Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §18;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde der S, mit den beiden mj. Kindern A und H, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. September 1995, Zl. 4.305.033/16-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist iranische Staatsangehörige und am 5. November 1990 in das Bundesgebiet eingereist. Am 7. November 1990 beantragte sie, ihr Asyl zu gewähren. Anläßlich ihrer am 12. November 1990 erfolgten niederschriftlichen Befragung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich gab sie an:
Sie habe nie einer politischen Partei angehört und sie habe sich auch nie politisch betätigt. Sie habe ihr Heimatland "aus rein wirtschaftlichen, politischen und sozialen Gründen" verlassen. Sie habe ihren Kindern eine "gewisse Sicherheit bieten wollen, was in ihrem Heimatland jedoch nicht möglich" gewesen sei. Sie sei mehrmals von Revolutionswächtern angehalten worden, weil ihre Kleidung nicht ganz der Norm entsprochen habe. Sie (und ihr Ehemann) seien auch ständig zu Hause angerufen, ihr Mann sei immer wieder zum Paßamt geladen und dort aufgefordert worden, Auskünfte über die Nachbarschaft zu geben. Dadurch seien sie sehr beunruhigt gewesen, weshalb sie sich zur Flucht entschlossen hätten.
Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 16. April 1991 wurde festgestellt, daß die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen der Genfer Flüchtlingskonvention (hinsichtlich der Flüchtlingseigenschaft) nicht erfülle.
In der dagegen erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, daß ihr Ehemann "Anhänger der Mudjahedin" gewesen sei. Er sei von Beginn an gegen das diktatorische Regime gewesen. Die Schwierigkeiten hätten 1981 mit den Kämpfen der Mudjahedin gegen die Regierung begonnen. Ihr Haus sei immer wieder von islamischen Geheimpolizisten und Soldaten gestürmt worden. Diese hätten ihren Ehemann verhaften wollen. Schließlich sei sie selbst am 31. Dezember 1985 verhaftet und für eine Woche im "Ewin-Gefängnis (Polizeigefängnis in Teheran)" angehalten worden. Während ihrer Inhaftierung sei sie des öfteren schwer geschlagen und mißhandelt worden. Ihre Augen seien verbunden worden. Sie sei "sieben Tage in einer Zelle mit schrecklichen Erlebnissen gewesen". Sie habe "nahezu keine Chance zum Überleben gehabt". Sie sei ständig über den Verbleib ihres Mannes und seine Tätigkeit befragt worden. Nachdem sie schließlich gänzlich erschöpft gewesen sei, sei sie freigelassen worden. Am 17. Jänner 1986 sei ihr Ehemann verhaftet worden. Dieser habe jedoch fliehen können und in der Folge seien sie genötigt gewesen, ständig die Wohnung zu wechseln. Sie hätten ein paar Jahre "im Verborgenen leben" müssen.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. November 1993 wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen. Nach Aufhebung dieses Bescheides mit hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 1994 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (infolge Aufhebung des Wortes "offenkundig" durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94) ermöglichte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin in dem bei ihr wieder anhängig gewordenen Berufungsverfahren im Sinne des zitierten Erkenntnisses einfache Mängel des Verfahrens erster Instanz zu rügen und etwa daraus folgende Sachverhaltsergänzungen vorzunehmen. In ihrem Schreiben vom 9. Mai 1995 machte die Beschwerdeführerin unter Vorlage einer Abhandlung des UNHCR vom 24. April 1995 über die Rolle des Dolmetschers im Asylverfahren geltend, sie hätte entsprechend der darin enthaltenen Empfehlung, bei Einvernahmen von weiblichen Asylwerbern über erlittene Mißhandlungen weibliche Dolmetscher zuzuziehen, von einer Frau befragt werden sollen. Sie habe sich nicht getraut, den vollen Umfang ihrer Erlebnisse dem männlichen Beamten und Dolmetscher zu schildern. Sie sei während ihrer Haft nicht nur mehrfach geschlagen worden, wobei sie auch einen Rippenbruch erlitten habe, sondern es habe ein Wachebeamter überdies versucht, sie zu vergewaltigen. Sie beantrage daher, zu sämtlichen Vorkommnissen während der Zeit von 1985 bis zu ihrer Flucht nochmals unter Beiziehung eines weiblichen Dolmetschers und einer Referentin des Bundesasylamtes einvernommen zu werden.
Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Bescheid vom 21. September 1995 wies die belangte Behörde die Berufung neuerlich gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe keine Mängel des Verfahrens erster Instanz dargetan, die gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 eine Wiederholung des Verfahrens erster Instanz bzw. ihre ergänzende Einvernahme geboten erscheinen ließen. Es sei gemäß § 20 Abs. 1 leg. cit. von den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens erster Instanz auszugehen. Die Beschwerdeführerin habe in erster Instanz angegeben, sie sei mehrmals von Revolutionswächtern angehalten worden, weil ihre Kleidung nicht völlig der Norm entsprochen habe. Derartige Beanstandungen durch Revolutionswächter wegen der Nichteinhaltung der islamischen Bekleidungsvorschriften seien jedoch nicht als individuelle Verfolgungshandlungen im Sinne der Genfer Konvention anzusehen. Diese Bekleidungsvorschriften seien Rechtsvorschriften, die von sämtlichen Frauen im Iran im gleichen Ausmaß zu beachten seien. Die bloß ablehnende Haltung eines Asylwerbers gegenüber dem in seinem Heimatstaat bestehenden politischen System begründe keine Flüchtlingseigenschaft. Auch in den Telefonanrufen könne keine asylrelevante Verfolgungshandlung gesehen werden, zumal Verhören oder Befragungen für sich allein eine derartige Qualifikation nicht zukomme. Die Vorfälle gegen den Ehemann der Beschwerdeführerin könnten nicht den gewünschten Verfahrensausgang bewirken, weil es nur auf solche Umstände ankomme, die eine Person unmittelbar betreffen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag, den Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Als Mangelhaftigkeit des Verfahrens beanstandet die Beschwerde den Standpunkt der belangten Behörde, daß sie gemäß § 15 AVG von der Richtigkeit und Vollständigkeit des über die Niederschrift mit der Beschwerdeführerin in erster Instanz aufgenommenen Protokolls ausgegangen sei. In diesem Zusammenhang verweist die Beschwerde zwar zutreffend darauf, daß die Vermutung des § 15 AVG dann nicht zum Tragen kommt, wenn die aufgenommene Niederschrift die Voraussetzungen des § 14 AVG nicht erfüllt. Richtig ist auch, daß bei einer ordnungsgemäß aufgenommenen Niederschrift der Partei die Möglichkeit offen steht, den Gegenbeweis für die Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges bzw. die Unvollständigkeit der festgehaltenen Aussage zu führen. Die Beschwerdeführerin zeigt jedoch die Relevanz ihrer Verfahrensrüge, daß die belangte Behörde mangels einer den vorerwähnten Bestimmungen entsprechend aufgenommenen Niederschrift nicht von deren Richtigkeit und Vollständigkeit ausgehen hätte dürfen, nicht auf. Sie macht nicht geltend, daß das Protokoll ihre in erster Instanz getätigte Aussage unrichtig oder nicht vollständig wiedergäbe. Die Beschwerdeführerin macht vielmehr geltend, sie habe wesentliche asylrelevante Umstände deshalb zurückgehalten, weil der Einvernahme kein weiblicher Dolmetscher zugezogen worden sei. Die Beschwerdeführerin verweist dazu auf die in Ablichtung vorgelegte Stellungnahme des UNHCR zur Rolle des Dolmetschers, wonach bei der Einvernahme von Frauen, wenn der Anschein einer Mißhandlung vorliegen könnte, ein weiblicher Dolmetscher beigezogen werden solle. Es könne - so die Beschwerde weiters - keinesfalls ausgeschlossen werden, daß bei einer neuerlichen Einvernahme der Beschwerdeführerin mit einem weiblichen Dolmetscher die belangte Behörde zum Schluß gelange, daß ein plausibler Grund vorhanden sei, warum sie bei ihrer Ersteinvernahme nicht von stattgefundenen Mißhandlungen berichtet habe.
Abgesehen davon, daß ein Rechtsanspruch auf Zuziehung eines weiblichen Dolmetschers bei der Einvernahme von weiblichen Asylwerbern grundsätzlich nicht besteht, wird in der von der Beschwerdeführerin zitierten Empfehlung des UNHCR die Zuziehung eines weiblichen Dolmetschers bei der Einvernahme von Asylwerberinnen dann als erforderlich angesehen, wenn es um die Einvernahme von traumatisierten Personen (z.B. Vergewaltigungen, physischer Mißbrauch) geht. Im vorliegenden Fall hat aber die Beschwerdeführerin bei ihrer Einvernahme in erster Instanz keinerlei Mißhandlungen erwähnt. Auch in der Beschwerde wird nicht dargelegt, weshalb der die Einvernahme leitende Beamte der zuständigen Sicherheitsdirektion Veranlassung hätte haben sollen, zur Überwindung von allfälligen Kommunikationsbarrieren bzw. psychischen Hemmschwellen einen weiblichen Dolmetscher zuzuziehen. Nach dem insoweit unbestrittenen Inhalt des Protokolls hatte auch die Beschwerdeführerin selbst nicht beantragt, sie möge unter Beiziehung eines weiblichen Dolmetschers, allenfalls auch durch eine weibliche Beamtin einvernommen werden. Sie legt auch nicht dar, warum sie dazu nicht in der Lage gewesen wäre.
Der Verweis auf § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 ändert nichts daran, daß die Asylbehörden nur im Falle hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, gemäß der zitierten Gesetzesstelle in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen haben. Aus dieser Gesetzesstelle kann keine Verpflichtung der Behörden abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. als Beispiel für viele hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800 bis 0803 und die daran anschließende Judikatur).
Die Rüge der Beschwerdeführerin, der ihrer Vernehmung beigezogene Dolmetscher sei kein Amtsdolmetscher im Sinne des § 39a AVG gewesen, ist nicht berechtigt, weil es gemäß § 18 Abs. 1 Asylgesetz 1991 genügt, daß ein GEEIGNETER Dolmetscher, der den gesamten Verlauf der Vernehmung in die Sprache der Beschwerdeführerin oder eine ihr ausreichend verständliche Sprache zu übersetzen hatte, beigezogen wurde und dies nicht bedeutet, daß sich die Behörden eines Amtsdolmetschers bedienen müssen (vgl. das hg. Erkenntis vom 17. Februar 1993, Zl. 92/01/0777).
Da die belangte Behörde demzufolge das Vorliegen einer der Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 zutreffend als nicht gegeben erachtete, war sie gemäß § 20 Abs. 1 leg. cit. verpflichtet (lediglich) die Ermittlungsergebnisse des Verfahrens erster Instanz ihrer rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen. Ausgehend davon erweist sich aber die von der belangten Behörde vorgenommene rechtliche Qualifikation des von ihr zugrunde zu legenden Sachverhaltes als frei von einem Rechtsirrtum.
Voraussetzung zur Erlangung von Asyl gemäß § 3 iVm § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 ist eine vom Asylwerber zu behauptende, individuell ihn betreffende Verfolgungsgefahr aus einem der dort (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) genannten Gründe. Wenn auch ein Eingriff von asylerheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Asylwerbers noch nicht stattgefunden haben muß, so ist es doch wesentlich, daß eine wohlbegründete Furcht vor einer solchen drohenden Verfolgung objektiv nachvollziehbar vorgelegen haben muß. Eine asylerhebliche Intensität liegt dann vor, wenn der befürchtete Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die belangte Behörde bewegt sich auf dem Boden der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wenn sie die in erster Instanz von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Umstände (Telefonanrufe und Befragungen über Nachbarn, wirtschaftliche Benachteiligungen, Einhaltung der Bekleidungsvorschriften) als nicht geeignet angesehen hat, begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 glaubhaft zu machen (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1996,
Zlen. 95/20/0321, 0322, mwN).
Die Beschwerde war daher als unbegründet im Sinn des § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995200661.X00Im RIS seit
20.11.2000