TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/3 W272 2210414-5

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.03.2021
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Entscheidungsdatum

03.03.2021

Norm

AsylG 2005 §55
B-VG Art133 Abs4
FPG §57
VwGVG §8a Abs1
VwGVG §8a Abs2
ZPO §64 Abs1 Z1 lita
ZPO §64 Abs3

Spruch


W272 2210414-5/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Russische Föderation, vertreten durch Bundesagentur für Betreuung und Unterstützungsleistungen, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom XXXX , XXXX ,

1. zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2. beschlossen:

C) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe (im Umfang der Befreiung von der Entrichtung der Eingabegebühr) wird gemäß 8a Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 64 Abs. 1 Z 1 lit a und Abs. 3 ZPO abgewiesen

D)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehört der tschetschenischen Volksgruppe an, reiste im September 2003 im Alter von 12 Jahren mit seiner Familie ins Bundesgebiet ein und wurde für ihn am 28.09.2003 ein Asylantrag gestellt.

2. Der Asylantrag des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des damals zuständigen Bundesasylamtes vom 07.03.2005 gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.), die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Russland gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.) und der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

3. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Bescheid des damals zuständigen Unabhängigen Bundesasylsenates vom 20.06.2006, Zl. 259.374/0-II/06/05, stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 7 AsylG 1997 Asyl gewährt und gemäß § 12 AsylG 1997 festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

4. Mit Urteil des Landesgerichtes Graz vom 26.09.2007, rechtskräftig am 06.05.2008, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren Raubes gemäß § 142/1, §15, § 143 (1.Fall), § 143 (2.Fall), § 15, § 164/1 und 4 (2.Fall), § 131 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten unter Anordnung der Bewährungshilfe (Jugendstraftat) verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer als Mittäter im Zeitraum von Dezember 2006 bis Jänner 2007 in 9 Fällen Personen durch Gewalt und Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben teilweise um Bargeld und Gegenstände beraubt hat.

5. Anlässlich einer Einvernahme beim damals zuständigen Bundesasylamt am 04.08.2008 wegen der Aberkennung des Asylstatus gab der Vater des Beschwerdeführers als sein gesetzlicher Vertreter an, dass eine Rückkehr der Familie nach Tschetschenien zu gefährlich sei. Der Beschwerdeführer gab an, im Gefängnis den Hauptschulabschluss gemacht zu haben, nun bei seinen Eltern und drei Geschwistern zu leben.

6. Mit Urteil des Landesgerichtes Graz vom 07.07.2009, rechtskräftig am 22.09.2009, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung und des Widerstandes gegen die Staatsgewalt gemäß § 15, § 269/1 (1. Fall), § 83/1, § 84 Abs. 2/4 (1. Fall), § 84/1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten als junger Erwachsener verurteilt und die Probezeit nach seiner bedingten Entlassung am 21.07.2008 aus seiner Freiheitsstrafe von ursprünglich 3 auf 5 Jahre verlängert.

7. Im Zuge seiner Einvernahme beim damals zuständigen Bundesasylamt am 02.09.2009 wegen der Einleitung eines Aberkennungsverfahrens gab der nun erwachsene Beschwerdeführer auf Deutsch an, besser Deutsch und Tschetschenisch als Russisch zu sprechen. Er wolle nicht nach Russland zurückkehren. In Tschetschenien werde die Situation immer schlimmer. Er wisse nicht was er dort tun solle, alles was er gelernt habe, habe er hier gelernt.

8. Mit Urteil des Landesgerichts Graz vom 25.09.2009, rechtskräftig am 29.09.2009, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung, der Sachbeschädigung sowie der versuchten Nötigung gemäß § 83/1, § 15, § 105/1, § 125 STGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten (Zusatzstrafe zum Urteil vom 07.07.2009) als junger Erwachsener verurteilt.

9. Mit Urteil des Landesgerichts Graz vom 12.10.2009 wurde die Bewährungshilfe zum Urteil vom 26.09.2007 aufgehoben.

10. Mit Urteil des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 04.08.2010, rechtskräftig am 10.08.2010, wurde der Beschwerdeführer gemäß § 27 Abs. 1/1, § 27/2 SMG wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften zu einer Freiheitsstrafe von 4 Wochen als junger Erwachsener verurteilt.

11. Mit Urteil des Landesgerichts Graz vom 10.05.2010, rechtskräftig am 11.01.2011, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des teilweise versuchten Raubes, des Vergehens der Nötigung und der Urkundenunterdrückung gemäß § 15, § 142/1, § 229/1, § 105/1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten als junger Erwachsener als Zusatzstrafe zu den Urteilen vom 07.07.2009 und 25.09.2009 verurteilt.

12. Mit Urteil des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 01.09.2010, rechtskräftig am 08.03.2011, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83/1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten als Zusatzstrafe zum Urteil vom 04.08.2010 als junger Erwachsener verurteilt.

13. Mit Urteil des Landesgerichtes Graz vom 06.11.2012, rechtskräftig am 14.05.2013, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren Raubes unter Verwendung einer Waffe gemäß § 142 Abs. 1 StGB, § 143 1. Satz 2. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren verurteilt und wurde die bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe zum Urteil vom 26.09.2007 widerrufen.

14. Mit Urteil des Landesgerichts Steyr vom 15.05.2014, rechtskräftig am 20.05.2014, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung gemäß § 107 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten verurteilt.

15. Mit Schreiben vom 02.10.2017 wurde der Beschwerdeführer zur Stellungnahme zum Länderinformationsblatt betreffend die Russische Föderation und zu seiner persönlichen Situation im Rahmen eines Aberkennungsverfahrens aufgefordert, wozu er am 19.10.2017 vorbrachte, dass er in Österreich die Hauptschule und das Polytechnikum besucht habe. Sein Vater, seine Stiefmutter und seine drei Stiefgeschwister würden in Österreich leben. Aktuell sei er arbeitslos. Er habe 15 Monate im Unternehmerbetrieb gearbeitet, in der Justizanstalt 10 Monate lange eine Maurerlehre absolviert und in der Anstaltsküche gearbeitet. Er habe mehr als die Hälfte seines Lebens in Österreich verbracht und habe keinen Bezug zur Russischen Föderation. Er habe dort niemanden und auch keine Unterkunft. Aktuell gehe es ihm gesundheitlich gut. Er sei islamischen Glaubens, bete aber derzeit nicht. Im Herkunftsstaat gebe es genug Gründe, um bedroht zu werden, weil sein Vater im Krieg gewesen sei. Sie seien beide politische Flüchtlinge. Er wolle nicht als Druckmittel dafür dienen, damit ihnen etwas passieren könnte. Er habe Angst vor der Abschiebung.

16. Mit Urteil des Bezirksgerichts Baden vom 25.10.2017, rechtskräftig am 31.10.2017, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt.

17. Am 08.11.2018 wurde der Beschwerdeführers mit rechtskräftigem Beschluss des Landesgerichts Steyr vom 28.08.2018 auf eine Probezeit von 3 Jahren bedingt aus der Freiheitsstrafe (zu den Urteilen vom 25.10.2017, 06.11.2012 und 15.05.2014) entlassen, wobei eine Probezeit von 3 Jahren bestimmt, für die Probezeit die Bewährungshilfe angeordnet und dem Beschwerdeführer die Weisung erteilt wurde, sich einer Drogenberatung sowie einer Spielsuchttherapie zu unterziehen und bezüglich aller Weisungen dem Gericht binnen einem Monat nach bedingter Entlassung, sodann vierteljährlich unaufgefordert einen Nachweis vorzulegen. Dazu wurde weiter ausgeführt, dass für die bedingte Entlassung, die festgesetzte Dauer der Probezeit sowie die Anordnung der Bewährungshilfe folgende Umstände maßgebend waren „(Schlagworte): belastetes Vorleben; Rückfall nach BE (2008); Straftaten während Haft; keine spezialpräventiven Gründe gegen BE; 6 Ordnungswidrigkeiten, zuletzt am 12.06.2017; Verhalten entsprechend der Hausordnung; noch keine Vollzugslockerungen; Asylaberkennungsverfahren laufend; JA und StA für BE.“

18. Mit Bescheid vom 04.11.2018 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer den ihm mit Bescheid des damals zuständigen Unabhängigen Bundesasylsenates vom 20.06.2006, Zl. 259.374/0-II/06/05, zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ab und stellte gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 fest, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Weiters erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 iVm § 9 BFA- VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG idgF wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

19. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.12.2018, Zl W182 2210414-1/3E, wurde die gegen die Spruchpunkte I. und III. bis VII. dieses Bescheides erhobene Beschwerde gemäß §§ 7 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4, 10 Abs. 1 Z 4, 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I. Nr. 100/2005 idgF, §§ 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl I. Nr. 87/2012 idgF, und §§ 52 Abs. 2 Z 3 und Abs. 9, § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5, 46 und 55 Abs. 1 bis 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I. Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.

20. Am 27.10.2019 brachte der Beschwerdeführer neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

21. Am 30.10.2019 wurde der Beschwerdeführer in Schubhaft genommen.

22. Am 19.11.2019 fand die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers zum Folgeantrag statt.

23. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.11.2019 wurde der Folgeantrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers vom 27.10.2019 sowohl hinsichtlich des Status der Asylberechtigten als auch jenes des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl Nr. 51/1991 idgF, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkte I. und II.).

24. Am 15.01.2020 versuchte der BF aus der Schubhaft zu entfliehen.

25. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.01.2020, Zl. 2210414-2/5E, wurde die dagegen erhobene Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 68 Abs. 1 AVG, jeweils idgF, als unbegründet abgewiesen und der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung als unzulässig zurückgewiesen.

26. Am 19.02.2020 brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ein und legte ein selbstverfasstes Schreiben bei. Nach einem Verbesserungsauftrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl brachte er sein schriftliches Anliegen mit Schreiben vom 16.03.2020 erneut ein.

27. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.03.2020 wurde sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK vom 19.02.2020 gemäß § 55 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen.

28. Gegen diesen Bescheid wurde durch den Verein Menschenrechte Österreich mit Schreiben vom 11.05.2020 Beschwerde eingebracht. Darin wird im Wesentlichen darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer eine eheähnliche Beziehung geführt habe und immer noch liiert sei. Aufgrund der islamischen Eheschließung sehe er auch die drei Kinder seiner Partnerin als seine Stiefkinder an. Der Beschwerdeführer habe einen längeren Zeitraum bei seiner Partnerin gelebt, es sei jedoch keine amtliche Meldung möglich gewesen, da er über keinen Lichtbildausweis verfüge. Aus diesem Grund habe er auch keine Möglichkeit zur legalen Erwerbstätigkeit und sei nicht krankenversichert. Zudem würde sein Vater, seine Stiefmutter und drei Geschwister in Österreich leben. Er verfüge über sehr gute Deutschkenntnisse und habe einige integrative Schritte gesetzt. Zur Familie im Herkunftsstaat wurde ausgeführt, dass Onkeln und Tanten des Beschwerdeführers in Russland leben würden, diese jedoch ihn nicht unterstützen könnten. Es wurde zudem ein eigens verfasstes Schreiben des Beschwerdeführers sowie seiner Partnerin vorgelegt.

29. Das Bundesverwaltungsgericht stellte in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft mit Erkenntnis vom 15.05.2020, G307 2226325-5/2E, fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

30. Mit Erkenntnis des BVwG, W232 2210414-3/4E, vom 25.05.2020, wurde die gegen den Bescheid des BFA, vom 31.03.2020, erhobene Beschwerde abgewiesen. Das Gericht stellt fest, dass der BF im September 2003 im Alter von 12 Jahre illegal mit seiner Familie nach Österreich einreiste und mit Bescheid des damaligen zuständigen Unabhängigen Bundesasylsenates vom 20.06.2006 wegen der Fluchtgründe seines Vaters den Status eines Asylberechtigten erhalten hat. Der BF ist neun Mal rechtskräftig wegen gerichtlich strafbarer Handlungen teilweise zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Die letzte Tatbegehung erfolgte im Februar 2017. Der Beschwerdeführer hat während seines Aufenthaltes in Österreich fast 12 Jahre in Strafhaft verbracht. Der Beschwerdeführer wurde (zuletzt) Anfang November 2018 aus der Strafhaft entlassen und befindet sich seit 30.10.2019 in Schubhaft. Der Vater, dies Stiefmutter, sowie drei Stiefgeschwister halten sich als Asylberechtigte im Bundesgebiet auf. Der BF ist im Jänner 2019 eine Beziehung zu einer österreichischen Staatsbürgerin eingegangen. Ob es sich um eine eheähnliche Beziehung handle, könne dahingestellt bleiben, da selbst bei Zugrundelegung des Beschwerdeführers, dass er mit einer österreichischen Staatsbürgerin seit Ende Jänner 2019 eine Beziehung führe, mit ihr seit August 2019 nach muslimischen Ritus verheiratet sei und mit ihr und ihren drei minderjährigen Kindern ein familienähnliches Leben (in einem gemeinsamen Haushalt) führe, nach Maßgabe einer Interessensabwägung die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK nicht geboten ist. Im Herkunftsland leben zwei Onkel und eine Tante. Ein besonderes Naheverhältnis zu seinem Vater, Stiefmutter und den drei Stiefgeschwister wurden nicht vorgebracht und konnte nicht festgestellt werden. Das Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.

31. Mit Erkenntnissen des BVwG vom 12.06.2020, G308 2226325-6/2E, 15.07.2020, G309 2226325-7/6E, 21.08.2020, G305 2226325-8/2E, 21.09.2020, G307 2226325-9/5E, 20.10.2020, G308 2226325-10/2E, 17.11.2020, G305 2226325-11/8E, 10.12.2020, G302 2226325-12/2E und 07.10.2021, G306 2226325-13/10E wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung, die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

32. Mit 19.01.2021 wurde der BF aus der Schubhaft erlassen.

32. Mit dem gegenständlichen Bescheid wurde dem BF aufgetragen bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung BS Tirol Trixlegg 12, 6391 Fieberbrunn zu nehmen (Spruchpunkt I) und gem. § 13 Abs. 2 VwGVG einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ausgeschlossen (Spruchpunkt II). Begründet wurde die Entscheidung im Wesentlichen damit, dass gegen de BF eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde, welche in Rechtskraft erwachsen sei. Seit der Durchsetzbarkeit sei der BF seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen. Er sei ledig habe keine Kinder, habe eine österreichische Freundin, mit welcher er in keinem gemeinsamen Haushalt lebe. Mit der Freundin habe er keine gemeinsamen Kinder. Zu den Kindern seiner Freundin bestehe kein für das Bestehen eines Familienlebens iSd Art. 8 EMRK relevantes Naheverhältnis. Es haben keinerlei Integrationsbemühungen festgestellt werden können. Sein Aufenthalt sei in Österreich nicht geduldet. Der BF weigere sich vehement seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen und zeige so auch seine Einstellung gegenüber Gesetzen und Vorschriften in Österreich. Das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie eines geordneten Vollzugs des Fremdenwesens überwiege jedenfalls, zumal er sich vehement weigere, das Land zu verlassen, den Eingriff in sein Privatleben nach Art 8 Abs. 1 EMRK und sei somit verhältnismäßig und gerechtfertigt.

34. Eine dagegen erhobene Beschwerde, datiert mit 01.02.2021, wurde an das Bundesverwaltungsgericht vorgelegt und gem. § 6 AVG an das zuständige BFA weitergeleitet. Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrens, brachte die Beschwerde vor, dass der BF in Österreich aufgewachsen ist und keine Verbindung zu seiner Heimat habe. Er habe familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich. Aus psychischen Gründen sei er nicht in der Lage gewesen seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Der BF würde bei Unterkunftnahme in Tirol, seine Familie und Freunde in Wien und Graz nicht besuchen können und würde aus seinem gewohnten Umfeld, welches ihm Schutz biete, herausgerissen werden. Der BF habe seine ihm zur Verfügung stehenden Rechtsmittel bisher ausgeschöpft und könne ihm daher nicht zur Last gelegt werden, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkomme, außerdem habe er ein schützenswertes Privat- und Familienleben in Österreich. Seitdem der BF sein negatives Erkenntnis des BVwG erhalten habe, sei sein psychischer Zustand weiterhin verschlechtert. Der BF leide nunmehr unter Schlafstörungen, Angstzuständen und Albträumen. In Wien und Graz habe der BF seine Familie und Freunde, die ihm in seinem derzeitigen Zustand helfen. Die Wohnsitzauflage stelle sich aufgrund der aufrechten Meldeadresse, der Vulnerabilität und der Kooperationsbereitschaft des BF als unverhältnismäßig dar. Gem. § 57 Abs. 1 FGP müssen nicht nur die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sein, sondern auch Gefahr in Verzug, beides würde nicht gegeben sein. Es werde der Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides in eventu den Bescheid aufzuheben und zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückzuverweisen. Es werde ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt. Ein Antrag auf Verfahrenshilfe im Umfang der Höhe der Eingabegebühr und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente und Stellungnahmen, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, das Zentrale Fremdenregister, Anhaltedatei und Strafregister werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehört der tschetschenischen Volksgruppe an und bekennt sich zum moslemischen Glauben. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer ist im September 2003 im Alter von 12 Jahren illegal mit seiner Familie nach Österreich eingereist und hat mit Bescheid des damals zuständigen Unabhängigen Bundesasylsenats vom 20.06.2006 wegen der Fluchtgründe seines Vaters den Status eines Asylberechtigten erhalten.

Der Beschwerdeführer ist seit 2007 neun Mal rechtskräftig wegen gerichtlich strafbarer Handlungen – im Wesentlichen wegen gegen Leib und Leben gerichteten Vergehen und Verbrechen – teilweise zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Die im Verfahrensgang aufgezählten Verurteilungen werden dem Verfahren auch als Feststellungen zu Grunde gelegt. Die letzte Tatbegehung erfolgte im Februar 2017. Der Beschwerdeführer wurde (zuletzt) Anfang November 2018 aus der Strafhaft entlassen. Von 30.10.2019 befindet bis zum 19.01.2021 befand sich der BF in Schubhaft.

Die wegen der von ihm begangenen Verbrechen und Vergehen verhängten Freiheitsstrafen

verbüßte er während nachstehender Zeiträume:

02.08.2012 bis 29.08.2013 (JA Jakomini, Conrad-von-Hötzendorf-Straße 43, 8010 Graz)

03.09.2013 bis 18.02.2014 (JA Stein, Steiner Landstraße 4 Obj. 8, 3500 Krems an der Donau)

18.02.2014 bis 05.08.2015 (JA Garsten, Am Platzl 1, 4451 Garsten)

06.08.2015 bis 04.10.2016 (JA Hirtenberg, Leobersdorfer Straße 16, 2552 Hirtenberg)

04.10.2016 bis 08.11.2018 (JA Garsten, Am Platzl 1, 4451 Garsten)

Der BF befand sich seit 2012 fast durchgehend, bis auf den Zeitraum von 08.11.2018 – 30.10.2019 in Straf- oder Schubhaft. Der BF war nach der Entlassung aus der Strafhaft nicht ordentlich gemeldet.

Mit Bescheid vom 04.11.2018 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer den ihm zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ab und stellte gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 fest, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Weiters erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 iVm § 9 BFA- VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG idgF wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.). Die Aberkennung wurde im Wesentlichen mit den strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers begründet und dazu weiter festgestellt, dass somit ein Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG 2005 vorliegen würde, da es sich bei den vom Beschwerdeführer verübten Delikten im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zweifellos, um als besonders schwer einzustufende Delikte handle, wobei die Zukunftsprognose jedenfalls negativ ausfalle. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.12.2018 wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde gemäß §§ 7 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4, 10 Abs. 1 Z 4, 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I. Nr. 100/2005 idgF, §§ 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl I. Nr. 87/2012 idgF, und §§ 52 Abs. 2 Z 3 und Abs. 9, § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5, 46 und 55 Abs. 1 bis 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I. Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis wurde rechtskräftig.

Am 27.10.2019 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.11.2019 wurde der Folgeantrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers sowohl hinsichtlich des Status der Asylberechtigten als auch jenes des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl Nr. 51/1991 idgF, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.01.2020 wurde die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 68 Abs. 1 AVG, jeweils idgF, als unbegründet abgewiesen und der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung als unzulässig zurückgewiesen. Das Erkenntnis wurde rechtskräftig.

Am 19.02.2020 brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ein. Dieser Antrag wurde abgewiesen. Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 25.05.2020, W232 2210414-3/4E, als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.

Der Beschwerdeführer hat im Herkunftsland bis zu seiner Ausreise und in Österreich die Schule besucht, wobei er in Österreich die Hauptschule und ein Polytechnikum besucht und abgeschlossen hat. Er spricht Deutsch, Tschetschenisch und Russisch. Sein Vater, seine Stiefmutter sowie drei Stiefgeschwister halten sich als Asylberechtigte im Bundesgebiet in Wien auf. Es wird keine intensive Beziehung festgestellt.

Der Beschwerdeführer ist im Jänner 2019 eine Beziehung zu einer österreichischen Staatsbürgerin eingegangen. Diese Freundin hat drei Kinder.

Im Herkunftsland des Beschwerdeführers leben zwei Onkel und eine Tante von ihm.

Der Beschwerdeführer verweigert die freiwillige Ausreise.

Der BF ist gesund, er leidet an keiner schwerwiegenden Krankheit, wenngleich er psychische Beeinträchtigungen aufgrund der bevorstehenden Abschiebung hat.

Das BFA ist in Verbindung mit den russischen Behörden, um ein Heimreisezertifikat für den BF zu erhalten.

Der BF besitzt Barmittel.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und seinen Familienangehörigen ergeben sich zur Gänze aus den glaubhaften und auch von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogenen Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren. Die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergeben sich aus einem Auszug aus dem Strafregister.

Dass der BF gesund ist ergibt sich aus den bisherigen Verfahren. Ein Einblick in die Anhaltedateien zeigt nicht auf, dass der BF an einer lebensgefährlichen Erkrankung leidet oder sonstige intensive psychische Betreuung bedurfte. Die in der Beschwerde vorgebrachten psychischen Beeinträchtigungen, sind nicht dermaßen schwerwiegend, dass es dem BF nicht möglich wäre an der zugewiesenen Unterkunft einen Wohnsitz zu nehmen. Bezüglich der Kontakte mit seinen Freunden und Verwandten besteht nunmehr vermehrt die Möglichkeit über soziale Medien den Kontakt aufrecht zu erhalten bzw. persönlichen Umgang mit ihnen zu haben. Einschränkungen aufgrund der Coronapandemie sind für alle Menschen in Österreich gleich. Der BF wurde aufgetragen medizinische Befunde vorzulegen, welche eine etwaige Erkrankung darlegen, dies wurde jedoch nicht wahrgenommen, sodass das Gericht auch davon ausgeht, dass die vorgebrachten Beeinträchtigungen teilweise ein Versuch war darzustellen, dass er erkrankt ist, dies jedoch nicht substantiiert darlegen konnte.

Die Feststellungen zu seinen Asylverfahren (Zuerkennung, Aberkennung, Folgeantrag) und Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG und Schubhaftverfahren in Österreich ergeben sich aus den Verwaltungsakten sowie den zitierten Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts.

Dass der BF keine intensive Beziehung mit der österreichischen Freundin hat, ergibt sich für das Verwaltungsgericht daraus, dass der BF mit der Freundin erst im Jahr 2019 eine Beziehung aufbaute (Schreiben der Freundin, XXXX , eingelangt bei BFA am 24.02.2020). Die Freundin gibt im Schreiben an, dass sie in Wr. Neustadt, in XXXX wohnhaft ist. Sodass der BF hier maximal bis zur Inschubhaftnahme am 30.10.2019 mit der Freundin, also seit ca. neun Monaten, zusammen war und er kurz gekannt haben konnte, da er davor bis 08.11.2018, seit 2012 fast durchgehend, in Strafhaft war. Ein intensives Leben seit der Inschubhaftnahme konnte der BF mit der Freundin nicht führen und auch die Kinder hatten mit ihm keinen intensiven väterlichen Kontakt, sodass für den BF auch bei Wohnsitznahme in Fieberbrunn, keine Änderung des Familienlebens erfolgt und dem BF möglich ist über soziale Medien mit der Freundin und deren Kindern Kontakt aufzunehmen oder aber Besuch zu erhalten. Aufgrund der kurzen Zeit des Zusammenlebens, geht das Gericht auch nicht von einer solch intensiven Beziehung aus, sodass auch der BF nicht aus einem ihm langen bekannten Umfeld herausgerissen wird. Wenngleich die Mutter der Freundin angibt, dass der BF bei ihr wohnen kann, so ist dem entgegenzuhalten, dass auch hier keine intensive Beziehung vorgebracht wurde, sodass der BF im privaten Leben keinen Nachteil erfährt. Auch hat der BF kein durchgehendes gemeinsames geregeltes Leben mit der Freundin und deren Kindern zwischen der Haftentlassung am 08.11.2018 und Inschubhaftnahme am 20.10.2019 geführt. So war der BF während diesem Zeitraum nicht gemeldet. Es wäre ihm möglich gewesen, selbständig mit dem BFA, Polizei Kontakt aufzunehmen oder mit den Meldebehörden, um eine ordnungsgemäße Meldung an einem Wohnsitz zu erlangen bzw. ein Verfahren einzuleiten. Wenn der BF im Schreiben vom 16.02.2020 angibt, dass sein Vater nunmehr 2. Herzinfarkte hatte und er sich um die Familie kümmern muss, so ist dies diametral zur Aussage, sich um die Freundin und deren Kinder zu kümmern, zumal der Vater des BF mit seiner Familie in Wien lebt und vom BF nicht vorgebracht wurde, wie er diese Wegstrecke täglich erledigte. Der BF musste auch eine Therapie/Bewährungshilfe bei Neustart in Graz absolvieren, die Freundin kam jedoch erst am 01.08.2019 nach Graz, daher geht das Gericht davon aus, dass die Beiden nur für drei Monate zusammenlebten. Das Zusammenleben und die islamische Heirat erfolgte zu einem Zeitpunkt, als dem BF bereits rechtskräftig der Asylstatus aberkannt wurde und eine Rückkehrentscheidung, sowie ein 10-jähriges Einreiseverbot erlassen wurde.

Auch ein Folgeantrag wurde durch das BVwG am 30.01.2020 rechtskräftig abgewiesen. Bei der am 15.07.2020 durchgeführten mündlichen Verhandlung zum Zweck der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft hatte der BF dennoch angegeben, dass er weder freiwillig noch sonst wieder in den Herkunftsstaat zurückkehren wolle. Daran hielt er auch fest, als er vom vorsitzführenden Richter (im Folgenden: VR) damit konfrontiert wurde, dass er auf Grund der (in Österreich) geltenden Rechtslage zur Ausreise aus dem Bundesgebiet und zur Rückkehr in den Herkunftsstaat verpflichtet ist (BF in Verhandlungsniederschrift zu GZ: G309 2226325-7 vom 15.07.2020, S. 3f). Dass der BF nicht gewillt ist die Ausreise freiwillig anzutreten ergibt sich für das Verwaltungsgericht einerseits, dass der BF nach Rechtskraft des Erkenntnisses zur Aberkennung seines Asylstatus und der Rückkehrentscheidung nicht das Bundesgebiet verlassen hat. Aber auch nach rechtkräftigen Erkenntniss bezüglich der Abweisung seines Folgeantrages hat der BF das Bundesgebiet nicht verlassen. Andererseits gab der BF während der Verhandlung vor dem BVwG, G308 2226325-1/9Z am 13.12.2019 an: „Ich habe nicht vor zurückzukehren“. Der BF bekämpfte die genannten Erkenntnisse des BVwG nicht, sodass sie alle in Rechtskraft erwachsen sind.

Darüberhinaus hat der BF selbst angegeben, dass er aus der Schubhaft flüchten wollte (BF in der Verhandlungsniederschrift zu GZ G309 2226325-7 vom 15.07.2020, S. 5 oben).

In seiner Stellungnahme vom 11.11.2020 brachte der BF erneut zum Ausdruck, dass er das Bundesgebiet nicht verlassen wolle.

Da die Entscheidungen bezüglich des Antrages auf internationalen Schutz bzw. der Aberkennung des Status als Asylberechtigter mit Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot zeitnah erfolgten, aber auch die Abweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005, geht das Gericht auch davon aus, dass der Sachverhalt für die Rückkehrentscheidung sich nicht geändert hat.

In der Beschwerde vom 11.05.2020 (AS 193, Ordner 3) zum Verfahren wegen des Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 brachte der BF nunmehr selbst wiederum vor, dass er zwar mit der Freundin seit 26.01.2019 „zusammen ist“, doch „Seit 01.08.2019 haben der BF und seine Lebensgefährtin an der gleichen Adresse gewohnt und gelebt, weshalb der BF dieses Datum angegeben hat, weil er dachte eine Lebensgemeinschaft besteht nur, wenn man an einer gemeinsamen Adresse lebt. Am 16.08.2019 haben der BF und seine Lebensgefährtin nach islamischer Tradition geheiratet“

Bei der Verhandlung beim BVwG zu G308 2226325-1/9Z am 13.12.2019 gab die Zeugin auch an, dass der BF in Graz war und sie ihn Wr. Neustadt lebte. „Er hat mich dort oft besucht, aber immer nur für ein paar Tage, weil er dauernd Termine in Graz hatte.“

Diese Adresse hat der BF auch angegeben. Eine Adresse bei seinen Eltern hat er nie angegeben und auch sonst war der BF nicht gemeldet oder hat sich um Ersatzdokumente bemüht.

Wo der BF seit der letzten Strafhaftentlassung tatsächlich gelebt bzw. gewohnt hatte, gab der BF nicht bei den Meldebehörden an und war der Zugriff durch die Fremdenbehörden durch zehn Monate hindurch entzogen (BehV Verhandlungsschrift G309 2226325-7 vom 15.07.2020, S. 4 unten).

Das Verfahren zur Abklärung der Identität des BF und zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates, durch die zuständige Auslandsvertretungsbehörde ist im Laufen und in den Erkenntnissen der Verlängerung der Schubhaft und den Verwaltungsakten ersichtlich. Aufgrund der langen Dauer des Verfahrens zur Erlangung des Heimreisezertifikats, da der BF sich auch nicht selbst bemühte ein entsprechendes Dokument zu erhalten, wurde der BF aus der Schubhaft entlassen. Der BF hatte die Möglichkeit selbst aktiv zur russischen Botschaft zu gehen und sich um eine entsprechendes Dokument für die Ausreise zu kümmern, die Ausreise will er jedoch nicht, sodass das Gericht nicht davon ausgeht, dass der BF am Verfahren mitwirken will. Da die russische Botschaft bis dato kein Heimreisezertifikat ausstellte, werden nunmehr die Eltern des BF zur Feststellung der Identität des BF herangezogen und das Verfahren bezüglich des HRZ mit der russischen Botschaft weitergeführt (AS 75, 3 Ordner).

Dass der BF Barmittel besitzt ergibt sich aus dem Auszug der Anhaltedatei, zum Zeitpunkt seiner Entlassung aus der Schubhaft.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBl I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Gemäß § 9 Abs. 2 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA. Somit ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Zu A)

Zu Spruchpunkt I.:

§ 57 FPG lautet auszugsweise:

"Wohnsitzauflage

§ 57. (1) Einem Drittstaatsangehörigen, gegen den eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und dessen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht geduldet (§ 46a) ist, kann aufgetragen werden, bis zur Ausreise in vom Bundesamt bestimmten Quartieren des Bundes Unterkunft zu nehmen, wenn

1. keine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 gewährt wurde oder

2. nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

(2) Bei der Beurteilung, ob bestimmte Tatsachen gemäß Abs. 1 Z 2 vorliegen, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Drittstaatsangehörige

1. entgegen einer Anordnung des Bundesamtes oder trotz eines nachweislichen Angebotes der Rückkehrberatungsstelle ein Rückkehrberatungsgespräch (§ 52a Abs. 2 BFA-VG) nicht in Anspruch genommen hat;

2. nach Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise seinen Wohnsitz oder den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts gewechselt und das Bundesamt davon nicht in Kenntnis gesetzt hat;

3. an den zur Erlangung einer Bewilligung oder eines Reisedokumentes notwendigen Handlungen im Sinne der § 46 Abs. 2 und 2a nicht mitwirkt;

4. im Rahmen des Asylverfahrens, des Verfahrens zur Erlassung der Rückkehrentscheidung oder des Rückkehrberatungsgesprächs erklärt hat, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen;

5. im Asylverfahren oder im Verfahren zur Erlassung der Rückkehrentscheidung über seinen Herkunftsstaat oder seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht hat.

(3) [...]

(4) Die Verpflichtungen des Drittstaatsangehörigen aufgrund einer Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ruhen, wenn und solange

1. die Rückkehrentscheidung gemäß § 59 Abs. 6 oder die Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 vorübergehend nicht durchführbar,

2. sein Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 46a geduldet oder

3. ihm die persönliche Freiheit entzogen ist.
(5) Wird eine Rückkehrentscheidung gemäß § 60 Abs. 3 gegenstandslos oder tritt eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 4 außer Kraft, tritt auch die Wohnsitzauflage außer Kraft.

(6) Die Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) anzuordnen. In diesem sind dem Drittstaatsangehörigen auch die Folgen einer allfälligen Missachtung zur Kenntnis zu bringen."

§ 46 FPG lautet auszugsweise:

"[...]

(2) Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat - vorbehaltlich des Abs. 2a - bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen. Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a geduldet ist.

(2a) Das Bundesamt ist jederzeit ermächtigt, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (§ 97 Abs. 1) auszustellen. Macht es davon Gebrauch, hat der Fremde an den Amtshandlungen des Bundesamtes, die der Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung oder der Ausstellung des Reisedokumentes gemäß § 97 Abs. 1 dienen, insbesondere an der Feststellung seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft, im erforderlichen Umfang mitzuwirken und vom Bundesamt zu diesem Zweck angekündigte Termine wahrzunehmen.

[...]"

Aus den Erläuterungen zum FRÄG 2017 betreffend § 57 FPG ergibt sich auszugsweise Folgendes:

"[...] Die Erlassung einer Wohnsitzauflage soll dabei nicht systematisch erfolgen, sondern hat jedenfalls abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls zu ergehen. Dabei sind insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie Art. 8 EMRK - insbesondere im Hinblick auf das Bestehen familiärer Strukturen, die Wahrung der Familieneinheit und die besonderen Bedürfnisse von Minderjährigen auch im Sinne der Jugendwohlfahrt - zu berücksichtigen. Die Wohnsitzauflage soll daher als ultima ratio nur dann angeordnet werden, wenn der Drittstaatsangehörige seiner Verpflichtung zur Ausreise bislang nicht nachgekommen ist und aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls anzunehmen ist, dass er auch weiterhin seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird.
[...]

Zu Abs. 1:

[...]

Die zweite Konstellation soll auch jene Fälle umfassen, in denen zwar eine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt wurde, der Drittstaatsangehörige aber nicht innerhalb der Frist ausgereist ist und anzunehmen ist, dass er seiner Ausreiseverpflichtung auch weiterhin nicht nachkommen wird.

[...]

Zu Abs. 2:

In Abs. 2 werden jene Tatsachen näher definiert und demonstrativ aufgezählt, welche im Sinne des Abs. 1 Z 2 die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

Ein Hinweis auf die mangelnde Bereitschaft zur Ausreise ist naturgemäß dann gegeben, wenn der Drittstaatsangehörige selbst angibt, dass er nicht bereit ist, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Es kann des Weiteren davon ausgegangen werden, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird, wenn er ein ihm angebotenes oder angeordnetes Rückkehrberatungsgespräch zum Zweck der freiwilligen Ausreise nicht wahrnimmt. Ebenso wird davon auszugehen sein, dass der Drittstaatsangehörige nicht bereit ist auszureisen, wenn er während einer gewährten Frist zur freiwilligen Ausreise nicht ausgereist ist und anschließend seinen Wohnsitz bzw. den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts ändert, ohne das Bundesamt hiervon in Kenntnis zu setzen. Ferner kann von mangelhafter Bereitschaft zur Ausreise ausgegangen werden, wenn der betreffende Drittstaatsangehörige es unterlässt, an der Beschaffung von für die Ausreise erforderlichen Dokumenten mitzuwirken oder ein vorhandenes Reisedokument vernichtet oder sich dessen auf sonstige Weise entledigt. Hat der Drittstaatsangehörige bereits im Verfahren über seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht und damit die Beschaffung von für die Ausreise erforderlichen Dokumenten erschwert bzw. verhindert, wird ebenfalls von einer mangelnden Bereitschaft zur Ausreise auszugehen sein.

Da es sich bei Abs. 2 um eine demonstrative Aufzählung handelt, kommen auch weitere Umstände in Betracht, welche die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird. Weitere denkbare Gründe in diesem Sinne sind etwa falsche oder widersprüchliche Angaben zum Vorliegen einer Voll- oder Minderjährigkeit bzw. voneinander abweichende Altersangaben in Verfahren vor verschiedenen Behörden (dazu VwGH 25.02.2015, Ra 2014/20/0045) sowie die Verschweigung von vorhandenen Identitätsdokumenten. Hievon sollen beispielsweise jene Fälle erfasst sein, in denen Drittstaatsangehörige im Verfahren vor dem Bundesamt angeben, über keine Identitätsdokumente zu verfügen, während sie im Verfahren vor anderen Behörden (bspw. dem Standesamt im Zuge einer Eheschließung) oder Gerichten solche vorlegen.
[...]

Zu Abs. 6:

Die Auferlegung der Wohnsitzauflage gemäß § 57 erfolgt mittels Mandatsbescheid gemäß §57 AVG. Ein solcher kann erlassen werden, wenn es sich um die Vorschreibung einer Geldleistung oder wegen Gefahr in Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt. Für den vorgeschlagenen § 57 ist der Tatbestand "Gefahr in Verzug" maßgeblich: In der Fallkonstellation nach Abs. 1 Z 1 ist der Ausschluss einer Frist zur freiwilligen Ausreise an die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Rückkehrentscheidung (§ 18 Abs. 2 BFA-VG) geknüpft. Somit wurde bereits im Falle einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde und der Nichtgewährung einer Frist gemäß § 55 festgestellt, dass eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegt. Dadurch ist die Erlassung der Wohnsitzauflage in dieser Konstellation mittels Mandatsbescheid aufgrund der bereits zuvor anlässlich des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung festgestellten Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zulässig. Hinsichtlich der zweiten Fallkonstellation nach Abs. 1 Z 2 liegt eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vor, wenn anzunehmen ist, dass der Drittstaatsangehörige weiterhin nicht ausreisen wird (zumal er dies bereits während der Frist für die freiwillige Ausreise nicht getan hat). Das bloße unrechtmäßige Verbleiben im Bundesgebiet sowie ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt, ohne dass bereits eine entsprechende Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung auferlegt oder feststellt, und unabhängig davon, ob die Einreise bereits unrechtmäßig oder rechtmäßig erfolgte, stellt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar (VwGH 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042; 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042). Dies muss umso mehr gelten, wenn bereits eine im Wege eines rechtsstaatlichen Verfahrens getroffene Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung feststellt oder auferlegt, und der Drittstaatsangehörige dieser Verpflichtung auch nach Ablauf einer ihm eingeräumten Frist für die freiwillige Ausreise nicht nachkommt bzw. die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ihr weiterhin nicht nachkommen wird. Weiters ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellt und der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190; 15.12.2015, Ra 2015/19/0247). Daher ist in diesen Fällen von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auszugehen, wodurch die Erlassung der Wohnsitzauflage mittels Mandatsbescheides gerechtfertigt ist."

Die Annahme, dass der Beschwerdeführer - nach unstrittigem Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 - seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird, stützte die belangte Behörde darauf, dass der Beschwerdeführer erklärt habe seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen und der Beschwerdeführer untergetaucht ist und keine behördliche Meldung im Bundesgebiet nach der Entlassung aus der Strafhaft bzw. zumindest nach abweisenden Erkenntnis des BVwG vom 13.12.2018 aufwies..

Die belangte Behörde führte in ihrer Entscheidung zudem zutreffend aus, dass der BF sich im bisherigen Verfahren unkooperativ verhalten hätte, weil er der ihm auferlegte Ausreiseverpflichtung, durchsetzbar seit 13.12.2018, nicht nachgekommen sei und er trotz der bestehenden gesetzlichen Verpflichtung die Ausreise aus Österreich verweigert hätte. Zudem sei der BF untergetaucht und weise keine behördliche Meldung im Bundesgebiet auf.

Unter diesen Aspekten ist die Begründung der belangten Behörde, dass (diese) bestimmten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird, im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf Privat- und Familienleben, Wohnung und Briefverkehr nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479). Ebenso kommt Normen, die ein geordnetes Fremdenwesen betreffend Einreise und Aufenthalt von Fremden regeln, ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0192). Nichts anders kann bezüglich der Ausreise nicht aufenthaltsberechtigter Fremder gelten.

Aus den Erläuternden Bemerkungen zur Wohnsitzauflage nach § 57 FPG ergibt sich, dass hinsichtlich der zweiten Fallkonstellation nach Abs. 1 Z 2 eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegt, wenn anzunehmen ist, dass der Drittstaatsangehörige weiterhin nicht ausreisen wird (zumal er dies bereits während der Frist für die freiwillige Ausreise nicht getan hat). Das bloße unrechtmäßige Verbleiben im Bundesgebiet sowie ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt, ohne dass bereits eine entsprechende Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung auferlegt oder feststellt, und unabhängig davon, ob die Einreise bereits unrechtmäßig oder rechtmäßig erfolgte, stellt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar (VwGH 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042; 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042). Dies muss umso mehr gelten, wenn bereits eine im Wege eines rechtsstaatlichen Verfahrens getroffene Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung feststellt oder auferlegt, und der Drittstaatsangehörige dieser Verpflichtung auch nach Ablauf einer ihm eingeräumten Frist für die freiwillige Ausreise nicht nachkommt bzw. die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ihr weiterhin nicht nachkommen wird. Weiters ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellt und der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190; 15.12.2015, Ra 2015/19/0247). Daher ist in diesen Fällen von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auszugehen, wodurch die Erlassung der Wohnsitzauflage mittels Mandatsbescheides gerechtfertigt ist.

Der Beschwerdeführer war nach Entlassung aus der Strafhaft nicht ordnungsgemäß gemeldet. Eine Unterkunftnahme bei seinem Vater und seiner Stiefmutter bzw. Stiefgeschwistern brachte der BF auch nicht vor. Eine gemeinsame Wohnungsnahme mit seiner Freundin erfolgte erst zwei Monate vor Inschubhaftnahme. Die familiären Bindungen zu seiner Familie sind nicht sehr intensiv, so zeigt sich auch in seinem deliquenten Verhalten, dass der BF nicht gewillt ist, sich an die Rechtsordnung in Österreich zu halten. Auch die Beziehung zu seiner Freundin sind nicht intensiv, wenngleich nicht übersehen wird, dass er mit ihr islamisch verheiratet ist. Er kennt sie jedoch erst seit kurzer Zeit nach der Strafhaft und lebte nunmehr, aufgrund der Inschubhaftnahme, seit über einem Jahr nicht mir ihr und ihren Kindern zusammen, sodass auch keine Verfestigung des BF an einen bestimmten Ort erfolgte. Aber auch aufgrund der fast durchgängigen Strafhaft seit 2012 hat der BF auch in keinem anderen Ort eine starke soziale Verfestigung im Sinne der Judikatur des VwGH vom 23.01.2020, Ra 2019/21/0378. So ist auch nicht hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer gesellschaftlich, kulturell oder in einer sonstigen Weise an einen Wohnort gebunden ist.

Demgegenüber wiegt die beharrliche Weigerung des Beschwerdeführers, der ihn treffenden Ausreiseverpflichtung auch nach Ablauf der ihm eingeräumten Frist zur freiwilligen Ausreise nachzukommen, insbesondere im Lichte des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens schwer zu seinen Lasten. Zudem muss sich der Beschwerdeführer aufgrund der gegen ihn erlassenen Rückkehrentscheidung und der verstrichenen Frist für die freiwillige Ausreise dessen bewusst sein, dass er seinen Lebensmittelpunkt bei seiner Freundin oder seinem Vater nicht aufrechterhalten wird können.

In Abwägung der nur schwachen Bindung des Beschwerdeführers an seinen früheren Wohnort sind in Relation zu dem dargestellten öffentlichen Interesse allfällige - insbesondere in der Beschwerde monierten - Unannehmlichkeiten durch die Aufgabe seines Wohnsitzes bei seiner Freundin sowie bei der Anreise in das Quartier nach Fieberbrunn, weiters eine Einschränkung seiner sozialen Kontakte in Wien nicht so gewichtig, dass sie das öffentliche Interesse überwiegen würden.

Der in der Beschwerde vertretenen Auffassung, es handle sich bei einer Wohnsitznahme in der Betreuungsstelle um einen Entzug seines privaten Lebens, kann sich das Bundesverwaltungsgericht nicht anschließen, da kein Grund ersichtlich ist, warum sich der BF dort nicht frei bewegen könne. Allein der Umstand, dass die Betreuungsstelle nicht an ein öffentliches Verkehrsmittel angeschlossen ist, entspricht keinem Freiheitsentzug, zumal es dem BF auch zumutbar ist, gegebenenfalls Wegstrecken zur Fuß zu bewältigen oder Mitfahrgelegenheiten zu organisieren oder die Familie ihn besuchen kann. Auch die gesundheitliche Einschränkung ist nicht dermaßen, dass dem BF nicht zumutbar wäre den Wohnsitz anzunehmen. Entsprechende Befunde wurden nicht vorgelegt und die psychische Belastung der Gefahr der Abschiebung ist verständlich, aber nicht ausreichend dafür, eine solche Wohnsitzauflage nicht Folge leisten zu müssen.

Dass es hinsichtlich der Rückkehrentscheidung eine Änderung des Sachverhaltes eingetreten ist, kann seitens des Verwaltungsgerichtes nicht festgestellt werden. Da die Interessen des Privat- und Familienlebens des BF in den zitierten zeitnahen Entscheidungen des BVwG berücksichtigt wurden und währende der Schubhaft sich diese nicht verstärkt haben.

In der Erlassung eines Bescheides anstelle eines Mandatsbescheides ist nicht zu sehen, dass der BF durch die Anordnung der Wohnsitzauflage nach Ermittlung des Sachverhaltes mit „ordentlichen“ Bescheid, der sofort mit Beschwerde an das BVwG bekämpfbar ist und nicht mit Mandatsbescheid, gegen den nur eine (jedenfalls) keine aufschiebende Wirkung habende Vorstellung an das BFA erhoben hätte werden können, in subjektiven Rechten verletzt wurde (VwGH 04.04.2019, Ro 2018/21/0008).

Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid war daher abzuweisen.

Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

§ 13 VwGVG lautet:

"§ 13

Aufschiebende Wirkung

§ 13. (1) Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat aufschiebende Wirkung.

(2) Die Behörde kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.

(3) Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 B-VG haben keine aufschiebende Wirkung. Die Behörde hat jedoch auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Bescheid zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit der

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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