Entscheidungsdatum
02.03.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z4Spruch
W103 2233655-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. AUTTRIT als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.06.2020, Zl. 751274600-181076085:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, behoben und die Angelegenheit an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Dem Beschwerdeführer, einem zum damaligen Zeitpunkt minderjährigen Staatsangehörigen der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, wurde mit rechtskräftigem Bescheid des Bundeasylamtes vom 20.07.2006 in Stattgabe eines durch seine Mutter und damalige gesetzliche Vertreterin infolge gemeinsamer illegaler Einreise am 18.08.2005 eingebrachten Asylantrages gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 1997 der Status des Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 12 AsylG festgestellt, dass diesem damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. In der Begründung wurde auf die Bestimmungen des Familienverfahrens gemäß § 10 AsylG 2005 Bezug genommen und ausgeführt, der Beschwerdeführer habe einen unter § 7 AsylG zu subsumierenden Sachverhalt vorgebracht.
2. Der Beschwerdeführer wurde in der Folge mehrfach straffällig.
3. Infolgedessen leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Aktenvermerk vom 11.02.2019 ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten wegen geänderter Verhältnisse im Herkunftsstaat ein und gewährte dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 13.05.2020 die Möglichkeit, zur beabsichtigten Aberkennung seines Asylstatus, zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zu seinen aktuellen privaten und familiären Verhältnissen sowie zu seinen aktuellen Befürchtungen für den Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat binnen Frist eine Stellungnahme abzugeben.
Im Rahmen einer am 04.06.2020 eingebrachten Stellungnahme führte der damals bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers aus, die vorliegenden Verurteilungen würden nicht bestritten, der Beschwerdeführe habe aufgrund der letzten Verurteilung erstmals Haftübel verspürt. Der Beschwerdeführer sei mit einer namentlich bezeichneten russischen Staatsbürgerin, welche in Deutschland lebe, verheiratet und habe mit dieser eine im Jahr 2016 geborene gemeinsame Tochter. Seine Eltern, zwei Schwestern und zwei Brüder würden in Österreich leben, wobei keine finanzielle Abhängigkeit des Beschwerdeführers bestünde. Drei der Geschwister sowie die Mutter des Beschwerdeführers seien österreichische Staatsbürger. Der Beschwerdeführer beherrsche sehr gut Deutsch, zumindest auf dem Niveau B2, und habe einen Hauptschulabschluss. Er arbeite bei einer näher bezeichneten Firma und verdiene etwa EUR 1.500,- netto monatlich, bei einer weiteren Firma verdiene er EUR 400,- netto. Der Beschwerdeführer besuche keine Kurse und sei in keinem Verein Mitglied. Von Seiten seines Vaters habe der Beschwerdeführer keine Verwandten mehr in Tschetschenien. Von Seiten seiner Mutter gebe es zwar noch Verwandte, zu diesen bestünde jedoch kein Kontakt und der Beschwerdeführer kenne diese auch nicht. Mit seinen Eltern spreche der Beschwerdeführer Tschetschenisch, mit seinen Geschwistern sowie mit seiner Frau und Tochter Deutsch. Der russischen Sprache sei der Beschwerdeführer nicht mächtig. Der Beschwerdeführer sei mit 13 Jahren mit seiner Familie nach Österreich gekommen, es sei damals Krieg gewesen. Der Beschwerdeführer habe keinen speziellen Beruf erlernt, er habe allerdings immer am Bau gearbeitet und dort verschiedene Tätigkeit gelernt. In der Firma seines Vaters sei er verantwortlich für Baumanagement und Marketing. Der Beschwerdeführer stehe nicht in ärztlicher Behandlung und nehme keine Medikamente ein. Zu seinen Befürchtungen für den Fall einer Rückkehr in sein Heimatland wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer verfolge auf Youtube Schilderungen der Situation in Tschetschenien, wobei er von Folterungen berichte.
Übermittelt wurden (jeweils in Kopie) die russische Geburtsurkunde des Beschwerdeführers, dessen österreichische Heiratsurkunde aus April 2017, eine Lohn-/Gehaltsabrechnung für die Monate Jänner bis April 2020, ein Jahres- und Abschlusszeugnis einer Kooperativen Mittelschule für das Schuljahr 2007/2008, diverse Bestätigungen über die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen, die russischen Reisepässe der Ehegattin und des Kindes des Beschwerdeführers, die deutsche Geburtsurkunde des Kindes des Beschwerdeführers, Unterlagen über die Firma des Vaters des Beschwerdeführers sowie österreichische Staatsbürgerschaftsnachweise der Mutter und Geschwister des Beschwerdeführers.
4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.06.2020 wurde dem Beschwerdeführer in Spruchteil I. der ihm mit Bescheid vom 20.07.2006, Zahl: 05 12.746-BAG, zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 idgF aberkannt. Gemäß § 7 Abs. 4 AsylG wurde festgestellt, dass diesem die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme. In Spruchteil II. wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, weiters wurde ihm in Spruchteil III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Darüber hinaus wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG idgF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG idgF erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und in Spruchpunkt VI. ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage. Zudem wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot gegen den Beschwerdeführer erlassen (Spruchpunkt VII.).
Die Entscheidung über die Aberkennung des Status des Asylberechtigten wurde darauf gestützt, dass die Umstände, aufgrund derer der Beschwerdeführer als Flüchtling anerkannt worden wäre, weggefallen seien. Die Asylgewährung habe darauf beruht, dass auch der Mutter des Beschwerdeführers Asyl gewährt worden sei. Es könne nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Verfolgung irgendeiner Art drohen würde oder ihm die Existenzgrundlage völlig entzogen wäre. Die Lage in der Russischen Föderation habe sich nachhaltig geändert und es seien heute auch ehemalige Widerstandskämpfer in Tschetschenien an der Macht. Zudem habe der Beschwerdeführer an keinen Kampfhandlungen der beiden Tschetschenienkriege teilgenommen. Die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten habe sich auf die in den Jahren vor dem Verlassen der Russischen Föderation in der Teilrepublik Tschetschenien prekäre Sicherheitslage gegründet. Der Beschwerdeführer habe in seiner schriftlichen Stellungnahme auch keinerlei Gründe für eine ihm im Falle einer aktuellen Rückkehr drohende Verfolgung dargetan. Da sich die Lage in der Russischen Föderation über einen längeren Zeitraum nachhaltig geändert habe und dem Beschwerdeführer zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Gefahr mehr drohe, sei ihm der Status eines Asylberechtigten unter Anwendung des Art. 1 Abschnitt C Z 5 der GFK wieder abzuerkennen gewesen. Da der Beschwerdeführer von einem österreichischen Strafgericht verurteilt worden wäre, komme ihm die Ablaufhemmung nach § 7 Abs. 3 AsylG nicht zugute.
Die allgemeine Lage im Herkunftsstaat sei nicht so schlecht, dass eine Rückkehr dorthin generell als unmöglich einzustufen wäre, die Versorgung mit Dingen des täglichen Bedarfs sei gegeben. Der Beschwerdeführer habe die ersten 15 Lebensjahre in Tschetschenien verbracht, beherrsche die Landessprache, habe dort die Schule besucht und sei in einem tschetschenischen Familienverband sozialisiert worden. In seinem Asylverfahren seien zu keinem Zeitpunkt eigene Fluchtgründe vorgebracht worden, sondern es sei Asyl lediglich aufgrund eines Familienverfahrens gewährt worden. Beim Beschwerdeführer handle es sich um einen arbeitsfähigen jungen Mann, dem es auch im Herkunftsland zumutbar sei, eigenständig für seinen Lebensunterhalt aufzukommen. Das allgemeine Lebensrisiko, am Erreger SARS-CoV-2 zu erkranken, sei weltweit erhöht, zudem sei das individuelle Risiko eines schweren oder tödlichen Krankheitsverlaufs im Falle des Beschwerdeführers, eines jungen, nicht immungeschwächten, Menschen, als sehr niedrig zu qualifizieren.
Der Beschwerdeführer verfüge im Bundesgebiet über familiäre Anknüpfungspunkte in Form seiner Eltern und Geschwister; seine Ehefrau und die gemeinsame minderjährige Tochter würden in Deutschland leben. Jedoch habe der Beschwerdeführer eine Trennung von seiner Familie durch die Begehung von Straftaten bewusst in Kauf genommen. Zu seinen Eltern und Geschwistern liege ein übliches Verwandtschaftsverhältnis vor, welches von keinen zusätzlichen Merkmalen der Abhängigkeit geprägt sei. Der Beschwerdeführer spreche Deutsch und sei verschiedenen Beschäftigungen nachgegangen, doch es könne keine besondere Integrationsverfestigung festgestellt werden. In Österreich sei er insgesamt viermal wegen näher angeführter gerichtlich strafbarer Handlungen verurteilt worden. Eine Gesamtschau begründe eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer künftig eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen werde, sodass die Erlassung eines Einreiseverbotes in der Dauer von fünf Jahren angemessen erscheine.
5. Mit am 27.07.2020 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingelangtem Schriftsatz wurde unter gleichzeitiger Bekanntgabe des im Spruch bezeichneten Vertretungsverhältnisses fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde eingebracht. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe als Kind beide Tschetschenienkriege erlebt, die Kriegsverbrechen und schwerste Menschenrechtsverletzungen zu Lasten der Zivilbevölkerung nach sich gezogen hätten. Die Familie des Beschwerdeführers habe den Herkunftsstaat verlassen müssen, da sie wegen der Unterstützung der tschetschenischen Freiheitskämpfer durch den Vater des Beschwerdeführers verfolgt worden sei. Die Behörde habe die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren verletzt. So habe die Behörde es unterlassen, ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren bezüglich der Fragen durchzuführen, ob einerseits die Umstände, aufgrund derer die Bezugsperson des Beschwerdeführers als Flüchtling anerkannt worden sei, nicht mehr bestehen und anderseits, ob der Beschwerdeführer selbst im Falle einer Rückkehr nach Tschetschenien wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe seiner Familie einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre. Das Bundesamt wäre angehalten gewesen, den ursprünglichen Grund der Asylgewährung darzulegen und sodann zu ermitteln, ob der Beschwerdeführer wegen seiner Angehörigeneigenschaft eine entsprechende Gefährdung zu befürchten habe. Dem bekämpften Bescheid seien keinerlei Ermittlungsschritte zu entnehmen, sodass nicht nachvollziehbar sei, wie die Behörde zum betreffenden Ergebnis gelangt sei. Verwiesen wurde auf auszugsweise zitierte Berichte zur Thematik von Blutrache und Sippenhaft in Tschetschenien. Ungeachtet der fehlenden Ermittlungen zur Frage einer asylrelevanten Verfolgung des Beschwerdeführers sei zu betonen, dass sich die Lage in der Teilrepublik Tschetschenien entgegen der Ansicht der Behörde nicht zu Gunsten der zivilen Bevölkerung wesentlich und nachhaltig geändert hätte, was ebenfalls durch näher angeführte Berichte untermauert werde. Desweiteren habe das Bundesamt es unterlassen, die für den Beschwerdeführer zu erwartende Rückkehrsituation unter Berücksichtigung seiner langjährigen Abwesenheit aus Tschetschenien, der Auswirkungen seines Flüchtlingsstatus in Österreich auf den Umgang seitens der tschetschenischen Behörden sowie der Frage eines menschwürdigen Überlebens – auch unter Beachtung der aktuellen COVID 19-Pandemie – zu ermitteln. Zur unberechenbaren und oftmals dem Zufall geschuldeten Verfolgung von Rückkehrern werde auf eine Anfragebeantwortung von ACCORD vom 31.01.2020 verwiesen. Selbst bei einer Niederlassung in einem anderen Teil der Russischen Föderation sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer mangels ausreichender Sicherung seines Lebensbedarfs alsbald nach seiner Rückkehr in eine existenzielle Notlage iSd Art. 2 und 3 EMRK geraten würde und zudem der Gefahr einer alltäglichen Diskriminierung ausgesetzt wäre. Auch die Ausführungen zu den Auswirkungen der COVID 19-Pandemie in Tschetschenien würden sich als unzulänglich erweisen.
Schließlich seien auch im Hinblick auf das Familienleben des Beschwerdeführers nur unzureichende Ermittlungen erfolgt. Insbesondere sei eine Befragung der Ehegattin des Beschwerdeführers als Zeugin unterblieben. Zwischen den Eheleuten fänden regelmäßige Besuche statt, zudem hätte die Ehegattin bereits einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in Österreich gestellt und würde im Oktober ihr zweites Kind erwarten. Die Trennung von der Ehefrau sei vom Bundesamt mit keinem Wort thematisiert worden und es sei als lebensfremd zu erachten bezüglich der Aufrechterhaltung des Kontakts mit einem Kleinkind auf moderne Kommunikationsmittel zu verweisen. Eine Auseinandersetzung mit der Frage des Kindeswohls sei gänzlich unterblieben. Zudem hätten die Eltern des Beschwerdeführers als Zeugen befragt werden müssen, zumal zu diesen ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis vorliege, da der Beschwerdeführer seinen Vater in dessen Firma maßgeblich unterstütze und eine Abschiebung des Beschwerdeführers für die Familie den finanziellen Ruin bedeuten würde. Basierend auf der mangelhaften Ermittlungstätigkeit habe die Behörde eine mangelhafte Beweiswürdigung und unrichtige rechtliche Beurteilung vorgenommen. In Bezug auf das Einreiseverbot sei die erforderliche Prognosebeurteilung nicht vorgenommen worden; das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers sei einseitig beurteilt und dessen Parteienvorbringen außer Acht gelassen worden.
6. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 04.08.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Da sich die gegenständliche zulässige und rechtzeitige Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG zur Entscheidung zuständig.
Zu Spruchteil A) Zurückverweisung der Rechtssache:
2.1. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG durch die Verwaltungsgerichte hat der Verwaltungsgerichtshof ausgehend von einem prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch das Verwaltungsgericht präzisierend wie folgt festgehalten (VwGH vom 06.07.2016, Ra 2015/01/0123):
"In § 28 VwGVG 2014 ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg cit vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (Hinweis E vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, mwN). Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Hinweis E vom 27. Jänner 2015, Ra 2014/22/0087, mwN). Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (Hinweis E vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, mwN)."
2.2. Vorweg ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer im Sinne des § 2 Abs. 3 AsylG 2005 straffällig geworden ist, sodass eine Aberkennung seines Asylstatus gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 iVm § 7 Abs. 3 AsylG 2005 auch nach Ablauf von mehr als fünf Jahren seit der Zuerkennung des Status in Betracht kommt.
2.2.1. Die Behörde hat die Aberkennung des Status des Asylberechtigten auf einen Wegfall der ursprünglich für die Anerkennung als Flüchtling ausschlaggebenden Umstände gestützt; das zugrundeliegende Aberkennungsverfahren ist bereits deshalb gravierend mangelhaft geführt worden, da sich dem angefochtenen Bescheid nicht konkret entnehmen lässt, aufgrund welchen Sachverhaltes die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an den Beschwerdeführer ursprünglich erfolgt war.
Die näheren Gründe, welche für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an den Beschwerdeführer ausschlaggebend gewesen sind, lassen sich der im Akt einliegenden Ausfertigung des Bescheides vom 20.07.2006 nicht entnehmen; der auf §§ 7 Abs. 1 und 12 AsylG 1997 gestützte Bescheid führt aus, dass der Beschwerdeführer einen unter § 7 AsylG 1997 zu subsumierenden Sachverhalt vorgebracht hätte, was grundsätzlich für eine Zuerkennung des Asylstatus aus eigenen Gründen spräche. Nähere Ausführungen über den konkreten Sachverhalt, welcher der Asylgewährung zugrunde gelegen hat, lassen sich dem Verwaltungsakt jedoch nicht entnehmen. Zugleich führt der Bescheid die Bestimmungen über das Familienverfahren nach § 10 AsylG 1997 ins Treffen und es wird auch im nunmehr angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, dass dem damals vierzehnjährigen Beschwerdeführer der Status eines Asylberechtigten nicht aufgrund eigener Gründe, sondern abgeleitet vom Status seiner Mutter, zuerkannt worden war.
Unterlagen, welche Aufschluss über das vom Beschwerdeführer respektive seiner Mutter im Asylverfahren erstattete Vorbringen, welches zur Anerkennung der Familie als Flüchtlinge geführt hatte, geben würden, lassen sich weder dem angefochtenen Bescheid, noch dem sonstigen Inhalt des Verwaltungsaktes entnehmen.
2.2.2. Folgt man der – im angefochtenen Bescheid vertretenen Ansicht – dass dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten nicht aufgrund eigener Verfolgungsgründe im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, sondern nach den nationalen Bestimmungen des Familienverfahrens, abgeleitet vom Asylstatus seiner Mutter zuerkannt worden war, ist festzuhalten, dass das Bundesamt im Hinblick auf die zur Anwendung gebrachte „Wegfall der Umstände“-Klausel des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK zentrale Ermittlungen unterlassen hat:
2.2.2.1. Zur Begründung der Aberkennung des derart zuerkannten Status unter Anwendung der „Wegfall der Umstände“-Klausel des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK vertrat die Behörde im angefochtenen Bescheid die Ansicht, dass die Gründe für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten im Falle des Beschwerdeführers weggefallen seien, zumal dieser keine aktuelle individuelle asylrelevante Verfolgung in seinem Herkunftsstaat zu befürchten habe.
Jener vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vertretenen Rechtsansicht ist der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 23.10.2019, Ra 2019/19/0059-6, nicht gefolgt; der Verwaltungsgerichtshof führte in jenem Erkenntnis näher aus (vgl. Rz 24 f), dass es auf die Frage, ob einem Familienangehörigen im Herkunftsstaat asylrelevante Verfolgung iSd § 3 Abs. 1 AsylG 2005 drohe, für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nach § 34 Abs. 2 AsylG 2005 (vormals § 10 AsylG 1997) gerade nicht ankomme und es daher den Bestimmungen des § 34 AsylG 2005 über das Familienverfahren zuwiderlaufen würde, wenn für die Frage, ob der nach diesen Bestimmungen zuerkannte Status des Asylberechtigten abzuerkennen sei, auf das Vorliegen einer asylrelevanten Verfolgung beim Familienangehörigen abgestellt würde. Ebenso wenig sei für die Asylaberkennung in einem solchen Fall maßgeblich, ob alle Voraussetzungen des § 34 AsylG 2005 für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten im Familienverfahren (also etwa die im Revisionsfall, wie auch im vorliegenden Beschwerdefall, nicht mehr gegebene fehlende Straffälligkeit iSd § 34 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005) noch vorliegen. Auch gebe es keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber die auf Grund des Verweises in § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 anzuwendende (völkerrechtliche) Beendigungsklausel des Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK auf eine nationalstaatliche Regelung wie jene des § 34 AsylG 2005, welche die Anerkennung als Flüchtling gerade unabhängig von den Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorsehe, angewendet wissen wollte.
In Bezug auf die Anwendung der „Wegfall der Umstände“-Klausel in Fällen der Aberkennung eines Status des Asylberechtigten, welcher ursprünglich abgeleitet von einem Familienangehörigen zuerkannt worden war, führte der Verwaltungsgerichtshof in der erwähnten Entscheidung (vgl. Rz 26 ff) weiter aus, dass die in Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK vorgesehene „Wegfall der Umstände“-Klausel im Unterschied zu allen anderen Aberkennungstatbeständen des § 7 Abs. 1 AsylG 2005 nicht gesondert für einen Familienangehörigen, der seinen Asylstatus von einer Bezugsperson abgeleitet hat, geprüft werden kann. Es sei nämlich bei einer Person, welcher die Flüchtlingseigenschaft unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK zukommt, der Wegfall solcher Umstände von vornherein nicht denkbar.
Dies würde aber dazu führen, dass der Aberkennungstatbestand des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK hinsichtlich von Personen, denen der Status des Asylberechtigten im Familienverfahren (bzw. durch Asylerstreckung) zuerkannt wurde, ins Leere liefe. Familienangehörigen könnte dieser Status also selbst dann nicht aberkannt werden, wenn sich die Umstände, auf Grund deren ihre Bezugsperson als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und die Bezugsperson es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen. Es kann dem Gesetzgeber aber nicht unterstellt werden, dass er eine solche Rechtsfolge bei der Ersetzung der Asylerstreckung durch das Familienverfahren durch die AsylG-Novelle 2003 trotz der ersatzlosen Aufhebung des auf die Asylerstreckung Bezug nehmenden Aberkennungstatbestandes des § 14 Abs. 1 Z 2 AsylG bewirken wollte.
Die Beendigungsklauseln des Art. 1 Abschnitt C GFK beruhen auf der Überlegung, dass internationaler Schutz nicht mehr gewährt werden sollte, wo er nicht mehr erforderlich oder nicht mehr gerechtfertigt ist. Bei der „Wegfall der Umstände“-Klausel sei dies dann der Fall, wenn die Gründe, die dazu führten, dass eine Person ein Flüchtling wurde, nicht mehr bestehen. Zweck der Regelungen über das Familienverfahren nach dem AsylG 2005 sei es, Familienangehörigen die Fortsetzung des Familienlebens mit einer Bezugsperson in Österreich zu ermöglichen. Bestehen jene Umstände, auf Grund deren die Bezugsperson als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr, und könne es die Bezugsperson daher nicht weiterhin ablehnen, sich unter den Schutz ihres Heimatstaates zu stellen, bestehe weder nach dem Zweck des internationalen Flüchtlingsschutzes noch nach jenem des Familienverfahrens nach dem AsylG 2005 eine Rechtfertigung dafür, den Asylstatus des Familienangehörigen, der diesen Status von der Bezugsperson nur abgeleitet hat, aufrecht zu erhalten.
Für die Aberkennung des einem Familienangehörigen im Familienverfahren (bzw. durch Asylerstreckung) zuerkannten Status des Asylberechtigten wegen Wegfalls der fluchtauslösenden Umstände komme es also darauf an, ob die Umstände, auf Grund deren die Bezugsperson als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und es diese daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen. Diese Frage habe die Behörde (bzw. das Verwaltungsgericht) ohne Bindung an eine allfällige diesbezügliche Entscheidung im Verfahren über die Aberkennung des Asylstatus des Familienangehörigen selbstständig zu beurteilen.
Gelange die Behörde (bzw. das Verwaltungsgericht) in so einem Fall zu der Beurteilung, dass die in Rn. 29 genannten Umstände nicht mehr vorliegen, ist der Asylstatus eines Familienangehörigen, dem dieser Status im Familienverfahren (bzw. durch Asylerstreckung) zuerkannt worden ist, abzuerkennen, sofern im Entscheidungszeitpunkt hinsichtlich des Familienangehörigen nicht die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (drohende Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK) vorliegen (vgl. in diesem Sinn auch EuGH 2.3.2010, C-175/08 u.a., Aydin Salahadin Abdulla u.a., Rn. 81 ff).
2.2.2.2. Das gegenständliche Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten wegen Wegfalls der Umstände, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, weist vor dem Hintergrund der eben zitierten Judikatur insofern einen gravierenden Mangel auf, als die Behörde keine erkennbaren Feststellungen dahingehend, ob die Mutter des Beschwerdeführers – von welcher dieser seinen Status nach der im angefochtenen Bescheid dargelegten Ansicht abgeleitet hat und welche zwischenzeitlich die österreichische Staatsbürgerschaft erlangt hat – in der Russischen Föderation unverändert einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt ist, getroffen hat. Die Behörde stützte die Aberkennung des Status des Asylberechtigen des Beschwerdeführers im angefochtenen Bescheid ausschließlich auf den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK, für dessen Anwendung in der vorliegenden Konstellation laut der dargestellten Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes als Vorfrage auf den Wegfall der Verfolgungsgefahr bei der Mutter des zwischenzeitig volljährigen Beschwerdeführers abzustellen gewesen wäre. Insofern hat die Behörde fallgegenständlich lediglich ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt, um den für eine Aberkennung des Asylstatus wegen Wegfalls der Umstände relevanten Sachverhalt festzustellen.
Zu dem für das gegenständliche Verfahren entscheidungsmaßgeblichen Aspekt eines bei der Mutter des Beschwerdeführers unverändert vorliegenden asylrelevanten Sachverhalts tätigte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl keinerlei Ermittlungen. Im Verwaltungsakt liegt weder der Bescheid, mit welchem der Mutter des Beschwerdeführers der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden ist, ein, noch finden sich Einvernahmeprotokolle oder sonstige Unterlagen, welche Rückschluss auf die Fluchtgründe der Mutter des Beschwerdeführers zulassen würden. Die entscheidungsmaßgebliche Vorfrage, ob bei der Bezugsperson des Beschwerdeführers unverändert eine asylrelevante Gefahr vorliegt, wurde im Verfahren vor der Behörde nicht ansatzweise behandelt.
Die Ergänzung des Ermittlungsverfahrens bzw. die Nachholung der fehlenden Feststellungen durch das Bundesverwaltungsgericht selbst wäre demnach fallgegenständlich weder im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden (vgl. VwGH 18.4.2018, Ra 2018/22/0015), zumal dem angefochtenen Bescheid, wie dargelegt, im vorliegenden Fall überhaupt keine Feststellungen zu den ursprünglichen Gründen für die Zuerkennung des Asylstatus an die Mutter des Beschwerdeführers und des unveränderten Bestehens derselben entnommen werden können, sodass der für das gegenständliche Verfahren relevante Sachverhalt zur Gänze erstmals im Beschwerdeverfahren ermittelt werden müsste.
2.2.2.3. Auch unter der Annahme, dass der Status des Asylberechtigten wegen einer individuellen Verfolgungsgefahr zuerkannt worden ist, hat die Behörde die für eine Aberkennung des Status notwendigen Ermittlungen unterlassen.
Im Hinblick auf eine dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat aktuell drohende individuelle Verfolgung findet sich keine Ermittlungsgrundlage im angefochtenen Bescheid. Wie dargelegt, lässt sich dem Verwaltungsakt nicht entnehmen, aufgrund welchen Sachverhaltes dem Beschwerdeführer respektive seinen Eltern der Status von Asylberechtigten ursprünglich zuerkannt worden ist, sodass es auch nicht möglich ist, zu beurteilen, ob dem Beschwerdeführer resultierend aus den ursprünglichen Ausreisegründen seiner Familie allenfalls unverändert eine Gefährdung in seinem Heimatland drohen könnte. Der Beschwerdeführer wurde im Verfahren vor dem Bundesamt nicht einvernommen und zu allfälligen aktuellen Rückkehrbefürchtungen befragt, sodass im Ergebnis keine Ermittlungshandlungen dahingehend getätigt wurden, ob der Beschwerdeführer wegen der ursprünglichen Ausreisegründe seiner Familie oder allenfalls auch aufgrund seither neu entstandener Gründe eine Verfolgung in seinem Heimatland befürchtet. Die Einräumung schriftlichen Parteiengehörs, welche im Rahmen eines Fragenkataloges u.a. eine Fragestellung hinsichtlich aktueller Rückkehrbefürchtungen enthält, kann nicht als ausreichende Grundlage für die Beurteilung einer möglicherweise aktuellen Gefährdung des Beschwerdeführers im Heimatland erachtet werden. Auch wenn sich im fortgesetzten Verfahren ergeben sollte, dass die Zuerkennung des Schutzstatus ursprünglich aufgrund individueller Gründe des Beschwerdeführers erfolgt war, würde es demnach an den für die Prüfung eines Aberkennungstatbestandes erforderlichen Ermittlungen fehlen, zumal eine Auseinandersetzung mit dem ursprünglichen Fluchtgrund und eines allfälligen Wegfalls desselben im Verfahren vor dem Bundesamt, wie dargelegt, nicht erfolgt ist.
2.2.3. Die Behörde hat die Aberkennung des Asylstatus fallgegenständlich ausschließlich auf den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG gestützt und keine möglichen weiteren Aberkennungsgründe geprüft. Diesbezüglich ist vollständigkeitshalber festzuhalten, dass sich dem Akteninhalt kein Hinweis auf einen allenfalls vorliegenden alternativen Aberkennungstatbestand entnehmen lässt. Der Beschwerdeführer weist vier rechtskräftige Verurteilungen auf, doch ist in Anbetracht der im Strafregister der Republik Österreich ersichtlichen Eintragungen sowie der im Akt einliegenden Urteilsausfertigungen, wenn auch die Taten in ihrem Unrechtsgehalt keinesfalls zu verharmlosen sind, prima facie nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer „ein besonders schweres Verbrechen“ im Sinne des vom Verwaltungsgerichtshof restriktiv ausgelegten Aberkennungstatbestandes des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 begangen hat. Die ersten drei Verurteilungen führten zur Verhängung bedingt nachgesehener Freiheitsstrafen respektive einer Geldstrafe. Zuletzt wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB sowie des Verbrechens der schweren Nötigung als Beteiligter nach §§ 12 dritter Fall, 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt, von der ihm ein Teil in der Höhe von 16 Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden ist. Eine Auseinandersetzung mit den konkreten Tatumständen lässt sich dem angefochtenen Bescheid nicht entnehmen.
2.2.4. Darüber hinaus hat sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auch mit der privaten und familiären Situation des Beschwerdeführers unzureichend befasst. Vor dem Hintergrund, dass dieser seit dem Jahr 2005 infolge seiner im vierzehnten Lebensjahr erfolgten Einreise durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig ist, wäre – auch vor dem Hintergrund der zwar mehrfachen Straftaten – eine eingehendere Auseinandersetzung mit den privaten und familiären Bindungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sowie den Umständen der begangenen Straftaten von Nöten gewesen, um eine ausreichende Beurteilungsgrundlage für die im Sinne des Art. 8 EMRK durchzuführende Interessensabwägung zu gewinnen. Eine persönliche Befragung des Beschwerdeführers zur Intensität seiner familiären und privaten Bindungen im Bundesgebiet sowie der den strafgerichtlichen Verurteilungen zugrunde gelegenen Taten hat jedoch nicht stattgefunden. Ebensowenig wurden Ermittlungen zur Intensität der familiären Beziehungen zur in Deutschland lebenden standesamtlich angetrauten Ehegattin sowie der im Jahr 2016 geborenen gemeinsamen minderjährigen Tochter durchgeführt.
2.3. Angesichts der dargelegten gravierenden Ermittlungslücken erscheint eine sachgerechte Beurteilung der Beschwerde hinsichtlich der ausgesprochenen Aberkennung des Status des Asylberechtigten, der Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung sowie der erlassenen Rückkehrentscheidung auf Grundlage der Ermittlungsergebnisse der belangten Behörde als völlig ausgeschlossen, wobei hinsichtlich dieser Beurteilung ein vom bekämpften Bescheid abweichendes Ergebnis nicht auszuschließen ist.
Der angefochtene Bescheid der belangten Behörde und das diesem zugrunde liegende Aberkennungsverfahren sind im Ergebnis daher so mangelhaft, dass die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde geboten erscheint, wobei sich im konkreten Fall erst nach einem nachvollziehbaren Ermittlungsverfahren ergeben wird, ob im vom Bundesamt eingeleiteten Aberkennungsverfahren die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 AsylG 2005 tatsächlich vorliegen und die (allfällige) Erlassung eines neuen Bescheides zulassen. Diesbezüglich erweist sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde jedenfalls noch als ungeklärt.
2.4. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG. Da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der gegenständliche Bescheid aufzuheben ist, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht individuelle Verhältnisse Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Privat- und FamilienlebenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W103.2233655.1.00Im RIS seit
16.06.2021Zuletzt aktualisiert am
16.06.2021