Entscheidungsdatum
01.02.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z5Spruch
W144 2237884-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Andreas Huber als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. von Georgien, vertreten durch Erwachsenenvertreterin XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.12.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und die Spruchpunkte I., III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.
Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und dieser Spruchpunkt dahingehend abgeändert, dass dem Antrag vom 29.04.2020 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben wird und dass die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter von XXXX um zwei Jahre verlängert wird.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF), ein männlicher Staatsangehöriger Georgiens, stellte im österreichischen Bundesgebiet am 13.11.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 12.02.2015 wurde die Mutter des BF zu seiner Sachwalterin (nunmehr: Erwachsenenvertreterin) in allen Angelegenheiten bestellt.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 29.06.2015 wurde der Antrag des BF bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF abgewiesen (Spruchpunkt I.). Dem BF wurde jedoch gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 29.06.2016 erteilt (Spruchpunkt III.).
Begründend wurde ausgeführt, dass der BF an paranoider Schizophrenie leide und im Herkunftsstaat Georgien seien die ärztliche und soziale Betreuung für Personen, welche an paranoider Schizophrenie erkrankt seien, und auch die soziale Unterstützung nicht ausreichend gegeben, weshalb der BF bei einer Rückkehr in eine ausweglose Lage kommen und dies eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde.
Mit Bescheiden des BFA vom 06.07.2016 und vom 14.06.2018 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung des BF aufgrund entsprechender Anträge gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 29.06.2020 verlängert. Begründend wurde jeweils unter dem Punkt Feststellungen und Beweiswürdigung ausgeführt, dass aufgrund der Ermittlungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat des BF in Verbindung mit dem Antrag des BF das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als glaubwürdig gewertet werden könne.
Am 29.04.2020 stellte der BF, vertreten durch seine Erwachsenenvertreterin, einen Antrag auf Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung.
Am 04.11.2020 wurde die Mutter und Erwachsenvertreterin des BF seitens des BFA niederschriftlich einvernommen, da der BF aufgrund seiner psychischen Probleme sein Zuhause nicht verlässt. Die Erwachsenenvertreterin gab im Wesentlichen Folgendes zu Protokoll: Der BF leide seit zwanzig Jahren an paranoider Schizophrenie und sein Zustand verschlechtere sich. Er bekomme einmal pro Monat eine Spritze Xeplion (150mg), dies stabilisiere ihn und somit sei er nicht gefährlich. Er gehe seit anderthalb Jahren nicht mehr aus dem Haus, der Arzt komme zu ihm und verabreiche ihm die Spritzen. In Georgien sei die medizinische Versorgung für psychisch Kranke schlecht, das Medikament Xeplion gebe es dort nicht und der BF sei bei seinem letzten Krankenhausaufenthalt geschlagen worden. Ein einzige Ampulle Xeplion koste 600 Euro, sie könne das niemals zahlen. Ohne Xeplion würde er in Georgien sterben, da er für alle sehr gefährlich sei. In Georgien habe der BF sogar auf jemanden eingestochen, weil er keine Medikamente bekommen habe; er sei alle zwei bis drei Monate in eine Anstalt eingeliefert worden. In Georgien lebe noch die Großmutter, Tante und Cousine des BF.
In der Folge wurde mit dem nun angefochtenen Bescheid des BFA vom 01.12.2020 dem BF der mit Bescheid vom 29.06.2015 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG idgF von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.), der Antrag vom 29.04.2020 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz idgF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Georgien zulässig sei (Spruchpunkt V.), und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde unter Darlegung näherer Erwägungen zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF zwar weiterhin an paranoider Schizophrenie leide und monatlich 150mg Xeplion per Spritze erhalte, es erschließe sich jedoch aus den der Entscheidung zugrunde gelegten Länderinformationen nunmehr, dass seine Krankheit in Georgien behandelbar sei. Sowohl klinische Langzeitbehandlungen durch Psychiater und psychiatrische Zwangseinweisungen als auch ambulante Folgebehandlungen seien verfügbar. Betreutes Wohnen oder eine Betreuung zu Hause durch eine psychiatrische Krankenschwester seien zwar nicht verfügbar, seine Tante, bei der er schon zuvor in Georgien gewohnt habe, oder seine Mutter, gegen die ebenfalls eine Rückkehrentscheidung erlassen worden sei, können sich jedoch um den BF kümmern. Auch sei das Medikament Paliperidone Rompharm, welches den gleichen Wirkstoff wie Xeplion habe, in Georgien seit September 2020 zugelassen und könne für die Behandlung des BF eingesetzt werden. Aufgrund der stetigen Verbesserung der medizinischen Versorgungslage in Georgien und insbesondere aufgrund der Zulassung des für den BF notwendigen wirkstoffgleichen Medikaments liege eine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes vor. Zum Entscheidungszeitpunkt würden die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen, weshalb der Schutzstatus gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG abzuerkennen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 16.12.2020, in welcher der BF zusammengefasst geltend machte, dass eine wesentliche und nicht bloß vorübergehende Änderung der maßgeblichen Umstände im vorliegenden Fall nicht eingetreten sei. Die vom BFA herangezogene Anfragebeantwortung zum Thema „Paranoide Schizophrenie, PTBS“ stamme zwar vom 12.07.2018, sie beziehe sich jedoch auf Einzelquellen aus den Jahren 2017 bzw. 2018 und somit auf die Lage vor der letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung des BF. Der Bescheid sei daher aufzuheben und die Aufenthaltsberechtigung des BF zu verlängern.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Festgestellt wird zunächst der unter I. dargelegte Verfahrensgang.
Der BF ist georgischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Georgier an und bekennt sich zum christlich-orthodoxen Glauben. Er ist ledig und hat keine Kinder.
In Österreich ist der BF strafrechtlich unbescholten und nicht selbsterhaltungsfähig. Der BF leidet an paranoider Schizophrenie, für ihn wurde seine Mutter zur Erledigung all seiner Angelegenheiten als Erwachsenenvertreterin (vormals Sachwalterin) bestellt. Er lebt alleine, seine Mutter wohnt jedoch in einer Nebenwohnung, kümmert sich um ihn und hat täglichen Kontakt zu ihm. Er verlässt das Haus seit anderthalb Jahren nicht mehr und hat keinen Kontakt zu anderen Personen außer seiner Mutter und seinem Arzt. Er bekommt einmal monatlich 150mg des Medikaments Xeplion durch Spritzen injiziert, wodurch sein Gesundheitszustand stabilisiert wird. Eine nachhaltige Verbesserung des Gesundheitszustandes des BF kann nicht festgestellt werden.
Nicht festgestellt werden kann, dass sich die medizinische Versorgung für an paranoider Schizophrenie leidende Personen seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Bescheid des BFA vom 29.06.2015 bzw. seit der letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid des BFA vom 14.06.2018 wesentlich und nachhaltig verbessert hat.
Zur medizinischen Versorgung von psychisch kranken Personen im Herkunftsland des BF wird Folgendes festgestellt:
Das staatliche Programm „Psychische Gesundheit“ bezieht sich auf die Erhöhung der geografischen und finanziellen Verfügbarkeit psychiatrischer Dienste für die georgische Bevölkerung:
Das Programm umfasst u.a. folgende ambulante Dienste:
? Versorgung der Patienten, die an den Hausarzt/Distriktarzt weitergeleitet werden, primärer Besuch in der psychiatrischen Apotheke, und wenn der Patient nicht in die psychiatrische Einrichtung kommen kann, Hausbesuch eines Psychiaters oder eines anderen Spezialisten auf dem Gebiet der Psychiatrie beim Patienten, Erfüllung der ambulanten Überwachung des Patienten
? Versorgung der registrierten Patienten, die an die psychiatrische stationäre Einrichtung weitergeleitet werden, unter Berücksichtigung der vom Programm vorgesehenen Krankheitsbilder, Besuche bei einem Psychiater oder bei Bedarf bei anderen Spezialisten auf dem Gebiet der Psychiatrie; nach Überweisung die Versorgung mit Medikamenten; bei Bedarf Besuche der Fachärzte für Psychiatrie zu Hause und Konsultationen mit anderen Fachärzten (Therapeuten und Neurologen)
? Psychosoziale Rehabilitation
? Die Versorgung minderjähriger Patienten (unter 18 Jahren), welche unter Veränderungen des psychischen Zustandes und Verhaltens, Verschlechterung der sozialen Funktionsfähigkeit und Disadaptation leiden
? Kurzfristiger stationärer Dienst, insbesondere für Patienten ab 15 Jahren zur Eindämmung akuter psychotischer Symptome
? Langfristiger stationärer Dienst, falls erforderlich, oder Behandlung derjenigen Patienten, denen bei schwerwiegenden Störungen des psychosozialen Verhaltens keine Hilfe aus der stationären Abteilung zur Verfügung steht
? stationäre Behandlung per Gerichtsbeschluss eingewiesener Patienten
? Versorgung der Patienten mit Lebensmitteln und persönlichen Hygieneartikeln, die den stationären Dienst in Anspruch nehmen
? Rehabilitationsdienst während der stationären Langzeitbehandlung nach den Standards der psychosozialen Rehabilitation
? Psychiatrischer stationärer Dienst für Kinder, einschließlich jener unter 15 Jahren mit psychotischen Registerstörungen
? Dringende medizinische Versorgung für Patienten, einschließlich Notarztdienst für jene, die sich in der psychiatrischen stationären Abteilung befinden
? Stationäre Behandlung von psychischen Störungen und Verhaltensstörungen, die durch psychoaktive Substanzen verursacht werden
? Die psychiatrische Krisenintervention bei Erwachsenen (ab 18 Jahren) berücksichtigt den Dienst für Menschen mit psychischen Störungen und Verhaltensstörungen im administrativ-territorialen Bereich von Tiflis
? Psychiatrische Krisenintervention in Form von Krisentagesbetten als ambulante Betreuung
? Erfüllung der Krisenintervention durch die mobile Gruppe für häusliche Pflege am Wohnort des Patienten und, falls erforderlich, dessen Überweisung ins Krisenzentrum oder eine andere psychosoziale/psychiatrische Einrichtung
Die Begünstigten des staatlichen Programms - Psychische Gesundheit – sind: Bürger Georgiens, die den ambulanten und stationären Teil des Programms nutzen; sowohl Bürger Georgiens als auch andere Personen bei denen es zu einem Zwangsaufenthalt kommt, sowie Häftlinge in den Strafvollzugsanstalten ungeachtet des Besitzes eines amtlichen Identitätsdokumentes. Die Leistungen des Programms werden vollständig vom Staat finanziert, mit Ausnahme der stationären Betreuung von psychischen Störungen und Verhaltensstörungen, die durch psychoaktive Substanzen verursacht werden. Die Leistungen im letzteren Fall werden vom Staat zu 70% der tatsächlichen Kosten im Rahmen der im Programm genannten Fälle erstattet (SSA o.D.e, vgl. SEM 21.3.2018).
Auszüge aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 12.07.2018 zu Georgien: „Paranoide Schizophrenie, PTBS“:
Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass sowohl klinische Behandlungen durch Psychiater und Psychologen als auch ambulante und Folgebehandlungen in den angeführten Einrichtungen verfügbar sind.
Weiters stehen psychiatrische Beratungen und Unterstützung bei der Medikation durch psychiatrische Krankenschwestern sowie psychiatrische Behandlungen von PTBS durch kognitive Verhaltenstherapien zur Verfügung.
Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass psychiatrische Behandlungen in Form von betreutem Wohnen (daheim und in Einrichtungen) sowie einer Betreuung zu Hause durch eine psychiatrische Krankenschwester nicht verfügbar sind. Verfügbar sind jedoch klinische Langzeitbehandlungen (z.B. bei chronisch psychotischen Patienten) durch Psychiater und bei Bedarf psychiatrische Zwangseinweisungen.
IOM zufolge gibt es in Georgien keine psychiatrischen Einrichtungen zur langfristigen stationären Behandlung. Es gibt allerdings Einrichtungen zur kurzfristigen stationären Behandlung wenn der Patient stabil ist. Der Patient braucht einen Vormund oder ein Familienmitglied, das zu Hause auf ihn aufpassen wird, da es in Georgien keine langfristigen Einrichtungen gibt. Zuerst muss der Patient eine psychiatrische Klinik kontaktieren (z.B.: Centre of Mental Health and Prevention of Addiction in Tiflis; Adresse: 21a, Kavtaradze Street/Kontaktperson: Dr. David Khachidze). Ein Gremium von Ärzten wird seine Situation beurteilen. Wenn der Status akut ist, kann er kurzfristig ins Krankenhaus eingeliefert werden bis sich der Patient stabilisiert. Die stationäre Behandlung in psychiatrischen Kliniken ist für Personen die ins Krankenversicherungssystem fallen kostenlos. Die Kosten für Medikamente sind jedoch nicht gedeckt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellung zur Staatsangehörigkeit des BF, seiner Volksgruppen- sowie Religionszugehörigkeit, seinem Familienstand und seinen Angehörigen in Georgien gründen sowohl auf seinen Angaben im vorangegangenen Verfahren, in welchem dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, als auch auf jene seiner Mutter bzw. Erwachsenenvertreterin in der niederschriftlichen Einvernahme vom 04.11.2020. Diese Feststellungen wurden auch dem gegenständlich angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt, wobei der BF dagegen in der Beschwerde keine Einwände erhob.
Die strafrechtliche Unbescholtenheit und die fehlende Selbsterhaltungsfähigkeit des BF ergeben sich aus aktuellen Auszügen aus dem Strafregister der Republik Österreich und dem Betreuungsinformationssystem. Der Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 12.02.2015, mit welchem die Mutter des BF zu seiner Sachwalterin bestellt wurde, liegt dem Bundesverwaltungsgericht im Verwaltungsakt vor. Die Mutter machte vor der belangten Behörde in Zusammenschau mit den vorgelegten medizinischen Unterlagen glaubhaft, dass sie weiterhin die Erwachsenenvertretung für den BF übernimmt, sich umfassend um ihn kümmert und er nunmehr das Haus nicht verlässt. Die belangte Behörde traf im angefochtenen Bescheid auch keine entgegenstehenden Feststellungen.
Die Feststellung, dass der BF an paranoider Schizophrenie leidet und mit einer monatlichen Spritze von 150mg Xeplion behandelt wird, beruht auf den im Akt einliegenden medizinischen Unterlagen und den Angaben der Mutter des BF vor der belangten Behörde. Aus dem fachärztlichen Befundbericht vom 24.09.2020 geht hervor, dass der BF an paranoider Schizophrenie leide, er starke Ängste mit Rückzugstendenz verspüre und deshalb kaum das Haus verlasse. Er sei schon 2014 auf Depotmedikation umgestellt worden, seit 2018 übernehme der Hausarzt die Medikation des BF. Es sei zu empfehlen, dass derzeitige Setting beizubehalten. Auch der Hausarzt des BF bestätigte, dass er dem BF monatlich Spritzen mit Xeplion verabreiche.
Eine Besserung des Gesundheitszustandes des BF kann in Anbetracht sämtlicher, im Akt einliegender medizinischer Unterlagen nicht festgestellt werden. Der BF leidet unverändert an paranoider Schizophrenie und benötigt Betreuung, welche er durch seine Mutter bekommt. Er ist zwar weder für sich selbst, noch für andere gefährlich, er verlässt jedoch die eigene Wohnung nicht mehr und kann nicht für sich selbst sorgen. Auch aus der Umstellung der Medikation kann in Zusammenschau mit den fachärztlichen Befunden nicht festgestellt werden, dass sich der Gesundheitszustand des BF verbessert hat. Es ist zwar laut dem Befund eine Stabilisierung eingetreten, er leide jedoch weiterhin unter Ängsten und ziehe sich zurück. Auch die Umstellung auf die Depot-Medikation habe lange Zeit in Anspruch genommen werden. Eine wesentliche und nicht bloße vorübergehende Änderung der medizinischen Situation des BF kann auch in Anbetracht der Empfehlung der Ärzte, das momentane Setting des BF keineswegs zu ändern, nicht erkannt werden.
Die Feststellung, dass sich die medizinische Versorgung für an paranoider Schizophrenie leidende Personen nicht wesentlich und nachhaltig verbessert hat, ergibt sich aus einem Vergleich der vom BFA im Bescheid vom 29.06.2015 herangezogenen Länderberichte (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 19.03.2015, im Folgenden: „LIB 2015“ sowie Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 12.02.2015 zu Georgien: Paranoider Schizophrenie, Betreuungseinrichtungen; im Folgenden: „Staatendoku 2015“), der Länderberichte, die zur Zeit der letzten Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid vom 14.06.2018 einschlägig waren (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 07.06.2018, im Folgenden „LIB 2018“) und der aktuellen Länderinformationen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 12.09.2019, letzte Information eingefügt am 16.03.2020, im Folgenden: „LIB 2019“ sowie Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 12.07.2018 zu Georgien: Paranoide Schizophrenie, PTBS; im Folgenden: „Staatendoku 2018“):
Im LIB 2015 wurde hinsichtlich der psychiatrischen Behandlung in Georgien ausgeführt, dass georgische Staatsbürger sowohl ambulante als auch stationäre Leistungen in Anspruch nehmen können und diese vollständig, ohne eine Zuzahlung seitens der Patienten, vom Staat abgedeckt werden. Nur Behandlungen, die auf Alkoholmissbrauch zurückzuführen seien, würden nur zu 70 Prozent gedeckt. Alle Arten von Medikamenten seien in Georgien erhältlich, sowohl als Original als auch als Generikum. In der Staatendoku 2015 wurde diesbezüglich ausgeführt, dass es in Georgien generell Behandlungsmöglichkeit für paranoid Schizophrene ohne finanzielle Mittel gebe. Die meisten Behandlungskosten für psychisch Kranke würden vom Staat übernommen, außer die Beeinträchtigung sei durch die Einnahme psychoaktiver Substanzen zustande gekommen. Das Geld, das paranoid Schizophrenen monatlich für die Besorgung der notwendigen Medikamente zur Verfügung gestellt werde, genüge in vielen Fällen nicht aus und Patienten würden bis zu 40 Prozent zuzahlen müssen. Es komme auch vor, dass Medikamente wegen Versorgungsschwierigkeiten nicht verfügbar seien.
Im LIB 2019 wird unter dem Punkt „Behandlungsmöglichkeiten: psychische Krankheiten“ ausgeführt, dass das staatliche Programm „Psychische Gesundheit“ verschiedenste Leistungen stationärer, ambulanter und sonstige Leistungen umfasst. Begünstigte des Programmes (insbesondere georgische Staatsbürger) würden die Leistungen vollständig ersetzt bekommen, außer die psychischen Störung sei auf psychoaktive Substanzen zurückzuführen, dann würden nur 70 Prozent übernommen. Zur Versorgung mit Medikamenten wird ausgeführt, dass die meisten Medikamente nicht vom staatlichen Programm erfasst werden. Die Patienten müssen daher die Kosten für Medikamente oft selbst tragen.
In einer Gegenüberstellung des LIB 2015 und des LIB 2019 zu den wesentlichen Informationen zur medizinischen Behandlung von psychisch kranken Personen kann seitens des Bundesverwaltungsgerichtes keine wesentliche und nachhaltige Besserung erkannt werden. Insbesondere stellen sich die medizinischen Leistungen, die vom Staat übernommen werden, als sehr ähnlich dar und auch die Deckung der notwendigen Behandlungen übernimmt der Staat weiterhin. Hinsichtlich der Versorgung mit Medikamente ist sogar eher eine Verschlechterung aus den den Entscheidungen des BFA zugrunde gelegten Länderberichten zu erkennen. Für das Bundesverwaltungsgericht ist aus beiden Länderberichten ersichtlich, dass die grundsätzliche und notwendige Behandlung für psychisch kranke Personen (insbesondere für paranoid Schizophrene) in Georgien verfügbar ist und die Leistungen prinzipiell für die Staatsbürger kostenlos sind. Dass sich die Behandlungsmöglichkeit für paranoid Schizophrene in Georgien wesentlich gebessert hat, ist nicht ersichtlich und wurde vom BFA auch nicht aufgezeigt.
Weiters ist festzuhalten, dass das BFA bei der Begründung der Gewährung von subsidiären Schutz im Bescheid vom 29.06.2015 insbesondere die mangelnde soziale Betreuung und Unterstützung von an paranoider Schizophrenie erkrankten Personen ins Treffen führte. Bei einer solchen Betreuung gab es jedoch keine merklichen Verbesserungen: Sowohl aus der Staatendoku 2015 als auch aus der Staatendoku 2018 ist ersichtlich, dass ein betreutes Wohnen mit Heimpflege durch psychiatrisches Krankenpersonal oder ein „sheltered housing“ im Sinne eines betreuten Wohnens als Vorstufe zur Pflegeheimunterbringung in Georgien nicht verfügbar sind. Das BFA konnte folglich eine wesentliche Änderung bzw. Verbesserung der medizinischen Versorgung von an paranoider Schizophrenie leidenden Personen in Georgien nicht anzeigen.
Die Feststellungen zur medizinischen Versorgung von psychisch kranken Personen in Georgien ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.09.2019, zuletzt aktualisiert am 16.03.2020, und aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 12.07.2018 zu Georgien: „Paranoide Schizophrenie, PTBS“ sowie den darin äußerst umfangreich angeführten Quellen (-diesbezüglich wird auf den Akteninhalt verwiesen, da gesonderte (und teils seitenlange) Anführung der Quellen zu einer unübersichtlichen und der Lesbarkeit abträglichen Überlänge führen würde) Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG) nicht oder nicht mehr vorliegen.
§ 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG 2005 betrifft eine Konstellation, in der sich ergibt, dass der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, ohne dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung im Entscheidungszeitpunkt erfüllt gewesen sind, weil die Entscheidung sich auf Tatsachen gestützt hat, die sich in der Folge als unzutreffend erwiesen haben (vgl. näher zu diesem Tatbestand VwGH 14.8.2019, Ra 2016/20/0038, unter Hinweis auf EuGH 23.5.2019, Bilali, C-720/17). § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG 2005 erlaubt es der Behörde, die Aberkennung des früher zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten vorzunehmen, wenn sich der Kenntnisstand zu jenem Sachverhalt, der für die Zuerkennung maßgeblich war, geändert hat. Dabei ist es zudem nicht erforderlich, dass die damaligen Feststellungen, die sich aufgrund neuer Erkenntnisse später als unzutreffend herausstellen, auf Handlungen zurückgeführt werden müssten, mit denen sich der Fremde die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erschlichen hätte (vgl. VwGH 18.11.2020, Ra 2020/14/0082, 14.8.2019, Ra 2016/20/0038). Eine solche Änderung des Kenntnisstandes über die persönlichen Umstände des BF oder die Lage in Georgien ist nicht hervorgekommen.
§ 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 betrifft hingegen jene Konstellationen, in denen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nachträglich weggefallen sind (vgl. VwGH 29.1.2020, Ro 2019/18/0002, mwN).
Nach dem mit „Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung des subsidiären Schutzstatus“ übertitelten Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (in der Folge: Statusrichtlinie) erkennen die Mitgliedstaaten den zuerkannten subsidiären Schutz ab, bzw. beenden diesen oder lehnen seine Verlängerung ab, wenn die betreffende Person gemäß Art. 16 Statusrichtlinie nicht länger Anspruch auf subsidiären Schutz erheben kann.
Art. 16 Abs. 1 Statusrichtlinie sieht vor, dass ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser keinen Anspruch auf subsidiären Schutz mehr hat, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist. Nach Abs. 2 leg. cit. berücksichtigen die Mitgliedstaaten bei Anwendung des oben zitierten Abs. 1, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.
Damit stellt § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG in richtlinienkonformer Interpretation auf eine Änderung der Umstände ab, die so wesentlich und nicht nur vorrübergehend ist, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hatte, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.
Diese maßgeblichen Sachverhaltsänderungen können nicht immer (allein) in Änderungen im Herkunftsland, sondern auch entscheidungswesentlich in der persönlichen Situation des Schutzberechtigten gelegen sein. Dabei sind nicht isoliert nur jene Sachverhaltsänderungen zu berücksichtigen, die zeitlich nach der zuletzt erfolgten Bewilligung der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung eingetreten sind, sondern es dürfen im Rahmen der bei der Beurteilung vorzunehmenden umfassenden Betrachtung bei Hinzutreten neuer Umstände alle für die Entscheidung maßgeblichen Elemente einbezogen werden, selbst wenn sie sich vor der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ereignet haben (vgl. VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 30.8.2017, Ra 2017/18/0155, erkannt, dass es unter Berücksichtigung der Rechtskraftwirkungen von Bescheiden nicht zulässig ist, die Aberkennung (im dort entschiedenen Fall: gemäß § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005) auszusprechen, obwohl sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 (die nur im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung erteilt werden darf) nicht geändert hat.
Diese Überlegungen hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27.05.2019, Ra 2019/14/0153, auch auf Fälle übertragen, in denen - wie im gegenständlichen Fall - die Aberkennung auf § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 gestützt wird. Durch die Entscheidung, die befristete Aufenthaltsberechtigung zu verlängern, bringe die Behörde vor dem Hintergrund der dafür nach dem Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen zum Ausdruck, dass sie davon ausgehe, es seien im Zeitpunkt ihrer Entscheidung, mit der sie die Verlängerung bewilligt, weiterhin jene Umstände gegeben, die für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz maßgeblich seien. Bei Hinzutreten neuer Umstände (nach der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung) dürften im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbeurteilung aber alle für die Entscheidung maßgeblichen Elemente einbezogen werden, selbst wenn sie sich vor der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ereignet haben (vgl. VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353, mwN).
Bei der Beurteilung, ob eine maßgebliche Änderung der Umstände, die im Sinne des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 zur Schutzgewährung geführt haben, eingetreten ist, ist nicht nur ein Vergleich zwischen dem Zeitpunkt der Zuerkennung und jenem der Aberkennung anzustellen, sondern ist auch die Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 einzubeziehen (VwGH 6.10.2020, Ra 2019/19/0401).
Der Verwaltungsgerichtshof führte diesbezüglich jedoch auch aus, dass die Ermittlungspflichten der Behörde bei einer Entscheidung über die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nicht überspannt werden dürften. Habe die Behörde keine konkreten Hinweise dafür, dass im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung die für dessen Bewilligung notwendigen Voraussetzungen nicht mehr bestehen könnten, also die diesbezüglich maßgeblichen Umstände sich nicht in hinreichend bedeutsamer und endgültiger Weise geändert haben, könnten insoweit weitere Ermittlungen unterbleiben (VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153).
Im vorliegenden Fall stellte das BFA hinsichtlich der Sachverhaltsänderung im Wesentlichen darauf ab, dass die paranoide Schizophrenie, an der der BF leide, nunmehr in Georgien behandelbar sei. Klinische Langzeitbehandlungen durch Psychiater und bei Bedarf Zwangseinweisungen sowie ambulante und Folgebehandlungen seien in Georgien verfügbar, auch wenn betreutes Wohnen oder eine Betreuung zu Hause durch eine psychiatrische Krankenschwester nicht verfügbar sei. Der BF habe aber Familienangehörige in Georgien, welche auf ihn aufpassen können. Zudem gebe es in Georgien nun auch ein wirkstoffgleiches Medikament zu Xeplion, das er in Österreich bekomme. Somit würden die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen (siehe Seiten 37-38 des Bescheides vom 01.12.2020).
Zunächst ist der Maßstab für die Frage einer wesentlichen und nicht nur vorübergehenden Änderung der Umstände der rechtskräftige Bescheid des BFA vom 29.06.2015, mit welchem dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde. Das BFA begründete die Gewährung von subsidiärem Schutz an den BF im Wesentlichen damit, dass die ärztliche Betreuung – insbesondere die soziale Betreuung und Unterstützung – für Personen, die an paranoider Schizophrenie leiden würden, in Georgien nicht gegeben sei und der BF im Falle einer Rückkehr in eine ausweglose Situation geraten würde. Unter dem Punkt „Rechtliche Beurteilung“ wurde weiters explizit angeführt, dass im Falle einer Besserung der sozialen Betreuung und Unterstützung für an paranoider Schizophrenie erkrankte Personen einer späteren Abschiebung des BF nichts im Wege stehe. Alleine ausschlaggebend für die Gewährung von subsidiären Schutz sei die Erkrankung des BF (siehe Seiten 32-33 des Bescheides vom 29.06.2015).
Wie schon ausführlich dargelegt, konnte eine maßgebliche Verbesserung der medizinischen Versorgung von an paranoider Schizophrenie leidenden Personen in Georgien nicht festgestellt werden. Wesentlich dabei ist, dass das BFA im Bescheid vom 29.06.2015, mit welchem dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, insbesondere die mangelnden sozialen Unterstützungs- und Betreuungsmöglichkeiten ins Treffen führte und damit die Gewährung des Schutzstatus begründete. Wie aus den Länderfeststellungen ersichtlich und wie beweiswürdigend ausgeführt, ist eine professionelle Betreuung für psychisch Erkrankte wie den BF – wie schon zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Schutzstatus – nicht gegeben.
Die Ausführungen des BFA, dass in Georgien nunmehr ein wirkstoffgleiches Medikament zu Xeplion, welches der BF in Österreich verabreicht bekomme, verfügbar sei und dies eine Änderung des maßgeblichen Sachverhalts darstelle, sind ebenso nicht zutreffend. Im Bescheid vom 29.06.2015, mit welchem dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, wurde keineswegs ins Treffen geführt, dass die Behandlung von an paranoider Schizophrenie leidenden Personen in Georgien am Fehlen von notwendigen Medikamenten scheitere. Als Begründung für die Gewährung des Schutzstatus wurde vielmehr angeführt, dass es an sozialer Betreuung und Unterstützung mangle. Die Zulassung eines Medikaments, das denselben Wirkstoff wie das Medikament hat, das der BF in Österreich verabreicht bekommt, ändert folglich nicht die maßgeblichen Umstände, die zur Schutzgewährung geführt haben.
Selbst wenn man eine wesentliche und nachhaltige Verbesserung der Umstände, die zur Gewährung des Schutzstatus geführt haben, seit dem 29.06.2015 erkennen könnte, ist daraufhinzuweisen, dass sich die Länderberichtslage seit der letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid des BFA vom 04.06.2018 als praktisch unverändert darstellt. Das LIB 2018 und das LIB 2019 unterscheiden sich im relevanten Punkt „Behandlungsmöglichkeiten: psychische Krankheiten“ bloß in zwei unwesentlichen Sätzen. Zudem bezieht sich die dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 12.07.2018 auf Quellen, die den Zustand für die Situation von vor der letzten Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung darstellen.
Durch die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung bringt das BFA nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes zum Ausdruck, dass die Umstände, die zur Schutzgewährung hinsichtlich des BF geführt haben, weiterhin vorliegen würden (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153). Das BFA hat aber weder aufgezeigt, dass nach der Verlängerung neue Umstände hinzugetreten wären, die im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbeurteilung eine Aberkennung rechtfertigen würden noch, dass der BF im Antrag zur Verlängerung falsche Angaben gemacht hätte oder dass ein Fall vorliege, in dem die Behörde im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung keine konkreten Hinweise dafür gehabt hätte, dass die für dessen Bewilligung notwendigen Voraussetzungen nicht mehr bestehen könnten. Solche Anhaltspunkte sind aus den Verfahrensakten auch nicht evident.
Eine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 kommt mangels maßgeblicher Änderung der Umstände im Herkunftsland jedenfalls nicht in Frage.
Zu prüfen bleibt jedoch noch eine allfällige Änderung der persönlichen Situation des BF, die zu einer Aberkennung führen könnte:
Zu einer Sachverhaltsänderung hinsichtlich der persönlichen Umstände des BF wurden im angefochtenen Bescheid keine Feststellungen getroffen. In der Beweiswürdigung wurde lediglich ausgeführt, dass der BF weiter an paranoider Schizophrenie leide, aber alle seine Medikamente außer Xeplion abgesetzt worden seien (siehe Seite 38 des Bescheides vom 01.12.2020). Wenn damit indiziert wird, dass sich aus der Umstellung der Medikation des BF eine Verbesserung seines Gesundheitszustandes ableiten lässt, kann dem – wie schon in der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt – nicht gefolgt werden. Jedenfalls kann in Anbetracht der medizinischen Dokumente eine wesentliche und nicht bloß vorübergehende Verbesserung seines Gesundheitszustandes ausgeschlossen werden.
Auch hinsichtlich der familiären Beziehungen in Georgien ergibt sich keine wesentliche Änderung der Umstände, die zur Gewährung von subsidiären Schutz geführt haben. Zwar stellte das BFA im angefochtenen Bescheid fest, dass der BF in Georgien seinen Vater, seine Großmutter und eine Tante habe, und führte beweiswürdigend aus, dass er ein Familienmitglied für die Pflege benötige und seine Tante dafür in Frage komme. Inwiefern dies eine maßgebliche Änderung darstellt, wurde vom BFA aber nicht dargelegt. Im Bescheid vom 29.06.2015, mit welchem dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, begründete das BFA die Gewährung des Schutzstatus nämlich keineswegs mit fehlenden familiären Anknüpfungspunkten in Georgien. Es wurde lediglich die Krankheit des BF sowie die mangelnde ärztliche und soziale Betreuung für an paranoider Schizophrenie erkrankte Personen ins Treffen geführt. Das BFA stellte sogar fest, dass die Großmutter des BF sogar noch in Georgien lebe. Wenn nunmehr seitens des BFA festgestellt wurde, dass im Herkunftsstaat die Großmutter, eine Tante und der Vater des BF leben würden, kann daraus schon keine maßgebliche Änderung der Umstände, die zur Gewährung von subsidiären Schutz geführt haben, abgeleitet werden, da bei der Zuerkennung von subsidiären Schutz im Bescheid vom 29.06.2015 den – schon damals vorhandenen – familiären Beziehungen in Georgien kein Wert beigemessen wurde.
Eine wesentliche und nicht bloß vorübergehende Änderung der persönlichen Umstände wurde folglich vom BFA nicht aufgezeigt und ist eine solche auch keineswegs aus den Verfahrensakten ersichtlich.
Das BFA hat sohin mit seinen Ausführungen entgegen richtlinienkonformer Interpretation des § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG und § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 eine maßgebliche Änderung der Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes im Bescheid des BFA vom 29.06.2015, bzw. seit dem Bescheid vom 14.06.2018, mit dem die befristete Aufenthaltsberechtigung verlängert wurde, geführt haben, nicht dargetan.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist "die zu entscheidende Angelegenheit" im Verfahren über die Beschwerde gegen einen Bescheid, mit welchem dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wurde, die Aberkennung des subsidiären Schutzstatus an sich und damit sämtliche in § 9 Abs. 1 und 2 AsylG vorgesehenen Prüfschritte und Aussprüche (VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005). Demnach ist das Bundesverwaltungsgericht nicht lediglich auf die Aberkennungstatbestände des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG beschränkt, sondern hat vielmehr alle Hinweise auf das Vorliegen der Voraussetzungen eines der Aberkennungstatbestände des § 9 Abs. 1 und Abs. 2 AsylG aufzugreifen. Anhaltspunkte dafür, dass ein anderer Aberkennungstatbestand im Sinne des § 9 Abs. 1 oder Abs. 2 AsylG erfüllt ist, sind im Verfahren nicht hervorgekommen und aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich.
Die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten liegen sohin gegenständlich nicht vor. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides über die amtswegige Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten war daher ersatzlos zu beheben.
3.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:
Nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist die gleichzeitig mit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannte Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden für jeweils zwei weitere Jahre zu verlängern.
Da nicht festgestellt werden konnte, dass sich die Gründe, aufgrund derer dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, nachhaltig und wesentlich geändert hätten, wie oben bereits dargelegt wurde, liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten an den BF weiterhin vor. In Stattgabe der Beschwerde hinsichtlich Spruchunkt II. des angefochtenen Bescheides war sohin die befristete Aufenthaltsberechtigung des BF auf zwei weitere Jahre zu verlängern. Die Gültigkeitsdauer beginnt mit dem Tag der Zustellung dieses Erkenntnisses zu laufen, da erst mit der Zustellung die rechtlichen Wirkungen des Erkenntnisses eintreten (VwGH 17.12.2019, Ra2019/18/2081).
3.3. Zu den Spruchpunkten III. bis VI. des angefochtenen Bescheides:
Nachdem mit gegenständlichem Erkenntnis Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides – mit welchem dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wurde – ersatzlos behoben wurde, waren auch die weiteren, damit verbundenen Aussprüche (Spruchpunkte III. bis VI.) ersatzlos zu beheben, zumal sie schon infolge der Behebung der amtswegigen Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ihre rechtliche Grundlage verlieren.
3.4. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Vor dem Hintergrund, dass der gegenständlich angefochtene Bescheid bereits aufgrund der Aktenlage aufzuheben war, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht entfallen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Schlagworte
Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 1 befristete Aufenthaltsberechtigung Behandlungsmöglichkeiten Behebung der Entscheidung ersatzlose Teilbehebung Gesundheitszustand individuelle Verhältnisse medizinische Versorgung psychische Erkrankung Rückkehrentscheidung behoben Rückkehrsituation Verlängerung wesentliche ÄnderungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W144.2237884.1.00Im RIS seit
14.06.2021Zuletzt aktualisiert am
14.06.2021