Entscheidungsdatum
05.03.2021Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W280 2233654-1/9E
W280 2233653-1/5E
W280 2233652-1/5E
W280 2238185-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Wolfgang BONT über die Beschwerden von XXXX , geb. XXXX 1992, des XXXX , geb. XXXX .2013, des XXXX , geb. XXXX .2015, und der XXXX geb. XXXX 2020, alle StA. Russische Föderation, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .06.2020, Zl. XXXX , XXXX , XXXX , und vom XXXX .12.2020, Zl. XXXX zu Recht:
A)
In Erledigung der Beschwerden werden die angefochtenen Bescheide behoben und die Angelegenheiten gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die nach eigenen Angaben am XXXX 1992 geborene Beschwerdeführerin (BF 1) stellte am XXXX .2019 für sich und ihre beiden minderjährigen Söhne (BF 2, geb. XXXX .2013 und BF 3, geb XXXX .2015), alle Angehörige der Russischen Föderation, Anträge auf internationalen Schutz.
Im Zuge der Erstbefragung am XXXX .10.2019 gab die BF 1 an, gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten und den beiden gemeinsamen Söhnen von Russland nach Österreich gereist zu sein, wo sie alle einen Asylantrag gestellt haben. Sie sei aus Angst um ihr Leben und das ihrer Kinder geflohen, da die Bekannten ihres Lebensgefährten sie aufgrund ihrer Religion verbal mit dem Tod bedroht hätten. Diese Drohungen hätten im August 2019 begonnen.
Am XXXX .02.2020 wurde die BF 1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA oder belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen. Im Wesentlichen führte sie im Rahmen der Befragung aus, dass sie als russische Staatsangehörige der russischen Volksgruppe zugehörig sei und der russisch-orthodoxen Religionsgemeinschaft angehöre. Im XXXX 2012 habe sie ihren Mann traditionell nach muslimischen Ritus geheiratet.
Bis zur gemeinsamen Flucht aus der Russischen Föderation im September 2019 habe sie zusammen mit ihrer Familie in der Stadt XXXX gewohnt. In ihrem Herkunftsstaat habe sie weder Probleme mit Sicherheitsbehörden noch anderen staatlichen Stellen gehabt.
Anlässlich eines Telefonats, das ihr Mann am XXXX .09.2019 in arabischer Sprache geführt habe, habe sie mitbekommen, dass er bedroht werde und jemand von ihm Geld verlange. Näheres habe sie von ihm trotz Nachfrage nicht erfahren.
Am Abend des XXXX .09.2019 seien sodann vier Polizisten zu ihnen nach Hause gekommen und hätten ihren Mann sprechen wollen. Während sie gegenüber den Polizisten dessen Rückkehr für den nächsten Tag avisiert habe, sei dieser durch einen Sprung aus dem Fenster vor diesen geflohen. Ihr Mann habe bislang nie Probleme mit der Polizei gehabt und habe er ihr gegenüber auch danach über solche nicht gesprochen.
Am selben Abend seien sodann zwei ihr unbekannte Männer nach Hause gekommen, hätten ihren abwesenden Mann telefonisch kontaktiert und habe dieser ihr am Telefon gesagt, sie solle für sich und die Kinder die Sachen zusammenpacken und mit den beiden Männern mitgehen. In der Nähe eines LKW Parkplatz habe dann ihr Mann auf die Familie gewartet. Sodann seien sie drei Tage mit einem LKW bis in die Nähe von Wien gefahren. Die gegen ihren Mann gerichteten Bedrohungen würden auch eine Bedrohung ihrer Person darstellen. Einer angebotenen Hilfe durch die russische Polizei habe sie nicht vertraut, zumal ihr Mann sich seit 9 Jahren illegal in Russland aufgehalten habe.
Mit gegenständlich in Beschwerde gezogenen Bescheiden des BFA vom XXXX .06.2020, Zl. XXXX , XXXX und XXXX , wurden die Anträge der Beschwerdeführer BF 1, BF 2 und BF 3 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Zif 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Zif 13 AsylG (Spruchpunkt II.) abgewiesen.
Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Zif 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) wurden wider die Beschwerdeführer Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Zif 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen betrage (Spruchpunkt VI.).
Am XXXX .2020 wurde die gemeinsame Tochter der BF 1 und deren (nach muslimischen Ritus angetrauten) Mannes, XXXX , geboren. Hinsichtlich der Tochter erging seitens des BFA am XXXX .12.2020, Zl. XXXX eine Entscheidung gleichlautend mit den Entscheidungen betreffend die Ehefrau (BF 1) und die beiden Söhne (BF 2 und BF 3).
Die belangte Behörde hat die gegenständlichen Beschwerden und die Bezug habenden Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am XXXX .07.2020, eingelangt am XXXX .08.2020, vorgelegt. Die Beschwerdevorlage hinsichtlich der Tochter (BF 4) erfolgte am XXXX .12.2020, eingelangt am XXXX .12.2020.
Ebenfalls mit Bescheid vom XXXX .06.2020, Zl. XXXX , wurde der Antrag des Mannes der BF 1 auf internationalen Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylG 2005 vom BFA als unzulässig zurückgewiesen, diesem ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründe gem. § 57 AsylG nicht erteilt, gem. § 10 Abs. 1 Zif 1 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen diesen eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Zif 1 FPG erlassen, sowie festgestellt, dass gem. § 52 Abs. 9 FPG eine Abschiebung gem. § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei und gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen erteilt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Mann der BF 1 rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Dieses erkannte mit Beschluss vom XXXX .08.2020 zu Zl. W240 XXXX der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu.
Mit dem – zeitgleich mit der gegenständlichen Entscheidung ergangenen - Beschluss zu Zl. W240 XXXX wurde der Beschwerde des Mannes der BF 1 gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin BF 1, eine der russischen Volksgruppe zugehörige russische Staatsangehörige, die der russisch–orthodoxen Religionsgemeinschaft angehört, und deren Identität nicht eindeutig festgestellt werden kann, stellte am XXXX .10.2019 für sich und ihre beiden Söhne XXXX (BF 2) und XXXX (BF 3) einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Am XXXX .2020 wurde die Tochter Zeinab geboren. Die Mutter als gesetzliche Vertreterin stellte am XXXX .11.2020 für diese ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz (BF 4).
Festgestellt wird, dass der Vater dieser Kinder, der - nach muslimischen Ritus angetraute - Ehemann der BF 1 namens XXXX ist, dessen Beschwerdeverfahren zu W240 XXXX ebenfalls beim BVwG anhängig ist.
2. Beweiswürdigung:
Verfahrensgang und Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus den zu den gegenständlichen Rechtssachen vorliegenden Verfahrensakten der belangten Behörde und des Bundesverwaltungsgerichtes sowie der beim BVwG zum Beschwerdeverfahren des Mannes der BF 1 und deren gemeinsamen Kinder aufliegenden Akten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG entscheiden die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt in der vorliegenden Rechtssache Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes, ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961 des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A)
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und folgende für die Auslegung des § 28 VwGVG maßgeblichen Gesichtspunkte aufgezeigt:
Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, auch dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt. Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist. Angesichts des in §28VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlange das im §28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck finde, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werde. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen würde daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt habe. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte für die Annahme bestünden, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH 26.11.2003, 2003/20/0389).
Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof, in nunmehr ständiger Rechtsprechung, ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 mwN, 14.421/1996, 15.743/2000).
Wie bereits von der belangten Behörde festgestellt, liegt in den gegenständlich zu beurteilenden Fällen ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 vor.
§ 34 Abs. 1 AsylG 2005 lautet:
Stellt ein Familienangehöriger von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. diese nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3);
2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Artikel 8 EMRK mit dem Familienangehörigen, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten unter der Voraussetzung der Absätze 2 und 3 alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.
Gemäß Abs. 5 leg. cit. gelten die Bestimmungen der Absätze 1 bis 4 sinngemäß für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Familienangehörige sind gemäß § 2 Abs. 1 Zif 22 AsylG, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familiengemeinschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.
Entscheidungsrelevante Tatbestandsmerkmale sind "die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art 8 MRK" und der Umstand, dass dieses Familienleben mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht zumutbar ist.
Die minderjährigen Beschwerdeführer und deren Mutter als auch der Vater sind Familienangehörige im Sinne der zitierten Bestimmung.
In dem zeitgleich mit dieser Entscheidung ergangenen Beschluss des BVwG zu Zl. W240 XXXX , wird unter näherer Ausführung festgestellt, dass die Einschätzung des BFA, wonach der Vater der BF 2, BF 3 und BF4 sowie Ehemann der BF 1 als Drittstaatsangehöriger in der Russischen Föderation Schutz vor Verfolgung finden könne und sohin dessen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen sei, nicht nachvollziehbar dargelegt worden sei.
Des Weiteren verweist die Entscheidung des BVwG darauf, dass anhand der vom BFA eingeholten Rechercheergebnisse es - ohne entsprechende weitere Ermittlungen durchzuführen um das Verfahren einer hinreichenden nachprüfenden Kontrolle zu unterziehen - nicht hinreichend gesichert ist, ob der Mann der BF 1 und Vater der BF 2, BF 3 und BF 4, sich tatsächlich in der russischen Föderation auf einen Aufenthaltstitel stützen kann.
Da sohin der maßgebliche Sachverhalt im Hinblick auf den Vater der Kinder und den Ehemann der BF 1 aufgrund der aufgezeigten erheblichen Mängel im erstinstanzlichen Ermittlungsverfahren nicht feststeht, kann auch der Sachverhalt im Hinblick auf das gemäß § 34 AsylG zu führende Familienverfahren nicht feststehen, zumal die BF 1 als auch die gemeinsamen Kinder keine eigenen Fluchtgründe geltend bzw. glaubhaft gemacht haben.
Eine Entscheidung in den die BF 1, BF 2, BF 3 und BF 4 betreffenden Beschwerdesachen kann jedoch aufgrund der fehlenden Ermittlungen im Zulassungsverfahren betreffend den Vater und Ehemann insofern nicht getroffen werden, als ein divergierender Sachverhalt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu unterschiedlichen Entscheidungen im gegenständlichen Familienverfahren führen, dieses sowohl mit Rechtswidrigkeit behaften und als auch eine Verletzung der von Art 8 EMRK postulierten Rechte nach sich ziehen könnte.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.
Da also vor dem Hintergrund des zu führenden Familienverfahrens der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, waren in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen die angefochtenen Bescheide der belangten Behörde gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unter Berücksichtigung des Ergebnisses der ergänzend zu führenden Ermittlungen im Zulassungsverfahren zurückzuverweisen.
Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Da auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid zurückzuweisen ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Zif 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.
Zu B): Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung (s. die o. zitierte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen bzw. liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht Familienverfahren Kassation mangelnde SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W280.2233653.1.00Im RIS seit
16.06.2021Zuletzt aktualisiert am
16.06.2021