TE Bvwg Erkenntnis 2021/1/21 W184 1247190-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.01.2021
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Entscheidungsdatum

21.01.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §9
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch


W184 1247190-3/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner PIPAL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.06.2020, Zl. 721214205/191022764,

A)

1. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis III. gemäß §§ 8, 9 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

2. den Beschluss gefasst:

Hinsichtlich der Spruchpunkte IV. bis VIII. wird der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit insoweit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die beschwerdeführende Partei, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, brachte nach der illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 07.05.2002 einen Asylantrag ein.

Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes (nunmehr: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) vom 09.02.2004 hinsichtlich der Asylfrage gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen, jedoch wurde der beschwerdeführenden Partei gemäß § 8 AsylG 1997 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 09.02.2005 erteilt. In der Begründung wurde ausgeführt, dass der behauptete Fluchtgrund nicht glaubwürdig sei. Jedoch könnten Rückkehrer aufgrund der schwierigen Allgemeinsituation in Afghanistan in eine ausweglose Lage geraten.

Die Berufung hinsichtlich der Asylfrage wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 24.10.2005 abgewiesen. In der Folge wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter mehrmals verlängert, nämlich am 27.04.2005, am 06.03.2006, am 14.03.2007, am 21.03.2012, am 20.03.2013, am 11.03.2014, am 18.03.2016 und zuletzt am 29.03.2018 bis zum 31.03.2020.

Am 27.08.2007 reisten die Ehefrau der beschwerdeführenden Partei und die gemeinsame, am XXXX geborene Tochter, beide afghanische Staatsbürger, im Rahmen eines Botschaftsverfahrens nach Österreich ein und am 18.01.2008 wurde diesen im Familienverfahren der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt, welche zuletzt mit Bescheiden vom 30.05.2020 bis 31.03.2022 verlängert wurde. Auch der am XXXX geborenen Tochter, dem am XXXX geborenen Sohn sowie den am XXXX und am XXXX geborenen Töchtern wurde jeweils subsidiärer Schutz im Familienverfahren gewährt.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.12.2010 wurde der beschwerdeführenden Partei der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan für unzulässig erklärt und die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen. Dieser Bescheid wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 06.05.2011 behoben.

Am 08.10.2019 leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aufgrund des Vorliegens geänderter Umstände von Amts wegen das geggenständliche Verfahren zur Aberkennung des subsidiären Schutzes ein und führte am 14.02.2020 eine Einvernahme mit dem folgenden Inhalt durch (LA = Leiter der Amtshandlung, VP = Verfahrenspartei):

„LA: Fühlen Sie sich gesundheitlich in der Lage, heute Angaben in Ihrem Verfahren zu machen?

VP: Ja. Ich bin gesund, nehme keine Medikamente und kann jederzeit arbeiten.

VP: Ich bin verheiratet … Ich habe fünf Kinder …

LA: Wo und in welchen Verhältnissen leben Sie aktuell in Österreich?

VP: Ich wohne … in einer Mietwohnung … Ich bin Hauptmieter. Meine Frau und meine Kinder wohnen auch dort.

LA: Wie bestreiten Sie hier in Österreich Ihren Lebensunterhalt? …

VP: Ich habe bis 31.01.2020 gearbeitet … Seit 03.02.2020 bin ich arbeitslos gemeldet. Ich habe bei der Firma … meiner Tochter gearbeitet als Fahrer. Es ist eine Transportfirma. Wir haben aber Aufträge verloren. Ab Mitte März fangen wir wieder an. Da gibt es wieder Aufträge. Ich war aber früher fast immer berufstätig. Meine Frau macht zurzeit einen Deutschkurs. Zwei Kinder gehen in die Schule, eines ist noch klein, und eines geht in den Kindergarten.

LA: Welche Integrationsschritte haben Sie bislang gesetzt?

VP: Ich habe Deutschkurse gemacht über das AMS. Nachgefragt, gebe ich an, dass ich auch als Dolmetscher beim Verein … gearbeitet habe, auch … bei der XXXX Rückkehrhilfe.

LA: Arbeitet Ihre Frau aktuell?

VP: Nein, weil die Kinder noch klein sind.

LA: Sind Sie hier in Österreich Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation?

VP: Aktuell nicht.

LA: Haben Sie in Österreich Verwandte?

VP: Außer meiner Familie nicht.

LA: Haben Sie zwischenzeitlich in Österreich irgendwelche sozialen oder privaten Bindungen?

VP: Ich habe Freunde und Bekannte hier.

LA: Verfügen Sie über ein Bankkonto in Österreich?

VP: Ja, habe ich, und auch einen Führerschein.

LA: Welche Familienangehörigen haben Sie in Afghanistan?

VP: Keine engen Verwandten, nur meine Schwester. Sie ist verheiratet und lebt in XXXX . Ich habe schon lang keinen Kontakt mehr zu ihr. Vor drei Jahren hat sie einmal angerufen, dass ich ihr Geld schicken soll, da war sie krank, aber seitdem habe ich keinen Kontakt mehr zu ihr. Nachgefragt, gebe ich an, dass meine Frau noch ihre Eltern in XXXX hat.

LA: Stehen Sie in regelmäßigem Kontakt mit Ihren Familienangehörigen, z. B. per Telefon, E-Mail, Skype, usw.?

VP: Vor fünf Jahren habe ich Streit mit meiner Frau gehabt, weil ich immer wieder 50 Euro schicken sollte. Ich habe aber dann gesagt, es ist genug. Dann habe ich das Handy kaputt gemacht und die Nummer ist weg gewesen. Seitdem haben wir keinen Kontakt mehr zu ihnen.

LA: Sind Sie in Afghanistan je einer Beschäftigung nachgegangen?

VP: Damals habe ich ein Geschäft gehabt. Ich habe Autozubehör verkauft.

LA: Wer sorgt aktuell in Ihrer Herkunftsregion für Sicherheit?

VP: Es ist eine Katastrophe zurzeit. Ich habe in Kabul gelebt. Vor ein paar Tagen sind schon wieder Leute gestorben. Seit 20 Jahren lebe ich schon nicht mehr in Afghanistan. Ich habe schon vergessen, wie es da ausschaut.

LA: Haben Sie bzw. Ihre Familie aktuell noch persönliche Besitztümer (Grundstück, Ländereien, Firmen, Geschäfte) im Heimatland?

VP: Ich hatte etwas, habe aber nichts mehr, das war nur ein Grundstück. Ich weiß nicht, was damit passiert ist.

LA: Haben Sie in Ihrem Heimatland, in Österreich oder in einem anderen Land strafbare Handlungen begangen bzw. sind Sie vorbestraft?

VP: Ich bin in Österreich 2002/2006 verurteilt worden wegen Schlepperei. Dann wurde mir einmal der subsidiäre Schutz aberkannt. Dann habe ich vom UBAS den subsidiären Schutz zurückbekommen, weil ich Berufung gemacht habe. Jetzt habe ich auch vor Kurzem eine Gerichtsverhandlung gehabt wegen Veruntreuung. Es ist aber noch nicht rechtskräftig.

LA: Darüber hinaus sind Sie in Österreich bereits mehrfach straffällig geworden. So wurden Sie wegen krimineller Vereinigung und Schlepperei im Jahre 2003 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und im Jahre 2005 wegen der gleichen Delikte zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt. Zudem bestehen Anzeigen gegen Sie aus 2018 wegen gefährlicher Drohung, Veruntreuung und schweren Betrugs und Sie wurden vom Landesgericht … mit Urteil vom 30.01.2020 wegen § 156 Abs. 1 StGB (Verbrechen der betrügerischen Krida) zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten (Probezeit drei Jahre) verurteilt …

VP: Ich habe eine Beschwerde gemacht. Der Anwalt sollte das gemacht haben …

LA: Warum machen Sie solche Geschäfte?

VP: Das war nur ein Auto, man hat mir bei Gericht nicht geglaubt, deshalb die Verurteilung. Aber ich habe gesagt, das werde ich nicht akzeptieren.

LA: Sie sind ein gesunder Mann im arbeitsfähigen Alter. Wie aus Ihrem Werdegang ersichtlich ist, sind Sie selbsterhaltungsfähig und in der Lage, sich durch Ihre Leistungsfähigkeit Ihre Existenz zu sichern. Zudem können Sie für Ihre Ehefrau und Ihre Kinder sorgen. Sie sind mit den Gepflogenheiten Ihres Heimatlandes Afghanistan vertraut. Auch wenn Sie bereits seit 2002 nicht mehr in Afghanistan lebten, haben Sie doch einen Großteil Ihrer Lebenszeit in Afghanistan verbracht und sprechen die Landessprache. Es ist Ihnen zuzumuten, familiäre und soziale Kontakte in Ihrem Herkunftsland wieder aufleben zu lassen. Die Umstände, aufgrund derer Ihnen im Jahre 2004 subsidiärer Schutz gewährt wurde, liegen aktuell nicht mehr vor. Welche Befürchtungen haben Sie für den Fall einer Rückkehr in Ihr Heimatland, speziell nach Herat, Mazar-e Sharif oder Kabul?

VP: Ich bin schon seit 20 Jahren nicht mehr in Afghanistan. Ich habe dort niemanden, ich kann mir das Leben in Afghanistan nicht mehr vorstellen. Meine Frau und meine Tochter habe ich 2006 nachgeholt. Meine Kinder sind hier geboren.

LA: … Die Rückkehr in Ihr Heimatland ist zumutbar. Sie könnten in Kabul, Herat oder in Mazar-e Sharif Sicherheit erlangen und auch eine zumutbare Lebenssituation vorfinden. Ebenso ist nichts festzustellen, das eine reale Gefahr für Ihr Leben oder die Gesundheit bedeuten würde oder für Sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Weder lässt sich eine solche Gefahr aus der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat noch aus einer etwaigen lebensbedrohlichen und in Ihrem Herkunftsstaat nicht ausreichend behandelbaren Erkrankung Ihrer Person ableiten. Zudem ist festzuhalten, dass es Ihnen zuzumuten ist, selbst unter durchaus schweren Bedingungen am Arbeitsmarkt nach einer Beschäftigung zu suchen und möglicherweise durch das Verrichten von Gelegenheitsarbeiten Ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

VP: Ich habe versucht, dass ich den Daueraufenthalt bekomme, aber das ist nicht durchgegangen, weil mein Einkommen nicht gepasst hat.

LA: Möchten Sie noch weitere Angaben machen? Konnten Sie zum Verfahren alles umfassend vorbringen und gibt es zur Einvernahme irgendwelche Einwände?

VP: Ich bitte Sie, meinen subsidiären Schutz wieder zu verlängern. Ich fange ab 15. März wieder zu arbeiten an. Meine Verurteilung war ein Missverständnis zwischen mir und dem Masseverwalter. Die Richterin hat ihm geglaubt, nicht mir.

LA: Wie stellen Sie sich vor, in Zukunft in Österreich zu leben?

VP: Die Zukunft schaut nicht so schlecht aus. Meine Kinder wachsen hier auf.

Anmerkung: Die Einvernahme war aufgrund der guten Deutschkenntnisse der VP ohne Probleme möglich. Der Dolmetscher wurde nicht benötigt.“

Am 11.05.2020 stellte die beschwerdeführende Partei einen weiteren Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde folgende Entscheidung getroffen:

„I. Der mit Bescheid vom 09.02.2004 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten wird gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt.

II. Die mit Bescheid vom 09.02.2004 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wird gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen.

III. Der Antrag vom 11.05.2020 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird abgewiesen.

IV. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt.

V. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG wird eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen.

VI. Es wird gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist.

VII. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

VIII. Gemäß § 53 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 Z 1 FPG wird gegen Sie ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.“

In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für den subsidiären Schutz wegen der Weiterbildung und Berufserfahrung der beschwerdeführenden Partei sowie wegen des nunmehrigen Vorliegens einer innerstaatlichen Schutzalternative in Herat und Masar-e Scharif nicht mehr vorliegen und dass die beschwerdeführende Partei aufgrund der Verurteilungen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstelle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass die beschwerdeführende Partei nicht mehr über ein soziales Netzwerk in Afghanistan verfüge. Er halte sich seit 2002 in Österreich auf und bemühe sich um seine berufliche und sprachliche Integration. Er stelle auch nicht eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit dar. Eine Trennung von seiner Frau und seinen Kindern wäre rechtswidrig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person und zur Rückkehrsituation der beschwerdeführenden Partei wird festgestellt:

Die beschwerdeführende Partei ist Staatsbürger Afghanistans und gehört der Volksgruppe der Tadschiken und dem moslemisch-sunnitischen Glauben an. Er stammt aus der Provinz Laghman und lebte von 1994 bis zur Ausreise aus Afghanistan im Jahr 2000 gemeinsam mit seiner Ehefrau in Kabul, wo er den Lebensunterhalt mit dem Handel mit Autoersatzteilen bestritt. Die beschwerdeführende Partei verfügt über eine mehrjährige Schulbildung und spricht Paschtu, Dari, Farsi, Urdu, Russisch und Deutsch auf umgangssprachlichem Niveau.

Der beschwerdeführenden Partei wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 09.02.2004 gemäß § 8 AsylG 1997 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 09.02.2005 erteilt. In der Begründung wurde ausgeführt, dass Rückkehrer aufgrund der schwierigen Allgemeinsituation in Afghanistan in eine ausweglose Lage geraten könnten. In der Folge wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter mehrmals verlängert, nämlich am 27.04.2005, am 06.03.2006, am 14.03.2007, am 21.03.2012, am 20.03.2013, am 11.03.2014, am 18.03.2016 und zuletzt am 29.03.2018 bis zum 31.03.2020.

Der beschwerdeführenden Partei droht im Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung. Insbesondere ist im Herkunftsstaat in mehreren Landesteilen die Sicherheitslage ausreichend und die Versorgung mit Nahrungsmitteln gewährleistet.

Der beschwerdeführenden Partei steht eine zumutbare innerstaatliche Schutzalternative in den verhältnismäßig sicheren Provinzen Afghanistans zur Verfügung, beispielsweise in den Städten Kabul, Herat und Masar-e Scharif.

Die beschwerdeführende Partei ist 41 Jahre alt, gesund und arbeitsfähig, sodass er im Herkunftsstaat zumindest durch einfache Arbeit das nötige Einkommen erzielen könnte, um sich eine Existenzgrundlage zu schaffen. Die beschwerdeführende Partei ist mit den Gebräuchen und Gepflogenheiten der afghanischen Kultur vertraut und verfügt über familiäre Anknüpfungspunkte in Afghanistan, nämlich eine Schwester sowie seine Schwiegereltern in XXXX . Er lebte und arbeitete jahrelang in Kabul.

Zum Privat- und Familienleben der beschwerdeführenden Partei wird festgestellt:

Die beschwerdeführende Partei reiste im Mai 2002 illegal nach Österreich ein und hält sich seit fast 19 Jahren als subsidiär Schutzberechtigter im Bundesgebiet auf.

Die beschwerdeführende Partei hat in Österreich ein Familienleben und ein Privatleben.

Die Ehefrau der beschwerdeführenden Partei und die fünf gemeinsamen Kinder, von denen vier noch minderjährig sind, erhielten im Familienverfahren den Status des subsidiär Schutzberechtigten und eine befristete Aufenthaltsberechtigung, welche zuletzt mit Bescheiden vom 30.05.2020 bis 31.03.2022 verlängert wurde. Nun ist ein Aberkennungsverfahren betreffend den subsidiären Schutz anhängig und der weitere Aufenthaltsstatus noch ungeklärt.

Die berufliche und soziale Integration der beschwerdeführenden Partei in die österreichische Gesellschaft ist in Relation zu dem bereits 19-jährigen Aufenthalt noch nicht weit fortgeschritten. Die beschwerdeführende Partei spricht bereits gut Deutsch, aber die Integrationsprüfung wurde noch nicht abgelegt. Außerdem übte die beschwerdeführende Partei mehrere Beschäftigungen aus, nämlich vom 13.03.2017 bis 20.03.2018, vom 13.08.2018 bis 31.10.2018 und vom 09.08.2019 bis 03.02.2020, also insgesamt rund 20 Monate. In den übrigen Zeiträumen bezog er Sozialleistungen, nämlich Grundversorgung, Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Überbrückungshilfe.

Die beschwerdeführende Partei wurde in Österreich bereits dreimal rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt, nämlich 1) am 14.03.2003 wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 104 FrG und des Verbrechens der Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation nach § 278a StGB (Schleppung von mindestens 150 Fremden in 44 Tathandlungen) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren, 2) am 17.01.2005 abermals wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 104 FrG und des Verbrechens der Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation nach § 278a StGB (Schleppung von mindestens 50 Fremden) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 14 Monaten und 3) am 30.01.2020 wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida gemäß § 156 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten. Alle drei Verurteilungen sind noch nicht getilgt.

Zur Lage im Herkunftsstaat wird in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Bescheid Folgendes festgestellt:

„…

Kabul

Die Provinz Kabul liegt im Zentrum Afghanistans (PAJ o.D.) und grenzt an Parwan und Kapisa im Norden, Laghman im Osten, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden sowie Wardak im Westen. Provinzhauptstadt ist Kabul-Stadt (NPS o.D.). Die Provinz besteht aus den folgenden Distrikten: Bagrami, Chahar Asyab, Dehsabz, Estalef, Farza, Guldara, Kabul, Kalakan, Khak-e-Jabar, Mir Bacha Kot, Musahi, Paghman, Qara Bagh, Shakar Dara und Surubi/Surobi/Sarobi (CSO 2019; vgl. IEC 2018).

Laut dem UNODC Opium Survey 2018 verzeichnete die Provinz Kabul 2018 eine Zunahme der Schlafmohnanbaufläche um 11% gegenüber 2017. Der Schlafmohnanbau beschränkte sich auf das Uzbin-Tal im Distrikt Surubi (UNODC/MCN 11.2018).

Kabul-Stadt – Geographie und Demographie

Kabul-Stadt ist die Hauptstadt Afghanistans und auch ein Distrikt in der Provinz Kabul. Es ist die bevölkerungsreichste Stadt Afghanistans mit einer geschätzten Einwohnerzahl von 5.029.850 Personen für den Zeitraum 2019-20 (CSO 2019). Die Bevölkerungszahl ist jedoch umstritten. Einige Quellen behaupten, dass sie fast 6 Millionen beträgt (AAN 19.3.2019). Laut einem Bericht expandierte die Stadt, die vor 2001 zwölf Stadtteile – auch Police Distrikts (USIP 4.2017), PDs oder Nahia genannt (AAN 19.3.2019) – zählte, aufgrund ihres signifikanten demographischen Wachstums und ihrer horizontalen Expansion auf 22 PDs (USIP 4.2017). Die afghanische zentrale Statistikorganisation (Central Statistics Organization, CSO) schätzt die Bevölkerung der Provinz Kabul für den Zeitraum 2019-20 auf 5.029.850 Personen (CSO 2019). Sie besteht aus Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus (PAJ o.D.; vgl. NPS o.D.).

Hauptstraßen verbinden die afghanische Hauptstadt mit dem Rest des Landes (UNOCHA 4.2014). In Kabul-Stadt gibt es einen Flughafen, der mit internationalen und nationalen Passagierflügen bedient wird (BFA Staatendokumentation 25.3.2019).

Die Stadt besteht aus drei konzentrischen Kreisen: Der erste umfasst Shahr-e Kohna, die Altstadt, Shahr-e Naw, die neue Stadt, sowie Shash Darak und Wazir Akbar Khan, wo sich viele ausländische Botschaften, ausländische Organisationen und Büros befinden. Der zweite Kreis besteht aus Stadtvierteln, die zwischen den 1950er und 1980er Jahren für die wachsende städtische Bevölkerung gebaut wurden, wie Taimani, Qala-e Fatullah, Karte Se, Karte Chahar, Karte Naw und die Microraions (sowjetische Wohngebiete). Schließlich wird der dritte Kreis, der nach 2001 entstanden ist, hauptsächlich von den „jüngsten Einwanderern“ (USIP 4.2017) (afghanische Einwanderer aus den Provinzen) bevölkert (AAN 19.3.2019), mit Ausnahme einiger hochkarätiger Wohnanlagen für VIPs (USIP 4.2017).

Was die ethnische Verteilung der Stadtbevölkerung betrifft, so ist Kabul Zielort für verschiedene ethnische, sprachliche und religiöse Gruppen, und jede von ihnen hat sich an bestimmten Orten angesiedelt, je nach der geografischen Lage ihrer Heimatprovinzen: Dies gilt für die Altstadt ebenso wie für weiter entfernte Stadtviertel, und sie wird in den ungeplanten Gebieten immer deutlicher (Noori 11.2010). In den zuletzt besiedelten Gebieten sind die Bewohner vor allem auf Qawmi-Netzwerke angewiesen, um Schutz und Arbeitsplätze zu finden sowie ihre Siedlungsbedingungen gemeinsam zu verbessern. Andererseits ist in den zentralen Bereichen der Stadt die Mobilität der Bewohner höher und Wohnsitzwechsel sind häufiger. Dies hat eine disruptive Wirkung auf die sozialen Netzwerke, die sich in der oft gehörten Beschwerde manifestiert, dass man „seine Nachbarn nicht mehr kenne“ (AAN 19.3.2019).

Nichtsdestotrotz ist in den Stadtvierteln, die von neu eingewanderten Menschen mit gleichem regionalen oder ethnischen Hintergrund dicht besiedelt sind, eine Art „Dorfgesellschaft“ entstanden, deren Bewohner sich kennen und direktere Verbindungen zu ihrer Herkunftsregion haben als zum Zentrum Kabuls (USIP 4.2017). Einige Beispiele für die ethnische Verteilung der Kabuler Bevölkerung sind die folgenden: Hazara haben sich hauptsächlich im westlichen Viertel Chandawal in der Innenstadt von Kabul und in Dasht-e-Barchi sowie in Karte Se am Stadtrand niedergelassen; Tadschiken bevölkern Payan Chawk, Bala Chawk und Ali Mordan in der Altstadt und nördliche Teile der Peripherie, wie Khairkhana; Paschtunen sind vor allem im östlichen Teil der Innenstadt Kabuls, Bala Hisar und weiter östlich und südlich der Peripherie, wie in Karte Naw und Binihisar (Noori 11.2010; vgl. USIP 4.2017), aber auch in den westlichen Stadtteilen Kota-e-Sangi und Bazaar-e-Company (auch Company) ansässig (Noori 11.2010); Hindus und Sikhs leben im Herzen der Stadt in der Hindu-Gozar-Straße (Noori 11.2010; vgl. USIP 4.2017).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul. Nichtsdestotrotz führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen im gesamten Jahr 2018 und auch in den ersten fünf Monaten 2019 insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 6.2019; vgl. USDOD 12.2018).

Aufgrund ebendieser öffentlichkeitswirksamen Angriffe auf Kabul-Stadt kündigte die afghanische Regierung bereits im August 2017 die Entwicklung eines neuen Sicherheitsplans für Kabul an (AAN 25.9.2017). So wurde unter anderem das Green Village errichtet, ein stark gesichertes Gelände im Osten der Stadt, in dem unter anderem Hilfsorganisationen und internationale Organisationen (RFERL 2.9.2019; vgl. FAZ 2.9.2019) sowie ein Wohngelände für Ausländer untergebracht sind (FAZ 2.9.2019). Die Anlage wird stark von afghanischen Sicherheitskräften und privaten Sicherheitsmännern gesichert (AJ 3.9.2019). Die Green Zone hingegen ist ein separater Teil, der nicht unweit des Green Village liegt. Die Green Zone ist ein stark gesicherter Teil Kabuls, in dem sich mehrere Botschaften befinden – so z. B. auch die US-amerikanische Botschaft und andere britische Einrichtungen (RFERL 2.9.2019).

In Bezug auf die Anwesenheit von staatlichen Sicherheitskräften liegt die Provinz Kabul mit Ausnahme des Distrikts Surubi im Verantwortungsbereich der 111. ANA Capital Division, die unter der Leitung von türkischen Truppen und mit Kontingenten anderer Nationen der NATO-Mission Train, Advise and Assist Command – Capital (TAAC-C) untersteht. Der Distrikt Surubi fällt in die Zuständigkeit des 201. ANA Corps (USDOD 6.2019). Darüber hinaus wurde eine spezielle Krisenreaktionseinheit (Crisis Response Unit) innerhalb der afghanischen Polizei geschaffen, um Angriffe zu verhindern und auf Anschläge zu reagieren (LI 5.9.2018).

Im Distrikt Surubi wird von der Präsenz von Taliban-Kämpfern berichtet (TN 26.3.2019; vgl. SAS 26.3.2019). Aufgrund seiner Nähe zur Stadt Kabul und zum Salang-Pass hat der Distrikt große strategische Bedeutung (WOR 10.9.2018).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 1.866 zivile Opfer (596 Tote und 1.270 Verletzte) in der Provinz Kabul. Dies entspricht einer Zunahme von 2% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Selbstmord- und komplexe Angriffe, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern (improvised explosive devices, IEDs) und gezielten Tötungen (UNAMA 24.2.2019).

Die afghanischen Sicherheitskräfte führten insbesondere im Distrikt Surubi militärische Operationen aus der Luft und am Boden durch, bei denen Aufständische getötet wurden (KP 27.3.2019; vgl. TN 26.3.2019, SAS 26.3.2019, TN 23.10.2018, KP 23.10.2018, KP 9.7.2018). Dabei kam es unter anderem zu zivilen Opfern (TN 26.3.2019; vgl. SAS 26.3.2019). Außerdem führten NDS-Einheiten Operationen in und um Kabul-Stadt durch (TN 7.8.2019; vgl. PAJ 7.7.2019, TN 9.6.2019, PAJ 28.5.2019). Dabei wurden unter anderem Aufständische getötet (TN 7.8.2019) und verhaftet (TN 7.8.2019; PAJ 7.7.2019; vgl TN 9.6.2019, PAJ 28.5.2019) sowie Waffen und Sprengsätze konfisziert (TN 9.6.2019; vgl. PAJ 28.5.2019).

IDPs – Binnenvertriebene

UNOCHA meldete für den Zeitraum 1.1.-31.12.2018 35 konfliktbedingt aus dem Distrikt Surubi vertriebene Personen, die alle in der Provinz Logar Zuflucht fanden (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA keine durch gewaltsamen Konflikt aus der Provinz Kabul vertriebenen Personen (UNOCHA 18.8.2019). Im Zeitraum 1.1.-31.12.2018 meldete UNOCHA 9.422 Vertriebene, welche in die Provinz Kabul kamen, die meisten davon in den Distrikt Kabul (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 2.580 Vertriebene in die Provinz Kabul, alle in den Distrikt Kabul. Sie stammten aus Kapisa, Kunar, Nangarhar wie auch Logar, Ghazni, Baghlan und Wardak (UNOCHA 18.8.2019).

Bis zu zwei Drittel aller Afghanen, die außerhalb ihrer Provinz vertrieben wurden, bewegen sich in Richtung der fünf Regionalhauptstädte (NRC 30.1.2019) und Kabuls Wachstum war besonders umfangreich. Die Gesamtzahl der Binnenvertriebenen in Kabul ist nicht bekannt. Die Bewegung in und innerhalb der Stadt fluktuiert und viele kehren regelmäßig in friedlicheren Zeiten in ihr Herkunftsgebiet zurück (Metcalfe et al. 6.2012; vgl. AAN 19.3.2019). Im September 2018 schätzte der afghanische Minister für Flüchtlinge und Repatriierung die Gesamtzahl der Binnenvertriebenen in Kabul auf 70.000 bis 80.000 Menschen (TN 21.9.2018).

Quellen:

AAN – Afghanistan Analysts Network (19.3.2019): Kabul Unpacked, A geographical guide to a metropolis in the making …;

AAN – Afghanistan Analysts Network (5.2.2018): Five Questions to Make Sense of the New Peak in Urban Attacks and a Violent Week in Kabul …;

AAN – Afghanistan Analysts Network (25.9.2017): The New Kabul ‚Green Belt‘ Security Plan: More Security for Whom? …;

AIIA – Australian Institute of International Affairs (11.7.2018): A Precarious State: the Sikh Community in Afghanistan …;

ACLED – Armed Conflict Location and Event Data (5.10.2019): ACLED Data …;

ACLED – Armed Conflict Location and Event Data (12.7.2019): ACLED Data …;

AJ – al-Jazeera (3.9.2019): Massive Kabul blast kills 16 as Taliban steps up attacks …;

AJ – Al Jazeera (8.3.2019): Death toll rises to 11 in attack on Shia gathering in Kabul …;

AJ – Al Jazeera (6.9.2018): Afghanistan: Two journalists among 20 killed in Kabul blasts …;

AJ – Al Jazeera (16.8.2018): Afghanistan: ISIL Suicide bomber targets school in Kabul …;

AT – Afghanistan Times (14.1.2019): Afghanistan Times, Truck bombing against Green Village camp killed 4, injured 113 in east of Kabul city …;

BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (19.8.2019): Briefing Notes, per E-Mail;

BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (29.7.2019): Briefing Notes, per E-Mail;

BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (3.6.2019): Briefing Notes …;

BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (13.5.2019): Briefing Notes …;

BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (29.4.2019): Briefing Notes …;

BBC – British Broadcasting Corporation News (21.3.2019): Kabul bombings: Nowruz celebrations hit by deadly blasts …;

BBC – British Broadcasting Corporation News (5.9.2018): Afghanistan conflict: Bombers kill 20 at Kabul sports club …;

BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation (25.3.2019): Airports Map, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf;

BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation (13.2.2019): Kabul Police Distrikts Map, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf;

CSO – Central Statistics Organization (2019): 1398 Estimated Population of Afghanistan 2019-2020 …;?

DSA – Daily Sabah (1.7.2019): 50 children wounded by Taliban suicide bombing in Afghan capital Kabul …;

DW – Deutsche Welle (22.7.2018): Afghanistan: Deadly suicide attack at Kabul airport as exiled VP Dostum returns …;

FAZ – Frankfurter Zeitung (2.9.2019): Mehrere Tote nach Autobombenanschlag in Kabul …;

DZ – Die Zeit (12.11.2018): Mehrere Tote bei Anschlag nahe Anti-Taliban-Demo …;

GIM – Globalincidentmap (o.D.): Globalincidentmap displaying Terrorist Acts, Suspicious Activity, and General Terrorism News …;

GN – Guardian, The (28.11.2018): Taliban carry out deadly attack on G4S compound in Kabul …;

GN – Guardian, The (21.8.2018): Rockets fired at Afghan presidential palace during Eid speech …;

IEC – Independent Election Commission (2018): 2018 Wolesi Jirga Elections – Results by Polling Stations: Province Kabul, 2018 …;

KP – Khaama Press (27.3.2019): Taliban commanders among 6 killed, wounded in Surobi district of Kabul: Silab Corps …;

KP – Khaama Press (23.10.2018): Taliban militants critically wounded in an airstrike in Kabul …;

KP – Khaama Press (9.7.2018): Operations underway in Kabul‘s Surobi after last week‘s attack by militants …;

LI – Landinfo (5.9.2018): Respons, Afghanistan: Sikkerhetssituasjonen i den sentrale regionen og i det sentrale høylandet-oppdatering …;

Metcalfe, Victoria/Haysom, Simone/Martin, Ellen (6.2012): Sanctuary in the City? Urban Displacement and Vulnerability in Kabul …;

News (21.10.2018): Afghan election day plunges into chaos with multiple Taliban attacks on polling stations …;

Noori, Walid A. (11.2010): Challenges of Traffic Development in Kabul City. Dissertation. Justus-Liebig-Universität Gießen …;

NPS – Naval Postgraduate School (o.D.): Kabul Provincial Overview …;

NRC – Norwegian Refugee Council (30.1.2019): Displaced: If You’re a Thirteen Year Old Living in Afghanistan …;

NYT – New York Times, The (20.10.2018): Afghanistan Votes for Parliament Under Shadow of Taliban Violence …;

NYTM – New York Times Magazine, The (30.5.2019): Afghan War Casualty Report: May 24-30 …;

PAJ- Pajhwok Afghan News (7.7.2019): 4-member Daesh group detained in Kabul: NDS …;

PAJ- Pajhwok Afghan News (28.5.2019): 3 arrested with 2,500 kg of explosives in Kabul …;

PAJ – Pajhwok Afghan News (19.9.2018): 2 rockets land near military university in Kabul …;

PAJ – Pajhwok Afghan News (o.D.): Kabul province background profile …;

REU – Reuters (15.1.2019): Afghan Taliban claim lethal car bomb attack in Kabul …;

REU – Reuters (5.6.2018): Afghan president backs suicide bomb fatwa after 14 killed …;

RFERL – Radio Free Euroe Free Liberty (2.9.2019): Taliban Attack Rocks, International Area Of Kabul, Killing At Least Five …;

RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (31.5.2019): Car Bomb Rocks Afghan Capital …;

RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (30.5.2019): IS Claims Deadly Blast Near Afghan Military Academy …;

SAS – Stars and Stripes (26.3.2019): Joint US-Afghan operation leaves Taliban fighters, civilians dead …;

SAS – Stars and Stripes (31.1.2015): Afghans often unintended victims of Taliban attacks on Jalalabad Road …;

TD – Diplomat, The (13.12.2015): Next Stop Jalalabad: Traveling on One of the World‘s Most Dangerous Roads …;

TN – Tolonews (7.8.2019): Afghan Forces Raid Militants Hideouts In Kabul …;

TN – Tolonews (9.6.2019): Afghan Forces Arrest Six Daesh Members In Kabul …;

TN – Tolonews (26.3.2019): Five Civilians Killed In Afghan Forces Operation In Surobi …;

TN – Tolonews (29.11.2018): Truck Bomb Attack In Kabul Leaves 10 Dead …;

TN – Tolonews (23.10.2018): 42 Taliban Insurgents Killed In ANSF Operations …;

TN – Tolonews (21.9.2018): Insecurity, Drought Displace 300,000 Afghans …;

UNAMA – United Nations Assistance Mission for Afghanistan (24.4.2019): Quarterly Report on the Protection of Civilians in Armed Conflict: 1 January to 31 March 2019 …;

UNAMA – United Nations Assistance Mission for Afghanistan (24.2.2019): Afghanistan Protection of civilians in armed conflict, Annual Report 2018 …;

UNAMA – United Nations Assistance Mission for Afghanistan (10.5.2018): Protection of Civilians in Armed Conflict: Election-Related Attacks and Abuses during the Initial Voter Registration Period …;

UNOCHA – United Nations Office on Coordination of Humanitarian Affairs (18.8.2019): Summary of conflict induced displacements (1 Jan to 04 Aug 2019) …;

UNOCHA – United Nations Office on Coordination of Humanitarian Affairs (28.1.2019): Summary of conflict induced displacements (1 Jan to 31 Dec 2018) …;

UNOCHA – United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (4.2014): Afghanistan: Kabul Province – Distrikt Atlas …;

UNODC – United Nations Office on Drugs and Crime/MCN – Ministry of Counter Narcotics (11.2018): Afghanistan Opium Survey 2018 …;

UNGASC – United Nations General Assembly Security Council (14.6.2019): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security …;

USDOD – United States Department of Defense (6.2019): Enhancing Security and Stability in Afghanistan …;

USDOD – United States Department of Defence (12.2018): Enhancing Security and Stability in Afghanistan …;

USIP – United States Institute of Peace (4.2017): Kabul and the challenge of dwindling foreign aid …;

WOR – War on the Rocks (10.9.2018): Remembering the French war in Afghanistan …

Balkh

Balkh liegt im Norden Afghanistans und grenzt im Norden an Usbekistan, im Nordosten an Tadschikistan, im Osten an Kunduz und Baghlan, im Südosten an Samangan, im Südwesten an Sar-e Pul, im Westen an Jawzjan und im Nordwesten an Turkmenistan (UNOCHA 13.4.2014; vgl. GADM 2018). Die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz ist in die folgenden Distrikte unterteilt: Balkh, Char Bolak, Char Kent, Chimtal, Dawlat Abad, Dehdadi, Kaldar, Kishindeh, Khulm, Marmul, Mazar-e Sharif, Nahri Shahi, Sholgara, Shortepa und Zari (CSO 2019; vgl. IEC 2018).

Nach Schätzung der zentralen Statistikorganisation Afghanistan (CSO) für den Zeitraum 2019-20 leben 1.475.649 Personen in der Provinz Balkh, davon geschätzte 469.247 in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif (CSO 2019). Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird (PAJ o.D.; vgl. NPS o.D.).

Balkh bzw. die Hauptstadt Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz sowie ein regionales Handelszentrum (SH 16.1.2017). Die Autobahn, welche zum usbekischen Grenzübergang Hairatan-Termiz führt, zweigt ca. 40 km östlich von Mazar-e Sharif von der Ringstraße ab (TD 5.12.2017). In Mazar-e Sharif gibt es einen Flughafen mit Linienverkehr zu nationalen und internationalen Zielen (BFA Staatendokumentation 25.3.2019). Im Januar 2019 wurde ein Luftkorridor für Warentransporte eröffnet, der Mazar-e Sharif und Europa über die Türkei verbindet (PAJ 9.1.2019).

Laut dem Opium Survey von UNODC für das Jahr 2018 belegt Balkh den 7. Platz unter den zehn größten Schlafmohn produzierenden Provinzen Afghanistans. Aufgrund der Dürre sank der Mohnanbau in der Provinz 2018 um 30% gegenüber 2017 (UNODC/MCN 11.2018).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Balkh zählt zu den relativ stabilen (TN 1.9.2019) und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten (AN 6.5.2019). Die vergleichsweise ruhige Sicherheitslage war vor allem auf das Machtmonopol des ehemaligen Kriegsherrn und späteren Gouverneurs von Balkh, Atta Mohammed Noor, zurückzuführen (RFE/RL o.D.; RFE/RL 23.3.2018). In den letzten Monaten versuchen Aufständische der Taliban, die nördliche Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren. Drei Schlüsseldistrikte, Zari, Sholagara und Chahar Kant, zählen zu jenen Distrikten, die in den letzten Monaten von Sicherheitsbedrohungen betroffen waren. Die Taliban überrannten keines dieser Gebiete (TN 22.8.2019). Einem UN-Bericht zufolge gibt es eine Gruppe von rund 50 Kämpfern in der Provinz Balkh, welche mit dem Islamischen Staat (IS) sympathisiert (UNSC 1.2.2019). Bei einer Militäroperation im Februar 2019 wurden unter anderem in Balkh IS-Kämpfer getötet (BAMF 11.2.2019).

Das Hauptquartier des 209. ANA Shaheen Corps befindet sich im Distrikt Dehdadi (TN 22.4.2018). Es ist für die Sicherheit in den Provinzen Balkh, Jawzjan, Faryab, Sar-e-Pul und Samangan zuständig und untersteht der NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - North (TAAC-N), welche von deutschen Streitkräften geleitet wird (USDOD 6.2019). Deutsche Bundeswehrsoldaten sind in Camp Marmal in Mazar-e Sharif stationiert (TS 22.9.2018).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 227 zivile Opfer (85 Tote und 142 Verletzte) in Balkh. Dies entspricht einer Steigerung von 76% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von improvisierten Bomben (IEDS; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen. UNAMA verzeichnete für das Jahr 2018 insgesamt 99 zivile Opfer durch Bodenkämpfe in der Provinz (UNAMA 24.2.2019). Hinsichtlich der nördlichen Region, zu denen UNAMA auch die Provinz Balkh zählt, konnte in den ersten sechs Monaten ein allgemeiner Anstieg ziviler Opfer verzeichnet werden (UNAMA 30.7.2019).

Im Winter 2018/2019 (UNGASC 28.2.2019) und Frühjahr 2019 wurden ANDSF-Operationen in der Provinz Balkh durchgeführt (UNGASC 14.6.2019). Die ANDSF führen auch weiterhin regelmäßig Operationen in der Provinz (RFERL 22.9.2019; vgl KP 29.8.2019, KP 31.8.2019, KP 9.9.2019) - unter anderem mit Unterstützung der US-amerikanischen Luftwaffe - durch (BAMF 14.1.2019; vgl. KP 9.9.2019). Taliban-Kämpfer griffen Einheiten der ALP, Mitglieder regierungsfreundlicher Milizen und Sicherheitsposten an, beispielsweise in den Distrikten Chahrbulak (TN 9.1.2019; vgl. TN 10.1.2019), Chemtal (TN 11.9.2018; vgl. TN 6.7.2018), Dawlatabad (PAJ 3.9.2018; vgl. RFE/RL 4.9.2018) und Nahri Shahi (ACCORD 30.4.2019).

Berichten zufolge errichten die Taliban auf wichtigen Verbindungsstraßen, die unterschiedliche Provinzen miteinander verbinden, immer wieder Kontrollpunkte. Dadurch wird das Pendeln für Regierungsangestellte erschwert (TN 22.8.2019; vgl. 10.8.2019). Insbesondere der Abschnitt zwischen den Provinzen Balkh und Jawjzan ist von dieser Unsicherheit betroffen (TN 10.8.2019).

IDPs – Binnenvertriebene

UNOCHA meldete für den Zeitraum 1.1.-31.12.2018 1.218 aus der Provinz Balkh vertriebene Personen, die hauptsächlich in der Provinz selbst in den Distrikten Nahri Shahi und Kishindeh Zuflucht fanden (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 4.361 konfliktbedingt Vertriebene aus Balkh, die allesamt in der Provinz selbst verblieben (UNOCHA 18.8.2019). Im Zeitraum 1.1.-31.12.2018 meldete UNOCHA 15.313 Vertriebene in die Provinz Balkh, darunter 1.218 aus der Provinz selbst, 10.749 aus Faryab und 1.610 aus Sar-e-Pul (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 14.301 Vertriebene nach Mazar-e-Sharif und Nahri Shahi, die aus der Provinz Faryab sowie aus Balkh, Jawzjan, Samangan und Sar-e-Pul stammten (UNOCHA 18.8.2019).

Quellen:

ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (30.4.2019): Themendossier zu Afghanistan: Sicherheitslage und sozioökonomische Lage in Herat und Masar-e Scharif …;

ACLED – Armed Conflict Location and Event Data (5.10.2019): ACLED Data …;

ACLED – Armed Conflict Location and Event Data (12.7.2019): ACLED Data …;

AN – Ariana News (6.5.2019): Key Taliban Commander Arrested with Bottles of Alcohol, Weapons in Balkh …;

BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (11.2.2019): Briefing Notes …;

BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (14.1.2019): Briefing Notes …;

BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation (25.3.2019): Airports Map, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf;

CSO – Central Statistics Organization (2019): 1398 Estimated Population of Afghanistan 2019-2020 …;?

GADM Global Administrative Areas (2018): Afghanistan [Karte] …;

GIM – Globalincidentmap (o.D.): Globalincidentmap displaying Terrorist Acts, Suspicious Activity, and General Terrorism News …;

IEC – Independent Election Commission (2018): 2018 Wolesi Jirga Elections – Results by Polling Stations: Province Balkh, 2018 …;

KP – Khaama Press (9.9.2019): 49 Taliban militants killed, wounded; strategic compound destroyed in Balkh …;

KP – Khaama Press (31.8.2019): Taliban’s Ezatullah Sabawoon likely killed in Balkh province …;

KP – Khaama Press (29.8.2019): 28 Taliban militants killed, wounded in Balkh operations …;

MRRD – Ministry of Rural Rehabilitation and Development (o.D.), Balkh Provincial Profile …;

NPS – Naval Postgraduate School (o.D.): Balkh Provincial Review, n.d. …;

PAJ – Pajhwok Afghan News (9.1.2019): Mazar-i-Sharif-Turkey-Europe air corridor formally opens …;

PAJ – Pajhwok Afghan News (3.9.2018): Part of Balkh’s Dawlatabad Distrikt falls to Taliban …;

PAJ – Pajhwok Afghan News (o.D.): Background Profile of Balkh …;

RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (23.9.2019): Afghan Officials: Taliban Suffer Heavy Casualties In Several Provinces …;

RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (22.9.2019): Afghan Officials: Taliban Suffers Heavy Casualties In Several Provinces …;

RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (23.3.2018): Powerful Afghan Governor Resigns, Ending Standoff With Ghani …;

RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (4.9.2018): Afghan Security Forces Retake Northern Distrikt From Taliban …;

RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (o.D.): Afghanistan's New Northern Flash Points …;

SH – Samuel Hall (16.1.2017): Samuel Hall, Economic Assessment and Labour Market Survey of Mazar-i Sharif, Pul-i Khumri, Kandahar City and Kunduz City …;

TD – The Diplomat (5.12.2017): Kabul's Plan to Realize Afghanistan’s Geographic Dividend …;

TN – Tolonews (10.8.2019): Security In Balkh Highway Concerning: Residents …;

TN – Tolonews (10.1.2019): Key Taliban Commander Killed In Balkh …;

TN – Tolonews (9.1.2019): Six Security Force Members Killed In Balkh Clash …;

TN – Tolonews (11.9.2018): Sources Claim Balkh Outposts Fallen To Taliban …;

TN – Tolonews (6.7.2018): Main Distrikt In Balkh Under Security Threat …;

TN – Tolonews (22.4.2018): 209 Shaheen Corps: The Base The Taliban Attacked …;

TS – Tagesspiegel (22.9.2018): Afghanische Ex-Mitarbeiter der Bundeswehr demonstrieren vor Camp …;

UNAMA – United Nations Assistance Mission for Afghanistan (30.7.2019): Midyear Update on the Protection of Civilians in Armed Conflict: 1 January to 30 June 2019 …;

UNAMA – United Nations Assistance Mission for Afghanistan (24.2.2019): Afghanistan Protection of civilians in armed conflict, Annual Report 2018 …;

UNGASC – United Nations General Assembly Security Council (14.6.2019): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security …;

UNGASC – United Nations General Assembly Security Council (28.2.2019): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security …;

UNOCHA – United Nations Office on Coordination of Humanitarian Affairs (18.8.2019): Summary of conflict induced displacements (1 Jan to 04 Aug 2019) …;

UNOCHA – United Nations Office on Coordination of Humanitarian Affairs (28.1.2019): Summary of conflict induced displacements (1 Jan to 31 Dec 2018) …;

UNOCHA – United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (13.4.2014): Afghanistan Northern region Distrikt Atlas …;

UNODC – United Nations Office on Drugs and Crime/MCN – Ministry of Counter Narcotics (11.2018): Afghanistan Opium Survey 2018 …;

UNSC – United Nations Security Council (1.2.2019): Eighth report of the Secretary-General on the threat posed by ISIL (Da’esh) to international peace and security and the range of United Nations efforts in support of Member States in countering the threat …;

USDOD – United States Department of Defense (6.2019): Enhancing Security and Stability in Afghanistan …

Herat

Die Provinz Herat liegt im Westen Afghanistans und teilt eine internationale Grenze mit dem Iran im Westen und Turkmenistan im Norden. Weiters grenzt Herat an die Provinzen Badghis im Nordosten, Ghor im Osten und Farah im Süden (UNOCHA 4.2014). Herat ist in 16 Distrikte unterteilt: Adraskan, Chishti Sharif, Fersi, Ghoryan, Gulran, Guzera (Nizam-i-Shahid), Herat, Enjil, Karrukh, Kohsan, Kushk (Rubat-i-Sangi), Kushk-i-Kohna, Obe/Awba/Obah/Obeh (AAN 9.12.2018; vgl. PAJ o.D., PAJ 13.6.2019), Pashtun Zarghun, Shindand, Zendahjan. Zudem bestehen vier weitere „temporäre“ Distrikte – Poshtko, Koh-e-Zore (Koh-e Zawar), Zawol und Zerko (CSO 2019; vgl. IEC 2018) –, die zum Zweck einer zielgerichteteren Mittelverteilung aus dem Distrikt Shindand herausgelöst wurden (AAN 3.7.2015; vgl. PAJ 1.3.2015). Die Provinzhauptstadt von Herat ist Herat-Stadt (CSO 2019). Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans (PAJ o.D.).

Die CSO schätzt die Bevölkerung der Provinz für den Zeitraum 2019-20 auf 2.095.117 Einwohner, 556.205 davon in der Provinzhauptstadt (CSO 2019). Die wichtigsten ethnischen Gruppen in der Provinz sind Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Usbeken und Aimaqs, wobei Paschtunen in elf Grenzdistrikten die Mehrheit stellen (PAJ o.D.). Herat-Stadt war historisch gesehen eine tadschikisch dominierte Enklave in einer paschtunischen Mehrheits-Provinz, die beträchtliche Hazara- und Aimaq-Minderheiten umfasst (USIP 2015). Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert. Der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 besonders gestiegen, da viele aus dem Iran rückgeführt oder aus den Provinzen Zentralafghanistans vertrieben wurden (AAN 3.2.2019). Der Grad an ethnischer Segregation ist in Herat heute ausgeprägt (USIP 2015; vgl. BFA Staatendokumentation 13.6.2019).

Die Provinz ist durch die Ring Road mit anderen Großstädten verbunden (TD 5.12.2017). Eine Hauptstraße führt von Herat ostwärts nach Ghor und Bamyan und weiter nach Kabul. Andere Autobahn verbinden die Provinzhauptstadt mit dem afghanisch-turkmenischen Grenzübergang bei Torghundi sowie mit der afghanisch-iranischen Grenzüberquerung bei Islam Qala (iMMAP 19.9.2017). Ein Flughafen mit Linienflugbetrieb zu internationalen und nationalen Destinationen liegt in der unmittelbaren Nachbarschaft von Herat-Stadt (BFA Staatendokumentation 25.3.2019).

Laut UNODC Opium Survey 2018 gehörte Herat 2018 nicht zu den zehn wichtigsten Schlafmohn anbauenden Provinzen Afghanistans. 2018 sank der Schlafmohnanbau in Herat im Vergleich zu 2017 um 46%. Die wichtigsten Anbaugebiete für Schlafmohn waren im Jahr 2018 die Distrikte Kushk und Shindand (UNODC/MCN 11.2018).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten durchzuführen (KP 19.5.2019; vgl. KP 17.12.2018). Je mehr man sich von Herat-Stadt (die als „sehr sicher“ gilt) und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban (BFA Staatendokumentation 13.6.2019).

Auch im Vergleich zu Kabul gilt Herat-Stadt einem Mitarbeiter von IOM-Kabul zufolge zwar als sicherere Stadt, doch gleichzeitig wird ein Anstieg der Gesetzlosigkeit und Kriminalität verzeichnet: Raubüberfälle nahmen zu und ein Mitarbeiter der Vereinten Nationen wurde beispielsweise überfallen und ausgeraubt. Entführungen finden gelegentlich statt, wenn auch in Herat nicht in solch einem Ausmaß wie in Kabul (BFA Staatendokumentation 13.6.2019).

Der Distrikt mit den meisten sicherheitsrelevanten Vorfällen ist der an Farah angrenzende Distrikt Shindand, wo die Taliban zahlreiche Gebiete kontrollieren. Wegen der großen US-Basis, die in Shindand noch immer operativ ist, kontrollieren die Taliban jedoch nicht den gesamten Distrikt. Aufgrund der ganz Afghanistan betreffenden territorialen Expansion der Taliban in den vergangenen Jahren sah sich jedoch auch die Provinz Herat zunehmend von Kampfhandlungen betroffen. Dennoch ist das Ausmaß der Gewalt im Vergleich zu einigen Gebieten des Ostens, Südostens, Südens und Nordens Afghanistans deutlich niedriger (BFA Staatendokumentation 13.6.2019).

Innerhalb der Taliban kam es nach der Bekanntmachung des Todes von Taliban-Führer Mullah Omar im Jahr 2015 zu Friktionen (AAN 11.1.2017; vgl. RUSI 16.3.2016; SAS 2.11.2018). Mullah Rasoul, der eine versöhnlichere Haltung gegenüber der Regierung in Kabul einnahm, spaltete sich zusammen mit rund 1.000 Kämpfern von der Taliban-Hauptgruppe ab. Die Regierungstruppen kämpfen in Herat angeblich nicht gegen die Rasoul-Gruppe, die sich für Friedensgespräche und den Schutz eines großen Pipeline-Projekts der Regierung in der Region einsetzt (SAS 2.11.2018). Innerhalb der Taliban-Hauptfraktion wurde der Schattengouverneur von Herat nach dem Waffenstillstand mit den Regierungstruppen zum Eid al-Fitr-Fest im Juni 2018 durch einen als Hardliner bekannten Taliban aus Kandahar ersetzt (UNSC 13.6.2019).

2017 und 2018 hat der IS bzw. ISKP Berichten zufolge drei Selbstmordanschläge in Herat-Stadt durchgeführt (taz 3.8.2017; Reuters 25.3.2018).

Aufseiten der Regierung ist das 207. Zafar-Corps der ANA für die Sicherheit in der Provinz Herat verantwortlich (USDOD 6.2019; vgl. PAJ 2.1.2019), das der NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - West (TAAC-W) untersteht, welche von italienischen Streitkräften geleitet wird (USDOD 6.2019; vgl. KP 16.12.2018).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 259 zivile Opfer (95 Tote und 164 Verletzte) in Herat. Dies entspricht einem Rückgang von 48% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren improvisierten Sprengkörper (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordanschläge), gefolgt von Kämpfen am Boden und gezielten Tötungen (UNAMA 24.2.2019).

In der Provinz Herat kommt es regelmäßig zu militärischen Operationen (KP 16.6.2019; vgl. KP 28.9.2019, KP 29.6.2019, KP 17.6.2019, 21.5.2019). Unter anderem kam es dabei auch zu Luftangriffen durch die afghanischen Sicherheitskräfte (KP 16.6.2019; vgl. AN 23.6.2019). In manchen Fällen wurden bei Drohnenangriffen Talibanaufständische und ihre Führer getötet (AN 23.6.2019; vgl. KP 17.12.2018; KP 25.12.2018). Der volatilste Distrikt von Herat ist Shindand. Dort kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen rivalisierenden Taliban-Fraktionen wie auch zwischen den Taliban und regierungsfreundlichen Kräften (NYTM 12.12.2018; AJ 7.12.2018; AN 30.11.2018; KP 28.4.2018; VoA 13.4.2018). Regierungskräfte führten beispielsweise im Dezember 2018 (KP 17.12.2018) und Januar 2019 Operationen in Shindand durch (KP 26.1.2019). Obe ist neben Shindand ein weiterer unsicherer Distrikt in Herat (TN 8.9.2018). Im Dezember 2018 wurde berichtet, dass die Kontrolle über Obe derzeit nicht statisch ist, sondern sich täglich ändert und sich in einer Pattsituation befindet (AAN 9.12.2018). Im Juni 2019 griffen die Aufständischen beispielsweise mehrere Posten der Polizei im Distrikt an (AT 2.6.2019; vgl. PAJ 13.6.2019) und die Sicherheitskräfte führten zum Beispiel Anfang Juli 2019 in Obe Operationen durch (XI 11.7.2019). Außerdem kommt es in unterschiedlichen Distrikten immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften (KP 5.7.2019; vgl. PAJ 30.6.2019), wie z. B in den Distrikten Adraskan, Fersi, Kushk-i-Kohna, Obe, Rabat Sangi, Shindand und Zawol (PAJ 30.6.2019).

Auf der Autobahn zwischen Kabul und Herat sowie Herat und Farah werden Reisende immer wieder von Taliban angehalten; diese fordern von Händlern und anderen Reisenden Schutzgelder (ST 14.12.2018).

IDPs – Binnenvertriebene

UNOCHA meldete für den Zeitraum 1.1.-31.12.2018 609 konfliktbedingt aus der Provinz Herat vertriebene Personen, von denen die meisten in der Provinz selbst Zuflucht fanden (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum vom 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 586 aus der Provinz Herat vertriebene Personen (UNOCHA 18.8.2019). Im Zeitraum vom 1.1.-31.12.2018 meldete UNOCHA 5.482 Vertriebene in die Provinz Herat, von denen die meisten (2.755) aus Ghor stammten (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 6.459 konfliktbedingt Vertriebene in die Provinz Herat, von denen die meisten (4.769) aus Badghis stammten (UNOCHA 18.8.2019).

Anmerkung: Weitere Informationen zu Herat – u. a. zur Sicherheitslage – können der Analyse der Staatendokumentation „Afghanistan - Informationen zu sozioökonomischen Faktoren in der Provinz Herat“ vom 13.6.2019 entnommen werden (BFA 13.6.2019).

Quellen:

AAN – Afghanistan Analysts Network (3.2.2019): Speculation Abounding: Trying to make sense of the attacks against Shias in Herat city …;

AAN – Afghanistan Analysts Network (9.12.2018): One Land, Two Rules (2): Delivering public services in insurgency-affected Obeh Distrikt of Herat province …;

AAN – Afghanistan Analysts Network (11.1.2017): The Battle between Law and Force: Scattered political power and deteriorating security test Herat’s dynamism …;

ACLED – Armed Conflict Location and Event Data (5.10.2019): ACLED Data …;

ACLED – Armed Conflict Location and Event Data (12.7.2019): ACLED Data …;

AJ – Al Jazeera (7.12.2018): Afghan soldiers killed in 'coordinated Taliban attack' in Herat …;

AN – Ariana News (30.11.2018): Infighting Leaves 45 Taliban Militants Killed or Wounded in Herat …;

AN – Ariana News (23.6.2019): US Airstrike Kills Taliban Shadow District Chief in Herat …;

AT – Afghanistan Times (2.6.2019): Taliban Intensify Attacks on Eid Verge …;

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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