszahl. Nachdem die Gemeindevertretung der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Wirksamkeit vom 1. Juli 1994 gemäß § 30 Vorarlberger Raumplanungsgesetz (RPG) eine Verordnung über die Festsetzung der Maße der baulichen Nutzung erlassen hatte, mit der die Baunutzungszahl mit maximal 45 festgelegt wurde, stellte die Beschwerdeführerin im Hinblick auf ihr Bauprojekt einen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung von der genannten Verordnung. Sie hätte im Zeitpunkt der Planung des Bauprojektes aufgrund des Baugrundlagenbestimmungsbescheides darauf vertrauen können, daß dieser Gültigkeit habe. Der Bescheid sei nicht nur zeitlich früher als die Verordnung erlassen worden, sondern sei dieser gegenüber auch lex specialis.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 16. November 1994 wurde das Bauansuchen der Beschwerdeführerin gemäß § 31 Abs. 2 Vorarlberger Baugesetz abgewiesen und diese Entscheidung mit der Geltung der in der genannten Verordnung mit 45 festgelegten Baunutzungszahl begründet. Die Baubehörde habe stets die zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides geltende Rechtslage zu berücksichtigen. Demnach sei sie nicht mehr an die Baugrundlagenbestimmung vom 15. April 1994 gebunden. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie sowohl Verfahrensmängel als auch inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machte. Zum einen hätte die Behörde erster Instanz eine mündliche Verhandlung gemäß § 29 Vorarlberger Baugesetz durchzuführen gehabt, da eine Abweisung gemäß § 31 Abs. 2 leg.cit. ohne Bauverhandlung nur erfolgen dürfe, wenn sich die Unzulässigkeit des Vorhabens aus dem Bauantrag und den Unterlagen eindeutig ergebe. In bezug auf die von der Behörde im Bescheid festgestellten Baunutzungszahl von 55,6 habe die Behörde unrichtig ermittelt. Die Pläne wiesen eine Baunutzungszahl von genau 55 auf, doch selbst im Falle einer Baunutzungszahl von 55,6 handle es sich nur um eine von der Behörde jedenfalls zu tolerierende geringfügige Überschreitung. Weiters sei die von der Behörde im Hinblick auf die anzuwendende Rechtslage vertretene Auffassung unrichtig, da gemäß § 5 Abs. 5 Vorarlberger Baugesetz eine Baugrundlagenbestimmung nur dann unzulässig wäre, wenn zum Zeitpunkt der Einbringung des Antrages gemäß § 5 Vorarlberger Baugesetz bereits eine Verordnung über das Maß der baulichen Nutzung rechtskräftig erlassen wäre. Daraus ergebe sich, daß die nach Erlassung der Baugrundlagenbestimmung ergangene Verordnung auf das konkrete Projekt keinen Einfluß mehr haben könne. Darüber hinaus sei die Baugrundlagenbestimmung gegenüber der Verordnung lex specialis.
Mit Bescheid der Berufungskommission der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 10. Februar 1995 wurde die Berufung abgewiesen und zur Frage der Anwendung des § 31 Abs. 2 Vorarlberger Baugesetz ausgeführt, daß der Bauantrag der am 1. Juli 1994 in Kraft getretenen Verordnung über die Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung widerspreche. Daher habe die Abweisung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung erfolgen können. Die von der Beschwerdeführerin angesprochene Verletzung des Vertrauensschutzes verneinte die Behörde zweiter Instanz mit der Begründung, daß erst eine Baubewilligung eine konkrete Vorgabe schaffe und bis zu einer solchen Bewilligung häufig Umplanungen zu gewärtigen seien. Die Beschwerdeführerin irre in der Annahme, der Baugrundlagenbestimmungsbescheid habe als lex specialis Anwendungsvorrang gegenüber der Verordnung, da ein Bescheid lediglich die Anwendung eines Gesetzes darstelle, nicht aber eine lex specialis begründe.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung, in der sie erneut auf die fehlende Bauverhandlung und die Frage des Vertrauensschutzes im Zusammenhang mit der Geltung des Baugrundlagenbescheides verwies. Da es sich sowohl bei einem Bescheid als auch einer Verordnung um "Rechtssetzung im weiteren Sinne" handle, liege sehr wohl das Verhältnis von lex specialis zu lex generalis vor.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung keine Folge. Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung im wesentlichen darauf, daß die Baubehörde an den Baugrundlagenbestimmungsbescheid nur bei gleichbleibender Sach- und Rechtslage gebunden gewesen wäre. Durch das Inkrafttreten der Verordnung habe sich die Rechtslage geändert und auch das beschwerdegegenständliche Bauprojekt sei von deren Anwendungsbereich erfaßt. Da sowohl der Bescheid als auch die Verordnung denselben Regelungsgegenstand hätten, derogiere die Verordnung als später erlassene Norm dem Bescheid. Ob nun die Baunutzungszahl der geplanten Wohnhausanlage 55 oder 55,6 betrage, sei unter Berücksichtigung der in der Verordnung mit 45 festgesetzten Baunutzungszahl ohne Bedeutung. Das Erfordernis der Durchführung einer Bauverhandlung verneinte die belangte Behörde mit derselben Begründung wie die Berufungsbehörde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrte.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung betreffend den Anwendungsvorrang des Baugrundlagenbestimmungsbescheides gegenüber der Verordnung über die Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung muß folgendes entgegengehalten werden:
Nach übereinstimmender Auffassung von Lehre
(vgl. Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes6, Rz 481 ff) und Rechtsprechung (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 24. November 1995, Zl. 92/17/0234) kommt einem Bescheid nur soweit Rechtskraft zu, als sich die SACH- UND RECHTSLAGE nicht ändert (sog. "objektive Grenzen der Rechtskraft").
So hat der Verwaltungsgerichtshof insbesondere auch für die Festsetzung einer Baunutzungszahl nach § 5 Vorarlberger Baugesetz ausgesprochen, daß diese nur insolange Rechtskraftwirkungen entfalten kann, als sich die maßgebliche Rechtslage nicht geändert hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 1995, Zl. 95/06/0092, und auch das Erkenntnis vom 29. August 1996, Zl. 96/06/0138, in dem es um die Rechtskraftwirkung eines Vorbescheides gemäß § 28 Baugesetz ging und für die Feststellung gemäß § 5 Baugesetz bereits aus dem Ablauf der zweijährigen Frist nach § 5 Abs. 6 Baugesetz abgeleitet wurde, daß die Baubehörde nicht mehr an den Bescheid gebunden war; dem Erkenntnis läßt sich aber nicht entnehmen, daß der Verwaltungsgerichtshof von der oben dargestellten grundsätzlichen Auffassung, die im zitierten Erkenntnis vom 18. Mai 1995 auch im Zusammenhang mit § 5 Baugesetz angewendet wurde, abrücken wollte, hat er doch im Gegenteil für den Vorbescheid nach § 28 Baugesetz im Sinne der vorstehenden Ausführungen das Wegfallen der Bindungswirkung im Hinblick auf die nach Erlassung des Bescheides erfolgte Änderung der Rechtslage angenommen).
Das Vorarlberger Baugesetz enthält keine Bestimmung, wonach auf anhängige Verfahren die Rechtslage zum Zeitpunkt der Einbringung des Antrages anzuwenden wäre. Bei der Entscheidung über den gegenständlichen Baubewilligungsantrag ist daher entsprechend der ständigen Rechtsprechung seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, VwSlg. Nr. 9315/A, von der im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde geltenden Rechtslage auszugehen (eine Rechtslagenänderung zwischen Antragstellung und Entscheidung ist zu berücksichtigen, sofern für die Gesetzes- oder Verordnungsbestimmung, die neu in Kraft getreten ist, keine anderslautende Übergangsbestimmung erlassen wurde; vgl. auch § 22 Abs. 2 NÖ ROG und § 17 Abs. 1 UVP-Gesetz, BGBl. Nr. 697/1993). Einer jener Fälle, deren der Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis gedachte und in denen abweichend vom dargestellten Grundsatz nicht die aktuell geltende Rechtslage, sondern die zu einem bestimmten früheren Zeitpunkt geltende Rechtslage anzuwenden wäre (wie bei der Festsetzung von Abgaben oder bei einem Feststellungsbescheid, der feststellen soll, was zu einem bestimmten Zeitpunkt rechtens war), liegt im Falle eines Baubewilligungsverfahrens nicht vor.
Wenn die Beschwerdeführerin mehrfach auf die Bestimmung des § 5 Vorarlberger Baugesetz verweist, muß ihr entgegengehalten werden, daß die Bindung der Baubehörde an die Baugrundlagenbestimmung nur soweit gehen kann, als sich die Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Baubescheides nicht geändert hat. § 5 Vorarlberger Baugesetz bietet keine Grundlage für eine Abweichung von den oben genannten Grundsätzen zur Frage der anzuwendenden Rechtslage. Auch der Umstand, daß § 5 Abs. 6 ein Außerkrafttreten der Baugrundlagenbestimmung nach zwei Jahren vorsieht, stellt nur eine Einschränkung der Bindungswirkung eines derartigen Bescheides dar, ohne daß damit gleichzeitig in dem Sinne eine Sperrwirkung angeordnet wäre, daß innerhalb dieser zwei Jahre auch keine Änderung der Verordnungsgrundlagen erfolgen dürfte.
Der belangten Behörde ist daher darin zu folgen, daß die Baubehörde nur bei gleichbleibender Sach- und Rechtslage an einen Baugrundlagenbestimmungsbescheid gebunden ist. Da am 1. Juli 1994, d.h. noch vor Erlassung des Baubewilligungsbescheides, eine von der Baugrundlagenbestimmung abweichende Verordnung über die Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung in Kraft getreten ist, war diese Verordnung auch schon im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde erster Instanz am 16. November 1994 anzuwenden.
Auf die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Mängel bei der Feststellung der Baunutzungszahl des eingereichten Projekts muß nicht näher eingegangen werden, da es im Hinblick auf die von der Verordnung mit 45 festgesetzte Baunutzungszahl für das gegenständliche Verfahren - wie auch die belangte Behörde festgestellt hat - irrelevant ist, ob die Pläne eine Nutzungszahl von 55 oder 55,6 ausweisen.
Die Behörde erster Instanz konnte daher aufgrund der Abweichung des Bauansuchens von der anzuwendenden Verordnung den Antrag gemäß § 31 Abs. 2 Baugesetz ohne vorherige Durchführung einer mündlichen Bauverhandlung abweisen (vgl. auch in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 29. August 1996, Zl. 96/06/0138). Die Bestätigung dieser Abweisung durch die Berufungsbehörde verletzte die Beschwerdeführerin nicht in ihren Rechten; die belangte Behörde war daher nicht gehalten, aufgrund der Vorstellung der Beschwerdeführerin den bei ihr angefochtenen Bescheid wegen Verletzung subjektiver Rechte der Beschwerdeführerin aufzuheben.
Da somit die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995060137.X00Im RIS seit
20.11.2000