Entscheidungsdatum
25.02.2021Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W235 2238200-1/6E
BEschluss
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.12.2020, Zl. 1264801304-200428615, beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Somalia, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 25.05.2020 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Eine Eurodac-Abfrage ergab, dass der Beschwerdeführer am XXXX .09.2019 in Kroatien erkennungsdienstlich behandelt wurde (vgl. AS 47).
1.2. Am 26.05.2020 wurde der Beschwerdeführer einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei er im Wesentlichen angab, dass er am XXXX .12.2018 von Somalia illegal in die Türkei geflogen sei. Dort sei er ca. zwei Wochen geblieben und danach nach Griechenland gelangt, wo er sich von Jänner 2019 bis ca. August 2019 aufgehalten habe. Von Griechenland aus sei er über Nordmazedonien und Serbien, wo er drei Tage gewesen sei, nach Bosnien gelangt. An der bosnisch-kroatischen Grenze habe sich der Beschwerdeführer ca. neun Monate aufgehalten und mehrmals versucht, die Grenze zu überqueren, was ihm jedoch nicht gelungen sei. Einmal sei er in Kroatien festgenommen und ihm seien die Fingerabdrücke abgenommen worden. Dann sei er nach Serbien zurückgeschickt worden. Letzten Samstag [= XXXX .05.2020] sei er von Serbien nach Österreich aufgebrochen und sei am XXXX .05.2020 hier angekommen. In Kroatien sei er nur einige Stunden gewesen.
Dem Beschwerdeführer wurde weiters am 26.05.2020 eine Mitteilung gemäß § 28 Abs. 2 AsylG ausgehändigt, mit welchen ihm zur Kenntnis gebracht wurde, dass aufgrund von Konsultationen mit Griechenland und mit Kroatien die in § 28 Abs. 2 AsylG definierte 20-Tages-Frist für Verfahrenszulassungen nicht mehr gilt.
1.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 20.07.2020 ein auf Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (= Dublin III-VO) gestütztes Aufnahmegesuch an Kroatien.
Diesem Aufnahmegesuch ist zunächst zu entnehmen, dass dem Beschwerdeführer am 10.09.2019 die Fingerabdrücke in Kroatien abgenommen wurden („According to the Eurodac-result he was fingerprinted in Croatia on XXXX .09.2019“). Weiters wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer angegeben hat, nach seinem Aufenthalt in Griechenland – nach August 2019 – über Nordmazedonien nach Serbien gereist zu sein, wo er drei Tage aufhältig gewesen und in der Folge mehrmals zwischen Bosnien, Kroatien und Serbien hin- und hergereist sei („Then he travelled to Grecce […] until august 2019. Afterwards he travelled via Macedonia to Serbia, where he stayed for about 3 days. Then he travelled several times between Bosnia, Croatia und Serbia.”). In der Folge wurde darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer vorbrachte, mit den kroatischen Behörden Kontakt gehabt zu haben, was glaubhaft ist, da ihm die Fingerabdrücke am XXXX .09.2020 abgenommen wurden („Furthermore he stated, that he had contact with the authorities in Croatia. This is credible for us, because – as already shown above – he was fingerprinted in Croatia on XXXX .09.2020.“). Danach verwies das Bundesamt wieder auf eine Abnahme der Fingerabdrücke am XXXX .09.2019 („… since he was fingerprinted in Croatia on XXXX .09.2019.“).
Mit Schreiben vom 17.09.2020 stimmte die kroatische Dublinbehörde der Aufnahme des Beschwerdeführer gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO ausdrücklich zu und ergänzte dahingehend, dass der Beschwerdeführer wegen illegalen Grenzübertritts festgenommen und nach Registrierung und Abnahme der Fingerabdrücke am XXXX .09.2019 freigelassen wurde.
Mit Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG, welche dem Beschwerdeführer am 22.09.2020 zugestellt wurde, wurde ihm mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da eine Zuständigkeit des Dublinstaates Kroatien angenommen wird.
1.4. Am 24.09.2020 fand eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach erfolgter Rechtsberatung im Beisein einer Rechtsberaterin im Zulassungsverfahren sowie eines Dolmetschers für die Sprache Somalisch statt, im Zuge derer der Beschwerdeführer zunächst angab, dass er sich psychisch und physisch in der Lage fühle, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Zu seinem Gesundheitszustand brachte er vor, er sei in Österreich acht Tage im Krankenhaus gewesen. Der Beschwerdeführer habe Tbc, eine Schussverletzung am linken Fuß, eine Stichverletzung am linken Oberschenkel, einen gebrochenen Wirbel und Narben am gesamten Oberkörper nach Punktierungen aufgrund der Tbc.
Betreffend die Erstbefragung gab der Beschwerdeführer an, dass einige der Angaben zur Reiseroute nicht stimmen würden. Er sei von Somalia über die Türkei, Griechenland und Serbien nach Bosnien gelangt und dann nach Kroatien gefahren, wo er von der Polizei angehalten und ihm die Fingerabdrücke abgenommen worden seien. Das sei im September 2019 gewesen. Dann sei er nach Bosnien zurückgestellt worden, wo er einen Monat geblieben sei. In der Folge sei der Beschwerdeführer von November 2019 bis Mai 2020 in Serbien aufhältig gewesen und dann nach Österreich weitergereist. Die Polizei in Kroatien habe ihn gefesselt und ihm sein Handy weggenommen. Dann hätten sie ihm die Fingerabdrücke abgenommen. Der Beschwerdeführer sei nicht mehr als eine Stunde auf der Polizeiinspektion gewesen. Ab November 2019 sei er in Serbien in einem Camp namens „ XXXX “ gewesen. Auch sei er in Serbien in einem Krankenhaus gewesen, wo er wegen der Tbc eine Kontrolle gehabt habe. Unterlagen habe er weder vom Krankenhaus noch vom Camp. Beim Verlassen des Camps habe er seine Karte abgeben müssen. Zwischen November 2019 und Mai 2020 sei er immer in diesem Camp in Serbien aufhältig gewesen. Der Beschwerdeführer wolle nicht nach Kroatien zurück, da er dort schlecht behandelt worden sei. Die österreichische Behörde könne mit den serbischen Behörden Kontakt aufnehmen, um sein Vorbringen zu beweisen.
Am Ende der Einvernahme gab die Rechtsberaterin an, dass das Bundesamt im Aufnahmegesuch nicht erwähnt habe, dass der Beschwerdeführer nach Abgabe seiner Fingerabdrücke in Kroatien nach Serbien zurückgekehrt sei und bis Mai 2020 dort geblieben sei. Da er sich für mindestens drei Monate außerhalb der Europäischen Union aufgehalten habe, sei Kroatien für das Asylverfahren nicht mehr zuständig. Es werde eine Frist von einer Woche beantragt, damit der Beschwerdeführer Beweismittel über seinen Aufenthalt in Serbien vorlegen könne.
Neben einem Konvolut an medizinischen Unterlagen betreffend die Abklärung der chronischen Tbc des Beschwerdeführers durch lungenfachärztliche Untersuchungen samt Befunden legte der Beschwerdeführer im Wege der Rechtsberatung zwei medizinische Unterlagen aus Serbien vor und führte dazu aus, dass diese bestätigen würden, dass der Beschwerdeführer im Feber 2020 wegen seiner Tuberkulose in Belgrad behandelt worden sei und somit feststehe, dass er nach Abgabe seiner Fingerabdrücke in Kroatien im September 2019 das Hoheitsgebiet der Europäischen Union wieder verlassen und sich in Serbien aufgehalten habe (vgl. AS 231). Weiters legte der Beschwerdeführer mehrere Unterlagen vor, aus denen sein Aufenthalt in Serbien hervorgeht. Insbesondere wird auf eine Bestätigung (teils in englischer Sprache) „Registration of Residence (Stay) of the foreigner“ verwiesen, aus der ersichtlich ist, dass der Beschwerdeführer von XXXX .11.2019 bis XXXX .05.2020 in XXXX aufhältig war (vgl. AS 249 und AS 263).
2. Ohne weitere Ermittlungen zu tätigen, wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Kroatien gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO für die Prüfung dieses Antrags zuständig ist (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde gegen den Beschwerdeführer die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Kroatien zulässig ist.
Verfahrensrelevant wurde zur Begründung des Dublin-Tatbestandes wie folgt festgestellt: „Aufgrund Ihrer Angaben in der Erstbefragung zu Kroatien leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 20.07.2020 ein Konsultationsverfahren gem. Art. 13 (1) der Dublin VO mit Kroatien ein. Mit Anschreiben vom 17.09.2020 erklärten die kroatischen Behörden ihre Zuständigkeit gem. Art. 13 (1) der Dublin III – VO. Es kann nicht festgestellt werden, dass Sie seit Ihrem Aufenthalt in Kroatien (Österreich) das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union wieder länger als drei Monate verlassen haben.“ Unter „weitere von der Behörde herangezogene Beweismittel“ wurde (unter anderem) angeführt: Eurodac – Treffermeldung HR (vom XXXX .09.2020) XXXX .
Beweiswürdigend führte das Bundesamt hinsichtlich des Aufenthalts des Beschwerdeführers in Serbien zusammengefasst und verfahrenswesentlich aus, dass sich die Feststellungen zum Konsultationsverfahren sowie zum zuständigkeitsbegründenden Sachverhalt aus dem unbedenklichen Akteninhalt und den eigenen Angaben des Beschwerdeführers ergeben hätten. Zum angeblich siebenmonatigen Aufenthalt in Serbien wurde ausgeführt, dass es zwar stimmen möge, dass der Beschwerdeführer des Öfteren in Serbien aufhältig gewesen sei, jedoch lasse sich nicht zweifelsfrei feststellen, ob dieser Aufenthalt durchgehend länger als drei Monate angedauert habe. Wie in der Zustimmung der kroatischen Behörden angeführt, sei der Beschwerdeführer wegen illegalem Grenzübertritts in Kroatien festgenommen worden und sei sein Untertauchen mit XXXX .09.2019 datiert worden. Der Beschwerdeführer habe selbst angegeben, dass er mehrmals versucht habe, die kroatische Grenze zu überschreiten, wonach nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Beschwerdeführer dieses Vorhaben auch nach dem XXXX .09.2019 versucht habe und wiederum kroatisches Territorium betreten habe. Da die kroatischen Behörden gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO zugestimmt hätten, stehe für die Behörde fest, dass auch Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO erfüllt sei. Aufgrund des zwar bestätigten Aufenthaltes in Serbien, dessen Dauer jedoch nicht zweifelsfrei feststellbar sei, werde von der Anregung der Rechtsberatung, das Verfahren in Österreich zu führen, kein Gebrauch gemacht.
In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides, dass sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers und aus dem amtswegigen Ermittlungsverfahren ergebe, dass „Artikel Dublin III-VO“ formell erfüllt sei. Es seien keine Hinweise auf familiäre Anknüpfungspunkte hervorgekommen und könne daher das Vorliegen eines schützenswerten Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht festgestellt werden. Eine besondere Integration der Person des Beschwerdeführers in Österreich könne auch aufgrund der nur kurzen Aufenthaltsdauer ausgeschlossen werden. Es sei daher davon auszugehen, dass die Anordnung der Außerlandesbringung nicht zu einer relevanten Verletzung von Art. 8 EMRK führe und die Zurückweisungsentscheidung daher unter diesem Aspekt zulässig sei. Kroatien sei bereit, den Beschwerdeführer einreisen zu lassen, seinen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen und die sonstigen, Kroatien aus der Dublin III-VO treffenden Verpflichtungen dem Beschwerdeführer gegenüber zu erfüllen. Ein in besonderem Maße substanziiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen besonderer, bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer hier relevanten Verletzung der Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK im Fall einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen ließen, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Insbesondere in Bezug auf Art. 19 Abs. 2 [Dublin III-VO] – Übertragung der Zuständigkeit – werde nochmals auf die Ausführungen in der Beweiswürdigung verwiesen, da nicht zweifelsfrei ein mehr als dreimonatiger Aufenthalt außerhalb der Europäischen Union nachgewiesen habe werden können. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe daher zu. Es habe sich kein zwingender Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts des Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde ausgeführt, dass die gegenständliche Zurückweisungsentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung zu verbinden sei. Eine Anordnung zur Außerlandesbringung habe gemäß § 61 Abs. 2 FPG zur Folge, dass die Abschiebung in den Zielstaat zulässig sei.
3. Gegen den oben angeführten Bescheid erhob der Beschwerdeführer im Wege seiner damaligen Vertretung am 28.12.2020 fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und regte darüber hinaus an, die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Verfahrenswesentlich wurde vorgebracht, dass der Beschwerdeführer mehr als drei Monate außerhalb der Europäischen Union verbracht habe und daher nicht Kroatien, sondern Österreich für das Asylverfahren des Beschwerdeführers zuständig sei. Im Konsultationsverfahren habe die belangte Behörde ungenaue Angaben zur Reiseroute des Beschwerdeführers und darüber, dass er sich nachdem ihm die Fingerabdrücke abgenommen worden seien, länger als drei Monate außerhalb der Europäischen Union aufgehalten habe, getätigt. Aufgrund der mangelhaften Anfrage im Konsultationsverfahren hätten sich die kroatischen Behörden gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO für zuständig erklärt. Der Beschwerdeführer habe nach dem Push-Back der kroatischen Behörden zuerst ca. ein Monat in Bosnien verbracht und sei dann nachweislich von XXXX .11.2019 bis XXXX .05.2020 in Serbien gewesen. Daher sei er mehr als drei Monate außerhalb der Europäischen Union gewesen, weshalb nicht Kroatien für das Verfahren auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers zuständig sei, sondern Österreich. Der belangten Behörde sei insbesondere vorzuwerfen, den maßgeblichen Sachverhalt zur Feststellung der Zuständigkeit gemäß der Dublin III-VO nicht richtig ermittelt zu haben. Ferner habe die Behörde argumentiert, dass sich der Beschwerdeführer zwar laut seinen Unterlagen von XXXX .11.2019 bis XXXX .05.2020 im Flüchtlingslager XXXX aufgehalten habe, jedoch nicht ausgeschlossen werden könne, dass er nach dem XXXX .09.2019 noch einmal kroatischen Boden betreten habe. Diese reine Vermutung genüge jedoch nicht, eine Zuständigkeit Kroatiens zu begründen und hätte die belangte Behörde diese Information den kroatischen Behörden weitergeleitet, hätten diese der Übernahme nicht zugestimmt.
Weiters wurde auf die zwangsweisen Zurückschiebungen und die Push-Backs bzw. Rückführungen nach Serbien und Bosnien verwiesen und ausgeführt, dass dies den Umgang Kroatiens mit Asylwerbern zeige. Dies gehe auch aus den Länderberichten der Behörde hervor. Ferner wurde ausgeführt, dass aufgrund der derzeitigen Situation in Kroatien davon auszugehen sei, dass die Versorgung und der Zugang zum Asylverfahren in Kroatien nicht gesichert seien.
4. Mit Beschluss vom 05.01.2021 erkannte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 17 BFA-VG zu.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.
Zu A)
1.1. Gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG ist das Verfahren zugelassen, wenn der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben ist. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
Nach Abs. 2 leg. cit. ist gemäß Abs. 1 auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
Sofern gemäß Abs. 3 leg. cit. nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
1.2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:
Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz
(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Erweist es sich als unmöglich einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systematische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann. Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.
Art. 7 Rangfolge der Kriterien
(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.
(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.
(3) […]
Art. 13 Einreise und/oder Aufenthalt
(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnisse, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.
(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller – der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können – sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
Art. 18 Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats
(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:
a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;
b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;
c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;
d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.
(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab. Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird. In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.
Artikel 19 Übertragung der Zuständigkeit
(1) […]
(2) Die Pflichten nach Artikel 18 Absatz 1 erlöschen, wenn der zuständige Mitgliedstaat nachweisen kann, dass der Antragsteller oder eine andere Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d, um dessen/deren Aufnahme oder Wiederaufnahme er ersucht wurde, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat, es sei denn, die betreffende Person ist im Besitz eines vom zuständigen Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Aufenthaltstitels. Ein nach der Periode der Abwesenheit im Sinne des Unterabsatzes 1 gestellter Antrag gilt als neuer Antrag, der ein neues Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats auslöst.
(3) […]
2.1. Im gegenständlichen Fall ging das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aufgrund des vorliegenden Eurodac-Treffers, demzufolge der Abgleich der Fingerabdrücke ergeben hat, dass der Beschwerdeführer am XXXX .09.2019 in Kroatien erkennungsdienstlich behandelt wurde, davon aus, dass in materieller Hinsicht die Zuständigkeit Kroatiens zur Prüfung des in Rede stehenden Antrags auf internationalen Schutz in Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO begründet ist. Kroatien hat der Übernahme des Beschwerdeführers auf der Basis von Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO auch ausdrücklich zugestimmt.
Das Bundesamt legte dem Aufnahmegesuch an die kroatischen Behörden die Angaben des Beschwerdeführers aus der Erstbefragung zugrunde, denen zufolge er sich an der bosnisch-kroatischen Grenze ca. neun Monate aufgehalten und mehrmals versucht habe, die Grenze zu überqueren. Einmal sei er in Kroatien festgenommen und ihm seien die Fingerabdrücke abgenommen worden. Abgesehen davon, dass das Bundesamt im Zuge des Verfahrens mehrfach das Datum der erkennungsdienstlichen Behandlung des Beschwerdeführers in Kroatien mit „ XXXX .09.2020“ statt mit „ XXXX .09.2019“ anführte, ist zunächst darauf zu verweisen, dass den kroatischen Behörden im Aufnahmegesuch nicht bekannt gegeben wurde, dass der Beschwerdeführer in seiner Erstbefragung angab, von Kroatien nach Serbien zurückgeschickt worden zu sein und erst letzten Samstag [= XXXX .05.2020] nach Österreich gelangt sei (vgl. AS 25). Ob die kroatischen Behörden ihre Zuständigkeit auch anerkannt hätten, hätten sie gewusst, dass der Beschwerdeführer nach Serbien zurückgeschickt wurde und in der Folge zwischen XXXX .09.2019 und XXXX .05.2020 weder in Österreich noch in Kroatien bzw. sonst im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten in Erscheinung getreten ist, ist ausgesprochen fraglich.
Allerdings brachte der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt vor, dass ihm im September 2019 in Kroatien die Fingerabdrücke abgenommen worden seien und er in der Folge nach Bosnien zurückgestellt worden sei, wo er ca. einen Monat geblieben sei. In der Folge sei der Beschwerdeführer von November 2019 bis Mai 2020 in Serbien aufhältig gewesen und erst dann nach Österreich weitergereist. Ab November 2019 sei er in Serbien in einem Camp namens „ XXXX “ gewesen. Ferner sei er in Serbien auch in einem Krankenhaus gewesen, wo er wegen seiner Tbc eine Kontrolle gehabt habe. Zwischen November 2019 und Mai 2020 sei er immer in diesem Camp aufhältig gewesen (vgl. AS 117, AS 119). Dieses Vorbringen belegte der Beschwerdeführer in der Folge durch die Vorlage von Unterlagen. Zwei dieser Unterlagen bestätigen, dass der Beschwerdeführer im Feber 2020 wegen Tuberkulose in einem Krankenhaus in Belgrad behandelt wurde. Ferner legte der Beschwerdeführer mehrere Schriftstücke (zum Teil in englischer Sprache) vor, denen sein Aufenthalt in Serbien zu entnehmen ist. Insbesondere ist auf ein Schreiben „Registration of Residence (Stay) of the foreigner“ zu verweisen, dem entnommen werden kann, dass der Beschwerdeführer von XXXX .11.2019 bis XXXX .05.2020 in XXXX aufhältig war (vgl. AS 249 und AS 263).
Gemäß Art. 19 Abs. 2 Dublin III-VO erlöschen die Pflichten nach Art. 18 Abs. 1 leg. cit., wenn der zuständige Mitgliedstaat nachweisen kann, dass der Antragsteller oder eine andere Person im Sinne von Art. 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d der Dublin III-VO, um dessen/deren Aufnahme oder Wiederaufnahme er ersucht wurde, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat, es sei denn, die betreffende Person ist im Besitz eines vom zuständigen Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Aufenthaltstitels. Ein nach der Periode der Abwesenheit im Sinne des Unterabsatzes 1 gestellter Antrag gilt als neuer Antrag, der ein neues Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats auslöst.
Aus welchen Gründen das Bundesamt – ohne weitere Ermittlungen zu tätigen – zu der (Negativ)feststellung gelangt, dass nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer seit seinem Aufenthalt in Kroatien das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union wieder länger als drei Monate verlassen hat, ist nicht nachvollziehbar. Beweiswürdigend wurde diesbezüglich ausgeführt, dass es zwar stimmen möge, dass der Beschwerdeführer „des Öfteren“ in Serbien aufhältig gewesen sei, sich jedoch nicht zweifelsfrei feststellen lasse, ob dieser Aufenthalt durchgehend länger als drei Monate angedauert habe. Der Beschwerdeführer habe selbst angegeben, dass er mehrmals versucht habe, die kroatische Grenze zu überschreiten, wonach nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Beschwerdeführer dieses Vorhaben auch nach dem XXXX .09.2019 versucht habe und wiederum kroatisches Territorium betreten habe. Aufgrund des zwar bestätigten Aufenthaltes in Serbien, dessen Dauer jedoch nicht zweifelsfrei feststellbar sei, werde von der Anregung der Rechtsberatung, das Verfahren in Österreich zu führen, kein Gebrauch gemacht (vgl. hierzu Seite 26 des angefochtenen Bescheides).
2.2. Betreffend die vorgelegte Aufenthaltsbestätigung des Camps „ XXXX “ in Serbien kann nicht nachvollzogen werden, dass das Bundesamt die Dauer des Aufenthalts „nicht zweifelsfrei“ feststellen konnte, da diese Bestätigung (auch in englischer Sprache) einen Aufenthalt des Beschwerdeführers in XXXX von XXXX .11.2019 bis XXXX .05.2020 eindeutig belegt. Es finden sich auf dieser Bestätigung weder Hinweise auf eine Unterbrechung des Aufenthalts noch auf ein „Untertauchen“ oder Ähnliches, sodass nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes der durchgehende Aufenthalt zwischen XXXX .11.2019 bis XXXX .05.2020 als erwiesen anzunehmen ist. Hinzu kommt, dass das Bundesamt wohl davon ausgeht, dass es sich bei dieser Bestätigung um eine echte Urkunde handelt bzw. dass diese tatsächlich von der zuständigen Stelle ausgestellt wurde, da andernfalls in der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides wohl kaum von einem „bestätigten Aufenthalt“ des Beschwerdeführers in Serbien ausgegangen worden wäre.
In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass das Bundesamt bei Zweifeln über den durchgängigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im serbischen Camp „ XXXX “ die Möglichkeit gehabt hätte, bei den serbischen Behörden und/oder der Verwaltung des Camps nachzufragen, ob diesen eine (längere) Abwesenheit des Beschwerdeführers vom Camp bekannt ist. Da sich XXXX in der Metropolregion von Belgrad befindet (wie eine einfache Internetrecherche zeigt) und sohin nicht direkt an der kroatischen Grenze liegt, hätte sich der Beschwerdeführer wohl mehrfach einige Tage außerhalb des Camps befinden müssen, um nach Kroatien zu gelangen. Darüber hinaus ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer neben seiner Aufenthaltsbestätigung des Camps „ XXXX “ weitere Unterlagen vorlegte, die ebenso seinen Aufenthalt in Serbien im Zeitraum November 2019 bis Mai 2020 (unter anderem in einem Krankenhaus in Belgrad im Feber 2020) nachweisen. Diese Unterlagen (ausschließlich in serbischer Sprache vorliegend) hätte das Bundesamt bei vorhandenen Unklarheiten über den Aufenthalt bzw. die Dauer des Aufenthalts des Beschwerdeführers in Serbien übersetzen lassen können, um auf diese Art nähere und/oder ergänzende Informationen zu erlagen.
Wenn im angefochtenen Bescheid ausgeführt wird, dass der Beschwerdeführer selbst angegeben habe, dass er mehrmals versucht habe, die kroatische Grenze zu überschreiten, und das Bundesamt daraus schließt, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Beschwerdeführer dieses Vorhaben auch nach dem XXXX .09.2019 versucht habe und wiederum kroatisches Territorium betreten habe, übersieht das Bundesamt, dass der Beschwerdeführer zwar in seiner Erstbefragung vorbrachte, dass er mehrfach versucht habe, die Grenze zu überqueren, jedoch ebenso ausführte, dass ihm dies nicht gelungen sei (vgl. AS 25). Darüber hinaus ist den Beschwerdeausführungen dahingehend Recht zu geben, dass die bloße Vermutung, der Beschwerdeführer könnte nach dem XXXX .09.2019 nochmals kroatisches Territorium betreten haben, nicht ausreicht, um die Zuständigkeit Kroatiens zu begründen.
Letztlich ist noch darauf hinzuweisen, dass die kroatischen Behörden der Übernahme des Beschwerdeführers wohl nicht zugestimmt hätten, wären ihnen die (in weiterer Folge vorgelegten) Unterlagen des Beschwerdeführers, insbesondere die „Registration of Residence (Stay) of the foreigner“ im Zeitpunkt der Zustimmung zum österreichischen Aufnahmegesuch bekannt gewesen. Es ist zwar richtig, dass diese Unterlagen auch dem Bundesamt im Zeitpunkt der Stellung des Aufnahmegesuchs an Kroatien noch nicht vorlagen, allerdings wäre das Bundesamt dazu verpflichtet gewesen, die neu hervorgekommenen Unterlagen, denen die Eignung, eine andere Entscheidung Kroatiens betreffend das österreichische Aufnahmegesuch herbeizuführen, nicht von vornherein abgesprochen werden kann, den kroatischen Behörden zur Kenntnis zu bringen und diesen sohin die Möglichkeit einzuräumen, aufgrund der ergänzenden Informationen ihre Zustimmung gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO zu überdenken.
2.3. Zusammengefasst ist sohin auszuführen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bei noch vorhandenen Zweifeln über einen länger als drei Monate dauernden Aufenthalt des Beschwerdeführers außerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedsstaaten im fortgesetzten Verfahren ergänzende Ermittlungen zu tätigen haben wird. Insbesondere wird eine Anfrage betreffend den tatsächlichen Aufenthalt bzw. die tatsächliche Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers im serbischen Camp „ XXXX “ an die dortigen zuständigen Stellen zu richten sein sowie die weiteren, ausschließlich in serbischer Sprache vorgelegten Unterlagen einer Übersetzung zuzuführen und deren Inhalt ebenso im Verfahren zu berücksichtigen sein. Im Fall des dann noch Vorliegens von Unklarheiten wird der Beschwerdeführer neuerlich einzuvernehmen und allenfalls zur Bekanntgabe weiterer Beweismittel (insbesondere Namen von Zeugen) aufzufordern sein.
Sollte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach Durchführung der oben erwähnten ergänzenden Ermittlungen nach wie vor zu der Feststellung gelangen, dass sich der Beschwerdeführer zwischen seiner erkennungsdienstlichen Behandlung am XXXX .09.2019 in Kroatien und der Antragstellung am 25.05.2020 in Österreich nicht länger als drei Monate außerhalb des Gebietes der Mitgliedstaaten aufgehalten hat, sind diese Ermittlungsergebnisse den kroatischen Behörden im Rahmen eines weiteren Konsultationsverfahrens mitzuteilen, da es gemäß Art. 19 Abs. 2 Dublin III-VO Aufgabe des zuständigen Mitgliedstaates ist, nachzuweisen, dass der Antragsteller, um dessen Aufnahme oder Wiederaufnahme er ersucht wurde, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat.
3. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Im gegenständlichen Fall konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der Beschwerde stattzugeben und der bekämpfte Bescheid zu beheben ist. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S 389, entgegen.
4. Da sich eine Entscheidung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG (wie die vorliegende) nicht als eine solche darstellt, die als Entscheidung in der Sache den dem Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Gegenstand erledigt, hat sie gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG in Form eines (das Beschwerdeverfahren beendenden und nicht bloß verfahrensleitenden) Beschluss zu ergehen (vgl. VwGH vom 05.10.2016, Ra 2016/19/0208-8).
5. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung und kann auch nicht davon gesprochen werden, dass die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als uneinheitlich zu beurteilen wäre. Kern der getroffenen zurückverweisenden Entscheidung ist die mangelhafte Ermittlung von relevanten Sachverhaltselementen im Rahmen eines ordnungsgemäßen Verfahrens und die Einräumung eines Parteiengehörs entsprechend den insofern eindeutigen Verfahrensvorschriften durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie die daran anknüpfende Konsequenz des § 21 BFA-VG. Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage sind sohin nicht zu erblicken.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht individuelle Verhältnisse Kassation mangelnde SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W235.2238200.1.00Im RIS seit
16.06.2021Zuletzt aktualisiert am
16.06.2021