TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/22 W278 2205265-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.12.2020
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Entscheidungsdatum

22.12.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W278 2205265-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HABITZL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Philippinen, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.07.2018, Zl. 1170759704-171158980, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.06.2020, zu Recht:

A)       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

1. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (infolge: BF), ein philippinischer Staatsangehöriger, reiste am 23.04.2014 von Saudi-Arabien nach Spanien und am 30.04.2014 weiter nach Österreich und stellte am 10.10.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 11.10.2017 erfolgte die Erstbefragung des BF vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er politischer Aktivist gegen die aktuelle Regierung sei. Er sei schon Aktivist gewesen, als die Regierung noch nicht im Amt gewesen sei. Damals hätten sie immer wieder Aktivisten exekutiert. Seine Bekannten seien bereits von der Regierung umgebracht worden. Der neue Präsident habe einen neuen Krieg gegen die Rebellen geführt.

Am 08.02.2018 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (infolge: BFA) einvernommen und brachte zu seinen Fluchtgründen vor, dass er in Saudi-Arabien gegen die Korruption auf den Philippinen politisch aktiv gewesen sei. Von 2006 bis 2014 sei er „Secretary General“ bei „Migrante International“ gewesen. Sie seien gegen die Regierung auf den Philippinen oppositionell tätig gewesen. Freunde von ihm seien während dieser Zeit auf den Philippinen verhaftet und ermordet worden. Da es in Spanien keine Stelle der „Migrante International“ gegeben habe, sei er im April 2014 nach Wien gereist, wo er für „Migrante International“ an Kampagnen über die politische Situation auf den Philippinen beteiligt gewesen sei. Seine Organisation habe ihm mitgeteilt, dass er im Falle der Rückkehr in Haft genommen und umgebracht werde. Da er eine der führenden Positionen in der Organisation habe, sei sein Name auf der Liste jener Personen, die, wenn sie erwischt würden, hingerichtet würden. Er sei auch noch Mitglied in anderen Organisationen, etwa einer politischen Partei im Kongress namens „Bayan Muna“. Bevor er die Philippinen verlassen habe, sei er dort im Jugendbereich tätig gewesen.

Mit Schriftsatz vom 01.03.2018 übermittelte der BF Kopien seines Reisepasses samt Visastempeln.

Mit Schreiben vom 20.06.2018 legte der BF Integrationsunterlagen sowie Berichte zur Untermauerung seiner Fluchtgründe vor.

Am 21.06.2018 fand eine weitere Einvernahme des BF vor dem BFA statt. Dabei gab er an, dass er sich innerhalb der „Migrante International“ für die Verbesserung der Rechte der Arbeiter in Bezug auf Wohlfahrt und soziale Aspekte eingesetzt habe und den Fremdarbeitern aus den Philippinen das Sozialsystem der europäischen Länder näherbringe und sie in Österreich berate und unterstütze. Er habe auch auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam gemacht und im Jahr 2016 während der Wahlen eine Rede gehalten, die er auf Youtube veröffentlicht habe.

Mit E-Mail vom 12.07.2018 übermittelte der BF ein Schreiben eines Mitglieds von „Migrante International“, aus dem hervorgeht, dass der BF auf der „blacklist“ der philippinischen Regierung stehe und führte aus, dass der Verfasser des Schreibens auch bereit sei, als Zeuge im Asylverfahren auszusagen.

Am 17.07.2018 langte beim BFA ein Schreiben des Präsidenten von „Migrante International“ ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Philippinen (Spruchpunkt II.) ab. Das BFA erteilte dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung auf die Philippinen zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass die durchgeführten Recherchen ergeben hätten, dass „Migrante International“ zahlreiche Büros auf den Philippinen betreibe und gezielte oder systematische Übergriffe der Regierung auf die Organisation oder deren Mitglieder daraus nicht hervorgehen würden, weshalb auch keine Bedrohung gegenüber dem BF abgeleitet werden könne. Der BF habe eine Ausbildung, Berufserfahrung sowie ein familiäres Netzwerk im Herkunftsstaat und sei schon vor seiner Ausreise in der Lage gewesen, den Lebensunterhalt für sich und seine Familie durch eigenständige Arbeit zu erwirtschaften. Im Falle der Rückkehr drohe ihm daher keine reale Gefahr der Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK. Der BF habe sich drei Jahre illegal im Bundesgebiet aufgehalten, stütze seinen Aufenthalt darüber hinaus lediglich auf den Antrag auf internationalen Schutz, habe keinerlei familiäre Bindung in Österreich, beherrsche die deutsche Sprache nicht und sei nicht erwerbstätig. Demgegenüber beherrsche er die Landessprache seines Herkunftsstaates und habe dort Familienangehörige, sodass seine Bindung zu den Philippinen wesentliche stärker sei als jene zu Österreich. Insgesamt überwiege das öffentliche Interesse am geordneten Fremdenwesen gegenüber den privaten Interessen des BF, weshalb die Rückkehrentscheidung zulässig sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde und führte aus, dass sich das BFA über das Vorbringen des BF sowie das Beweisanbot zur Einvernahme eines Zeugen begründungslos hinweggesetzt habe. Soweit das BFA ausführe, der beantragte Zeuge sei auf Urlaub auf den Philippinen gewesen und habe problemlos nach Österreich zurückkehren können, obwohl dieser eine höhere Funktion als der BF einnehme und als Vorstandsmitglied im Vereinsregister aufscheine, verkenne das BFA, dass das österreichische Vereinsregister über die Struktur einer internationalen Organisation wie „Migrante International“ nur ungenügend Auskunft geben könne. Er sei in Saudi-Arabien, wo viele tausende philippinische Arbeiter leben würden, Generalsekretär der „Migrante International“ gewesen, habe diese Arbeiter organisiert, sich für ihre Rechte eingesetzt und sie zum Kampf für ihre Rechte aufgefordert. Dadurch habe er sich in einem Maße exponiert, dass er ins Visier sowohl der saudischen als auch der philippinischen Regierung geraten sei. In Österreich sei er zwar nur in einer informellen Funktion tätig und gerate deshalb noch mehr ins Visier des philippinischen Regimes. So habe er sich etwa als Organisator und Kampagnenverantwortlicher für die Migrante-Liste bei den letzten Wahlen öffentlich betätigt, was auf dem vorgelegten Youtube-Video zu sehen sei. Zudem sei er auf einem Facebook-Eintrag zu sehen und habe sich während der Migrante Österreich-Kampagne zur Unterstützung des Friedensprozesses in vorderster Linie betätigt.

In seiner Beschwerdeergänzung vom 31.01.2019 führte der BF aus, dass zwischenzeitlich in einer linksgerichteten Online-Zeitschrift ein Interview mit ihm erschienen sei, das auf einer weiteren Online-Plattform veröffentlich worden sei und in welchem er seine jahrelange Tätigkeit für die Organisation „Migrante“ in seiner philippinischen Heimat, in Saudi-Arabien und in Österreich beschreibe sowie das philippinische Regime angreife. Weiters verwies der BF auf ein Rundmail, das an zahlreiche politische Kontakte versendet worden sei, auf einen weiteren Internet-Beitrag, in welchem er als „Secretary General, XXXX “ aufscheine und übermittelte neben den erwähnten Beiträgen ein Schreiben über seine Teilnahme an der Rosa Luxemburg Konferenz sowie ein Schreiben zum Beweis seiner Integration.

Mit Schreiben vom 08.03.2019 übermittelte der BF einen im Internet veröffentlichten Beitrag über die am 30.01.2019 erfolgte Ermordung eines Teilnehmers des Friedensforums Wien im Jänner 2017 und führte dazu aus, dass er selbst daran teilgenommen habe und ihm im Falle der Rückkehr dasselbe Schicksal drohe.

Mit Schriftsatz vom 19.04.2019 gab der BF bekannt, dass er auf der Generalversammlung des Vereins „ XXXX “ zum Schriftführer gewählt worden sei und übermittelte die Wahlanzeige samt Vereinsregisterauszug.

Am 10.06.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht (infolge: BVwG) in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Philippinisch sowie der rechtsfreundlichen Vertretung des BF eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der BF ausführlich zu seinen Verhältnissen im Herkunftsstaat, seinen Fluchtgründen und seiner Integration in Österreich befragt und ein Zeuge zu seinen Fluchtgründen einvernommen wurde.

Mit Schriftsatz vom 24.06.2020 übermittelte der BF eine schriftliche Stellungnahme zum in der mündlichen Verhandlung ins Verfahrens eingebrachten Länderinformationsblatt.

2. Feststellungen:

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der BF heißt XXXX und ist am XXXX geboren. Seine Identität steht fest. Er ist philippinischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Filipinos an und bekennt sich zum katholischen Glauben. Die Muttersprache des BF ist Tagalog. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Der BF wurde in der Gemeinde XXXX in der Provinz Sorsogon geboren und zog mit seiner Familie im Kleinkindalter nach Quezon City, Metro Manila, wo er sechs Jahre die Volks- und Hauptschule sowie vier Jahre die Mittelschule besuchte. Anschließend absolvierte der BF eine dreijährige Ausbildung zum Röntgenassistenten und machte Praktika in verschiedenen Krankenhäusern. Danach arbeitete der BF bei verschiedenen Unternehmen, unter anderem bei einer Fastfoodkette. Im Jahr 2000 heiratete der BF. 2006 zog er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern, die mittlerweile 16 und 20 Jahre alt sind, nach Bulacan. Im selben Jahr wanderte der BF nach Saudi-Arabien aus, wo er bis zum Jahr 2014 lebte und im Verkauf und Marketing eines Elektronikkonzerns arbeitete. Von 02.01.2010 bis 15.02.2010, von 10.03.2012 bis 09.04.2012 sowie von 06.04.2013 bis 04.05.2013 war der BF auf Urlaub auf den Philippinen. Auf den Philippinen kam der BF für den Lebensunterhalt für sich und seine Familie auf. Während seines Aufenthaltes in Saudi-Arabien sorgte er finanziell für seine Familie.

Die Ehefrau und die beiden Kinder des BF leben in der Stadt San Jose Del Monte in der Provinz Bulacan auf den Philippinen. Seine Ehefrau betreibt eine Straßenküche und verdient damit den Lebensunterhalt für sich und die gemeinsamen Kinder. Der Sohn des BF besucht das College, seine Tochter die Mittelschule. Ein Bruder des BF ist Mechaniker und lebt in Quezon City in dem Haus, in dem auch der BF vor seinem Umzug nach Bulacan lebte. Ein weiterer Bruder des BF lebt in Kanada, seine Schwester in Japan. Der BF hat regelmäßig über soziale Medien Kontakt zu seinen Familienangehörigen.

Der BF hat erhöhte Cholesterinwerte, Beschwerden an der Halswirbelsäule (Cervikalsyndrom), chronische Rückenschmerzen (Lumbalgie), Bluthochdruck (arterielle Hypertonie) und nahm zuletzt ab 04.06.2020 zumindest einen Monat blutdrucksenkende Medikamente. Er leidet an keiner schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheit.

2.2. Zum (Privat-)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der BF reiste am 23.04.2014 mit einem spanischen Schengen-Visum, das am 16.04.2014 in Riad, Saudi-Arabien, ausgestellt wurde und von 23.04.2014 bis 09.05.2014 gültig war, nach Barcelona. Am 30.04.2014 begab sich der BF nach Österreich und lebte über drei Jahre ohne Aufenthaltsberechtigung und behördliche Meldung bei verschiedenen Freunden in Wien. Am 10.10.2017 stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der BF war jeweils von 02.10.2017 bis 27.10.2017 sowie von 30.10.2017 bis 30.12.2019 behördlich gemeldet. Seit 04.02.2020 ist er obdachlos gemeldet und lebt bei unterschiedlichen philippinischen Freunden. Der BF bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung, weil er seinen Wohnsitz in ein anderes Bundesland verlegte. Er erhält Unterstützungsleistungen der philippinischen Gemeinschaft.

Der BF besuchte mehrere Deutschkurse, kann sich auf Deutsch aber nach wie vor nicht verständigen.

Er beteiligte sich zwischen 2014 und 2018 an verschiedenen Projekten der XXXX , hielt in Zusammenarbeit mit dem XXXX Vorträge, war Teilnehmer an Veranstaltungen des XXXX , nahm von März 2016 bis zumindest 24.10.2017 psychologische und Sozialberatung im XXXX sowie von 2014 bis zumindest 25.10.2017 die Beratung der XXXX in Anspruch, besuchte im Jahr 2018 das Projekt „Sprachcafé“ sowie zwischen 11.10.2018 und 30.12.2019 an Sonn- und Feiertagen die Gottesdienste der Klosterkirche XXXX , nahm von November 2018 bis Oktober 2019 regelmäßig an Veranstaltungen der Projektgruppe XXXX XXXX teil, besuchte am 12.11.2019 den sozialpädagogischen Workshop des Projektes „ XXXX “ und war Teil einer Fernseh-Reportage zum Thema „Moderne Sklaverei in Österreich“, die bislang noch nicht ausgestrahlt wurde.

Der BF unterstützte von April bis zumindest Juni 2018 die Gemeinde XXXX und den dort angesiedelten XXXX -Marketingverein bei der Gartenpflege und anderen laufend anfallenden Arbeiten, war von 21.10.2019 bis 25.10.2019 als Aushilfe bei der Gemeinde XXXX beschäftigt, arbeitete am 14.01.2020 in einer Trafik und beteiligte sich während der Corona-Eindämmungsmaßnahmen im Frühjahr 2020 an einem Versorgungssystem, bei dem alleinerziehenden Müttern mit kleinen Kindern riskante Einkaufswege abgenommen wurden. Dafür wurde der mit Dienstleistungsschecks entlohnt.

Der BF ist Mitglied des Wohlfahrts- und Sportvereins „ XXXX “ und im Vereinsregister für die Funktionsperiode 17.03.2019 bis 16.03.2025 als Schriftführer eingetragen.

Der BF hat sich in Österreich einen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut, dem überwiegend philippinische Staatsangehörige angehören.

Er ist strafgerichtlich unbescholten.

2.3. Zu den Fluchtgründen und zur Rückkehr des Beschwerdeführers:

Der BF ist keiner konkreten und individuellen Gefahr ausgesetzt, aufgrund seiner (unterstellten) politischen Gesinnung auf den Philippinen verfolgt zu werden.

Der BF ist auch nicht der Gefahr ausgesetzt, aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe auf den Philippinen mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.

Bei einer Rückkehr auf die Philippinen kann der BF grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

2.4. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Aufgrund der vom BFA sowie in der Beschwerdeverhandlung eingebrachten und mit dem BF erläuterten Erkenntnisquellen werden folgende Feststellungen zum Herkunftsstaat getroffen:

2.4.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu den Philippinen, Gesamtaktualisierung 24.05.2019 (gekürzt und bereinigt):

„Politische Lage

Die Philippinen haben ca. 300.000 km² Fläche und ca. 107 Mio. Einwohner. Die primären Landessprachen sind Philipino (Tagalog) und Englisch (allgemeine Verkehrssprache). Die Regierungsform des Landes ist ein Präsidialsystem, Staatsoberhaupt und Regierungschef ist seit Juni 2016 Rodrigo Duterte (AA 6.3.2019a). Das philippinische Präsidialsystem folgt weitgehend dem US-amerikanischen Vorbild mit zwei Kammern, dem Repräsentantenhaus mit etwa 290 Abgeordneten und einem 24-köpfigen Senat. Die Kongressabgeordneten werden alle drei Jahre gewählt, während die Amtszeit von Senatoren sechs Jahre beträgt, wobei jeweils die Hälfte von ihnen nach drei Jahren gewählt wird. Der mit großen Befugnissen ausgestattete Präsident an der Spitze der Exekutive ist gleichzeitig in Personalunion Staatsoberhaupt, Regierungschef und Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Er ernennt die Mitglieder des Kabinetts und hat ein Vetorecht bei Gesetzesbeschlüssen des Kongresses. Seine Amtszeit endet nach sechs Jahren, eine Wiederwahl ist nicht möglich. Die Legislative besteht aus dem Repräsentantenhaus und dem Senat (GIZ 3.2019a).

Die Regierung des am 9.5.2016 gewählten und seit dem 30.6.2016 regierenden Präsidenten Rodrigo Duterte hat die Bekämpfung der Drogenkriminalität, die Armuts- und Korruptionsbekämpfung, die Befriedung der inneren muslimischen und kommunistischen Rebellionen und einen föderalen Umbau des Staates zu den wichtigsten Prioritäten ihrer Politik erklärt. Zivilgesellschaftliche Organisationen beklagen eine deutlich verschlechterte Menschenrechtslage im Zuge der Anti-Drogen-Kampagne, bei der seit Amtsantritt Dutertes nach offiziellen Zahlen über 5.000 Personen getötet worden sind. Nach NGO-Angaben ist die Zahl der durch die Polizei oder Unbekannte Getöteten deutlich höher (12.000 bis 20.000) (AA 6.3.2019b).

[…]

Sicherheitslage

Seit der Unabhängigkeit der Republik der Philippinen am 4.7.1946 existiert eine Reihe virulenter politischer, wirtschaftlicher und sozialer Konflikte, die bis heute von sämtlichen Regierungen gar nicht oder nur teilweise gelöst werden konnten. Es gibt eine Reihe kommunistischer und muslimischer Gruppen, die – mitunter auch bewaffnet – gegen die Zentralregierung und für unterschiedliche politische Ziele kämpfen. Nennenswert sind vor allem die Dachorganisation des

kommunistischen Untergrundbündnisses (NDFP) sowie die heute größte und bedeutendste muslimische Widerstandsorganisation, die Moro Islamische Befreiungsfront (MILF) (GIZ 3.2019a). Die New Peoples Army (NPA), bewaffneter Arm der philippinischen kommunistischen Partei, ist in großen Teilen des Landes präsent, v.a. im Norden und Zentrum der Insel Luzon, auf den Inseln Samar, Leyte, Madbate, Negros und Mindoro (FD 24.5.2019).

Seit dem Frühjahr 2014 gestalten sich gleichzeitig auch Kontakte zwischen dem dschihadistischen IS (Islamischer Staat) - vormals ISIS (Islamischer Staat in Irak und Syrien) - und Gesinnungsgenossen in Südostasien immer enger. Neben Indonesien ist dabei auch der Süden der Philippinen ins Zentrum von IS-Propagandisten und -Rekruteuren gerückt (GIZ 3.2019a). Zuletzt wurde im Jänner 2019 ein schwerer Bombenanschlag auf die Kathedrale in Jolo in der Provinz Sulu verübt; bei diesem Angriff starben rund 20 Menschen und es wurden mindestens 100 verletzt (GIZ 3.2019a, vgl. AA 22.5.2019). Schließlich hat dort mit der Abu Sayyaf-Gruppe (ASG) eine militante Organisation schon lange und mehrfach international für Aufsehen gesorgt; deren Gründungsmitglieder hatten bereits als Mudschahedin in Afghanistan gegen die sowjetischen Besatzungstruppen gekämpft. Mehrere Großoffensiven philippinischer Eliteeinheiten und USSpezialkräfte in der Region vermochten es nicht, die ASG aufzureiben (GIZ 3.2019a). Bewaffnete islamistische Gruppierungen, allen voran die bereits erwähnte Abu Sayyaf-Gruppe, sind im Westen der Insel Mindanao aktiv, ebenso wie auf der Insel Palawan und den Archipelen Sule und TawiTawi (FD 24.5.2019). Für die gesamte Insel Mindanao gilt bis mindestens Ende 2019 Kriegsrecht. Diese Maßnahme beinhaltet Ausgangssperren, militärische Kontrollposten sowie die Aussetzung bestimmter Bürgerrechte, wie des Rechts auf unverzügliche gerichtliche Überprüfung von Inhaftierungen (AA 22.5.2019).

Das deutsche auswärtige Amt warnt vor Reisen in folgende Regionen: Zamboanga Peninsula (Region IX); Northern Mindanao (Region X); Davao-Region (Region XI), einschließlich der Insel Samal, aber mit Ausnahme von Davao City; Soccsksargen (Region XII); Autonomous Region of Muslim Mindanao (ARMM) mit dem Sulu-Archipel, also den Inseln zwischen Mindanao und OstMalaysien (wie Tawi-Tawi, Sulu, Basilan); Sulu-See; Süd-Palawan (südlich von Puerto Princesa). Von nicht erforderlichen Reisen in andere Regionen von Mindanao und in der Mindanao-See wird abgeraten (AA 22.5.2019). Das französische Außenministerium warnt („formellement deconseillé“) vor Reisen auf die Insel Basilan, die Archipele Sulu und Tawi-tawi, auf die Halbinsel Zamboanga, West-Misamis und andere im Süden der Philippinen gelegene Gebiete und Inseln. Gebiete, die unter Vorliegen eines triftigen Grundes bereist werden können, sind der südliche Teil der Insel Palawan, in Mindanao die nördlichen Provinzen, Ost-Davao, Agusan del Sur, Ost-Misamis, Bukidnon und Surigao del Sur (FD 24.5.2019).

In diesen Gebieten sind unterschiedliche Gruppen von islamistischen Terroristen und Rebellen aktiv, es kommt immer wieder zu Anschlägen sowie Kampfhandlungen mit der philippinischen Armee und Sicherheitskräften. Die Armee konnte die von IS-nahen Terroristen besetzte Stadt Marawi im Oktober 2017 erst nach fünf Monaten schwerster Gefechte mit über 1.000 Todesopfern und hunderttausenden Vertriebenen zurückerobern. In West-Mindanao wurden seit Juli 2018 vermehrt Bombenanschläge verübt, bei denen zahlreiche Menschen getötet und eine noch höhere Zahl von Personen verletzt wurde. Die Anschlagsziele waren in Lamitan City in Basilan; in Isulan, Midsayap, Cotabato City und General Santos City auf der Hauptinsel Mindanao; sowie zuletzt Ende Jänner 2019 auf der Insel Jolo in der Provinz Sulu. Die in der Region operierende islamistische Terrorgruppe Abu Sayyaf ist für Entführungen und Ermordungen vor allem auf Mindanao und in der Sulu-See verantwortlich und zielt vermehrt auf ausländische Entführungsopfer. Am 26.2.2017 wurde von ihr eine deutsche Geisel ermordet, nachdem sie bereits im November 2016 in der Sulu-See verschleppt und die Reisegefährtin getötet worden war. Auch ortskundige Ausländer sind dort derzeit besonders gefährdet. Im April 2017 kam es in Bohol und Umgebung und in Davao zu Gefechten zwischen schwerbewaffneten Gruppen und philippinischen Sicherheitskräften. In Manila im Stadtteil Quiapo kam es im selben Zeitraum wiederholt zu Bombenanschlägen, deren Motiv ungeklärt blieb (AA 22.5.2019).

Präsident Duterte hatte Friedensprozesse mit den muslimischen und kommunistischen Rebellen zunächst fortgesetzt. Mit den Moro Islamic Liberation Fighters (MILF) besteht eine Waffenstillstandsvereinbarung; der Konflikt soll durch Gewährung einer Teilautonomie durch das “Bangsamoro Organic Law” endgültig beendet werden. Die Verhandlungen mit den kommunistischen Aufständischen der New People’s Army (NPA) hat die Regierung nach fortdauernden Angriffen von NPA-Kräften auf Armeeangehörige beendet; Ende 2017 wurden die NPA und die Kommunistische Partei der Philippinen (CPP) zu terroristischen Organisationen erklärt, Duterte kündigte einen „all-out war“ gegen sie an. Ungeachtet der Vereinbarung mit der MILF sind in Mindanao mit der terroristisch operierenden Abu-Sayyaf-Gruppe und den von der MILF abtrünnigen Bangsamoro Islamic Freedom Fighters (BIFF) neue Gegner eines Friedens entstanden; die fünfmonatige Besetzung der Stadt Marawi offenbart eine substantielle Gefahr durch islamistische Gruppierungen (AA 6.5.2019b).

[...]

Rechtsschutz / Justizwesen

Die philippinische Judikative basiert auf US-amerikanischem bürgerlichem Recht. Die gültige Verfassung aus dem Jahre 1987 enthält eine Bill of Rights, wonach der Grundsatz der Verfassungsgerichtsbarkeit gilt. Das heißt, die Rechte sind für jeden Bürger beim Obersten Gerichtshof, dem Supreme Court, einklagbar. Das betrifft im Prinzip auch staatliche Gesetze, die als nicht verfassungskonform gelten. Der Oberste Gerichtshof besteht aus 15 Richtern, welche vom Präsidenten auf Vorschlag eines Richterrates, des Judicial and Bar Council, ernannt werden und die bis zu ihrem 70. Lebensjahr im Amt bleiben. Der Sandiganbayan entspricht einem Sondergericht, das sich mit Korruptionsfällen befasst, in die Regierungsbeamte verstrickt sind. Bezüglich Rechtsstaatlichkeit besteht das Problem nicht im Fehlen von Gesetzen; problematisch ist eher deren mangelhafte Umsetzung. Da bis dato die eigentliche Macht im Staate in den Händen nur weniger politisch potenter und sehr wohlhabender landbesitzender Familien und Großunternehmen liegt, ist es für den "Normalbürger" kaum möglich, sich gegen diese mächtigen Interessen zu stemmen (GIZ 3.2019a).

Das Gesetz sieht eine unabhängige Justiz vor, und die Angeklagten haben das Recht auf eine faire öffentliche Verhandlung. Diese Rechte werden in der Regel zwar durchgesetzt, aber nicht immer rechtzeitig. Aufgrund der Korruption durch Vetternwirtschaft, persönliche Verbindungen und Schmiergeldzahlungen bleiben wohlhabende und einflussreiche Personen oft straffrei. Personalmangel, ineffiziente Verfahren und lange Verzögerungen aus verfahrensrechtlichen Gründen wirken weiterhin hemmend auf das Justizwesen (USDOS 13.3.2019) Das Justizsystem ist überlastet, wenig effektiv, unterfinanziert und gilt als notorisch korrupt (AA 6.3.2019b). Ein weiteres Problem stellt das mangelhafte Zeugenschutzprogramm der Justizbehörden dar (GIZ 3.2019a). Menschenrechtsorganisationen berichten, dass dieses Programm aufgrund fehlender Finanzierung, verfahrensbedingter Verzögerungen und grundsätzlicher Zweifel an seiner Effektivität oft nicht in der Lage ist, für die Betroffenen den erforderlichen Schutz zu gewährleisten. Die Kommission für Menschenrechte bietet ein kleineres Zeugenschutzprogramm an, das aufgrund der Opfer der von der Regierung durchgeführten Anti-Drogen-Kampagne überbelastet ist. Dem Ombudsmann sind auch Fälle von Polizeimissbrauch und Korruption bekannt, in denen die Opfer und die Zeugen, aber manchmal auch deren Familien, aufgrund ihrer mangelhaften Zusammenarbeit mit der Behörde unter Druck gesetzt werden (USDOS 13.3.2019).

Die Bemühungen des Obersten Gerichtshofs werden weiterhin fortgesetzt, um schnellere Verfahren gewährleisten, Amtsvergehen reduzieren und die Leistungsfähigkeit der Judikative generell erhöhen zu können und das Vertrauen der Öffentlichkeit ins Justizwesen zurückzugewinnen (USDOS 13.3.2019). Die Europäische Kommission und die philippinische Regierung führen schon seit 2006 (wie z.B. EPJUST, EPJUST II) verschiedene gemeinsame Projekte durch, um den Justizsektor auf den Philippinen zu stärken. Bis Oktober 2019 läuft das aktuellste Kooperationsprogramm zwischen der Europäische Union und den Philippinen unter dem Titel GOJUST (Governance in Justice) (EEAS 23.2.2017; vgl. GoJust o.D.).

[…]

Sicherheitsbehörden

Die Nationale Polizei der Philippinen (Philippine National Police, PNP) ist im größten Teil des Landes für die innere Sicherheit zuständig. Sie ist dem Department of the Interior and Local Government (DILG) untergeordnet. Das Militär (Armed Forces of the Philippines, AFP) ist für die externe Sicherheit verantwortlich, aber in konfliktbetroffenen Regionen (besonders in den Regionen von Mindanao) wird es auch für die innere Sicherheit eingesetzt. Die AFP ist dem Verteidigungsministerium unterstellt. Gouverneure, Bürgermeister und andere lokale Beamte haben einen erheblichen Einfluss auf die regionalen Polizeieinheiten, darunter auf die Ernennung der obersten Polizeibeamten auf Bezirks- und kommunaler Ebene; Bereitstellung von Ressourcen etc., was oft zu Korruption und Bestechung führt. Die PNP mit einer derzeitigen Stärke von 180.000 Mann gilt weiterhin als massiv korruptionsanfällig. Menschenrechtsgruppen warnen weiterhin vor potentiellen Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte (USDOS 13.3.2019).

Die IAS (PNP Internal Affairs Service) sowie andere Regierungsmechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch und Korruption in der Polizei operieren weitgehend ineffektiv, obwohl Korruption unter den Regierungs- und Sicherheitskräften von Präsident Duterte öffentlich verurteilt wurde. Von Jänner bis August 2018 erhielt der Ombudsmann 114 Beschwerden über 294 Fälle von Menschenrechtsverletzungen (Tötungen, Verletzungen, rechtswidrige Verhaftungen, Folter) infolge angeblicher militärischer und polizeilicher Einsätze; im Großteil der Fälle handelt es sich um Sicherheitsbeamte der unteren Dienstgrade. Im August 2018 standen alle Fälle bis auf einen, der abgelehnt wurde, noch zur weiteren Untersuchung offen. Viele Fälle aus dem Vorjahr waren noch offen (USDOS 13.3.2019).

Im Oktober 2017 kündigte Präsident Duterte an, dass die Zuständigkeit für die Anti-DrogenKampagne von der Nationalpolizei auf die Drogenbehörde übergehen solle. Trotz aller ungelösten Probleme hieß es keine zwei Monate später, die Polizei könne sich durchaus erneut an Antidrogeneinsätzen beteiligen. Es gab keine ernsthaften Untersuchungen zu den Tötungen mutmaßlicher Drogenkrimineller. Soweit bekannt, wurde kein Polizist zur Rechenschaft gezogen. Die Angehörigen der Opfer schreckten weiterhin davor zurück, die Verbrechen anzuzeigen, weil sie Vergeltungsmaßnahmen der Polizei befürchteten (AI 22.2.2018).

Es wurden jedoch Bemühungen fortgesetzt, um die PNP zu reformieren und zu professionalisieren. Neben einer verbesserten Ausbildung, erweiterten Gemeinschaftsinitiativen und Gehaltserhöhungen wurden menschenrechtliche Themen in die Kurse für Polizisten integriert und das Büro für Menschenrechte der PNP führte landesweite Routinetrainings zum Thema menschenrechtliche Verantwortlichkeit in der Polizeiarbeit durch (USDOS 13.3.2019).

[…]

Folter und unmenschliche Behandlung

Verfassung und Gesetze verbieten Folter und andere unmenschliche Behandlung. Dadurch erlangte Beweismittel sind gerichtlich nicht zulässig. Dennoch kommt es regelmäßig zu Missbrauch und gelegentlich zu Folter von Verdächtigen sowie Häftlingen durch Sicherheitskräfte und Polizei. Die Kommission für Menschenrechte (CHR) untersuchte bis August 2018 30 Fälle von angeblichen Foltervorwürfen. In acht Fällen wurde die Polizei verdächtigt. Es gab im Jahr 2018 keine Verurteilungen wegen Folter, aber einige Fälle wurde gemäß dem Antifoltergesetz weiter verhandelt. Psychischer Missbrauch - illegal gemäß des Anti-Folter-Gesetzes - wird besonders in Drogenfällen ausgeübt (USDOS 13.3.2019).

Im April 2017 wurde auf einer Polizeiwache in Manila eine geheime Folterzelle entdeckt. Die staatliche Menschenrechtskommission leitete die Information und entsprechende Vorwürfe über Folter und andere Misshandlungen zur weiteren Untersuchung an die Ombudsstelle weiter. Die Sicherheitskräfte wurden beschuldigt, während der fünf Monate andauernden Kämpfe zwischen der Armee und der Maute-Gruppe in Marawi gefangen genommene Personen gefoltert und außergerichtlich hingerichtet zu haben. Der Gesetzentwurf zur Einrichtung eines nationalen Präventionsmechanismus gemäß dem Fakultativprotokoll zum UN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe war bis Ende 2017 nicht verabschiedet (AI 22.2.2018).

[…]

Allgemeine Menschenrechtslage

In den Philippinen werden die Menschenrechte durch zahlreiche Gesetze geschützt. Zudem hat das Land die wichtigsten völkerrechtlichen Vereinbarungen zum Schutze der Menschenrechte ratifiziert. Im Zuge des unter Präsident Duterte geführten sogenannten Kriegs gegen Drogen ist es zu einer hohen Zahl von Tötungen durch Sicherheitskräfte gekommen. Während Menschenrechtsverteidiger in diesem Zusammenhang von schweren Menschenrechtsverletzungen sprechen, hat die Polizei nach Angaben der philippinischen Regierung in Notwehr getötet. Es kommt auch außerhalb des „Kriegs gegen Drogen“ zu Menschenrechtsverletzungen (wie sogenannte extralegale Tötungen, Körperverletzungen, Entführungen, Folter). Eine strafrechtliche Ahndung der Tötungen findet so gut wie nicht statt (AA 6.3.2019b).

Die größten Menschenrechtsprobleme in den Philippinen sind ungesetzliche und willkürliche Tötungen durch die Sicherheitskräfte sowie durch Aufständische, Verschwindenlassen, Folter, willkürliche Inhaftierungen, harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen, politische Häftlinge, ungesetzliches Eindringen in die Privatsphäre, Tötungen von und Drohungen gegenüber Journalisten, behördliche Korruption sowie Zwangsarbeit und Kinderarbeit (USDOS 13.3.2019).

Die Philippinen wurden 2018 erneut in den UN-Menschenrechtsrat gewählt. Das Verfahren des Universal Periodic Review (UPR) durchliefen sie zuletzt im Mai 2017. Seit 2011 sind die Philippinen neben Japan das einzige asiatische Land, das dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) beigetreten ist. Die Chefanklägerin des IStGH gab im Februar 2017 die Aufnahme von Vorermittlungen gegen Präsident Duterte wegen möglicher Taten im Zusammenhang mit dem „Kampf gegen Drogen“ bekannt. Die Philippinen leiteten daraufhin ihren Rücktritt aus dem Römischen Status ein, der auf die Vorermittlungen des jedoch keine Auswirkungen hat (AA 6.3.2019b).

Seit der Wahl des neuen Präsidenten Rodrigo Duterte im Mai 2016 haben sich die Menschenrechtsprobleme in den Philippinen massiv verschärft. 2017 kam es zu Tausenden von rechtswidrigen Tötungen von Kleinkriminellen und Verdächtigen durch Polizisten und andere Personen im Rahmen einer Kampagne gegen Drogen. Zudem geht die Polizei vermehrt mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen Demonstrierende vor. Immer wieder begehen unbekannte Täter und mutmaßliche Milizen Morde an Journalisten, Richtern, Rechtsanwälten und Angehörigen von indigenen Gemeinschaften. Bei Menschenrechtsverletzungen herrscht ein Klima der Straflosigkeit. Machtmissbrauch und Korruption sind entsprechend weit verbreitet. In den Südphilippinen schwelt immer noch ein bewaffneter Konflikt zwischen dem Militär und separatistischen islamischen Gruppen, im Mai 2017 verhängte Präsident Duterte das Kriegsrecht über die Insel Mindanao (HR 27.8.2018).

Immer wieder kommt es zu Folter von Häftlingen durch Sicherheitskräfte und die Polizei. Im Jahr 2016 wurde zum ersten Mal ein Polizist auf Grundlage des Antifoltergesetzes wegen Folter schuldig gesprochen. Viele andere Folteropfer warten aber weiterhin darauf, dass man ihre Folterer zur Verantwortung zieht. Auch sind mehrere Fälle des Verschwindenlassens bekannt. Trotz eines Gesetzes gegen das Verschwindenlassen wurde noch kein Schuldspruch auf der Grundlage dieses Gesetzes erlassen. Frauen, LGBTI-Personen, Personen mit Behinderungen und Angehörige einiger indigener Gruppen werden diskriminiert. Die sexuellen und reproduktiven Rechte der Frauen sind stark eingeschränkt. Es wird von sexueller Ausbeutung von Kindern, Kinderarbeit und Menschenhandel berichtet. Der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte kritisierte die Philippinen zudem, weil die Regelungen zum Mindestlohn nicht eingehalten werden (HR 27.8.2018).

[…]

Haftbedingungen

In den Gefängnissen herrschen oft schlechte (USDOS 13.3.2019; vgl. DFAT 12.2018) bzw. potentiell lebensbedrohliche (USDOS 13.3.2019) Umstände. Gefängnisse sind häufig massiv überbelegt, verfügen über unzureichende sanitäre Einrichtungen (USDOS 13.3.2019; vgl. DFAT 12.2018) und es fehlt an Nahrung und adäquater medizinischer Versorgung. Gemäß NGOs kommt es zu Missbrauch durch Wärter und andere Insassen, aber die meisten Gefangenen weigern sich aus Angst vor Vergeltung eine formale Beschwerde einzureichen (USDOS 13.3.2019). Die Überbelegung führt zu Gewalt zwischen Wärtern und Insassen (DFAT 12.2018).

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Todesstrafe

Die Todesstrafe wurde im Juni 2006 gesetzlich abgeschafft (AA 22.5.2019; vgl. DFAT 12.2018). Internationale Gruppen forderten die Regierung auf, ihren 2016 angekündigten Plan zur Wiedereinführung der Todesstrafe aufzugeben und verwiesen auf die völkerrechtlichen Verpflichtungen des Landes, insbesondere aufgrund des Zweiten Fakultativprotokolls zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe (AI 22.2.2018). Im März 2017 stimmte das Repräsentantenhaus einem Gesetzentwurf zur Wiedereinführung der Todesstrafe zu (AI 22.2.2018; vgl. DFAT 12.2018). Das Vorhaben geriet ins Stocken, nachdem der Entwurf im Senat auf Kritik gestoßen war (AI 22.2.2018). Der Entwurf zur Wiedereinführung der Todesstrafe enthielt ursprünglich 21 Delikte; im vom Repräsentantenhaus abgesegneten endgültigen Entwurf waren nur noch Delikte mit Bezug zur Drogenkriminalität enthalten. Mit Stand Dezember 2018 lag der Entwurf weiterhin zur Begutachtung beim Menschenrechtskommittee des Senats (DFAT 12.2018).

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Grundversorgung

Seit einigen Jahren verzeichnen die Philippinen ein auch im asiatischen Vergleich überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum von jährlich 6 bis über 7%. Allerdings hat das beeindruckende Wirtschaftswachstum nur bedingt zu einer Verringerung der massiven Armut geführt. Auch heute lebt etwa ein Fünftel der ca. 107 Mio. Filipinos in Armut. Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung liegen weiterhin bei über 20% (AA 6.3.2019b). Die philippinische Wirtschaft weist eine deutliche Zweiteilung auf: Moderner Elektronik-Industrie und einem boomenden Dienstleistungssektor stehen auf der einen Seite Armut und Subsistenzlandwirtschaft gegenüber. Hinzu kommt ein Entwicklungsgefälle zwischen dem Großraum Manila (National Capital Region/NCR), der vielerorts den Entwicklungsstand eines Schwellenlandes widerspiegelt, und den wirtschaftlich rückständigeren Provinzen (GIZ 3.2019c).

Die Ungleichheit bei der Einkommensverteilung ist hoch. Leider ist es der philippinischen Regierung trotz des starken Wirtschaftswachstums nicht gelungen, die Armut im Lande deutlich zu reduzieren. Nach Angaben der Weltbank ist die Armutsquote 2015 immerhin auf 21,6% zurückgegangen, nachdem sie 2012 noch bei 25,2% lag. Ein wesentlicher Grund ist das hohe Bevölkerungswachstum von etwa 1,5% (ca. 1,6 Mio. pro Jahr). Aktuellere Zahlen zur Armutsentwicklung liegen nicht vor. Internationale Finanzinstitutionen beklagen, dass auch unter der Regierung Dutertes weite Teile der Bevölkerung von den Vorteilen des Wachstums ausgeschlossen bleiben. Die Armut ist in den Philippinen regional unterschiedlich verteilt, insbesondere in ländlichen Gebieten ist sie wesentlich höher als in den Städten. Die ärmste Region liegt im muslimisch geprägten Teil der Philippinen in West-Mindanao. Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung bleiben drängende Probleme (AA 6.3.2019c).

Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung (offiziell mit 7,5% bzw. knapp 23% beziffert) und die in der Region mit 1,9% höchste Geburtenrate sind weitere Probleme, die dringend der Lösung harren. Laut der in Genf beheimateten Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) verzeichnen die Philippinen die höchste Arbeitslosigkeit in der insgesamt zehn Länder umfassenden Vereinigung südostasiatischer Nationen (ASEAN) (GIZ 3.2019c). Die Arbeitslosenquote auf den Philippinen ist nach offiziellen Angaben relativ moderat und lag zuletzt recht stabil bei unter 6%. Dieser Wert ist auch bei aktuell kräftigem Wirtschaftswachstum grundsätzlich konstant, da angesichts des Bevölkerungswachstums jährlich mindestens 1 Mio. neue Stellen geschaffen werden müssen, um diese Quote stabil zu halten. Die offiziellen Angaben geben aber nur ein sehr unvollständiges Bild der Lage ab. Nur ca. 55% aller Beschäftigten sind im formalen Sektor tätig, der Rest als Dienstleister im Haushaltsbereich oder als Aushilfskräfte in der Landwirtschaft. Erfreulich ist, dass der Anteil der Unterbeschäftigung spürbar zurückgegangen ist (2017: 16,1%). Außerdem verlassen jährlich zahlreiche Menschen das Land, um im Ausland Arbeit zu suchen – mit zunehmender Tendenz. Die Entsendung von Gastarbeitern ins Ausland hilft zwar einerseits, den heimischen Arbeitsmarkt zu entlasten und Devisen zu erwirtschaften. Sie führt andererseits aber zu einer immer stärker ausgeprägten Konzentration unterqualifizierter Arbeitnehmer im Inland, die sich in einem Mangel an Facharbeitern im Lande niederschlägt (AA 6.3.2019c).

Die sozialen Sicherheitsnetze sind nach wie vor deutlich unterentwickelt. Die meisten Filipinos verlassen sich auf Unterstützung durch die Familie (auch Überweisungen aus dem Ausland) oder durch Dorfgemeinschaften. Das Hauptinstrument des staatlichen Sozialsystems ist das Conditional-Cash-Transfer-Programm (CCT) unter dem Namen Pantawid Pamilyang Pilipino Program (4Ps), das 2007 eingeführt wurde. Derzeit werden im Rahmen des Programms 3 Millionen von 5.2 Millionen Haushalten finanziell unterstützt. So erhalten Mütter regelmäßige Beihilfen in der Höhe von etwa 33 US-$, wenn ihre Kinder die Schule besuchen und sie Gesundheitsvorsorgeuntersuchungen erhalten. Laut einer Studie ist das philippinische CCT eines der effizientesten sozialen Sicherheitsnetze, da es nur 0,5% des GDP kostet, jedoch 15 Mio. Einwohner erreicht (BS 2018).

[…]

Medizinische Versorgung

Im philippinischen Gesundheitssystem arbeiten etwa 90.000 registrierte Ärzte, deren Zahl sich jedoch zunehmend verringert, weil sie (notfalls als Krankenpfleger) im Ausland Arbeit suchen und sich dort niederlassen wollen. Es gibt landesweit circa 2.400 Krankenhäuser, von denen etwa 1.700 in öffentlichem Besitz sind. Während zwar über 60% der Bevölkerung über die Philippine Health Insurance Corporation gesetzlich krankenversichert sind (wobei allerdings lediglich die Basisversorgung gewährleistet ist), hat jedoch kaum die Hälfte der Bevölkerung Zugang zur Gesundheitsversorgung (GIZ 3.2019b).

In den vergangenen Jahren war lediglich ein Prozent des nationalen Haushalts für das öffentliche Gesundheitssystem vorgesehen - auch 2018 wurde an der Finanzierung nichts geändert, die Haushaltsposten für Bildung und Gesundheit sollen sogar gesenkt werden. Die staatlichen Krankenhäuser sind meist unterfinanziert und in einem Zustand, der viel zu wünschen übrig lässt. Wohlhabende und Ausländer bevorzugen die privat gemanagten und technisch gut ausgestatteten Krankenhäuser. Medikamente und Behandlungskosten müssen von Patienten selbst bezahlt werden, Anzahlungen vor Beginn der Behandlung sind üblich. Nicht selten kommt es vor, dass schwerkranke Patienten buchstäblich vor den Krankenhaustoren sterben, weil sie eine solche Auflage nicht erfüllen können (GIZ 3.2109b).

In Manila wie in den anderen größeren Metropolen des Landes ist die ambulante und stationäre ärztliche Versorgung durch private Krankenhäuser gut geregelt. In ländlichen Gebieten ist dies - inklusive Rettungswesen – in der Regel nicht der Fall. Medikamente sind in breiter Auswahl in den Apotheken erhältlich (AA 22.5.2019). Trotz der generellen Gesundheitsprobleme im Land, wie Unterernährung und Drogenabhängigkeit, kann die Qualität der medizinischen Versorgung durchaus als gut bezeichnet werden. Das trifft insbesondere auf die größeren Städte zu, obwohl auch deren Einrichtungen nicht immer über die modernste Technik verfügen. Besonders groß ist das Gefälle in ländlichen Regionen. Hier sind die Einrichtungen oft veraltet und ernste Krankheiten können nicht behandelt werden. Ganz anders sieht es in den großen Städten wie beispielsweise in Manila aus, wo mit dem St. Luke's Medical Center, Medical City, Makati Medical Center und Asian Hospital einige der besten Krankenhäuser der Philippinen zu finden sind. Auf den Philippinen gibt es sowohl öffentliche oder staatliche Krankenhäuser als auch privat geführte Kliniken. Der wesentliche Unterschied zwischen öffentlichen und privaten Krankenhäusern besteht darin, dass die meisten öffentlichen Krankenhäuser anders als private Pflegeeinrichtungen oft nicht über die modernste Medizintechnik verfügen. Die meisten Einheimischen suchen jedoch die öffentlichen Krankenhäuser auf, einfach weil die Untersuchungen hier kostenlos durchgeführt werden. Große mit modernster Technik ausgestattete private Krankenhäuser findet man vor allem in den großen Städten des Landes. Im Gegensatz zu den öffentlichen Krankenhäusern sind sie jedoch, für philippinische Verhältnisse, recht teuer. Im Vergleich hierzu können in Krankenhäusern in den ländlichen Gebieten nur begrenzte Dienstleistungen oder Behandlungen angeboten werden. Viele Krankenhäuser in ländlichen Gebieten sind nur für die medizinische Grundversorgung eingerichtet. Bei wirklich komplizierten Erkrankungen oder Operationen empfiehlt es sich, entweder ein Krankenhaus in Manila oder sogar im Ausland aufzusuchen (TA 11.2.2015).

Im Laufe der Jahre wurde auch auf den Philippinen einiges dafür getan, das Gesundheitssystem in seiner Gesamtheit zu verbessern. Erreicht der Standard einiger Krankenhäuser in den Großstädten durchaus westliches Niveau, so ist in den Provinzen die Behandlung von schwereren Leiden nicht immer gewährleistet. Heute erhalten die meisten Filipinos wesentlich bessere medizinische Leistungen als noch vor wenigen Jahren und von der philippinischen Regierung wurden zahlreiche Programme aufgelegt, die auch dem ärmeren Teil der Bevölkerung die notwendige medizinische Versorgung ermöglichen. So wurde von der Regierung eine erschwingliche Krankenversicherung, die „Phil Health“ ins Leben gerufen, die allen philippinischen Bürgern offen steht und eine medizinische Grundversorgung in einem staatlichen Krankenhaus sichert (TA 10.2.2015).

Über all die Jahre hinweg gibt es eine beklemmende Konstante: Sieben von zehn Filipinos sehen bis zu ihrem Tod keinen Arzt. Die meisten können sich das finanziell nicht leisten. Und die anderen greifen lieber auf ihre vertrauten "hilot", die als traditionelle Heiler (Faith Healers) meist großes Ansehen in den ländlichen Kommunen genießen, oder Alternative Healing-Techniken zurück. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die zutiefst gläubigen, religiösen, doch gleichzeitig auch abergläubischen Filipinos keinen Widerspruch darin sehen, unerklärliche (Krankheits-)Phänomene als von äußeren Medien, gar "kulam" (Hexenmacht) gesteuert zu betrachten (GIZ 3.2019b).

[...]

Rückkehr

Die Verfassung garantiert Bewegungs- und Reisefreiheit im Inneren wie nach außen und ermöglicht Emigration, aber auch Rückkehr. Diese Rechte werden im Allgemein von der Regierung respektiert. Der Staat arbeitet mit UNHCR und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Binnenvertriebene, Flüchtlinge, rückkehrende Flüchtlinge, Staatenlose und andere Betroffenen zu schützen und zu unterstützen (USDOS 13.3.2019).

[…]“

2.4.2. Auszug aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Migrante International, Stand 18.04.2018 (gekürzt und bereinigt):

„Wie ist die Organisation Migrante International auf den Philippinen organisiert und wie viele Mitglieder hat sie?

[…]

Zusammenfassung

[…]

Es kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei MI um eine Allianz unterschiedlicher philippinischer Migrantenorganisationen handelt, die sich seit 20 Jahren für philippinische Übersee-Arbeiter (OFW) einsetzt und auch im Ausland tätig ist. MI ist die größte derartige Organisation auf den Philippinen, die Landeszentrale befindet sich in Manila. Einem Bericht zufolge war die Organisation 2012 dabei, regionale Einheiten auf den Philippinen zu schaffen (Ligaya Lindio-McGovern 2012). 2017 wurden von MI selbst folgende Ortsverbände erwähnt: Davao, Cebu, Negros, Laguna, Batangas, Cavite, Rizal, Nueva Ecija, Pampanga, Baguio und Manila. Darüber hinaus ist MI in 23 Ländern vertreten und hat mittlerweile über 200 Mitgliedsorganisationen (Migrante International 21.9.2017/18.4.2018; Auskunft der ÖB, per E-Mail). In Europa soll MI in Großbritannien, Italien, Frankreich, Dänemark, Österreich, Niederlande, Schweiz und Belgien vertreten sein, sowie über Netzwerke in Deutschland, Spanien, Griechenland und Norwegen verfügen (Migrante Europe o.D., Auskunft der ÖB, per E-Mail).

Weiters gehört MI der Neuen patriotischen Allianz (BAYAN) auf den Philippinen an, einer Bewegung, die in den Aufständen gegen den früheren Diktator Marcos ihren Ursprung hat. Die Positionen von MI zur Arbeitsmigration, versetzen MI in einen Gegensatz zur philippinischen Regierung. Aufgrund der starken Politisierung gehen also die Ziele von MI über den rein karitativen Charakter hinaus und MI gilt mittlerweile als eine politische Organisation (Schattenblick 12.2013/1.2014).

Betreffend die Struktur von MI kann berichtet werden, dass sie aus einem Kongress, Globalen Rat, Vorstand und Sekretariat besteht. Weiters verfügt die Organisation über ein Komitee für Kampagnen, ein Komitee für Forschung und Dokumentation und ein Wohlfahrtskomitee für Migranten (Migrante International o.D.).

Die Mitgliederzahl der Organisation konnte nicht in Erfahrung gebracht werden.

[…]

Welches sind die Betätigungsfelder von Migrante International?

[…]

Zusammenfassung:

Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass der Schwerpunkt der Tätigkeit von Migrante International (MI) auf der Unterstützung von philippinischen Übersee-Arbeitern (OFW), deren Familien auf den Philippinen, sowie aus dem Ausland zurückgekehrten Arbeitern liegt. Mittels eines breiten Netzwerkes weltweit, kann die Organisation oft an Ort und Stelle für OFW Hilfe leisten (z.B. rechtliche Hilfe, Fürsorge, Unterkunft etc.). MI führt auf den Philippinen auch diverse Maßnahmen wie Bildungsforen, Schulungen, Presseauftritte, Massenaktionen durch. Weiters ist MI mittlerweile zu einer politischen Organisation geworden, die sich aktiv durch Kampagnen, Streiks, Proteste, laufende Kritik an der philippinischen Regierung etc. für die Interessen und Rechte ihrer Zielgruppe sowohl auf den Philippinen als auch im Ausland einsetzt (Bericht der ÖB in Manila 5.4.2018, per E-Mail; Migrante International o.D.; Ligaya Lindio-McGovern 2012; Schattenblick 12.2013/1.2014).

[…]

Sind Mitglieder von Migrante International einer Verfolgung bzw. Repressalien seitens der aktuellen philippinischen Regierung ausgesetzt?

[…]

Zusammenfassung:

[…]

Es kann davon ausgegangen werden, dass nach Einschätzung des Europäischen Auswärtigen Dienstes, MI aufgrund ihrer Kritik zur Zielscheibe der philippinischen Regierung geworden sein könnte (EEAS 2017; Bericht der ÖB, per E-Mail).

Es gibt jedoch Berichte, dass sich MI in manchen Fällen durch den auf die philippinische Regierung ausgeübten Druck, effektiv durchsetzen konnte. Im Rahmen der zeitlich begrenzten Recherche konnten in öffentlich zugänglichen Quellen zwei konkrete Hinweise in Zusammenhang mit Verhaftungen von MI-Mitgliedern auf den Philippinen gefunden werden. Im jüngeren Fall von 2017 handelt es sich um einen Protest von philippinischen Übersee-Arbeitern (OFW) in Manila, gegen den derzeitigen Präsidenten Duterte und gegen die staatliche Gewaltausübung gegen Obdachlose und Armengruppen. Die Demonstration wurde gewaltsam von der Philippinischen Nationalpolizei aufgelöst und endete mit der Verhaftung eines MI-Mitglieds und mit der Verletzung einiger Demonstranten (Philstar 23.11.2017). Im anderen Fall geht es um einen anderen Protest, diesmal gegen die Korruption während der Präsidentschaft des vorherigen Präsidenten, Benigno Aquino III. Bei der Demonstration wurden vier Personen, unter anderem eine Person, die mit MI in Verbindung stand und deren 12-jährige Tochter, verhaftet und später auf Druck wieder freigelassen (Asian Legal Resource Centre, veröffentlicht von UN Human Rights Council 5.6.2015).

Weiters wird in einem Artikel allgemein auf die Schikanierung und Verfolgung von Leitern von Aktivistengruppen und Organisationen durch die Regierung hingewiesen (Philstar 23.11.2017).

[…]“

2.4.3. COVID-19

„COVID-19 ist eine durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachte Infektionskrankheit. Sie wurde erstmals 2019 in Metropole Wuhan (Provinz Hubei) beschrieben, entwickelte sich im Januar 2020 in der Volksrepublik China zur Epidemie und breitete sich schließlich zur weltweiten COVID-19-Pandemie aus. Die genaue Ausbruchsquelle ist derzeit noch unbekannt. Es wird angenommen, dass sich das Virus wie andere Erreger von Atemwegserkrankungen hauptsächlich durch Tröpfcheninfektion verbreitet (vgl. https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Uebertragbare-Krankheiten/Infektionskrankheiten-A-Z/Neuartiges-Coronavirus.html, Stand 09.09.2020).

Die meisten Menschen, die mit dem COVID-19-Virus infiziert sind, leiden an leichten bis mittelschweren Atemwegserkrankungen und erholen sich ohne besondere Behandlung. Ältere Menschen und Menschen mit zugrunde liegenden medizinischen Problemen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, chronischen Atemwegserkrankungen und Krebs, entwickeln mit größerer Wahrscheinlichkeit schwere Krankheiten (vgl. https://www.who.int/health-topics/coronavirus#tab=tab_1, abgerufen am 24.11.2020).

Auszug aus den Informationen des Außenwirtschaftscenters Manila der Wirtschaftskammer Österreich über die Auswirkungen des Coronavirus auf Geschäftstätigkeit und Wirtschaft auf den Philippinen, Stand 01.06.2020:

„Aktuell & Wichtig

Stand 1. Juni 2020: Nach elf Wochen strickten Lockdown’s werden die Quarantänebestimmungen für die Metropole Manila leicht gelockert. In Cebu City gilt jedoch weiterhin strikter Lockdown.

Nationale und internationale Flüge werden ab dem 1. Juni 2020 wieder vereinzelt aufgenommen auch wenn die Infektionszahlen mit COVID-19 noch nicht merklich zurück gegangen sind.

Einreise und Reisebestimmungen

[…]

Es gilt ein umfassendes Einreiseverbot für Ausländer; Touristenvisa werden bis auf Weiteres nicht ausgestellt. Eine Einreise auf die Philippinen ist nur für philippinische Staatsbürger, akkreditierte Diplomaten und Angehörige philippinischer Staatsbürger möglich.

Alle Einreisende auf die Philippinen (philippinische Staatsbürger und Ausländer) müssen am Ankunftsflughafen einen COVID-Test durchführen lassen und bis zum Vorliegen des Ergebnisses in einer von der Regierung zertifizierten Unterkunft in Quarantäne gehen. Je nach Ergebnis des Tests ist danach eine Weiterreise möglich oder es muss eine 14-tägige Quarantäne eingehalten werden.

Regelungen für den Güterverkehr

Die Lage in den Frachthäfen von Manila hat sich mittlerweile wieder entspannt. Ebenso waren Cargo-Flüge auch während der Quarantäne möglich. Es kann jedoch zu Verzögerungen bei der Zollanmeldung bzw. Einholung von amtlichen Genehmigungen für den Import/Export kommen.

Schutzmaßnahmen und Geschäftsleben

Im gesamten Land muss in der Öffentlichkeit eine Gesichtsmaske getragen werden.

Ab 1. Juni bis vorerst 14. Juni 2020 werden die Philippinen in drei Zonen mit unterschiedlich strengen Quarantäne-Maßnahmen aufgeteilt.

1. Modified Enhanced Community Quarantine in Cebu City: ua. Nächtliche Ausgangssperre, verpflichtende Haus-Quarantäne, keine öffentlichen Verkehrsmittel und Schließung von Schulen.

1.) General Community Quarantine ua. in Metro Manila, Davao und der Insel von Luzon: öffentliche Verkehrsmittel mit limitierter Kapazität, Restaurants und Bars nur für Take-out und Lieferungen geöffnet. Kinos, Theater, Fitnessstudios und Spas bleiben geschlossen.

2.) Für den Rest des Landes gilt eine Modified General Community Quarantine: öffentliche Verkehrsmittel mit 50 % Kapazität, aber auch Kinos, Fitnessstudios, Spas, Restaurants und Bars sind geöffnet jedoch limitiert auf 50% der Kapazität.

Lokale Flugverbindungen zwischen Städten/Regionen qualifiziert als General Community Quarantine sind ab 1. Juni 2020 möglich.

Unterstützungsmaßnahmen für die Wirtschaft

Das Maßnahmenpaket der Regierung iHv rund 25 Mrd. Euro deckt vier Bereiche ab: a) Soforthilfen für arme Bevölkerungsschichten, b) erweiterte medizinische Versorgung und Gewährleistung der Sicherheit von Frontlinern, c) steuerliche und monetäre Maßnahmen zur Finanzierung von Soforthilfen für Unternehmen und Arbeitnehmer und d) einen Konjunkturplan zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Aufrechterhaltung des Wachstums.

Die größten Einbußen aufgrund des Lockdowns müssen Bausektor, Retail und Tourismus hinnehmen. (vgl. zum Ganzen https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-situation-auf-den-philippinen.html, Stand 27.10.2020).“

3. Beweiswürdigung:

3.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Identität, die Staatsangehörigkeit und der Geburtsort des BF ergeben sich aus der im Akt erliegenden Kopie seines Reisepasses mit der Nr. XXXX (vgl. AS 15).

Die Feststellungen zu seiner Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit, seiner Schulbildung und Berufserfahrung, seinen Familienangehörigen sowie seinem Aufenthalt in Saudi-Arabien beruhen auf seinen Ausführungen am 08.02.2018 vor dem BFA (vgl. AS 97 ff) sowie in der mündlichen Verhandlung am 10.06.2020 (vgl. Verhandlungsprotokoll S. 6 ff). Das Gericht hat keine Veranlassung, an diesen Ausführungen zu zweifeln.

Die Urlaubsaufenthalte des BF auf den Philippinen ergeben sich aus der Kopie seines Reisepasses mit der Nr. XXXX (vgl. AS 305 ff).

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF stützen sich auf die Überweisungsbestätigung vom 28.05.2020, aus der hervorgeht, dass der BF wegen Beschwerden an der Halswirbelsäule sowie chronischer Rückenschmerzen an einen Orthopäden überwiesen wurde, auf das Rezept vom 04.06.2020 über die verordneten Medikamente sowie auf den Endbefund vom 29.05.2020, dem die erhöhten Cholesterinwerte zu entnehmen sind (vgl. Beilage ./8). Aus den vorgelegten medizinischen Unterlagen ist allerdings nicht abzuleiten, dass die diagnostizierten Erkrankungen das Ausmaß einer schweren oder gar lebensbedrohlichen Gesundheitsbeeinträchtigung erreichen würden. Auch eine Arbeitsunfähigkeit ist der zuletzt vorgelegten Bestätigung nicht zu entnehmen und kann eine solche auch sonst nicht festgestellt werden.

Weiters ist im Zusammenhang mit den Erkrankungen des BF festzuhalten, dass laut Länderinformationen die medizinische Versorgung auf den Philippinen zwar nicht das europäische Niveau erreicht, insbesondere in größeren Städten aber gewährleistet ist und eine breite Auswahl an Medikamenten in den Apotheken erhältlich ist. Zudem wurde eine erschwingliche Krankenversicherung geschaffen, die allen philippinischen Bürgern offensteht und eine medizinische Grundversorgung in einem staatlichen Krankenhaus sichert und werden medizinischen Behandlungen in öffentlichen Krankenhäusern für philippinische Staatsangehörige kostenlos durchgeführt.

Zwar kann bei arterieller Hypertonie das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufes im Falle der Ansteckung mit SARS-CoV-2 gemäß § 2 Abs. 1 Z 9 COVID-19-Risikogruppen-Verordnung erhöht sein, doch setzt dies laut Verordnung voraus, dass bereits Endorganschäden, insbesondere chronische Herz- oder Niereninsuffizienz, bestehen oder die Blutdruckeinstellung nicht kontrollierbar ist, was weder aus den medizinischen Unterlagen hervorgeht, noch vom BF vorgebracht wurde. Vielmehr ist aus dem Umstand, dass die Einnahme der blutdrucksenkenden Medikamente zuletzt vorübergehend für einen Monat angeordnet wurde und der BF zwischen 27.11.2018 und 28.05.2020 keine Nachweise über ärztliche Behandlungen vorlegte, abzuleiten, dass seine Gesundheitsbeeinträchtigung nicht mit dauerhaften Beschwerden verbunden ist. Hinzu kommt, dass das allgemeine Risiko, sich mit dem Coronavirus zu infizieren, weltweit, also sowohl im Herkunftsstaat des BF als auch in Österreich, erhöht ist. Eine mögliche Ansteckung kann daher ebenso in Österreich nicht ausgeschlossen werden.

3.2. Zum (Privat-)Leben des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Einreise des BF ergeben sich aus der im Akt erliegenden Kopie des am 16.04.2014 in Riad, Saudi-Arabien, ausgestellten spanischen Schengen-Visums mit der Nr. XXXX (vgl. AS 17) sowie dem in seinem Reisepass abgebildeten Einreisestempel vom 23.04.2014 (vgl. AS 17) in Verbindung mit seinen Angaben während der Erstbefragung am 11.10.2017 (vgl. AS 51).

Die Feststellungen zu seinem Aufenthalt und dem Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung beruhen auf amtswegig eingeholten Auszügen aus dem Zentralen Melderegister und dem Grundversorgungsinformationssystem. Die Feststellungen, wonach der BF Unterstützung der philippinischen Gemeinschaft erhält und bei unterschiedli

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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