TE Bvwg Erkenntnis 2021/2/10 W247 2226519-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.02.2021
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Entscheidungsdatum

10.02.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs1
AsylG 2005 §9 Abs4
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W247 2226519-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch die XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.01.2021, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, idgF., iVm § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, idgF., als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Der Beschwerdeführer (BF) ist russischer Staatsangehöriger, der tschetschenischen Volksgruppe und dem muslimischen Glauben zugehörig.

I. Verfahrensgang:

1. Erstantragstellung des BF auf internationalen Schutz, Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten und Aberkennung:

1.1. Der Beschwerdeführer (BF) reiste im Oktober 2009 im Alter von acht Jahren gemeinsam mit seiner Mutter und seinen Geschwistern illegal ins Bundesgebiet ein und stellte durch seine gesetzliche Vertreterin am 16.10.2009 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Zu den Gründen der Antragstellung führte die Mutter des Beschwerdeführers aus, ihr volljähriger Sohn sei wiederholt von russischen Soldaten und tschetschenischen Polizisten mitgenommen und geschlagen worden; sie selbst sei an Krebs erkrankt und erhoffe sich eine medizinische Behandlung in Österreich.

Infolge des Ablebens seiner Mutter im April 2010 wurde die Obsorge für den minderjährigen Beschwerdeführer und seine Geschwister an den Jugendwohlfahrtsträger übertragen, die minderjährigen Geschwister wurden fortan im Haushalt des volljährigen Bruders betreut.

1.2. Mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.06.2010, Zahl XXXX , wurde der Antrag auf internationalen Schutz des damals minderjährigen Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen, diesem gemäß „§ 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG 2005“ der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

In der Entscheidungsbegründung wurde ausgeführt, die Antragstellung des Beschwerdeführers sei unter Bezugnahme auf das Verfahren seiner verstorbenen Mutter erfolgt, deren Vorbringen sich keine dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat drohende Verfolgung entnehmen ließe. Den Fluchtgründen des volljährigen Bruders des Beschwerdeführers sei die Glaubwürdigkeit abzusprechen gewesen, sodass auch eine allfällige Verfolgung des Beschwerdeführers in Zusammenhang mit diesen Gründen nicht festzustellen gewesen sei. Da auch von Amts wegen keine relevante individuelle Verfolgung des damals minderjährigen Beschwerdeführers im Herkunftsstaat habe erkannt werden können, sei dessen Antrag im Umfang der Gewährung des Status des Asylberechtigten abzuweisen gewesen.

Zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde ausgeführt, sowohl die allgemeine Sicherheitslage, als auch die wirtschaftliche Lage Tschetscheniens würden sich als sehr schlecht erweisen. Der volljährige Bruder des Beschwerdeführers wäre im Falle einer Abschiebung nach Tschetschenien trotz der dort vorhandenen familiären Anknüpfungspunkte bei der Versorgung der minderjährigen Geschwister Großteils auf sich alleine gestellt, sodass auch der Beschwerdeführer und seine Geschwister mangels hinreichender Möglichkeiten zur Sicherung des Lebensunterhaltes in eine ausweglose Situation geraten könnten. Der Beschwerdeführer wäre bei einer Rückkehr nach Tschetschenien dem realen Risiko ausgesetzt, in eine derart qualifizierte existenzbedrohende Notlage zu geraten, als dass eine Abschiebung eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde.

1.3. Die befristete Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers als subsidiär Schutzberechtigter wurde in den folgenden Jahren regelmäßig gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 verlängert, zuletzt erfolgte mit – gemäß § 58 Abs. 2 AVG nicht näher begründetem – Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.05.2018 eine Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung für den Zeitraum bis 10.06.2020.

1.4. Infolge einer strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 22.08.2019 eine niederschriftliche Einvernahme des zwischenzeitig volljährigen Beschwerdeführers im eingeleiteten Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten durch. Der Beschwerdeführer, welcher zu diesem Zeitpunkt eine Freiheitsstrafe verbüßte, gab zusammengefasst zu Protokoll, er sei gesund, nehme keine Medikamente und beherrsche Tschetschenisch, Russisch und Deutsch. Angesprochen auf sein strafrechtswidriges Verhalten gab der Beschwerdeführer an, er sei nicht froh über seine Straftaten; er sei jung gewesen, hätte unnötige Dinge gemacht und anderen Menschen und sich selbst Probleme bereitet. Er bereue es und wolle sich ändern. In Österreich habe er die Neue Mittelschule abgeschlossen, anschließend den Besuch eines Polytechnikums begonnen, diesen jedoch wieder abgebrochen, da er eine Lehrstelle gefunden hätte. Nach drei Monaten hätte er die Lehre abbrechen müssen und keine neue Lehrstelle gefunden. Folglich hätte er als Hilfsarbeiter bei einer Zustellfirma begonnen. In Tschetschenien habe er im Vorfeld der Flucht nach Österreich ein Jahr lang die Volksschule besucht. Der Beschwerdeführer sei ledig; seine Geschwister seien in Österreich, seine Mutter sei verstorben. Sein Vater wäre vor ein paar Jahren nach Österreich gelangt und lebe in einer Asylunterkunft. Seinen Lebensunterhalt habe der Beschwerdeführer durch Unterstützung seiner Erziehungsberechtigten und eigene Erwerbstätigkeit finanziert. Im Herkunftsland hätte er noch einen Onkel und zwei Tanten, sowie deren Kinder, weitere Verwandte seien ihm persönlich nicht bekannt.

Zu seinem Vater habe er kein gutes Verhältnis. Zu seinen Befürchtungen für den Fall einer Rückkehr in sein Heimatland gab der Beschwerdeführer an, er habe dort keine Ausbildung und kenne sich dort nicht aus; er kenne die dortigen Gesetze nicht. Er glaube nicht, dass er in der Russischen Föderation leben könnte, da er gelernt hätte, hier zu leben. Er wisse nicht, wie man dort lebe, da er das Gesetz nicht kenne und keine Ausbildung machen könnte. Über die Lebensumstände seiner Angehörigen in Tschetschenien sei er nicht in Kenntnis. Der Beschwerdeführer ersuchte darum, ihm noch eine Chance zu geben.

1.5. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.11.2019, Zl. XXXX , wurde der dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom „16.10.2009“ zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.), die mit Bescheid vom „16.10.2009“ erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.) Gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Gründe, die zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an den Beschwerdeführer geführt hätten, zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr vorliegen würden. Die Zuerkennung des Status sei mit der damaligen Situation des zu diesem Zeitpunkt minderjährigen Beschwerdeführers, dessen Mutter verstorben wäre und dessen Vater seinerzeit als verschollen gegolten hätte, in Zusammenschau mit der damals allgemein angespannten Sicherheits- und Wirtschaftslage in seinem Herkunftsstaat begründet worden. Aus den vorliegenden Länderberichten ergebe sich, dass sich die Situation im westlichen Nordkaukasus (Tschetschenien) zwischenzeitlich stabilisiert hätte und der zweite Tschetschenienkrieg keine Auswirkungen mehr auf die Zivilbevölkerung entfalte. Es sei nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine individuelle Gefährdung seitens der dortigen Regierung unter XXXX zu befürchten hätte, zumal er nie regimekritisch auffällig geworden wäre und die dortigen Behörden über die Gründe für die Aberkennung seines Schutzstatus keine Kenntnis erlangt hätten. Infolge Beendigung des zweiten Tschetschenienkrieges bestehe keine Gefahr mehr, dass dieser Opfer eines innerstaatlichen Konfliktes werde. Auch könne nicht festgestellt werden, dass dem mittlerweile 19-jährigen Beschwerdeführer die Existenzgrundlage nach einer Rückkehr völlig entzogen wäre. Der Beschwerdeführer befinde sich nicht mehr in der gleichen Lage wie zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Schutzstatus und dessen letztmaliger Verlängerung im Jahr 2018, dieser sei reifer geworden, hätte an Erfahrung gewonnen und die deutsche Sprache erlernt, was ihm bei einer Rückkehr ebenfalls von Nutzen sein könne. Der Beschwerdeführer beherrsche Russisch und Tschetschenisch, habe in Tschetschenien die Schule besucht und sei innerhalb eines tschetschenischen Familienverbandes sozialisiert worden. Es lägen keine Hinweise vor, dass beim Beschwerdeführer infolge Erreichens der Volljährigkeit weiterhin ein reales Risiko eines hier relevanten Grundrechtseingriffs vorliege. Bei diesem handle es sich um einen jungen arbeitsfähigen Mann mit Schulbildung, der seinen Lebensunterhalt grundsätzlich eigenständig bestreiten könne.

In Österreich habe der Beschwerdeführer durch seine drei zum Aufenthalt berechtigten Schwestern familiäre Anknüpfungspunkte. Der Aufenthalt seines Bruders im Bundesgebiet werde lediglich geduldet, zu seinem ebenfalls in Österreich aufhältigen Vater habe der Beschwerdeführer kaum Kontakt. Der Beschwerdeführer sei seit Erreichen des erwerbsfähigen Alters insgesamt nur wenige Monate einer geregelten, legalen Beschäftigung nachgegangen und habe seinen Lebensunterhalt im Wesentlichen aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung bestritten. Eine fortgeschrittene Integration in Österreich habe nicht festgestellt werden können. Zudem werde das Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet angesichts der von ihm begangenen Straftaten erheblich beeinträchtigt. Da auch keine Gründe für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung aus Gründen des § 57 AsylG 2005 festgestellt hätten werden können, sei aufgrund der überwiegenden Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung eine Rückkehrentscheidung zu erlassen gewesen.

Aufgrund der Schwere des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers sei unter Bedachtnahme auf sein Gesamtverhalten davon auszugehen, dass die im Gesetz umschriebene Annahme, dass er eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle, gerechtfertigt sei, weshalb ein Einreiseverbot in der ausgesprochenen Dauer zu verhängen gewesen sei.

1.6. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.07.2020, GZ XXXX , gemäß §§ 9 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4, 10 Abs. 1 Z 5, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, §§ 52 Abs. 2 Z 4 und Abs. 9, 55 und 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass nicht festgestellt werden könne, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Tschetschenien respektive in die Russische Föderation in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre. Der Beschwerdeführer liefe dort nicht mehr Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Auch die allgemeine Sicherheits- und Versorgungslage in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers habe sich infolge Beendigung des zweiten Tschetschenienkrieges nachhaltig stabilisiert. Die persönliche Situation des Beschwerdeführers habe sich verglichen mit dem Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid vom 11.06.2010 bzw. der letztmaligen Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid vom 28.05.2018 insofern maßgeblich geändert, als es sich beim Beschwerdeführer nunmehr um einen volljährigen jungen Mann handle, der dazu in der Lage sei, seinen Alltag und seinen Lebensunterhalt im Herkunftsstaat selbstständig zu bestreiten. Im Übrigen wurden Feststellungen zur strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers getroffen und ausgeführt, dass ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstelle, da anhand seines bisherigen Lebenswandels die Gefahr der neuerlichen Begehung von Straftaten im Bereich der Eigentums- und Körperverletzungsdelikte zu prognostizieren sei. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte darüber hinaus die tragenden Erwägungen der Beweiswürdigung des BFA.

2. Zweiter und gegenständlicher Antrag des BF auf internationalen Schutz:

2.1. Am 28.11.2020 stellte der BF einen Folgeantrag auf internationalen Schutz, zu welchem er am 29.11.2020 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt wurde. Dabei gab er zusammenfassend an, er könne sich nicht vorstellen nach Tschetschenien zurückzureisen, weil er in Österreich aufgewachsen, sowie zur Schule gegangen sei und sich auch seine Familie, ein Bruder und drei Schwestern, hier aufhalten würden. Die Mutter des BF sei in Österreich verstorben und sein Vater sei wieder in Tschetschenien. Sein Vater sei auch in Österreich gewesen, doch 2018 oder 2019 abgeschoben worden. Der BF habe bereits einmal ein Interview gehabt, bei dem er seine Fluchtgründe erzählt habe, diese seien weiterhin aufrecht. Dazu gekommen sei, dass sein Vater in Tschetschenien ständig von Staatsleuten besucht werde, die nach dem Bruder des BF fragen würden, der sich in Österreich befinde. Diese Staatsleute würden seinen Vater bedrohen und unter Druck setzen. Sie würden verlangen, dass sein Vater bekannt gebe, wo sich der Bruder des BF befinde. Aus diesem Grund habe der BF Angst entführt zu werden, wenn er nach Tschetschenien zurückreise. Der BF verfüge auch über keinen Ort in Tschetschenien, an dem er wohnen könne. Von den Besuchen der Staatsleute wisse der BF seit ca. drei oder vier Monaten von seinem Vater über WhatsApp.

2.2. Am 15.12.2020 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion XXXX , niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zusammenfassend zu Protokoll, einverstanden zu sein, dass die Einvernahme auf Deutsch durchgeführt werde, er könne die Leiterin der Amtshandlung sehr gut verstehen. Der BF spreche Deutsch, Tschetschenisch und ein bisschen Russisch. Er heiße XXXX und sei am XXXX in XXXX in der Russischen Föderation geboren. Der BF habe keine Krankheiten und nehme auch keine Medikamente. Einen erneuten Antrag auf internationalen Schutz habe er gestellt, da er es als unmöglich ansehe nach Tschetschenien zurückzukehren, weil er dort keine Zukunft habe und in Lebensgefahr sei. Der Vater des BF sei auch in Österreich gewesen, jedoch bereits nach Tschetschenien abgeschoben worden. Sein Vater bekomme im Herkunftsstaat ständig Besuche von Staatsleuten, die nach dem Bruder des BF fragen würden, der sich ebenfalls in Österreich befinde. Außerdem würden diese Leute nach dem Onkel des BF (Anm.: dem Bruder des Vaters des BF) fragen, der sich bis vor kurzem noch in Tschetschenien befand, jedoch mittlerweile auch geflüchtet sei. Diese Leute würden unangemeldet kommen und den Vater des BF bedrohen, seinen Stiefsohn bzw. seinen Neffen (Anm.: des Vaters des BF) mitzunehmen. Diese Leute würden von seinem Vater wissen wollen, wo sich der Onkel des BF aufhalte und drohen seinen Stiefsohn oder Neffen zu entführen, sollte er nicht sagen. Der Onkel des BF sei dieses Jahr aus Tschetschenien geflüchtet und habe im Tschetschenienkrieg gekämpft, wobei er ein Bein verloren habe. Sein Onkel sei vor ca. zwei Monaten mitgenommen, in einem Keller festgehalten und gefoltert worden. Ein eigenes Fluchtvorbringen habe der BF nicht, aber er habe Angst entführt zu werden, wenn er nach Tschetschenien zurückkehre. Von der Situation in Tschetschenien wisse er, weil er mit seinem Vater vor ca. zwei Monaten Kontakt gehabt habe. Diese habe der BF jedoch abbrechen müssen, weil es für seinen Vater eine Gefahr hätte sein können.

Der BF sei seit 2009 in Österreich, er sei hier aufgewachsen und habe im Bundesgebiet die Volks- und Hauptschule abgeschlossen. Ebenso würde seine Familie, sein Bruder und seine drei Schwestern hier lieben. Er habe Zukunftspläne, würde gerne eine Firma gründen und arbeiten. Die heute geltend gemachten Fluchtgründe seien in seinem vorherigen Asylverfahren nicht hervorgekommen. Seitdem in Wien ein Tschetschene erschossen worden sei, würden Männer zu seinem Vater kommen, die angeben würden von der Interpol zu sein. Viele Tschetschenen seien in seinem Heimatland getötet worden. Der BF habe in Österreich Straftaten begangen, weil er jung und dumm gewesen sei. Er wolle sich dafür entschuldigen. Ihm sei jetzt klargeworden, was er damals hatte und nicht geschätzt habe. Er wolle es wiedergutmachen und weiterhin in Österreich bleiben dürfen. Als er sein Heimatland verlassen habe, sei er ganz klein gewesen. Er wisse nur, dass sein Bruder und sein Cousin Probleme mit irgendwelchen Soldaten hatten.

2.3. Am 30.12.2020 wurde der BF vor dem BFA, Regionaldirektion XXXX , ein weiteres Mal niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der BF im Wesentlichen an, einverstanden zu sein, dass die Einvernahme auf Deutsch durchgeführt werde, er könne die Leiterin der Amtshandlung sehr gut verstehen. Der BF spreche Tschetschenisch, Deutsch, sowie ein bisschen Russisch und sei gesund. Er sei in Österreich aufgewachsen, weshalb er auch wisse, dass man hier Freiheiten habe, die man in Tschetschenien nicht habe. Beispielsweise mit seiner Freundin ins Kino zu gehen, in die Disco zu gehen oder Partys zu veranstalten. Man könne eine Beziehung haben, ohne dass jemand einem sage, was oder wie man etwas machen solle. Der BF habe in Österreich eine Freundin gehabt, mit der er habe machen dürfen, was er wolle. In Tschetschenien dürfe man das nicht. Wenn man Geschlechtsverkehr habe und erwischt werde, könne man getötet werden. Da der BF in Österreich aufgewachsen sei, habe er gelernt frei zu leben. Würde er in Tschetschenien so leben, würde er schnell Probleme bekommen. Er wisse auch, dass Homosexuelle in Tschetschenien verfolgt würden. Genauso dürfe man auch keinen Geschlechtsverkehr haben, das sei die tschetschenische Mentalität. Habe man Geschlechtsverkehr vor der Ehe, könne man sein Leben verlieren. Der BF sei seit seinem Aufenthalt in Österreich, nie in Tschetschenien gewesen. Im Zuge der Einvernahme werden zwei Videos auf dem Handy des BF angesehen. Nach Angaben des BF sei auf dem ersten Video das Haus seines Vaters zu sehen, wobei es sich um arme Wohnverhältnisse handle. Der BF habe das Video von seiner Schwester erhalten, die es wiederum von seinem Vater habe. Er habe das Video gestern von seiner Schwester erhalten, wann sie es bekommen habe, wisse er nicht. Auf dem zweiten Video sei zu sehen, wie sein Cousin von Polizisten geschlagen werde. Dabei ist zu sehen, wie Polizisten einen Mann festhalten und auf ihn eintreten. Das Gesicht des Mannes ist jedoch nicht zu sehen und das Video stammt von der Plattform Youtube. Nach Angaben des BF sei es so, dass man in Tschetschenien schon von der Polizei geschlagen werde, wenn man seinen Mund-Nasen-Schutz nicht korrekt trage. Ergänzend gibt der BF noch zu Protokoll, dass seinem Vater der Strom abgestellt worden sei und er keinen Strom gehabt habe. Derzeit habe sein Vater wieder Strom, doch werde er sicher bald wieder abgestellt, nachdem sein Vater den Strom nicht bezahlen kann. Eine Pension bekomme der Vater des BF auch nicht.

Der BF verzichtete freiwillig auf Leistungen der Grundversorgung in diesem Verfahren.

2.4. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde (BFA) vom 11.01.2021 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung der Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I. und II.).

Die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz begründet das Bundesamt im Wesentlichen damit, dass kein - verglichen mit dem Vorverfahren - wesentlich geänderter Sachverhalt vorliege. Der BF beziehe sich auf seine bereits im Vorverfahren durch seine gesetzliche Vertreterin angegebenen Fluchtgründe, weshalb von einer Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts keine Rede sein könne. Auch hinsichtlich der Lage im Herkunftsstaat habe sich im Vergleich zu den Feststellungen im Aberkennungsverfahren des BF nichts geändert. Da weder in der maßgeblichen Sachlage, noch den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten sei, die eine andere rechtliche Beurteilung zuließe, stehe die Rechtskraft des Bescheides vom 16.10.2009, rechtskräftig am 30.06.2010, Zl. XXXX , als auch des Bescheides des Aberkennungsverfahrens, rechtskräftig am 17.07.2020, Zl. XXXX , dem neuerlichen Antrag des BF entgegen. Die im Aberkennungsverfahren gegenüber dem BF erlassenen Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot sei noch aufrecht, weshalb nach Rechtsprechung des VwGH eine neuerliche Rückkehrentscheidung nicht zu erlassen gewesen sei.

2.5. Mit Rechtsberatungsinformation vom 11.01.2021 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

2.6. Mit fristgerecht eingebrachtem Schriftsatz vom 26.01.2021, eingelangt am 27.01.2021 bei der belangten Behörde, wurde für den BF durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den gegenständlichen Bescheid des BFA, zugestellt am 14.01.2021, in vollem Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens aufgrund fehlerhafter bzw. unzureichender Ermittlungen sowie mangelhafter Beweiswürdigung erhoben.

Begründend wurde beschwerdeseitig ausgeführt, dass das Vorbringen des Folgeantrags des BF zwar in inhaltlichem Zusammenhang mit den Behauptungen stehe, die im vorangegangenen Verfahren als nicht glaubwürdig beurteilt worden seien, das schließe jedoch nicht aus, dass es sich um ein asylrelevantes neues Vorbringen handle, das nach seinem „glaubhaften Kern“ zu beurteilen sei. Ein solcher Zusammenhang könne für die Beweiswürdigung der neu behaupteten Tatsachen von Bedeutung sein, mache eine neue Beweiswürdigung aber nicht von vornherein entbehrlich. Könnten die behaupteten neuen Tatsachen zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedürfe es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit der Glaubwürdigkeit. Beschwerdeseitig werden dazu mehrfach Entscheidungen des VwGH zitiert. Entgegen der Ansicht der Behörde, habe sich der maßgebliche Sachverhalt seit Rechtskraft des ersten Asylverfahrens maßgeblich geändert. Allein der Umstand, dass das erste Asylverfahren bereits über zehn Jahre zurückliege, lasse es schier unmöglich erscheinen von keiner Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes auszugehen. Der BF habe in der Erstbefragung und seiner Einvernahme glaubhaft die aktuellen Ereignisse geschildert, aufgrund derer er nicht zurückkehren könne. Auch die vom BF vorgelegten Beweismittel seien nicht ausreichend gewürdigt worden und stehe das Vorbringen, wonach der BF aufgrund der in Österreich erlernten „Mentalität“ mit Verfolgung im Herkunftsstaat zu rechnen habe, nicht im inhaltlichen Zusammenhang mit seinem ersten Asylverfahren im Jahr 2010. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die belangte Behörde zur Ansicht gelange, dass im gegenständlichen Fall eine entschiedene Sache vorliege. Bei ordnungsgemäßer Würdigung hätte die Behörde zu dem Schluss kommen müssen, dass dem BF asylrelevante Verfolgung bzw. Gefahren drohen, die zur Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten hätten führen müssen. In der Beschwerde wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge 1.) den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben und dem BF den Status eines Asylberechtigten zuerkennen, 2.) in eventu den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit zur Gänze beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an die erste Instanz zurückverweisen, 3.) in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation zuerkannt werde, 4.) eine mündliche Verhandlung durchführen.

2.7. Die Beschwerdevorlage vom 27.01.2021 und die Verwaltungsakte langten beim Bundesverwaltungsbericht (BVwG) am 28.01.2021 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des Antrags des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 28.11.2020, seiner Ersteinvernahme vom 29.11.2020, der Einvernahmen des BF vor dem BFA vom 15.12.2020 und vom 30.12.2020, der für den Beschwerdeführer eingebrachten Beschwerde vom 27.01.2021 gegen den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 11.01.2021, der vorgelegten Unterlagen und der Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, der Auszüge des Zentralen Melderegisters, des Fremden- und Grundversorgungsinformationssystems, sowie des Strafregisters der Republik Österreich, werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer trägt den im Spruch genannten Namen, ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehört der Volksgruppe der Tschetschenen an und bekennt sich zum muslimischen Glauben. Seine Identität steht fest. Der BF ist ledig und kinderlos.

Er befindet sich seit dem 16.10.2009 und somit seit seinem 8. Lebensjahr im Bundesgebiet und ist ebenda aufgewachsen. In Österreich sind drei Schwestern des BF zum Aufenthalt berechtigt, der Aufenthalt seines älteren Bruders im Bundesgebiet ist geduldet. Die Mutter des BF ist am 07.04.2010 verstorben und sein Vater, welcher in Österreich seither zweimal erfolglos Asylanträge gestellt hat, lebt nun wieder in der Russischen Föderation.

Der Beschwerdeführer leidet weder an einer schwerwiegenden, noch einer lebensbedrohlichen Krankheit. Er ist gesund und arbeitsfähig.

Der BF wurde in Österreich straffällig, im Strafregister der Republik Österreich scheint folgende Verurteilung auf:

01) LG XXXX vom 23.05.2019 RK 23.05.2019

§ 84 (2) StGB

§ 127 StGB

§§136 (1), 136 (2) StGB

§ 15 StGB § 269 (1) 1. Fall StGB

§§ 142 (1), 143 (1) 2. Fall StGB

§ 229 (1) StGB

§ 148a (1) StGB

§ 241e (1) StGB

Datum der (letzten) Tat 25.10.2018

Freiheitsstrafe 24 Monate, davon Freiheitsstrafe 16 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Anordnung der Bewährungshilfe

Jugendstraftat

Zu LG XXXX RK 23.05.2019

Aus der Freiheitsstrafe entlassen am 17.11.2019, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Anordung der Bewährungshilfe

LG XXXX vom 28.08.2019

1.1. Zum bisherigen Verfahrensgang und Fluchtvorbringen des BF:

Zunächst wurde mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.06.2010, Zahl XXXX , der Antrag auf internationalen Schutz des damals minderjährigen Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, diesem jedoch der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. Verfahrensgegenständlich war dabei die beschwerdeseitige Behauptung einer Verfolgung des Bruders des BF durch russische Soldaten und tschetschenische Polizisten. Der Bruder des BF sei von Genannten mitgenommen und geschlagen worden. Dabei wurde dem minderjährigen BF vor dem Hintergrund des Todes seiner Mutter im Bundesgebiet im April 2010 und des damals unbekannten Aufenthaltsortes seines Vaters, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, weil sich sowohl die allgemeine Sicherheitslage als auch die wirtschaftliche Lage Tschetscheniens als sehr schlecht erwiesen habe und der volljährige Bruder des BF zum damaligen Zeitpunkt im Falle einer Abschiebung nach Tschetschenien - trotz der dort vorhandenen familiären Anknüpfungspunkte - bei der Versorgung der minderjährigen Geschwister großteils auf sich alleine gestellt gewesen wäre, sodass auch der BF und seine Geschwister mangels hinreichender Möglichkeiten zur Sicherung des Lebensunterhaltes in eine ausweglose Situation geraten hätten können. Der BF wäre bei einer Rückkehr nach Tschetschenien dem realen Risiko ausgesetzt gewesen, in eine derart qualifizierte existenzbedrohende Notlage zu geraten, als dass eine Abschiebung zum damaligen Zeitpunkt eine Verletzung von Art. 3 EMRK dargestellt hätte.

Zuletzt wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid vom 07.11.2019, Zl. XXXX , aberkannt und die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts zu GZ XXXX als unbegründet abgewiesen. Außerdem wurde die Erlassung der Rückkehrentscheidung, sowie eines Einreiseverbots in der Dauer von drei Jahren bestätigt. Begründend wurde dabei ausgeführt, dass sich sowohl die Sicherheits- als auch die wirtschaftliche Lage in Tschetschenien verbessert habe und der BF nunmehr volljährig sei, Deutsch gelernt habe und selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen könne. Es sei nicht mehr davon auszugehen, dass seine Rückkehr in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK darstelle. Im Zuge des Verfahrens brachte der BF vor, sein Onkel habe Tschetschenien zwischenzeitlich aufgrund von Problemen mit den dortigen Behörden verlassen müssen.

Der BF begründete gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz damit, dass sein Vater, der in den Herkunftsstaat abgeschoben worden sei, ständig von „Staatsleuten“ in Tschetschenien besucht werde. Diese würden nach dem Bruder sowie dem Onkel des BF fragen, dabei seinen Vater bedrohen, sowie unter Druck setzen und verlangen, dass der Vater des BF bekanntgebe wo sich der Bruder und der Onkel des BF befänden. Der Onkel des BF sei vor kurzem, dieses Jahr geflüchtet. Dieser habe im Tschetschenienkrieg gekämpft und sei vor ca. zwei Monaten mitgenommen, in einem Keller festgehalten und gefoltert worden. Deshalb habe der BF auch Angst entführt zu werden, wenn er nach Tschetschenien zurückreise.

Der BF begründete seinen gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz mit einer Gefährdungslage, welche bereits in seinem ersten Asylverfahren bzw. seinem Aberkennungsverfahren als unglaubhaft erkannt worden ist und machte keinen - seit rechtskräftigem Abschluss seines vorangegangenen Asyl- bzw. Aberkennungsverfahrens - neu entstandenen Sachverhalt geltend. Darüber hinaus wohnt seinem Vorbringen kein glaubhafter Kern inne.

Im gegenständlichen Fall ergab sich weder eine maßgebliche Änderung in Bezug auf den BF betreffende asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsstaat, noch in sonstigen in der Person des BF gelegenen Umständen.

Eine entscheidungswesentliche Änderung der Ländersituation ist nicht eingetreten. Es kann also nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle seiner Rückkehr in die Russische Föderation Drohungen oder Gewalthandlungen von staatlicher oder privater Seite zu erwarten hätte. Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass er in eine seine Existenz bedrohende Notlage geraten werde. Auch hat sich die allgemeine Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers, speziell in Tschetschenien, in Bezug auf die bereits im vorangegangenen Aberkennungsverfahren behandelten Aspekte nicht geändert.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in der Russischen Föderation

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wird auf die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden, nach wie vor in den fallgegenständlich relevanten Teilen als aktuell anzusehenden, Länderfeststellungen verwiesen, denen sich das Bundesverwaltungsgericht vollinhaltlich anschließt und welche das Bundesverwaltungsgericht in casu seinem Erkenntnis zugrunde legt.

Coronavirus disease 19 (COVID-19) weekly Epidemological Update - WHO (World Health Organization)

vom 02.02.2021

Nach aktuellem Stand zum Entscheidungszeitpunkt gibt es im ganzen Land 3.850.439 bestätigte Infektionen mit dem Coronavirus und 73.182 Todesfälle.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben ausgeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

2.2. Der oben festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht aufgrund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.

Die Feststellungen zum ersten Asylverfahren sowie zum Aberkennungsverfahren des BF ergeben sich zur Gänze aus den unbestrittenen Akteninhalten, insbesondere aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts zu GZ XXXX . Die Feststellung, wonach sich an der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers, speziell in Tschetschenien, in Bezug auf die bereits in den Vorverfahren, insbesondere dem Aberkennungsverfahren, rechtskräftig am 17.07.2020, behandelten maßgeblichen Aspekte nichts geändert hat, beruht auf den im angefochtenen Bescheid enthaltenen – dem Beschwerdeführer somit bekannten – ausgewogenen Länderberichten zur Lage in der Russischen Föderation. Auch dem Bundesverwaltungsgericht liegen keine Berichte bzw. Länderdokumente vor, die ein anderes Bild der Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers zeichnen würde. Eine Feststellung, wonach dieser bei Rückkehr in die Russische Föderation aufgrund der dortigen allgemeinen Situation in eine seine Existenz bedrohende Notlage geriete, konnte sohin nicht getroffen werden. Sein Vorbringen in Zusammenhang mit seinem neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz wird unter Pkt. II.3.1 einer näheren Beurteilung unterzogen.

2.3. Die Feststellungen zu Identität, Alter, Nationalität, Volksgruppe, Herkunft und den Familienverhältnissen des Beschwerdeführers gründen auf seinen unbedenklichen Angaben vor dem BFA, sowie auf den in seiner Beschwerde gemachten Angaben und dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.07.2020 zu XXXX . Die Feststellungen zum strafrechtswidrigem Verhalten des BF im Bundesgebiet fußen auf einem aktuell eingeholten Strafregisterauszug.

2.4. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers beruhen auf den seinen Angaben vor dem BFA am 15.12.2020 und am 30.12.2020, wonach er gesund ist.

2.5. Primär ist festzuhalten, dass das BFA ein durchwegs mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt hat. Der Beschwerdeseite wurde ausreichend die Möglichkeit eingeräumt, die persönlichen Fluchtgründe des BF in Bezug auf seinen Herkunftsstaat geltend zu machen und es kann daher nicht der belangten Behörde angelastet werden, wenn die Beschwerdeseite davon nicht mit Erfolg Gebrauch gemacht hat.

2.6. Zu den Länderfeststellungen:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf den im angefochtenen Bescheid enthaltenen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für die Russische Föderation vom 21.07.2020 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen, sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Was die Ausbreitung des Corona Virus in der Russischen Föderation betrifft, ist festzuhalten, dass der BF an keinen schwerwiegenden Krankheiten leidet, sondern gesund ist. Es liegen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass der BF persönlich bei einer Rückkehr eine Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf erleiden würde, weil er nicht zur Risikogruppe zählt. Die absoluten Zahlen in der Russischen Föderation erweisen sich mit 3.850.439 Erkrankten als so hoch, wie in kaum einem anderen Land. Dennoch erweisen sich die Todesfälle, mit insgesamt 73.182 Toten als, verglichen mit anderen Ländern, verhältnismäßig gering. Sieht man die absolute Zahl der Erkrankten jedoch im Verhältnis zur Einwohnerzahl, zeigt sich die Zahl der Erkrankungen pro 100.000 Einwohner noch davon entfernt, ein für eine Schutzgewährung signifikantes Risiko aufzuzeigen, in der Russischen Föderation an einer Lungenkrankheit Covid-19 mit schweren Verlauf zu erkranken. Darüber hinaus gehört der BF, wie bereits erwähnt, nicht zur Risikogruppe an einem schwerwiegenden Verlauf zu erkranken.

3. Rechtliche Beurteilung:

Der angefochtene Bescheid wurden dem BF am 14.01.2021 zugestellt. Die am 27.01.2021 an die belangte Behörde übermittelten Beschwerde ist damit rechtzeitig. Der angefochtene Bescheid der belangten Behörde ist im vollen Umfang in Beschwerde gezogen.

Zum Spruchteil A

3.1. Zur Abweisung der Beschwerde betreffend die Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache:

3.1.1. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Beschwerde nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH vom 30.09.1994, 94/08/0183; vom 30.05.1995, 93/08/0207; vom 09.09.1999, 97/21/0913; vom 07.06.2000, 99/01/0321).

Nach der Rechtsprechung zu dieser Bestimmung liegen verschiedene „Sachen“ im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG vor, wenn in der für den Vorbescheid (für das Vorerkenntnis) maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid (Vorerkenntnis) als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. „Entschiedene Sache“ iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber der Vorentscheidung weder die Rechtslage, noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH vom 09.09.1999, 97/21/0913; vom 27.09.2000, 98/12/0057; vom 25.04.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides bzw. -erkenntnisses entgegen (VwGH vom 10.06.1998, 96/20/0266). Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung – nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen – berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. etwa VwGH vom 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN).

Eine neue Sachentscheidung ist, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht (vgl. VwGH vom 25.04.2007, 2004/20/0100, mwN).

Infolge des in § 17 VwGVG normierten Ausschlusses der Anwendbarkeit des 4. Hauptstücks des AVG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, welcher auch die in § 68 Abs. 1 AVG normierte Zurückweisung wegen entschiedener Sache umfasst, kommt eine unmittelbare Zurückweisung einer Angelegenheit aufgrund der genannten Bestimmung durch das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich nicht in Betracht. Davon unberührt bleibt, dass das Verwaltungsgericht im Verfahren über Bescheidbeschwerden zur Überprüfung der rechtmäßigen Anwendung von § 68 AVG in Bescheiden durch die Verwaltungsbehörde berufen ist (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K10; vgl. auch VfSlg. 19.882/2014). Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG ist somit zunächst die Frage, ob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Recht den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat, die Behörde also auf Grundlage des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht davon ausgegangen ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen vorangegangenen Verfahren auf internationalen Schutz keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist.

Gelangt das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Behörde nicht von entschiedener Sache hätte ausgehen dürfen, sondern aufgrund des Vorliegens neuer Sachverhaltselemente eine inhaltliche Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz hätte durchführen müssen, hat es den zurückweisenden Bescheid auf Grundlage des für zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren anzuwendenden § 21 Abs. 3 BFA-VG zu beheben, wodurch das Verfahren vor der Behörde zugelassen ist und eine neuerliche Zurückweisung des Antrages gemäß § 68 AVG unzulässig wird. Hingegen ist dem Bundesverwaltungsgericht ein inhaltlicher Abspruch über den zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz in einem Beschwerdeverfahren über einen zurückweisenden Bescheid nach § 68 AVG verwehrt, weil diesfalls die Sache des Beschwerdeverfahrens überschritten würde (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K11, K17).

Bei einer Überprüfung einer gemäß § 68 Abs. 1 AVG bescheidmäßig abgesprochenen Zurückweisung eines Asylantrages hat es lediglich darauf anzukommen, ob sich die Zurückweisung auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren bei gleichbleibender Sach- und Rechtslage stützen dürfte. Dabei hat die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhalts nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind. Derartige Gründe können im Rechtsmittelverfahren nicht neu geltend gemacht werden (s. zB VwSlg. 5642A; VwGH vom 23.05.1995, 94/04/0081; zur Frage der Änderung der Rechtslage während des anhängigen Berufungsverfahrens s. VwSlg. 12799 A). Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH vom 29.06.2000, 99/01/0400; vom 07.06.2000, 99/01/0321).

Dem geänderten Sachverhalt muss nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Entscheidungsrelevanz zukommen (vgl. VwGH vom 15.12.1992, 91/08/0166; ebenso VwGH vom 16.12.1992, 92/12/0127; vom 23.11.1993, 91/04/0205; vom 26.04.1994, 93/08/0212; vom 30.01.1995, 94/10/0162). Die Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung wird nur durch eine solche Änderung des Sachverhalts bewirkt, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteienbegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwSlg. 7762 A; VwGH vom 29.11.1983, 83/07/0274; vom 21.02.1991, 90/09/0162; vom 10.06.1991, 89/10/0078; vom 04.08.1992, 88/12/0169; vom 18.03.1994, 94/12/0034; siehe auch VwSlg. 12.511 A, VwGH vom 05.05.1960, 1202/58; vom 03.12.1990, 90/19/0072). Dabei muss die neue Sachentscheidung – obgleich auch diese Möglichkeit besteht – nicht zu einem anderen von der seinerzeitigen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen. Die behauptete Sachverhaltsänderung hat zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufzuweisen, dem Asylrelevanz zukommt (VwGH vom 21.03.2006, 2006/01/0028, sowie VwGH vom 18.06.2014, Ra 2014/01/0029, mwN). Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH vom 24.06.2014, Ra 2014/19/0018, mwN).

Als Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) ist der Bescheid (das Erkenntnis) heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. in Bezug auf mehrere Folgeanträge VwGH vom 26.07.2005, 2005/20/0226, mwN). Bei Vorliegen mehrerer Folgeanträge ist als Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) derjenige Bescheid heranzuziehen, mit welchem zuletzt in der Sache entschieden - und nicht etwa nur ein Folgeantrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen – wurde (vgl. VwGH vom 15.11.2000, Zl. 2000/01/0184; vom 16.07.2003, 2000/01/0440; sowie den Hinweis auf Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 104 und 182 zu § 68 AVG im zuletzt genannten Erkenntnis.

Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die – falls feststellbar – zu einem anderen Ergebnis als im ersten Verfahren führen kann, wobei die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (vgl. das schon zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 04.11.2004 mwN). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Erstbeschwerdeführers (und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden) auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen. (VwGH vom 21.10.1999, 98/20/0467; vgl. auch VwGH vom 17.09.2008, 2008/23/0684; vom 19.02.2009, 2008/01/0344).

Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein „Fortbestehen und Weiterwirken“ behauptet; vgl. VwGH vom 20.03.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit einem solchen Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH vom 07.06.2000, 99/01/0321).

Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise – für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status – auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH vom 29.06.2011, U 1533/10; VwGH vom 19.02.2009, 2008/01/0344 mwN).

Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG ist somit nur die Frage, ob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Recht den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

Die Rechtsmittelbehörde darf nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung (wegen entschiedener Sache) durch die Vorinstanz zu Recht erfolgt ist und hat dementsprechend entweder – im Falle des Vorliegens entschiedener Sache – das Rechtsmittel abzuweisen oder – im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung – den bekämpften Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde in Bindung an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde den gestellten Antrag jedenfalls nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Es ist der Rechtsmittelbehörde aber verwehrt, über den Antrag selbst meritorisch zu entscheiden (VwSlg. 2066A/1951, VwGH vom 30.05.1995, 93/08/0207; Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren2, 1433 mwH).

Es ist Sache der Partei, die in einer rechtskräftig entschiedenen Angelegenheit eine neuerliche Sachentscheidung begehrt, dieses Begehren zu begründen (VwGH vom 08.09.1977, 2609/76).

3.1.2. Wenn der BF im Rahmen seiner Erstbefragung am 29.11.2020 und seiner Einvernahme und vor dem BFA am 15.12.2020 zur Begründung seines zweiten Antrages auf internationalen Schutz die bereits im Vorverfahren (rechtkräftiger Abschluss des ersten Asylverfahrens des BF am 30.06.2010) als unglaubhaft erkannte Behauptung der Verfolgung des Bruders des BF durch russische und tschetschenische Sicherheitskräfte aufrecht hält und diese Behauptung mit einer nunmehr nur vagen vorgebrachten Bedrohung seines Vaters durch „Staatsleute“, die nach seinem Bruder fragen würden, fortzusetzen gedenkt, liegt somit in casu kein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern wird hiermit ein Fortbestehen und Weiterwirken eines Sachverhaltes bekräftigt über den bereits rechtskräftig abgesprochen wurde.

Mit dem erst im Rahmen seiner BFA-Befragung am 15.12.2020 erstatteten, und somit inhaltlich gesteigerten Vorbringen, diese „Staatsleute“ würden unter Bedrohung des Vaters des BF nun auch nach dem Onkel des BF fragen, welcher im Tschetschenienkrieg gekämpft habe und vor etwa zwei Monaten entführt, in einem Keller festgehalten, sowie gefoltert worden und mittlerweile aus Tschetschenien geflüchtet sei, macht der Beschwerdeführer zwar einen Sachverhalt geltend, den er nicht in seinem ersten Asylverfahren, jedoch in seinem Aberkennungsverfahren (rechtkräftiger Abschluss am 17.07.2020) vorgebracht hat. Entgegen der Auffassung in der gegenständlichen Beschwerdeschrift behauptet der Beschwerdeführer damit ebenfalls keinen neuen Sachverhalt, der zur Zulässigkeit seines zweiten Antrags auf internationalen Schutz führen würde:

3.1.3. Die nunmehr ins Treffen geführten Umstände brachte der BF bereits in der Beschwerde seines Aberkennungsverfahrens, eingebracht am 06.12.2019, zu einem sehr späten Zeitpunkt im damaligen Verfahren, vor. Demnach habe sein Onkel Tschetschenien verlassen, weil er Probleme mit den tschetschenischen Behörden bekommen habe. Aus diesem Grund ist diesbezüglich auf das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.07.2020 zu verweisen. Es liegt somit ebenso kein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern wird hiermit ein Fortbestehen und Weiterwirken eines Sachverhaltes bekräftigt, der bereits geltend gemacht wurde. Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde am 15.12.2020, kann sich die vermeintliche Entführung seines Onkels im Herkunftsstaat sohin gar nicht zwei Monate vor der Einvernahme des BF zugetragen haben, zumal dieser sich, nach eigenen Angaben des BF im vorhergegangenen Aberkennungsverfahren, also bereits im Dezember 2019, nicht mehr in der Russischen Föderation befunden hat, weshalb diesem Vorbringen auch kein glaubhafter Kern innewohnt.

Insgesamt beziehen sich die vorgebrachten Fluchtgründe ausschließlich auf den Onkel und den Bruder des BF, wobei daraus ein inhaltlicher Zusammenhang zu einer vermeintlichen Verfolgungsgefahr des BF im Herkunftsstaat in casu nicht erkannt werden kann.

Es handelt sich somit nicht um neue Tatsachen, die die Rechtskraftdurchbrechung im Rahmen der Zulässigkeit des zweiten Antrags auf internationalen Schutz zuließen, sondern lediglich in den engen Grenzen einer Wiederaufnahme gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG Berücksichtigung finden könnten. Die Beschwerdeführer stellte im vorliegenden Fall keinen Wiederaufnahmeantrag (und wäre ein solcher nunmehr wegen des Ablaufs der zweiwöchigen Frist ab Kenntniserlangung von dem Wiederaufnahmegrund gemäß § 69 Abs. 2 AVG nicht mehr zulässig). Eine Pflicht zur Umdeutung eines (Folge-)Antrags auf internationalen Schutz in einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens besteht nicht und auf die amtswegige Wiederaufnahme eines Verfahrens steht niemandem ein Rechtsanspruch zu (vgl. VwGH vom 13.09.2016, Ra 2015/01/0256; vom 27.03.2007, 2006/07/0012). Dass dem BF aus den behaupteten Ereignissen erst nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung im Vorverfahren (also ab 17.07.2020) eine spezifische Gefahr erwachsen wäre, ist nicht ersichtlich und wurde nicht substantiiert vorgebracht.

3.1.4. Wenn der BF im Rahmen seiner Einvernahme vor dem BFA am 30.12.2020 zur Begründung seines zweiten Antrages auf internationalen Schutz zusätzlich angibt, dass er aufgrund seiner in Österreich erlernten, westlichen Lebensweise - explizit vom BF genannt wurden etwa Kino- und Discobesuche mit der Freundin, die Veranstaltung von Partys, der voreheliche Geschlechtsverkehr oder etwa einen Freundin zu haben, „mit der ich machen durfte, was ich will“ (Seite 3, BFA-Prot. vom 30.12.2020) -, schnell Probleme in Tschetschenien bekommen würde, so lässt diese behauptete Sachverhaltsänderung vor dem Hintergrund, dass es sich beim BF um einen volljährigen Mann handelt, welcher zwar in Österreich mehrjährig gelebt hat, aber davor fast 9 Jahre im Herkunftsstaat verbracht hat, dort zur Schule gegangen ist und dann in Österreich innerhalb eines tschetschenisch geprägten Familienverbandes bei seinem volljährigen Bruder und seinen drei Schwestern weiter sozialisiert worden ist und somit mit den Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates als durchaus vertraut anzusehen ist und nicht von seinen tschetschenischen Wurzeln und den gesellschaftlichen, sittlichen und religiösen Wertesystem seines Herkunftsstaates als entfremdet betrachtet werden kann, unter Zugrundelegung der gegenständlichen Länderberichten von vornherein eine andere Beurteilung als die im Bescheid vom 11.06.2010 erfolgte seinerzeitige Abweisung des ersten Asylantrages des BF als ausgeschlossen erscheinen und ist somit von vornherein ungeeignet zu einem anderen Ergebnis als im ersten Asylverfahren des BF zu führen. Wird in den Länderfeststellungen etwa hinsichtlich Tschetschenien durchaus festgestellt, dass sich Frauen islamisch kleiden müssten, in polygame Ehen gezwungen werden können, der Islam in unterschiedlichsten Formen gelebt werde und dieser oft den Männern dazu diene, ihre Frauen zu unterdrücken (siehe LIB 14.1. Tschetschenien), findet eine Unterdrückung oder gar Verfolgung von Männer, welche im Westen längere Zeit gelebt haben, keine Erwähnung. Vielmehr sind Rückkehrende grundsätzlich nicht als eigene Kategorie oder schutzwürdige Gruppe aufgefasst (siehe LIB, 19 Rückkehrer). Ergänzend darf angemerkt werden, dass es selbst bei Wahrannahme einer solchen Verinnerlichung eines westlichen Lebensstils durch den BF, dem BF bei Rückkehr in den Herkunftsstaat unbeschränkt möglich wäre – etwa im Rahmen einer innerstaatlichen Fluchtalternative - seinem behaupteten, westlichen Lebensstil in russischen Großstädten, wie etwa Moskau, St. Peterburg, etc. ungehindert nachzugehen. Schon deshalb war die Beschwerde auch vor dem Hintergrund dieses Vorbringens abzuweisen.

3.1.5. Soweit im Rahmen der Beschwerdeschrift auf Seite 4 angemerkt wird, dass die beschwerdeseitigen Beweismittel von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nicht ausreichend gewürdigt worden seien, wird auf die Seiten 124 f des angefochtenen Bescheides verwiesen aus, aus welchen eine - auch aus Sicht des erkennenden Gerichts - hinreichende Auseinandersetzung der belangten Behörde mit den in Vorlage gebrachten Beweismitteln erkennbar ist.

3.1.6. Soweit der neuerliche Antrag des BF unter dem Blickwinkel des subsidiären Schutzes (§ 8 AsylG 2005) zu betrachten ist, ist auf die unter Pkt. II.3.1.1. getroffenen Aussagen zu verweisen, wonach eine neuerliche Sachentscheidung nur bei einer solchen Änderung des Sachverhalts geboten ist, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.07.2020, rechtskräftig am 17.07.2020, GZ XXXX , wurde hinsichtlich des BF die vom BFA durchgeführte Aberkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten, sowie die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes, bestätigt, weshalb die diesbezügliche Entscheidung nach wie vor als hochaktuell angesehen werden kann.

3.1.7. Es sind auch nun, lediglich etwa 7 Monate später, keine Anhaltspunkte erkennbar, wonach die Rückführung des BF in die Russische Föderation zu einer Situation führen würde, die eine Verletzung ihrer Rechte nach Art. 2 oder 3 EMRK im Sinne des subsidiären Schutzes mit sich brächte. So ergeben sich aus den Länderfeststellungen zur Russischen Föderation keine Gründe für die Annahme, dass jeder zurückkehrende Staatsbürger der reellen Gefahr einer Gefährdung gemäß Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, sodass nicht von einem Rückführungshindernis im Lichte der Art. 2 und 3 EMRK auszugehen ist. Dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist aufgrund der herangezogenen Länderberichte darin beizupflichten, dass sich die Lage im Herkunftsstaat seit der Entscheidung im vorangegangenen Aberkennungsverfahren nicht wesentlich geändert – und vor allem nicht verschlechtert – hat.

3.1.8. Der BF ist gesund, nimmt keine Medikamente ein und ist arbeitsfähig. Es wird ihm daher, möglich sein, seinen Lebensunterhalt selbst durch Erwerbstätigkeit zu bestreiten. Des Weiteren verfügt der BF im Herkunftsstaat über ein familiäres Netzwerk, welches ihm zumindest in der Anfangsphase hinsichtlich Unterbringung und Versorgung Unterstützung bieten kann, sodass er mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in keine aussichtslose Lage geraten wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu bereits mit Erkenntnis vom 14.07.2020 ausführliche Feststellungen getroffen und eine umfassende Gesamtabwägung durchgeführt, weshalb aufgrund der immer noch währenden, hohen Aktualität dieses Erkenntnisses, darauf zu verweisen ist.

3.1.9. Da somit weder in der maßgeblichen Sachlage – und zwar im Hinblick sowohl auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen ist - als auch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist – noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Anliegens nicht von vornherein als ausgeschlossen scheinen ließe, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich meritorisch zu entscheiden ist. Die Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache erfolgte durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl daher zu Recht.

3.2. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

3.2.1. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG k

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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